Summer Breeze 2024 – Navigation
Dienstag, 13. August 2024
Soulprison | Fall of Serenity | Defocus | Shredhead | Disbelief | Dark Tranquillity
Mittwoch, 14. August 2024
Blasmusik Illenschwang | Brothers of Metal | Sylosis | The Amity Affliction | Flogging Molly | Emmure | Meshuggah | Equilibrium | Hammerfall | Lord Of The Lost | Enslaved | Aetherian
Donnerstag, 15. August 2024
Ignea | Dynazty | The Night Eternal | Paleface Swiss | The Black Dahlia Murder | J.B.O. | Fixation | Blind Channel | Jinjer | Behemoth | Architects | Rotting Christ | Dark Tranquillity | The Ocean | Siamese
Freitag, 16. August 2024
Svalbard | Future Palace | Warkings | Voodoo Kiss | Neaera | Delain | Memoriam | Motionless In White | Feuerschwanz | Necrotted | Callejon | Amon Amarth | Tenside | Cradle of Filth | Lordi | Moonspell
Samstag, 17. August 2024
Samurai Pizza Cats | Nestor | Rise of the Northstar | Before the Dawn |
Eclipse | Unearth | Orden Ogan | Spiritbox | Subway To Sally |
Heaven Shall Burn | Unprocessed | Cult of Fire | Insomnium
Dienstag, 13. August 2024
Vertrauen bekommt man nicht einfach so geschenkt, man muss es sich verdienen. Ein Glück also, dass die Veranstalter:innen des SUMMER BREEZE OPEN AIRs bereits in den vergangenen Jahrzehnten kräftig in Vorleistung gegangen sind. Pünktlich zur 25. Auflage geht man in Dinkelsbühl nämlich notgedrungen neue Wege: Ein Anreisekonzept für den vorgeschalteten Dienstag musste her, um gleich zweier Herausforderungen Herr zu werden. Neben einer Großbaustelle in der nahegelegenen Ortschaft waren es die vollkommen überfüllten Straßen aus dem Vorjahr, die vorab für Kopfzerbrechen sorgten.
2024 soll es also anders und hoffentlich besser funktionieren: Mit gedeckeltem Kontingent und gebuchten Zeitslots für die Frühanreise sollen die Blechlawine entzerrt und Stoßzeiten vermieden werden. Den Unmut derjenigen, die bei der Ticketvergabe leer ausgingen, besänftigt dieses System zwar kaum, dafür aber alle anderen Gemüter, die vor zwölf Monaten noch stundenlang in der behäbigen Metallkolonne ausharren mussten. Und tatsächlich: Die Organisation läuft besser an als gedacht, so dass über die offiziellen Kanäle schon vorzeitig die Nachmittagsbuchungen an die Einlasskontrolle gebeten werden können. Ein Erfolg, den wir selbst spüren, hatten wir doch wohl seit der ersten Dinkelsbühler Auflage im Jahr 2006 keine entspanntere Anfahrt.
Das Camp steht somit bereits am Vormittag, was uns in der beißenden Mittagshitze erlaubt, noch einmal in aller Seelenruhe die Eckdaten abzuklopfen, bevor am späten Nachmittag das Aufwärmprogramm den Startschuss setzt für fünf Tage Festivaltreiben voller Höhepunkte und Überraschungen. Wir meinen damit nicht allein die vier großen Headliner AMON AMARTH, ARCHITECTS, HEAVEN SHALL BURN und MESHUGGAH, welche ihren Beitrag leisteten, um insgesamt rund 45.000 Besucher:innen auf das ausverkaufte Gelände zu locken.
Neuer Look zum Jubiläum: Über den Campsite Circus wacht nun ein Horror-Clown
Zum Jubiläum hat sich das SUMMER BREEZE nämlich einige kleine wie unerwartete Kniffe einfallen lassen, welche bereits am heutigen Dienstag ihre Spuren hinterlassen sollen. Dabei sticht zuvorderst natürlich die Neugestaltung der ehemaligen Party Stage auf dem Camping-Areal ins Auge. Nicht nur scheint das Areal gefühlt ein weniger breiter angelegt, auch ein Wellenbrecher trennt nun die Action im vorderen Segment von der Verpflegungsmeile im hinteren Bereich, wo zudem ein überdimensionaler Clown seine Finger nach der Bühne ausstreckt.
Allein bei 34°C unter blauem Himmel macht sich der fehlende Slush-Eis-Stand aus dem Vorjahr schon kurz nach unserer Ankunft schmerzlich bemerkbar, weshalb wir uns nach kurzer Stärkung am Imbiss schnell in Richtung Bühne orientieren, wo die sich gemächlich setzende Sonne zumindest für ein paar schattige Flecken sorgt.
SOULPRISON
Wie perfekt unser Timing dabei ist, wird uns schon nach wenigen Augenblicken bewusst: Denn allein vor der Sonne ist die Menschentraube vor den Brettern offenbar nicht geflohen. Vielmehr erwartet man bereits den inoffiziellen Festivalauftakt, der auch dieses Jahr in regionaler Hand liegt: Den Stuttgartern SOULPRISON wird diese Ehre zu teil, die sie gleich nonchalant mit einem krachenden Start zu nutzen wissen – um vor der Bühne aufzuräumen und um klarzustellen, was in den kommenden 40 Minuten auf den Campsite Circus zukommen wird.
Das brachiale „Resurrect“ spricht eine deutliche Sprache, der das Publikum offensichtlich gleichermaßen mächtig ist. In der Tat haben wir in diesen ersten Minuten keineswegs mit einem derart stattlichen Moshpit gerechnet, den SOULPRISON im Folgenden mit groovenden und schnellen Stücken gleichermaßen füttern. Der Thrash-Einschlag ihres kompromisslosen Hard- bzw. Metalcores treibt zwischendurch den Circle Pit an, bevor in „True Colors“ die erste Wall of Death des Festivals ineinanderkrachen darf.
Voller Körpereinsatz ist bei SOULPRISON an der Tagesordnung
Dass im Eifer des Gefechts gar ein leerer Bierbecher in hohem Bogen auf die Bühne segelt, sollte man eher als Zeichen vollen Körpereinsatzes denn als Kritik verstehen. Vielleicht legen sich alle Beteiligten in diesen Anfangsminuten sogar zu sehr ins Zeug: Mit einem Stromausfall kapituliert schließlich sogar die Technik vor der geballten Aggression, woraufhin die Show trotz Zugabe-Forderungen zu einem vorzeitigen Schluss kommen muss. Immerhin ist die kleine Tanzeinlage zum Schlagzeug als alternatives Ende nicht minder unterhaltsam.
Fotogalerie: SOULPRISON
FALL OF SERENITY
Als primäre Leidtragenden dieser Komplikationen müssen sich FALL OF SERENITY anschließend in Geduld und dann Disziplin üben: Eine Dreiviertelstunde später als geplant darf die Melodic Death Metal-Band auf die Bühne und muss sich in der Folge von rund der Hälfte ihres Sets verabschieden. 20 Minuten Vollgas ohne Schnickschnack soll es dafür geben, bei der kleinere Ungereimtheiten im Sound letztlich zur Nebensache werden.
Was zählt, ist die Spielfreude des Quintetts und der Elan, den die aktuellen Stücke auf die Bühne bringen. Das fantastische „Darkness, I Command“ prescht nach vorne, bei „Chaos Reign“ darf der Campsite Circus kollektiv die Fäuste recken und im treibenden „Thy Pathway“ zum Abschluss etwas Staub aufwirbeln. Ein starker, wenn auch viel zu kurzer Auftritt einer sympathischen Band, die mit diesem Circle Pit aber immerhin ein Ende bekommt, das ihrer würdig ist.
FALL OF SERENITY Setlist – ca. 20 Min.
1. To Tear The Flesh
2. Chaos Reign
3. I Don’t Expect I Shall Return
4. Darkness, I Command
5. Thy Pathway
Fotogalerie: FALL OF SERENITY
DEFOCUS
Ähnlich wie das Gesamtprogramm des Festivals ist auch der heutige Vortag stilistisch breit aufgestellt. DEFOCUS in der Mitte des Ablaufplans zu platzieren, scheint uns daher ein kluger Schachzug. Immerhin ist der moderne Metalcore des Quartetts mitsamt seiner groovenden Djent-Anleihen der ideale Eisbrecher, um in den sommerlichen Abendstunden auch diejenigen zu mobilisieren, die zuvor noch durch die erbarmungslose Sonne lahmgelegt waren.
Wie das auszusehen hat, machen DEFOCUS gerne und bereitwillig vor. Vor allem Gitarrist Bambam setzt in aller Regelmäßigkeit zu waghalsigen Sprüngen und Martial-Arts-Demonstrationen an, bis es ihn schließlich in „Let The Bond Be My Grave“ nicht einmal mehr auf der Bühne hält. Von der nahegelegenen Aussichtsplattform heizt der Musiker die Meute an, ohne natürlich die eine oder andere Rockstar-Pose zu vergessen.
Mittels maximaler Intensität empfehlen sich DEFOCUS für das Hauptprogramm
Auf den knackigen Breakdown von „Biased“ folgt schließlich eine beachtliche Wall of Death in „Disease“, für welche die Formation sogar zusätzliche Sicherheitsausrüstung mitgebracht hat: Anders können wir uns die Schwimmnudeln jedenfalls nicht erklären, welche vor der Einlage an die motivierten Fans ausgehändigt werden. Klar, so skurril wie eine GUTALAX-Show ist das nachfolgende Bild nicht, in Erinnerung bleibt uns der Poolpasta-Salat dennoch.
Weil DEFOCUS darüber hinaus mit dem nachdenklichen „Don’t Let It Hurt Me“ auch Zeit für einen Ruhepol finden, nutzt sich der sonst auf maximale Intensität getrimmte Cocktail nicht ab. Klare Sache: Ein besseres Empfehlungsschrieben für einen künftigen Slot auf der Rebel Stage kann man wohl nicht abliefern.
DEFOCUS Setlist – ca. 45 Min.
1. Thoughts Of A Vision
2. Biased
3. Disease
4. Let The Bond Be My Grave
5. Consumed By You
6. Common Grave
7. Don’t Let It Hurt Me
8. Flatlines
9. Tides
10. Crooked Mind
Fotogalerie: DEFOCUS
SHREDHEAD
So langsam zieht man auf dem Campsite Circus die Daumenschrauben an. SHREDHEAD bringen nicht nur eine kompromisslose Härte nach Dinkelsbühl, auch der unwiderstehliche Groove holt uns binnen Sekunden ab. Obgleich wir uns nach den Strapazen des Tages lieber nicht in die Mitte des Pits wagen, setzt sich unsere Nackenmuskulatur doch wie von Geisterhand in Bewegung, wenn „Burn Your Master“ oder „The Rope“ über das Areal hereinbrechen.
Die Stimmung im Zentrum ist ausgelassen, die Band gut aufgelegt, so dass gerade der harte Kern im Getümmel gar nicht so mitbekommt, was sich über den Köpfen der Besucher:innen abspielt. Blitze und dunkle Wolken am Horizont sorgen hier und da für besorgte Blicke, ob sich des Nächtens nicht doch noch etwas zusammenbraut. Es spricht somit für die energische Darbietung SHREDHEADs, wenn die volle Aufmerksamkeit dem Circle Pit gilt. Dabei warnen die Israelis das SUMMER BREEZE doch höchstselbst vor einer unangenehmen Überraschung: „Risk Of Rain“ quittieren die Fans ob der ausgelassenen Stimmung aber lieber mit ein paar Crowdsurfern.
Fotogalerie: SHREDHEAD
DISBELIEF
Wir müssen lange überlegen, wann wir DISBELIEF das letzte Mal live erleben durften. Irgendwie hat es nie gepasst, wenn die Death-Metal-Veteranen doch mal in der Stadt waren. Umso freudiger stellen wir nun fest, wie gut sich die Mannen um Frontmann Jagger nicht nur in unserer Erinnerung gehalten haben. Mit fettem Sound und dem bandtypisch unbarmherzigen Groove überrollen uns neue wie alte Songs gleichermaßen.
Ob DISBELIEF in „Killing Karma“ etwas stärker aufs Tempo drücken oder im atmosphärischen „A Leap In The Dark“ ihre klassischen Stärken ausspielen: Sonderlich gut werden unsere Halswirbel am nächsten Morgen sicherlich nicht auf uns zu sprechen sein. Dass abseits fliegender Haarbüschel auf und vor den Brettern relativ wenig Show geboten wird, stört daher nicht im Geringsten. Das inszenatorische Highlight, als sich Sänger Jagger für das genannte „A Leap In The Dark“ kurzzeitig eine weiße Maske im Porzellan-Look übers Gesicht zieht, bleibt wohl auch deshalb im Gedächtnis hängen.
DISBELIEF spielen heute Abend gezielt ihre Stärken aus
Stärker aber noch beeindruckt die Setlist, welche mit „Navigator“ einen Gruß an alle Weithergereisten hinausschickt, bevor Jagger mit dem Klassiker „Sick“ fast 20 Jahre später die „heilige Zeit in Abtsgmünd“ heraufbeschwört. Tatsächlich haben wir seinerzeit 2005 am alten Standort nicht nur DISBELIEF-, sondern auch persönliche Festivalpremiere gefeiert. Ein wenig Nostalgie sei uns in diesen Minuten also vergönnt, welche die Formation als Krönung einer starken Show mit dem wunderbaren „Rewind It All (Death Or Glory)“ ein weiteres Mal zu füttern weiß.
Fotogalerie: DISBELIEF
DARK TRANQUILLITY
Eigentlich hätte es das ja sein sollen mit Konzert-Programm für den Dienstag, doch dann kommt doch alles ein wenig anders als gedacht. Dass sich DARK TRANQUILLITY nicht einfach mit einer Frage-Antwort-Session zum neuen Album zufriedengeben würden, sorgte letztlich für eine faustdicke Überraschung auf dem Campsite Circus. Wenn man schon einmal da sei, könne man ja gleich noch ein bisschen mit den eigenen Fans feiern: Aber nicht einfach irgendwie, sondern mit einem speziell zusammengestellten Set, das neben zahlreichen Klassikern und Raritäten sogar mehrere Live-Premieren umfasst.
Von „The Treason Wall“ über “Single Part Of Two” bis hin zu “Format C: For Cortex” tischen uns die Göteborger rund die Hälfte ihres Klassiker-Werks „Damage Done“ (2002) auf und ergänzen diese Auslese bei tollem Soundmix um lange nicht gehörte Kompositionen à la „One Thought“ oder „The Fatalist“. Doch egal, ob DARK TRANQUILLITY nun mit dem wundervollen „Lethe“ einen Ausflug in die Neunziger wagen oder mit dem nie vor Publikum dargebotenen „Remain In The Unknown“ aktuelles Material vortragen, gehuldigt wird in dieser Dienstagnacht jedem Song gleichermaßen.
DARK TRANQUILLITY überraschen mit Klassikern und Live-Premieren
Das breite Grinsen vieler Anhänger:innen ist auch uns ins Gesicht geschrieben, weil wir hier in vergleichsweise intimem Rahmen einen unserer absoluten Lieblingsacts erleben dürfen; weil die Songauswahl einen besondere Aura in die angenehm kühle Nachtluft zaubert und weil diese Bindung zwischen Band und Publikum irgendwie magisch erscheint. Natürlich ist dieser Eindruck geprägt von subjektiver Wahrnehmung, doch ganz leugnen kann man dieses innige Verhältnis zwischen DARK TRANQUILLITY und dem SUMMER BREEZE OPEN AIR wohl nicht: Bereits zum achten Mal stehen die Schweden hier auf den Brettern, was mit zwei ganz besonderen Aufführungen gefeiert werden soll: Sowohl „Faithless By Default“ als auch das progressiv angehauchte „Empty Me“ feiern heute Live-Premiere – immerhin sei man als Band nun endlich gut genug, den letztgenannten Track vor Publikum umzusetzen, witzelt der immer sympathische Frontmann Mikael Stanne vor dem Show-Finale.
Sicherlich ein Highlight des 60-minütigen Auftritts, dem man aber noch ein kleines Schmankerl im Nachgang zur Seite stellt: Nicht nur Autogramme dürfe man sich im Anschluss bei der Band abholen, auch das brandneue Studioalbum „Endtime Signals“ kann auf dem SUMMER BREEZE bereits vor dem offiziellen Release am Freitag erstehen. Da nimmt man sich doch gerne noch ein paar Minuten mehr Zeit als geplant.
DARK TRANQUILLITY Setlist – ca. 60 Min.
1. The Treason Wall
2. One Thought
3. The Fatalist
4. Nothing To No One
5. Single Part Of Two
6. Remain In The Unknown
7. Format C: For Cortex
8. Lethe
9. Damage Done
10. Cathode Ray Sunshine
11. Faithless By Default
12. Final Resistance
13. Empty Me
Mittwoch, 14. August 2024
Guten Morgen, Sonnenschein! Wenn selbst die musikalische Morgenuntermalung plötzlich wohlige Gefühle auslöst, dann weißt du, dass du zu Hause bist. Zwar muss der Pavillon nach den nächtlichen Windböen mit etwas Panzertape wieder in Form gebracht werden, der große Regen blieb jedoch glücklicherweise aus. Somit dürfte auch das eigentliche Festivalgelände dem bevorstehenden Ansturm gewappnet sein, wo uns ab 15 Uhr ein abwechslungsreiches und vor allem volles Programm erwartet: Den Headliner MESHUGGAH wollen wir natürlich ebenso mitnehmen wie die Dark-Metal-Größe LORD OF THE LOST und die Folk-Punk-Veteranen FLOGGING MOLLY.
Außerdem erwartet uns neben diversen Künstlern der „Nuclear Blast Label Night“ auch der ominöse „Surprise Act“ auf der Rebel Stage. Gerätselt hat man im Vorfeld viel, zumal schnell die Runde machte, dass auf dem Rücken des offiziellen Festivalshirts ganze drei zusätzliche Namen Platz gefunden haben. Stecken hinter der Ankündigung nun GUTALAX oder MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN? Und warum haben HAMMERFALL spontan für Mittwochnachmittag ein Meet & Greet angekündigt? Wir haben schon eine leise Vorahnung und es ist leider keine Kollaboration aus allen drei Parteien, obwohl Klobürsten schwingende Krieger in stählerner Rüstung auf der blauen See sicherlich eine gute Figur machen würden.
Als wir jedenfalls schweißgebadet das Infield betreten, fällt uns die Orientierung denkbar einfach. Das leicht abschüssige und daher sehr übersichtliche Gelände bietet mehr als genug Platz für bis zu 45.000 Gäste, die sich je nach Laune auf die drei Bühnen, ebenso viele Einkaufsmeilen und Imbissbuden samt Biergarten verteilen.
BLASMUSIK ILLENSCHWANG
Zunächst aber drängt die Masse über den T-Square zur zugehörigen Bühne, wo auch 2024 eine liebgewonnene Tradition herbeigesehnt wird. Weshalb die Festivaleröffnung durch die lokale BLASMUSIK ILLENSCHWANG für tausende Besucher:innen ein Pflichttermin ist, erfahren wir unmittelbar nach dem Einmarsch der Musikanten: Es vergehen wortwörtlich Sekunden, bis die ersten Crowdsurfer:innen auf den Händen nach vorne gereicht werden, während sich die stetig wachsende Polonaise einen Weg durch die Menge bahnt.
Textsicher und in Partylaune zeigt sich das SUMMER BREEZE, wenn nach dem obligatorischen „Grüß Gott, ihr Freunde“ so beliebte Evergreens wie „Die Fischerin vom Bodensee“ oder „Auf der Vogelwiese“ angestimmt werden. Dazwischen schwingt man den überdimensionalen Bierkrug zu „Ein Prosit der Gemütlichkeit“, um in der Nachmittagshitze ausreichende Flüssigkeitszufuhr sicherzustellen. Die Spritreserven braucht man in Dinkelsbühl schließlich, um zum FÄASCHTBÄNKLER-Cover „Ein Leben lang“ hüpfender Weise eine Art Circle Pit anzutreiben oder mittels Wall of Death und Ruder-Übungen den staubigen Boden vor der T-Stage umzupflügen.
Der traditionelle Auftakt mit der BLASMUSIK ILLENSCHWANG wird erneut zum Fest
Selbst an trockene Kleidung hat das Orchester diesmal gedacht: Alle jene, die es schon zum Auftakt übertrieben haben, können direkt vor Ort frische Klamotten erstehen – diesmal sogar in schwarz, wie uns Dirigent Martin Krauß unter Jubel wissen lässt. Eine Gratis-Kostprobe verteilt der Leiter des Gespanns so denn an eine offenbar nicht adäquat gekleidete Besucherin: Immerhin müsse man sich bei diesen Temperaturen unbedingt vor der unbarmherzigen Sonne schützen.
Der Main Stage hat das SUMMER BREEZE zum Jubiläum ein Upgrade spendiert
Am anderen Ende des Geländes sind die Bedingungen natürlich ähnlich: Schatten ist auf dem sogenannten Battlefield rares Gut, weshalb die wenigen Plätze unmittelbar vor der Main Stage schnell belegt sind. Dort ist man nicht nur von den Sonnenstrahlen bestens geschützt, auch genießt man perfekten Blick auf die Bühne, die zum Jubiläum in neuem Gewand erstrahlt. Die beliebten Gargoyles, die nach der Pandemie nur in animierter Form über die gigantischen Leinwände flimmern durften, rahmen die Aufbaut endlich wieder ein und geben so dem Festivalgelände ein wenig klassischen Charakter zurück.
BROTHERS OF METAL
Die Show stehlen können die beiden Skulpturen dem ersten Act derweil nicht: BROTHERS OF METAL werden bereits von einer eingefleischten Fangruppe sehnlichst erwartet, die ihrerseits teils in Barbaren-Gewand, teils als Götter verkleidet das Areal unsicher macht. Das bleibt auch der sympathischen Band nicht verborgen, die kurzerhand „Theft Of The Hammer“ dem jungen Mann in Thor-Montur widmet, nachdem das SUMMER BREEZE zuvor in „Njord“ bereits fleißig auf- und abgesprungen war.
Man müsse schließlich etwas gegen die kalten Temperaturen unternehmen, witzelt Erzähler Mats Nilsson, dessen Bühnenpräsenz trotz geringerer Gesangsanteile der seiner Kolleg:innen ebenbürtig ist. Klar, drei Gitarristen sind für die Musik BROTHERS OF METALs eigentlich nicht nötig, die sichtbare Spielfreude des Gespanns, welcher Sängerin Ylva Eriksson zudem die richtige Ladung Power und Emotion zur Seite stellt, triumphiert letzten Endes aber ohnehin über jegliche nüchterne Logik.
BROTHERS OF METAL sind sich ihrer Rolle bewusst und zelebrieren ihren Kitsch mittels eingängiger Hits
Zumal die besten Geschichten ohnehin das Festival selbst schreibt: Dass zu „Powersnake“ etwa ein aufblasbares Gemächt sein Unwesen im Publikum treibt, ist Situationskomik par excellence und in einer kruden Weise auch sinnbildlich für die Philosophie der Schweden. Klischee und Kitsch liegen hier nah beieinander, doch sind sich BROTHERS OF METAL ihrer Rolle stets bewusst, ohne sich als Quatschköpfe zu inszenieren. Das beweist die Truppe spätestens mit eingängigen Hits à la „The Other Son Of Odin“ oder der beliebten Powerballade „Yggdrasil“, die auch heute nicht im Set fehlen darf.
BROTHERS OF METAL Setlist – ca. 60 Min.
1. The Death Of The God Of Light
2. Prophecy Of Ragnarök
3. Njord
4. Ride Of The Valkyries
5. Powersnake
6. Theft Of The Hammer
7. Yggdrasil
8. The Other Son Of Odin
9. The Mead Song
10. One
11. Defenders Of Valhalla
Fotogalerie: BROTHERS OF METAL
SYLOSIS
Ernste Mienen statt lachender Gesichter begrüßen uns indes an der T-Stage, wo SYLOSIS um Gitarrist und Sänger Josh Middleton (ex-ARCHITECTS) die „Nuclear Blast Label Night“ mit einem regelrechten Sturm einläuten. Folglich dreht sich der Circle Pit in „Poison For The Lost“ bereits nach wenigen Sekunden und das nicht zum letzten Mal in den kommenden Minuten.
Dafür sorgen moderne Thrash-Knaller à la „I Sever“, welchen die Band in gleichen Teilen groovende Brecher zum Haareschütteln zur Seite stellt. Wie gut das vor der T-Stage ankommt, zeigen die zahllosen Fäuste, die „Pariahs“ bzw. „The Blackest Skyline“ begleiten und nur für die Wall of Death in „Stained Humanity“ anderweitigen Einsatz finden. Dank sauber gespielter Soli und eines gewohnt tighten Ali Richardson (BLEED FROM WITHIN) hinter dem Schlagzeug überzeugen SYLOSIS das SUMMER BREEZE im Handumdrehen von den Vorzügen ihres größtenteils aktuellen Materials.
SYLOSIS Setlist
1. Poison For The Lost
2. Pariahs
3. I Sever
4. Stained Humanity
5. The Blackest Skyline
6. Altered State Of Consciousness
7. A Sign Of Things To Come
8. Worship Decay
9. Deadwood
Fotogalerie: SYLOSIS
THE AMITY AFFLICTION
Während THE AMITY AFFLICTION derzeit ihre Club-Konzerte zum Zehnjährigen ganz im Zeichen ihrer Platte „Let The Ocean Take Me“ (2014) halten, spendieren die Australier den europäischen Festivals eine bunt gemischte Platte aus bewährten Hits und erlesenen Klassikern. Doch egal, was letztendlich auf der Setlist geschrieben steht, kennen die zahlreich erschienenen Fans ohnehin jede Silbe des umfassenden Backkatalogs auswendig – selbst wenn der Sound wie heute aufgrund des präsenten Basses so manches Detail verschluckt.
Dafür gibt es in 60 Minuten quasi das Maximum an Musik: Statt langer Ansagen folgt ein Track auf den nächsten, so dass die Ausdauer der enthusiastischen Anhänger:innen auf die härteste aller Proben gestellt wird. Dass dem Circle Pit in „All My Friends Are Dead“ darüber hinaus durch meterhohe Flammenwerfer zusätzlich Feuer unterm Hintern gemacht wird, ist diesbezüglich sicherlich nicht hilfreich.
Zwischen Crowdsurfern und Hochzeitsantrag haben die Grabenschlampen im Fotograben alle Hände voll zu tun
Schlapp machen will trotzdem niemand, zumal der Strom an Crowdsurfern während „Death’s Hand“ und „My Father’s Son“ gar nicht mehr abzuebben scheint – sogar der eine oder andere Rollstuhlfahrer versucht hier sein Glück und sorgt bei den unermüdlich rackernden Grabenschlampen für Überstunden im Fotograben. Dabei war es dort nur wenige Minuten vorher noch zu einem ganz besonderen Augenblick gekommen, als ein Mitglied der Security seiner nun bald besseren Hälfte die Frage aller Fragen stellte. So viel Romantik blieb selbst Shouter Joel Birch nicht verborgen, der das überwältigte Pärchen kurzerhand in den Arm nahm.
Auszusetzen gibt es an dieser Vorstellung somit eigentlich rein gar nichts, zumal Aushilfsbassist und Sänger Tim Beken (TRUE NORTH) in Vertretung für Ahren Stringer eine ausgezeichnete Performance abliefert.
THE AMITY AFFLICTION Setlist – ca. 60 Min.
1. Pittsburgh
2. All My Friends Are Dead
3. Drag The Lake
4. Show Me Your God
5. Death’s Hand
6. My Father’s Son
7. It’s Hell Down Her
8. I See Dead People
9. Like Love
10. Open Letter
11. Lost & Fading
12. Give It All
13. Don’t Lean On Me
14. Soak Me In Bleach
Fotogalerie: THE AMITY AFFLICTION
FLOGGING MOLLY
„That’s alcohol abuse for God’s sake!” Bei Guinness hört für Sänger Dave King der Spaß offensichtlich auf. Der augenzwinkernde Tadel jedenfalls galt einem Fan in den vorderen Reihen, dem zum Auftakt der Show die ihm zugeworfene Bierdose unglücklich durch die Finger glitt. Dass es der Frontmann mit der gespielten Empörung nicht ganz so ernst meint, ist freilich keine wirkliche Überraschung, gilt für FLOGGING MOLLY in den nächsten 80 Minuten doch vornehmlich eine Devise: Dinkelsbühl soll trinken, feiern und die Sorgen vergessen.
Ein Kredo, das man auf dem Battlefield nur zu gerne beherzigt: Zum Opener „Drunken Lullabies“ geht es vor der Bühne recht gedrängt zu, während man den Platz am Rand gerne nutzt, um das Tanzbein zu schwingen. Dass bei so viel Unbeschwertheit auch der eine oder andere Tropfen Gerstensaft auf der trockenen Erde landet, behalten wir aus Sorge um Kings Nerven lieber für uns. Anders als bei der Guinness-Dose zu Beginn ist hier nämlich nichts mehr zu retten.
FLOGGING MOLLY trotzen den Regentropfen mit guter Laune
Dass der Alkohol auch sonst in Strömen fließt – nur eben vornehmlich die Kehlen der feierwütigen Fans hinab -, ist dem belebenden Folk Rock FLOGGING MOLLYs zu verdanken, der in „Whistles The Wind“ zum Schunkeln einlädt, in „The Hand Of John L. Sullivan“ das Taktgefühl der Meute auf die Probe stellt und sich in „Devil’s Dance Floor“ schließlich dank Whistle-Begleitung und einer Menge Elan nicht mit bloßem Stillstehen zufriedengibt. Gut gekleidet und lebenslustig trotzen die Iren schlussendlich sogar dem unerwarteten Wetterumschwung, so dass nicht einmal die fallenden Regentropfen unserer guten Laune etwas anhaben können.
FLOGGING MOLLY Setlist – ca. 80 Minuten
1. Drunken Lullabies
2. The Hand Of John L. Sullivan
3. (Try) Keep The Man Down
4. Whistles In The Wind
5. Life In A Tenement Square
6. A Song Of Liberty
7. Tobacco Island
8. The Croppy Boy ‘98
9. Float
10. Rebels Of The Sacred Heart
11. Devil’s Dance Floor
12. Crushed (Hostile Nations)
13. If I Ever Leave This World Alive
14. These Times Have Got Me Drinking / Tripping Up The Stairs
15. What’s Left Of The Flag
16. Seven Deadly Sins
Fotogalerie: FLOGGING MOLLY
EMMURE
Wir müssen zugeben: So richtig warm geworden sind wir mit EMMURE bislang nie. Die pure Mosh-Maschine aus tief gestimmten Gitarren und Bollo-Riffs wird uns auf Platte schnell eintönig, weshalb wir eher mit gedämpften Erwartungen zur T-Stage eilen. Dort hat sich um kurz vor acht und zu unserer Überraschung allerdings eine durchaus stattliche Hörerschaft eingefunden, die ihrerseits gar nichts anderes erwartet als den puren Abriss.
Eben jenen liefert die Metalcore-Band auf kompromisslose und brettharte Weise, obgleich Shouter Frankie Palmeri zumindest anfangs mit der Resonanz noch nicht ganz zufrieden scheint. Abseits der engagierten Mitte ist die Rückmeldung zunächst noch verhaltener, auch wenn „Shinjuku Masterlord“ oder das zum Springen einladende „(F)inally (U)nderstanding (N)othing“ im Live-Kontext eine Menge Dampf machen. Somit bekommt der harte Kern exakt das, was er verlangt – nur uns holen die gut aufgelegten EMMURE mit ihrer recht gleichförmigen Masche leider auch heute nicht ab, weshalb wir es bei einem kurzen Abstecher belassen und uns programmtechnisch bald wieder neu orientieren.
Fotogalerie: EMMURE
MESHUGGAH
Wie sehr bei MESHUGGAH jede Kleinigkeiten absolut akribisch durchgeplant ist, bekommen die zahlreichen Fotografen zu spüren, die eben nicht wie üblich während der ersten drei Songs den Auslöser bedienen dürfen, sondern einen Zeitslot inmitten des Sets zugeteilt bekommen. Eigentlich also exakt so, wie während der identischen Headline-Tournee im Frühjahr.
Ein Grund für diese Entscheidung liegt auf der Hand: Das eröffnende „Broken Cog“ spielt sich als überlang inszeniertes Intro überwiegend in Dunkelheit ab, wobei die Musiker rhythmisch von ihrer Rückseite aus beleuchtet werden. Die mannshohen Aufsteller, die hier als Lichtspender dienen, sind nur ein Teil der perfekt ausgeklügelten Lightshow, welche jeden Rhythmuswechsel und jede noch so kleine Akzentuierung von Drummer Thomas Haake miteinkalkuliert.
MESHUGGAH spielen ein makelloses und akribisch durchgeplantes Set
Polyrhythmik und vertrackte Grooves gehören ebenso zur Grundausstattung wie die steril-kalte Atmosphäre, welche durch lange Interludes und eine massive Soundwand verstärkt werden. Liebhabern des charakteristischen Sounds der Schweden kredenzen MESHUGGAH ein makelloses, wenngleich routiniert heruntergespieltes Set, das Aktuelles („Kaleidoscope“) und Althergebrachtes („Perpetual Black Second“) gleichermaßen in Betracht zieht und mit dem abermals aufwühlenden Doppel „In Death – Is Life“ sowie „In Death – Is Death“ den Szenenwechsel auf der Stage mit einem Paukenschlag vollzieht.
Einzig der Blick über das Areal bestätigt unsere vorausgehende Skepsis: So erfolgreich die Skandinavier für eine Extrem-Metal-Band sein mögen, als Headliner der Main Stage sind MESHUGGAH bei allem Respekt offenbar nicht die populärste und somit perfekte Wahl. Für einen Hauptact jedenfalls steht gerade im hinteren Bereich des Battlefields noch reichlich Raum zur Verfügung.
Fotogalerie: MESHUGGAH
EQUILIBRIUM
Das genaue Gegenteil erleben wir gegenüber an der T-Stage, wo das Publikum weit bis in den eigentlichen Durchgangsbereich steht. Ist es das musikalische Kontrastprogramm oder die besondere Stellung, die EQUILIBRIUM hier im Süden Deutschlands genießen? Die Wertschätzung jedenfalls gibt die Formation gerne zurück, als Sänger Fabian Getto von der „schönsten Heimat, die man sich vorstellen kann“ spricht. Bevor jedoch zum damit angekündigten „Heimat“ gesprungen werden darf, recken die Anhänger:innen vor der Bühne zu tausenden die Smartphone-Lichter, um der Single „Cerulean Skies“ das passende Ambiente zu schenken.
Obgleich EQUILIBRIUM ihre Show hier und da mittels einiger Spezialeffekte untermalen, ist es aber wie schon auf dem WISDOM TOOTH FESTIVAL der neue Frontmann selbst, der uns am meisten beeindruckt. Nicht nur stimmlich verschmelzt Getto moderne Klangfarben mit den aggressiven Screams alter Klassiker, auch sonst wirkt die explosive Bühnenpräsenz des Shouters ungemein aufrüttelnd. Die Wall of Death zum Evergreen „Blut Im Auge“ ist allein aus diesem Grund quasi Ehrensache. Den einzigen kleinen Dämpfer versetzten uns derweil MESHUGGAH: Durch deren Extrawurst schafften wir es am T-Square nicht mehr rechtzeitig in den Fotograben – C’est la vie.
HAMMERFALL (Surprise Act)
Meine Güte, was ist denn hier los? Uns schwant schnell Übles, als wir uns durch die Mengen in Richtung der nahegelegenen Rebel Stage durchschlagen. Regelrechte Zuschauerhorden blockieren das gesamte Areal, um irgendwie einen Blick auf die kleine Stage zu erhaschen, wo für dreiviertel elf ein Überraschungsgast angekündigt ist. Über zwei Dekaden soll jener schon auf dem Buckel haben und eigentlich deutlich größere Bühnen unsicher machen. Von eher abstrusen Tipps wie BÜLENT CEYLAN bis hin zu GUTALAX und MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN reicht die Fantasie der Anwesenden, bei denen sich der wahrscheinlichste Kandidat offenbar doch noch nicht herumgesprochen hat.
Dass es letztendlich HAMMERFALL sind, die ihr neues Album „Avenge The Fallen“ (2024) vorstellen, war angesichts der spontan angekündigten Meet-and-Greet-Session nebenan ein offenes Geheimnis. Mächtig feiern lassen sich die Schweden nach dem Auftakt „Heeding The Call“ dennoch – fehlenden Spaß an der Sache kann man Joacim Cans und seinen Mannen auch heute nicht vorwerfen. In eine Dreiviertelstunde packt das Quintett diesmal zwar keine aufwendige Pyroshow, dafür aber sogar mit „Hail To The King“ und „The End Justifies“ zwei brandneue Stücke, die durch solche bewährten Live-Hits wie „Any Means Necessary“, „Last Man Standing“ oder natürlich „Hearts On Fire“ komplettiert werden.
Durch den hohen Andrang verstopfen HAMMERFALL zwischenzeitlich die Laufwege
Alles in allem eine kurzweilige Angelegenheit, die aber unter den Rahmenbedingungen zu leiden hat: Einen solchen Act während der Stoßzeit auf die kleinste der drei Infield-Bühnen zu packen, entpuppt sich leider schnell als gut gemeinte Schnapsidee. Wäre an der T-Stage ein vergleichbarer Publikumsandrang an den wichtigsten Laufwegen vorbei gelenkt worden, ist auf dem zentral gelegenen Feld nun kaum noch ein Durchkommen möglich – fatal auch, weil zu jener Stunde immer noch das Mainstage-Publikum nach dem Headliner in Richtung Campingplatz strömt.
Fotogalerie: HAMMERFALL
LORD OF THE LOST
So richtig weiß man vorab nie, was man bei LORD OF THE LOST bekommt. Ihren Backkatalog halten die Hamburger für gewöhnlich in Ehren: Auch die großen Hits müssen mal pausieren, um einem seltener gespielten „Deep Cut“ zu weichen. Eine ganze Reihe Evergreens hat man sich für das SUMMER BREEZE dennoch aufgespart, um das wirklich breitgefächerte Set aus Alt und Neu auszuschmücken. Dabei heißt es visuell klotzen statt kleckern, wenn bereits im eröffnenden „The Curtain Falls“ die erste Reihe im Flammenschein gegrillt wird.
Als Fan wird man unterdessen gerne Teil des Barbecues, wenn im Gegenzug die Band zum Greifen nah scheint. Zumal Frontmann Chris Harms sich heute erstaunlich demütig zeigt. Man habe in Dinkelsbühl noch nie vor einer solch großen Zuschauerschaft gespielt, teilt er uns mit, um wiederholt die Dankbarkeit der Band für dieses Privileg zum Ausdruck zu bringen.
LORD OF THE LOST halten heute nicht zurück
Noch erhebender als diese Worte ist allerdings die nahezu makellose Performance des Sextetts, das uns heute dank des klaren Soundmix vor allem hinsichtlich der Keyboard-Arrangements beeindruckt. Hier merken wir erst den Zugewinn, den Neuzugang Benji für LORD OF THE LOST darstellt. In Zusammenspiel mit Kollege Gared Dirge erlangen Stücke wie eben „The Curtain Falls“ oder „Seven Days Of Anavrin“ eine völlig neue Dimension.
Glück haben wir zudem mit dem größten Teil der Setlist: Statt Cover-Nummern dreht die Formation für ihren Diskografie-Querschnitt an der Härteschraube, um mittels „The Future Of A Past Life“, „Fists Up In The Air“ oder „Full Metal Whore“ den moshfreudigen Besucher:innen mehr als nur eine Steilvorlage zu bieten. In Verbindung mit bewährten Hits der Marke „Lorelei“ oder „Drag Me To Hell“ laden LORD OF THE LOST alle Ecken ihres bunten Fanlagers mit ins Boot.
Sänger Chris Harms geht im Fotograben auf Tuchfühlung
Dass sich in selbigem nicht einmal der Kapitän zu schade ist, auf Tuchfühlung zu gehen, erfahren wir in „Raining Stars“, wo sich Harms plötzlich an der Absperrung einfindet, um den Refrain des Songs gemeinsam mit der enthusiastischen Menge zu intonieren. Dafür nehmen wir am Ende sogar den schon jetzt totgespielten ESC-Song „Blood & Glitter“ hin, auch wenn uns das humorvolle Outro im „YMCA“-Stil dann doch länger im Gedächtnis bleibt.
LORD OF THE LOST Setlist – ca. 70 Min.
1. The Curtain Falls
2. The Future Of A Past Life
3. Full Metal Whore
4. Loreley
5. Destruction Manual
6. For They Know No What They Do
7. Fists Up In The Air
8. Seven Days Of Anavrin
9. Born With A Broken Heart
10. Six Feet Underground
11. Drag Me To Hell
12. Raining Stars
13. Blood For Blood
14. We’re All Created Evil
15. Blood & Glitter
Fotogalerie: LORD OF THE LOST
ENSLAVED
Es ist schon eine Weile her, dass wir ENSLAVED live gesehen haben. Ganze zwei Studioalben haben die Norweger seitdem herausgebracht, was sich auch in ihrem Late-Night-Set auf der Hauptbühne widerspiegeln soll. Über die Hälfte des heute dargebotenen Materials stammt aus der jüngeren Phase der Band, was für uns im Gegenzug den Auftritt durchweg frischhält. Neue Eindrücke sammelt die Progressive Black Metal-Band ihrerseits, schließlich war man zuletzt 2019 auf der kleineren T-Stage zugange.
Unsere Zweifel, ob ENSLAVED aufgrund der spartanischen Lightshow und eher dezent untermalenden Visuals dort vielleicht besser aufgehoben wären, räumt indes Gitarrist Arve Isdal binnen Minuten aus. Mit freiem Oberkörper und unverkennbarem Rockstar-Gen mimt der Musiker nicht einfach nur die Rampensau, er lebt sie mit Haut und Haaren. Kein Solo, kein Riff vergeht ohne irgendeine dramatische Pose Isdals, wodurch auch unser Blick des Öfteren auf die rechte Seite der gigantischen Stage wandert.
Zu später Stunde können wir uns umso besser in ENSLAVEDs progressivem Sog verlieren
Obwohl ja eigentlich auch sonst genug los ist: Den leidenschaftlichen Klargesang teilen sich Keyboarder Håkon Vinje und Drummer Iver Sandoy in etwa gleichen Teilen. Von diesen melodischen Parts profitieren nicht nur das erhabene „Homebound“, sondern letzten Endes auch wir vor der Bühne, die zu später Stunde langsam gegen die Müdigkeit ankämpfen und uns dadurch noch mehr in dem progressiven, teils gar psychedelischen („Heimdal“) Sog ENSLAVEDs verlieren können.
Das eigene Rechenzentrum fahren wir auf Sparflamme herunter, sodass wir uns bald in einer Art Trance wiederfinden. Das mag esoterisch klingen, ist gegen Ende des Festivaltages für uns jedoch der ideale Kontext, um die fordernden und doch packenden Tracks à la „Forest Dweller“ oder „Ruun“ vollends aufsaugen zu können.
ENSLAVED Setlist
1. Kingdom
2. Homebound
3. Ruun
4. Congelia
5. Forest Dweller
6. Heimdal
7. The Dead Stare
8. Havenless
Fotogalerie: ENSLAVED
AETHERIAN
Immer wieder schön, Gleichgesinnte zu treffen: So recht wissen wir auch nicht, wie wir uns gegen halb drei noch auf den Beinen halten können, doch stehen wir glücklicherweise nicht alleine vor der Rebel Stage. Zum Abschluss haben AETHERIAN vor der überdachten Bühne nochmal eine hartgesottene Schar an Melodic Death Metal-Liebhabern um sich versammelt, welche die Griechen feiert, als gäbe es am nächsten Morgen kein SUMMER BREEZE mehr. Klar, die größte Menschentraube des Tages sehen wir zu dieser Uhrzeit nicht mehr, doch dafür ist allen Anwesenden die Freude über die Show richtig anzusehen.
Der Klang ist gut, die Band motiviert, das Songmaterial wie erwartet auch live eine Wucht: „Army Of Gaia“ setzt ein mächtiges Ausrufezeichen zu Beginn, bevor das SUMMER BREEZE in „ΠΥΡ ΑΕΝΑΟΝ“ die geballten Fäuste reckt. Den gewünschten Circle Pit bekommt Sänger Panos Leakos hier zwar nicht zu sehen, an fehlendem Enthusiasmus kann das ob der sonst gezeigten Reaktionen jedoch kaum liegen.
Trotz der späten Stunde geben AETHERIAN alles
Schließlich sind auch unsere eigenen Beine nach vielen Stunden Festivaltreiben schlicht schwerer, als uns lieb ist. Solche Entschuldigungen will Leakos indes gar nicht hören, als er sich zu „Starlit Shores“ immer wieder wie wild im Kreis dreht und der Zuschauerschaft demonstriert, wie das Ganze auch aus seiner Perspektive aussehen könnte.
Sodann bekommt auch die Fangemeinde nochmal die oft zitierte zweite Luft, woraufhin der herbeigesehnte Pit in „The Rain“ doch noch Gestalt annimmt. Gerne würden wir sagen, dass das Ende dieser mitreißenden Show schlussendlich viel zu früh kommt, doch uns selbst belügen hat ja auch keinen Sinn – wenn wir jetzt nicht schnurstracks ins Bett fallen, verschlafen wir womöglich das morgige Programm komplett.
AETHERIAN Setlist – ca. 40 Minuten
1. Army Of Gaia
2. ΠΥΡ ΑΕΝΑΟΝ
3. Starlit Shores
4. Soulriver
5. The Rain
6. Primordial Woods
Fotogalerie: AETHERIAN
Donnerstag, 15. August 2024
Klar, die Nacht war kürzer als erhofft und trotzdem klettern wir guter Dinge aus den Federn. Für die restlichen Festivaltage soll es zwar durchgehend heiß und weitgehend wolkenlos werden, doch ziehen wir das einer Schlammschlacht wie 2022 jederzeit vor. Falls wir es also ohne Sonnenstich in die Abendstunden schaffen, dürfen wir uns über die sicherlich spektakulär inszenierten Headline-Gigs der so verschiedenen BEHEMOTH und ARCHITECTS freuen. Zudem haben DARK TRANQUILLITY im Anschluss ein weiteres besonderes Set in Aussicht gestellt.
Auf dem Weg ins Infield – zur Mittagszeit zieht es uns gemächlich in Richtung Musik – kommt derweil eine weitere Neuerung zum Tragen. Erstmals wurden alle Festivalbänder mit RFID-Chip ausgestattet. Was vielerorts in Europa bereits üblich ist, erhält nun schrittweise auch auf dem SUMMER BREEZE Einzug. Bezahlen kann man mit dem neuen System an den Verpflegungsposten dieses Jahr noch nicht, die Flatrate für Spülklos und Duschen sowie der Zugang zum Konzertgelände werden aber schon jetzt über das neue Gimmick geregelt. Das funktioniert in unserem Fall stets schnell und reibungslos, weshalb wir die so gesparte Zeit vor Showbeginn noch für einen kleinen Bummel über die Einkaufsmeile nutzen.
IGNEA
Was 2023 aufgrund fehlender Ausreisegenehmigungen ins Wasser fallen musste, kann heute endlich nachgeholt werden. Der Situation im Heimatland gedenken die Ukrainer derweil anhand der gut sichtbar montierten Nationalflagge am zentralen Mikroständer, während das eröffnende „Dunes“ zunächst mit dezent orientalischen Klängen aufhorchen lässt. Facetten wie diese sind es, die den symphonischen Modern Metal mindestens so sehr prägen wie der Gesang Helle Bohdanovas. Die Sängerin wechselt zwischen markigen Growls und hellem Gesang, während sie in „Daleki Obriyi“ auch mal grazil über die Bühne tanzt.
Hier darf Kollege Yevhenii Zhytniuk direkt ein schmissiges Keytar-Solo aus dem Ärmel schütteln, bevor „Gods of Fire“ dem Titel entsprechend einen Tribut fordert: Die Verwunderung ist zunächst groß, als zur Hälfte des Songs plötzlich der komplette Backing Track wegbricht – der bandeigene Laptop kapitulierte unerwartet vor der Hitze. Glücklicherweise nichts, was ein klassischer Neustart nicht beheben könnte, sodass mit dem zweiten Anlauf die Maschine wieder ohne zu stottern weiterlaufen kann. Das einzige Manko an der nachfolgenden Geschichte: Die großen Höhepunkte können wir in dieser halben Stunde leider nicht entdecken.
Fotogalerie: IGNEA
Die Mittagsglut bekämpft das SUMMER BREEZE in diesem Jahr mit nagelneuen Wasserkanonen
Musikalisch unterschiedlicher können MENTAL CRUELTY und DYNAZTY nicht sein, gesehen hätten wir dennoch beide gerne. Da wir Erstere aber erst im Frühjahr auf dem IMPERICON FESTIVAL erlebt haben, entscheiden wir uns letzten Endes für die schwedische Melodic Metal-Band, die mit ihren fröhlichen Melodien ja auch ganz gut zum strahlend blauen Himmel passt.
Kurz vor Showbeginn überrascht uns das SUMMER BREEZE dann mit einem brandneuen Lebensretter: Um der Mittagsglut Herr zu werden, wirft man jeweils links und rechts der Bühne nagelneue Wasserwerfer an (Foto: T-Stage), welche das kühle Nass fein zerstäubt auf die Festivalbesucher:innen niedernieseln lässt. Tatsächlich haben wir schon lange nicht mehr so viele glückliche Gesichter auf einen Haufen gesehen, als sich die Metalheads scharenweise unter der künstlichen Regenwolke die Arme ausbreiten. „Da hätte man sich die Dusch-Flatrate ja sparen können“, witzelt es aus dem Pulk, bevor die Aufmerksamkeit schnurstracks zurück auf die Main Stage gelenkt wird.
DYNAZTY
An Energie mangelt es den zuckrigen und melodieverliebten Songs DYNAZTYs sicherlich nicht. Wenn eine Band also selbst bei unmenschlichen Temperaturen Bewegung in die Massen bringen kann, dann ist es das Quintett um Ausnahmesänger Nils Molin (AMARANTHE). Dass ausgerechnet dieser in „Power Of Will“ noch den einen oder anderen Wackler zeigt, könnte auch an soundtechnischen Ungereimtheiten liegen, wie seine kurzen Gesten in Richtung Mischpult nahelegen.
Mit dem folgenden „Firesign“ gehören diese Komplikationen aber der Vergangenheit an, so dass selbst das Publikum nun Feuer und Flamme scheint. Fäuste schießen nach oben, es wird geklatscht und gesprungen, während auf den Brettern nicht weniger Bewegung herrscht.
Zum Ende übertreiben es DYNAZTY mit dem Mitsing-Theater
Dass die Grabenschlampen im Fotograben schließlich beim eingängigen „Waterfall“ den Wasserschlauch auspacken, ist entweder der größtmögliche Zufall oder das vielleicht erfrischendste Showelement der Festivalwoche. Dankbar ist das Publikum für die Abkühlung in jedem Fall, schließlich folgen mit dem fantastisch gesungenen „The Human Paradox“ und dem finalen „Heartless Madness“ noch die zwei größten Hits der Band.
Während sich in Letzterem die fleißigen Crowdsurfern auf dem Weg zurück noch ein High Five von der Stagesecurity abholen, schlachten DYNAZTY ihren Closer bis zum Äußersten aus. Minutenlang lässt Nils Molin die Anhänger:innen den Refrain durchexerzieren; von links nach rechts, von vorn nach hinten und dann noch mit allen zusammen. Das ist nicht nur uns irgendwann zu viel des Guten, weshalb wir unser nächstes Ziel ein bisschen früher ins Auge fassen als geplant.
Fotogalerie: DYNAZTY
THE NIGHT ETERNAL
Mit klassischem Heavy Metal zählt man auf dem SUMMER BREEZE in diesem Jahr zu den Exoten. Allein deshalb erscheint uns THE NIGHT ETERNAL als eine Art Pflichttermin – die Rebel Stage mit ihrem schattenspendenden Dach ist als Location natürlich ein netter Bonus, der so manchen zusätzlichen Metalhead anzuziehen scheint. Der überwältigende Großteil des Publikums hat sich aber eindeutig wegen der Essener Band vor der Bühne versammelt, wie die überwältigende Resonanz vermelden lässt.
Wir können das gut nachvollziehen, denn obwohl wir mit dem Material der Formation bislang kaum vertraut sind, holt uns die leidenschaftliche Performance binnen Sekunden ab. Der Sound ist hervorragend, die Musiker voll bei der Sache und Frontmann Ricardo Baum eine Rampensau im bestmöglichen Sinne. Der Sänger besticht in „Between The Worlds“, „Prince Of Darkness” und „In Tartarus“ nicht nur durch seine hervorragende Stimme, auch das Stageacting gehört eigentlich auf größere Bühnen, als es heute der Fall ist.
THE NIGHT ETERNAL sind mit Leidenschaft bei der Sache
Vielleicht zieht es Baum deshalb immer wieder nach vorne auf die großen Lautsprecher, wo er allerdings nur kurzzeitig innehält, bevor wieder jeder Quadratmeter der restlichen Spielfläche beackert wird. Weil es ihm seine Mitmusiker gleichtun und die Haare bald in ähnlich großen Bogen umherfliegen wie die Schweißtropfen von der Stirn, sind sowohl der lautstarke Jubel als auch die sichtbare Hingabe der Zuschauerschaft letzten Endes hart und ehrlich verdient.
Fotogalerie: THE NIGHT ETERNAL
PALEFACE SWISS
Schwer zu sagen, ob es am vollen Körpereinsatz liegt oder ob Marc Zelli zu viel Sonne abbekommen hat. Aus der Entfernung sieht die rote Farbe im Gesicht jedenfalls nicht ganz gesund aus. Schonen will sich der Shouter indes nicht, schließlich haben PALEFACE SWISS einen Ruf zu verlieren. Vielleicht scheint der Frontmann auch deshalb nie ganz zufrieden mit dem Publikum vor der T-Stage: Obwohl der Pit mit jedem Song neue Dimensionen annimmt, obwohl sogar die aufblasbaren Einhörner zum Crowdsurfen angetanzt sind, scheint es irgendwie nie genug zu sein.
Klar, das gehört zur Bühnen-Persona und ist im Metal- und Deathcore alles andere als unüblich. Ein bisschen weniger Macho und ein Quäntchen mehr Anerkennung für den Circle Pit in „The Orphans“ scheint uns angesichts der prügelnden Hitze dennoch angebracht. Vollen Einsatz zeigen die Fans sogar über die komplette Distanz, wo sie in „Best Before: Death“ zwischendurch zu Tausenden ihre Stimmgewalt unter Beweis stellen. Sommer, Sonne, Moshpit und Gangshouts – anhand der roten Backen erkennen wir im Anschluss auf den ersten Blick, wer bei PALEFACE SWISS nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Pit alles gegeben hat.
Fotogalerie: PALEFACE SWISS
THE BLACK DAHLIA MURDER
„Falls ihr Langos wollt, die sind dort hinten. Falls ihr einen Eimer Hähnchenkeulen wollt, die gibt es hier drüben.“ Frontmann Brian Eschbach zeigt sich nicht nur besorgt um das Wohlergehen seiner Zuhörerschaft, sondern durchaus ortskundig. Abseits kulinarischer Tipps liefert der Frontmann zwar nicht die vereinnahmende Bühnenpräsenz vieler seiner Kollegen, dafür jedoch eine überaus bodenständige und sympathische Art, durch das Programm zu führen.
Dass er seinen verstorbenen Vorgänger Trevor Strnad stimmlich nicht gänzlich ersetzen können würde, war uns im Vorhinein klar. Über eine blitzsaubere und durchweg gute Performance dürfen wir uns trotzdem freuen, obschon der Soundmix den Fronter arg in den Hintergrund drängt. Generell scheint der Bass auf der Main Stage während THE BLACK DAHLIA MURDER zu dominant, so dass neues Material wie „Aftermath“ und Evergreens à la „What A Horrible Night To Have A Curse“ nur mit vorheriger Songkenntnis wirklich genossen werden können.
Auf ihre Evergreens wollen THE BLACK DAHLIA MURDER nicht verzichten
Firm ist die Meute im Zentrum derweil allemal, weshalb sie den Komparsen im Gorilla-Kostüm im Anschluss unter großem Jubel willkommen heißt, wohlwissend, dass mit „Statutory Ape“ nun ein weiterer Klassiker folgen soll. Davon gibt es in Form von „Everything Went Black“ bald noch einen weiteren, nachdem Eschbach das Battlefield in „Nightbringers“ der Hitze trotzend zum Mitspringen animiert hatte. Natürlich könnte man monieren, dass auf der Bühne ansonsten nicht allzu viel vor sich geht. Doch ehrlich gesagt ist ein schnörkelloser und erfrischender Auftritt wie dieser zwischen all dem Brimborium ungemein erfrischend.
THE BLACK DAHLIA MURDER Setlist
1. Aftermath
2. Kings Of The Nightworld
3. Mammoth’s Hand
4. What A Horrible Night To Have A Curse
5. Statutory Ape
6. Nightbringers
7. Everything Went Black
8. I Will Return
9. Deathmask Divine
Fotogalerie: THE BLACK DAHLIA MURDER
J.B.O.
Brian Eschbach möge uns nachsehen, dass wir seiner Aufforderung, nach THE BLACK DAHLIA MURDER schnurstracks zu ABORTED zu eilen, nicht nachgekommen sind. Hatten wir die Pause im Anschluss dringend nötig, so gibt es jetzt ohnehin kaum noch ein Durchkommen. Was J.B.O. an diesem Nachmittag an Publikum anziehen, könnte tatsächlich den gestrigen Headliner MESHUGGAH in den Schatten stellen. Wie groß die Fangemeinde der Franken auf dem SUMMER BREEZE ausfällt, verrät ein kurzer Blick über das Battlefield, wo das markante Pink als angesagteste Modefarbe nur hinter dem klassischen Schwarz zurückstecken muss.
Dementsprechend ausgelassen und unverkrampft geht es vor der Bühne zu, sobald „Im Verkehr“ den Startschuss zur nächsten Stunde Blödelei setzt. Schon früh legt der Evergreen „Bolle“ das Tempo vor, bevor „Mach noch eins auf!“ demonstriert, wie die Widerstandshymne „Bella Ciao“ durch die rosarote Brille aussieht.
J.B.O. sorgen wohl durch ihre bloße Existenz für Rekordumsatz an der Bar
Visuell untermalen J.B.O. ihr Partyprogramm durch viele kleine Gimmicks, angefangen von Vitos Gitarre im Look des Bandlogos, über die eigens gestalteten Etiketten der Bierflaschen bis hin zu den pinken Luftschlangen, die zu Beginn auf die Zuschauerschaft niederregnen. Animiert wird selbige durch Band wie Backgroundsänger gleichermaßen, sodass wir uns bald nicht einmal mehr sicher sind, wer bei dieser Show nun den Ton angibt: Die Künstler auf der Bühne oder ihre feucht-fröhliche Fanschar. Da wird vor „Geh mer halt zu Slayer“ der Bandname stilecht und in einer Lautstärke gebrüllt, die Tom Araya noch auf der anderen Seite des großen Teichs hören dürfte.
Nach der ungeplanten Late-Night-Show vor zwei Jahren sind die „Verteidiger des Blödsinns“ diesmal ohne technische Komplikationen wieder da, wo sie das SUMMER BREEZE am liebsten haben dürfte: Denn welche andere Band sorgt wohl durch ihre bloße Existenz für potenziellen Rekordumsatz an der nahegelegenen Bar?
Fotogalerie: J.B.O.
FIXATION
Exzentrisch geht es zur gleichen Zeit auf der Rebel Stage zu, wo FIXATION-Frontmann Jonas W. Hansen mit komplett verschleiertem Haupt vor sein Publikum tritt. Ein blutrotes Tuch hat sich der Sänger um den Kopf geschlungen und mit einem goldenen Reif um den Hals fixiert. Den Opener „Stay Awake“ bestreitet Hansen also möglicherweise sogar, ohne eine klare Vorstellung seiner Zuhörerschaft zu bekommen, welche zahlenmäßig allerdings durchaus respektabel vertreten ist.
Der Alternative Metal mit Rock-Einschlag und teils großen Gesangslinien wirbelt an diesem Nachmittag zwar keinen Staub auf, zum introspektiven Dahinschwelgen und Genießen eignet sich der Stilmix der Norweger dafür ganz vorzüglich – und eignet sich im naheliegenden und überaus gut besuchten Biergarten wohl auch ganz gut als Soundtrack zum verspäteten Mittagessen.
Fotogalerie: FIXATION
BLIND CHANNEL
Ähnlich modern, doch deutlich explosiver verwandeln BLIND CHANNEL das Areal vor der T-Stage in eine gewaltige Party. Man kann zum ultra-catchy Modern / Nu Metal der Finnen stehen, wie man möchte, die Spielfreude der ehemaligen ESC-Teilnehmer sucht an diesem Donnerstag wohl ihresgleichen. Nicht nur vor der Bühne geht es drunter und drüber, auch die Band selbst hält keine Sekunde still, um ihrem erklärten Ziel einen Schritt näher zu kommen.
Die großen Arenen sollen es irgendwann sein und damit auch die attraktiven Slots auf der Main Stage – gemessen am Einsatz und der Hingabe ihrer Fans sind BLIND CHANNEL auf einem guten Weg. Der US-Rock von „Deadzone“ animiert ebenso zum Mitspringen wie das rastlose „Where’s The Exit“, für das Sänger Joel das SUMMER BREEZE kurzer Hand in die Hocke beordert, um danach springend noch das letzte Eis brechen.
Bei BLIND CHANNEL wuselt es nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne
Ein bewährter Trick, der sich auch heute bezahlt macht: Vor der Bühne gibt es ab da kein Halten mehr, egal ob das Sextett nun ihren großen Hit „Dark Side“ zückt oder das SYSTEM OF A DOWN-Cover „B.Y.O.B.“ anstimmt. Bisweilen scheint es gar so, als versuchten sich Fans und Musiker gegenseitig zu überbieten. Während Drummer Tommi Lalle wie immer bis über beide Ohren strahlt, fegt DJ Aleksi bei der erstbesten Gelegenheit über die Bühne, um Kollege Joonas an der Gitarre die Frisur geradezurücken. Energielevel: über 9.000; Ausdauer: 0. Unverständlicherweise streichen BLIND CHANNEL nämlich schon nach einer halben Stunde die Segel und lassen so ein Drittel ihrer Spielzeit ungenutzt. So wird’s wohl nichts mit der großen Bühne.
Fotogalerie: BLIND CHANNEL
JINJER
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Sängerin Tatiana Shmayluk über fehlende Inspiration klagte. Die mentale Durststrecke scheint jedenfalls überwunden, denn für ihr drittes Gastspiel in Dinkelsbühl haben JINJER nicht nur einen, sondern völlig unerwartet zwei brandneue Stücke im Gepäck. Abseits der starken Single „Someone’s Daughter“ packen die Ukrainer für das erbarmungslose „Fast Draw“ den Knüppel aus und überraschen uns damit ein weiteres Mal.
Überhaupt findet das Quartett nach wie vor Gefallen an ihrer härteren Seite: „Just Another“, „Sit Stay Roll Over“ und „Call Me A Symbol“ sind nur eine Auswahl der fordernden und zumeist extremen Tracks, die heute den Moshpit befeuern. Ein wenig basslastig fällt der Sound zwar aus, dafür bleibt das Zusammenspiel der Band gewohnt schlüssig, was letztendlich einem progressiven Schmuckstück wie „I Speak Astronomy“ besonders zugutekommt.
Groovend, sperrig und fordernd – JINJER machen es ihrem Publikum nicht immer einfach
Ihre Premiere auf der Main Stage feiern JINJER natürlich auch mit einigen Klassikern: Der virale Hit „Pisces“ gewährt uns eine Verschnaufpause, bevor „Perennial“ die verschiedenen Facetten der Band geschickt zusammenführt. Mal groovend, mal technisch fordernd und bewusst sperrig sagt die Truppe dem Easy Listening auf elegante und doch unverhohlen direkte Art den Kampf an.
Rückendeckung erhalten JINJER wie selbstverständlich durch das Publikum, das wie schon vor zwei Jahren der charismatischen Frontfrau und Stilikone Tatiana an den Lippen hängt – sogar wenn sich zwischen diesen im abschließenden „Vortex“ der abgrundtief grollende Schlund der Hölle zu öffnen scheint.
JINJER Setlist – ca. 60 Min.
1. Just Another
2. Sit Stay Roll Over
3. Ape
4. Retrospection
5. Someone’s Daughter
6. I Speak Astronomy
7. Pisces
8. Perennial
9. Fast Draw
10. On The Top
11. Call Me A Symbol
12. Vortex
Fotogalerie: JINJER
BEHEMOTH
Herzlichen Glückwunsch, BEHEMOTH sind nun offiziell älter als Jesus. Freilich ist das Motto des heutigen Abends ein bisschen dick aufgetragen, doch angesichts des inszenatorischen Aufwands, welchen die Polen für ihre Shows betreiben, spielen wir doch gerne mit. Zumal Mastermind Nergal genau weiß, wie man die Spannung schürt: Das große weiße Leintuch, das zunächst den Blick auf die Bühne verwehrt, nutzt der Frontmann während des Intros für ein besonderes Schauspiel. Erst die Hände, dann das ganze Gesicht zeichnen sich auf dem Laken ab, bevor „Once Upon A Pale Horse“ den Beginn des audiovisuellen Spektakels markiert.
Von da an präsentieren uns BEHEMOTH quasi im Minutentakt neue Schauwerte, wenn etwa in „Ora Pro Nobis Lucifer“ breit gefächerte Flammensäulen aufsteigen und schließlich gar das Drumset von Aushilfe Jon Rice hinter lodernden Feuerzungen zu verschwinden droht. Heiß wird es überdies im Intro von „Christian To The Lions“, wo Bassist Orion mit Fackel in der Hand zum Feuerspucker wird. Zwischendurch schneidet Bandchef Nergal wahlweise groteske Fratzen oder wirft sich für Stücke wie das okkulte „Bartzabel“ in eines seiner vielen Outfits, um das Publikum mit durchdringendem Blick zu mustern. Neben Bischofsmütze, Robe und blutgetränktem Gesicht weiß der Sänger und Gitarrist allerdings auch anderweitig zu unterhalten.
BEHEMOTH sind Meister der Inszenierung, füllen ihren Slot aber nicht aus
So stimmen BEHEMOTH mit „Cursed Angel Of Doom” zur Feier des morbiden Jubiläums ihren allerersten Song an. Feste Eckpfeiler gibt es dennoch: Wie selbstverständlich liefert die Formation zum Schluss mit „Chant For Eschaton 2000“ einen echten Dauerbrenner, bevor sie sich nach rund einer Stunde überschwänglich verabschiedet. Plektren werden verteilt und Danksagungen verkündet, nur um nach drei Sekunden Bedenkzeit für die Zugabe „O Father O Satan O Sun!“ auf die Main Stage zurückzukehren. Ein seltener inszenatorische Fauxpas BEHEMOTHs, den man sich gerade auf der Festivalbühne hätte sparen können. Letzten Endes reicht diese Zäsur, die keine war, nämlich nicht einmal zum Zeitschinden, lässt die Band trotz allem gute acht Minuten liegen. Schade, denn selbst bei Tageslicht eine derart okkulte Atmosphäre heraufzubeschwören, ist durchaus eine Leistung für sich.
BEHEMOTH Setlist – ca. 70 Min.
1. Once Upon A Pale Horse
2. Ora Pro Nobis Lucifer
3. Conquer All
4. Ov Fire And The Void
5. Cursed Angel Of Doom
6. Christians To The Lions
7. Demigod
8. The Deathless
9. Blow Your Trumpets Gabriel
10. Bartzabel
11. No Sympathy For Fools
12. Chant For Eschaton 2000
—————————-
13. O Father O Satan O Sun!
ARCHITECTS
Mit vier Jahren Verspätung klappt es endlich doch: Eigentlich hätten ARCHITECTS im Jahr 2020 das Line-up anführen sollen, bevor die Pandemie dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machte. Seither ist viel passiert bei den Briten. Besetzungswechsel, ein musikalischer Stilbruch mit zwei neuen Alben und sogar ein kleiner Skandal um Gitarrist Adam Christianson. Anhaben konnte das der Popularität der einstigen Metalcore-Avantgarde nichts; im Gegenteil erschloss die Umorientierung in Richtung modernem Alternative mit simpleren Riffs, Synthesizern und beizeiten gar etwas Industrial-Einschlag eine ganz neue Hörerschaft.
Dass ARCHITECTS anno 2024 quasi der kleinste gemeinsame Nenner des hiesigen Publikums sein dürften, verrät der rege Andrang vor der Main Stage. Das sogenannte Battlefield gleicht bis in die hinteren Ecken einem Menschenmeer, das gleichzeitig Feuer und Flamme für die Hits der vier Musiker scheint. Untermalt von einer eindrucksvollen Lightshow, deren Hauptattraktion die gigantischen Videotafeln im Hintergrund sind, ist selbst aus dem Augenwinkel zu erkennen, dass hier gerade das Hauptevent des Tages die Bretter beackert.
ARCHITECTS schnüren ein eindrucksvolles Gesamtpaket
Während über die LED-Displays allerlei animierte Artworks oder Textzeilen flackern, festigt Frontmann Sam Carter den Draht zum Publikum. Nicht nur berichtet er von seiner eigenen Nervosität, die vor der Show fast schon zur Panikattacke hätte umschlagen können, auch das Animationsprogramm lässt er während der knapp anderthalbstündigen Show nicht zu kurz kommen. Aus der Hocke kollektiv in die Luft springen? Das geht zu „Black Lungs“ hervorragend. Crowdsurfen als Volkssport? Warum nicht bei „A New Moral Low Ground“? Wall of Death? Aber sicher doch, dafür ist „These Colours Don’t Run“ als ältester Track des Sets doch wie geschaffen, zumal der markante Breakdown zum Ende des Stücks mit gigantischen Pyroeffekten garniert wird.
Gerade von Stücken dieses Schlags hätten wir persönlich gerne mehr gehört. Erwartungsgemäß konzentrieren sich ARCHITECTS auf ihre letzten beiden Alben, schieben mit den famosen „Gravedigger“ und „Nihilist“ nur punktuell Material ihrer kreativen Hochzeit dazwischen. Zugegeben, der allgemeinen Stimmung tut das keinerlei Abbruch, solange Hits à la „Herafter“ oder „Doomsday“ sich mit dem Punch eines „When We Were Young“ die Klinke in die Hand geben. Sogar Sam Carter ist heute stimmlich wieder fit und auf der Höhe, obwohl – und das ist schon auffällig – er die ganz hohen Noten oftmals an das Publikum oder Background-Sänger Ryan Burnett abtritt. Eindrucksvoll bleibt das Gesamtpaket dennoch, so dass selbst größte Skeptiker anerkennen müssten, dass das Bandlogo in der ersten Reihe des Festivalplakats mittlerweile durchaus seine Berechtigung hat.
ARCHITECTS Setlist
1. Seeing Red
2. Giving Blood
3. Deep Fake
4. Impermanence
5. Black Lungs
6. These Colours Don’t Run
7. Hereafter
8. Gravedigger
9. A New Moral Low Ground
10. Curse
11. Royal Beggars
12. Doomsday
13. Meteor
14. When We Were Young
————————-
15. Nihilist
16. Animals
ROTTING CHRIST
Gleicher Ort, andere Uhrzeit: Mussten ROTTING CHRIST 2019 noch bei Tageslicht ran, ist den Griechen nun der atmosphärische Bonus, den die Nacht mit sich bringt, sicher. Der in warme Farben getauchte Wald hinter der Bühne schafft eine ursprünglich wirkende Kulisse für das oft okkult angehauchte Material der Dark / Black Metal-Band. Auf Feuer und andere Showeffekte verzichtet das Quartett diesmal, bringt jedoch allein schon dank Frontmann Sakis Tolis eine dennoch vereinnahmende Bühnenpräsenz nach Dinkelsbühl.
Die nutzen ROTTING CHRIST für ein teils überraschend melodisches Set, bei dem in „P’unchaw Kachun – Tute Kachun“ die markante Leadgitarre die Marschrichtung vorgibt, bevor das aktuelle Werk „Pro Xristou“ (2024) mit der nicht minder eingängigen Single „Like Father, Like Son“ bedacht wird.
Zwischendurch beziehen ROTTING CHRIST gezielt das Publikum mit ein
Autoritär und bestimmt wirkt indes das Auftreten der Formation, ohne jedoch unnahbar zu wirken. Nicht nur sucht Tolis regelmäßig den Blickkontakt zu den vorderen Reihen, das rituelle „Apage Satana“ zelebriert die Band gar mit ausgiebiger Unterstützung der Fans. Jene freuen sich zudem in gleicher Weise über das härtere Material der Europäer, obgleich die Kräfte nach zwei Tagen Freiluftsauna nicht mehr für durchgehende Mosh- oder Circle Pits auszureichen scheinen. Quittiert werden die Blastbeats in „Kata Ton Daimona Eaytoy“ dafür mit gereckten Fäusten und anschließendem Jubel. Wir werden ja alle nicht jünger.
ROTTING CHRIST Setlist – ca. 60 Min.
1. Χ Ξ Σ (666)
2. P’unchaw Kachun – Tuta Kachun
3. Fire, God And Fear
4. Kata Ton Daimona Eaytoy
5. Apage Satana
6. Dies Irae
7. Like Father, Like Son
8. Non Serviam
9. Societas Satanas (THOU ART LORD-Cover)
10. Grandis Spiritus Diavolos
11. The Raven
Fotogalerie: ROTTING CHRIST
DARK TRANQUILLITY
Mit dem Überraschungsgig am Dienstag haben DARK TRANQUILLITY die eigene Messlatte ordentlich hochgelegt. Doch auch für das eigene Hauptevent auf der Main Stage habe man sich weitere Kniffe einfallen lassen, so die Band im Vorfeld. Zunächst allerdings müssen wir uns einen Augenblick gedulden, denn kleinere Komplikationen erzwingen einen leicht verspäteten Auftakt, welcher mit „The Wonders At Your Feet“ vom 2000er „Haven“-Album dafür umgehend für Zug nach vorne sorgt.
Klammern wir den Track aus, halten sich die Göteborger zunächst jedoch eher an ihr derzeitiges Tourprogramm: „Hours Passed In Exile“, das immer wieder wunderbare „Atoma“ und der mitreißenden Energieschub „Lost To Apathy“ haben sich schließlich bewährt und erfüllen auch in Dinkelsbühl ihren Zweck. Untermalt von Visuals auf der LED-Tafel und kleineren grafischen Spielereien auf den gigantischen Videoscreens am Bühnenrand, vermittelt die Produktion einen durchdachten Eindruck – sofern denn mal alles wie am Schnürchen läuft.
DARK TRANQUILLITY feiern die Veröffentlichung von “Endtime Signals” mit Live-Premieren
Denn obgleich sich der sympathische und heute wieder einmal völlig sprachlose Mikael Stanne in der zweiten Hälfte der Show über die gelungene Premiere freut, offenbart sich Kennern doch die eine oder andere Ungereimtheit. So hängen etwa die begleitenden Overlays rechts und links der Bühne ab „Terminus (Where Death Is Most Alive)“ einen Song hinterher. Stört das? Natürlich nicht, denn der Soundmix ist klar, die Band gut eingespielt und Stanne heute erstaunlich gut bei Stimme, wie nicht nur das fabelhafte „ThereIn“ unterstreicht.
Der warme und volle Klargesang setzt punktuell Akzente, wohingegen die rohen Screams des Frontmanns alte wie neue Stücke veredeln. Von Letzteren gar ein halbes Dutzend, um die Ankündigung der Schweden einer „verrückten“ Setlist in die Tat umzusetzen. Pünktlich zum Album-Release – mittlerweile hat man auch in Dinkelsbühl den nächsten Kalendertag erreicht – präsentieren DARK TRANQUILLITY neben den drei bereits bekannten Singles ebenso viele weitere Stücke von „Endtime Signals“ (2024). Live- und Weltpremiere in einem heißt es somit für „Shivers And Voids“, „Our Disconnect“ sowie „Neuronal Fire“, während ein zusätzliches Set an Scheinwerfern den Nachthimmel absucht.
Das Finale krönen DARK TRANQUILLITY mit einem Klassiker
Was genau sich dort verstecken soll, erläutern die Melodeath-Urgesteine nicht, doch untermalt man damit die Grundstimmung der neuen Platte, die Mischung aus Sehnsucht, Melancholie, Neugier und Zuversicht, in nahezu idealer Weise. „We Are Not Nothing“ heißt es im gleichnamigen Track und Höhepunkt selbstbewusst. Ein Echo, das im abschließenden „Misery’s Crown“ zehntausendfach widerhallt. Denn wenn so viele Menschen vereint ihrer Leidenschaft Ausdruck verleihen, dann ist das allein in unseren Augen bereits sinnstiftend genug.
DARK TRANQUILLITY Setlist – ca. 70 Min.
1. The Wonders At Your Feet
2. Hours Passed In Exile
3. Terminus (Where Death Is Most Alive)
4. Atoma
5. Phantom Days
6. ThereIn
7. Lost To Apathy
8. The Last Imagination
9. Shivers And Voids
10. Unforgivable
11. Not Nothing
12. Our Disconnect
13. Neuronal Fire
14. Misery’s Crown
Fotogalerie: DARK TRANQUILLITY
THE OCEAN
Mindestens eine bittere Pille gibt es erfahrungsgemäß jedes Jahr zu schlucken. In unserem Fall ist es die Überschneidung der Göteborger Veteranen DARK TRANQUILLITY und THE OCEAN, die wir beide zu unseren liebsten Acts zählen. Dementsprechend ist die Post Metal-Band bereits gute 20 Minuten am Werk, als wir zu den Klängen von „Bathyalpelagic III: Disequilibrated“ auf dem T-Square eintreffen.
Dort lassen sich die Anhänger:innen sogar in den hinteren Reihen vom charakteristischen Sound der Berliner gefangen nehmen, indem sie sich wahlweise im heavy Groove verlieren oder zu den entrückten Arrangements von „Miocene | Pliocene“ davonschweben. Ausgestaltet wird das Set von einer spärlichen doch natürlich hochgradig stimmungsvollen Lichtuntermalung: Viel Nebel, kräftige Farben und Strobo zeichnen die Silhouetten der Musiker als harte Kontraste gegen den Hintergrund.
THE OCEAN beenden ihr Set auf geradezu monumentale Weise
Weil der Klang vor der T-Stage zudem in gleichen Teilen massiv wie differenziert ausfällt und Sänger Loic Rossetti zumindest seit unserer Ankunft eine regelrecht herausragende Leistung zeigt, finden auch wir in Windeseile den Draht zu dieser ergreifenden Vorstellung, welche THE OCEAN mit dem monumentalen „Jurassic | Cretaceous“ krönen – einen Ausflug Rossettis in den Graben bis zur Absperrung inklusive.
SIAMESE
Auf dem Weg zurück trauen wir unseren Augen kaum. Viel haben die Mannen auf der Bühne nicht mit der Band gemeinsam, die uns 2022 durch ihren humorvollen und spontan wirkenden Auftritt begeisterte. Statt knapper Shorts und Hawaiihemd trägt Sänger Mirza nun im Vergleich fast schon elegante Garderobe. Seriös und ehrgeizig vernehmen wir SIAMESE auf den ersten Blick: Als stehe hier eine Truppe vor uns, die es nun endlich wissen will; die nicht länger auf den Durchbruch warten möchte. „We’re not here to play around!“, fügt Mirza passenderweise hinzu.
Unverändert ist seit vorletztem Jahr glücklicherweise auch das stimmliche Potenzial des Fronters, dessen Singstimme „Sloboda“ und „Home“ so souverän wie kraftvoll intoniert. Leider spüren wir dieselbe Hingabe im Folgenden nicht immer. Zwar haben die Dänen anders als beim vorherigen Gastspiel diesmal Violinist Christian Hjort Lauritzen im Schlepptau, doch fehlt uns im überwiegend neuen Material der eigene Charakter. Nie schlecht, doch stets ein wenig generisch bis beliebig erleben wir die Songs von „Elements“ (2024). Der Konsens vor der Rebel Stage sieht derweil ein wenig anders aus: Ihre Fans begeistern SIAMESE durch einen fast perfekt inszenierten Auftritt, so dass wir am Ende des Tages ohne schlechtes Gewissen ein wenig früher in Richtung Campingplatz aufbrechen können.
Fotogalerie: SIAMESE
Freitag, 16. August 2024
Mehr als 14 Stunden Dauerprogramm haben wir uns für den Freitag vorgenommen. Angesichts der anhaltenden Hitzewelle möge man uns für verrückt erklären, doch wollen wir weder den Auftakt mit SVALBARD noch die späte Show MOONSPELLs verpassen. Dazwischen erwarten das SUMMER BREEZE überdies eine bunte Mischung aus Kitsch (WARKINGS), angesagtem Modern-Sound (MOTIONLESS IN WHITE) und natürlich ein Traditionsheadliner wie AMON AMARTH. Weil zudem NEAERA-Frontmann Benny Hilleke zudem nach dem Sommer auf unbestimmte Zeit pausieren will, dürfen wir auch deren Auftritt keinesfalls verpassen.
Sicher ist also vor allem eines: Die kostenlosen Wasserstationen im Infield werden ständiges Nebenziel auf unserem Weg zwischen den Bühnen sein, während Sonnencreme und Kopfbedeckung am dritten offiziellen Festivaltag schon längst zu unseren treuesten Begleitern geworden sind.
SVALBARD
Der Freitag startet für uns mit einem indiskutablen Pflichttermin. SVALBARD durften wir zwar bereits vor zwei Jahren erleben, doch wollen wir nun das aktuelle Studiowerk „The Weight Of The Mask“ auch live durchleben; schließlich schaffte es die Platte 2023 an die Spitze unserer persönlichen Bestenliste. Dass die Briten noch keine sogenannten Heavy-Hitter der Szene sind, zeigt sich derweil bei unserer Ankunft am noch überschaubaren Andrang vor der T-Stage.
Zu viel Underground, zu wenig Massenappeal womöglich – auf Show und Opulenz pfeift das Quartett ohnehin, wie das fehlende Backdrop vermuten lässt. Was zählt, ist die Musik und die ist Falle SVALBARDs eine ungemein intensive Erfahrung, egal ob uns die Band nun älteres Material oder aktuelle Stücke à la „Faking It“ oder das bewegende „To Wilt Beneath The Weight” präsentiert. Aufwühlend und intensiv gestaltet sich auch der Mix aus zerbrechlichem Klargesang und hysterischen Screams – ein Stilmittel, das die beiden Gitarristen Serena Cherry und Liam Phelan nutzen, um den Charakter der einzelnen Stücke von unmittelbarer Dringlichkeit bis hin zu deprimierender Introspektion zu prägen. Eigentlich ein Fall für die späten Abendstunden, doch in diesem Fall halten wir uns gerne auch vormittags den Terminkalender frei.
Fotogalerie: SVALBARD
FUTURE PALACE
Wie man die Massen wiederum sofort mitnimmt, haben FUTURE PALACE im Laufe der letzten Jahre ganz genau entschlüsselt. Wohl auch deshalb steht das schmissige „Defeating Gravity“ mit seinem großen Refrain an erster Stelle: Die Parallelen zu SETYØURSAILS scheinen hier deutlich hindurch, wobei das Trio im Folgenden noch häufiger und zielstrebiger seine harte Seite zum Vorschein kommen lassen soll.
Dass weiterhin sowohl Bass als auch Synthesizer vom Band laufen, ist ein kleiner Wermutstropfen, welcher letzten Endes allerdings nicht vom Main-Event des Auftritts ablenken kann: Gerade Maria Lessings Singstimme darf heute völlig zurecht im Rampenlicht stehen. Insbesondere die kraftvollen Passagen meistert die Fronterin mit Volumen und beachtlicher Power, so dass FUTURE PALACE in Windeseile das komplette Battlefield hinter sich wissen.
Mit eingängigen Songs nehmen FUTURE PALACE die Massen mit
Mit so viel Unterstützung kann man sich durchaus etwas trauen, so dass in „Heads Up“ auf Wunsch Lessings sogar ein kleiner Circle Pit seine Kreise zieht, obwohl das Stück tempomäßig dafür nur bedingt geeignet ist. Es ist nicht das einzige Mal, dass wir uns am Kopf kratzen, denn richtige Feierlaune erweckt das als „Partysong“ angekündigte „Decarabia“ nicht wirklich.
Gut ins Ohr geht die Nummer indes genauso wie die anderen Tracks vom brandneuen Album “Distortion” (2024). Beendet wird der kurzweilige Gig aber nicht etwa mit „Uncontrolled“ oder „Malphas“, sondern so etwas wie einem Bandklassiker, den Sängerin Maria auch als „FUTURE PALACE-Soundtrack“ betitelt: In „Paradise“ dürfen die Anhänger:innen sodann selbst die Stimmen erheben – die Formation weiß eben ganz genau, wie man die Massen aktiviert.
FUTURE PALACE Setlist
1. Defeating Gravity
2. Flames
3. Dead Inside
4. Dreamstate
5. Decarabia
6. Heads Up
7. The Echoes Of Disparity
8. Uncontrolled
9. Malphas
10. Paradise
Fotogalerie: FUTURE PALACE
WARKINGS
Ob es Kalkül hat, dass der einzige Weinstand des SUMMER BREEZE in der Peripherie der Main Stage gelegen ist? Immerhin passt der vergorene Traubensaft doch ganz vorzüglich zum Käse. Leider funktioniert der Witz nur auf Englisch, doch sollte das kein Problem sein. Schließlich adressiert Tribune, Sänger der deutsch-österreichischen WARKINGS, sein Publikum wie auf deren Frühjahrs-Tour ebenfalls nur in der Weltsprache. Nicht ohne Akzent, aber dafür mit vielen platten Witzen, die u.a. einen schwarzen Schwimmreifen kurzerhand zum Penisring eines Drachen erklären. Auf jenem darf eine Zuschauerin während „Warriors“ über die Menge reiten, bevor der im Zentrum errichtete Kriegsbanner in „We Are The Fire“ zum Auge eines Circle Pits wird.
Ansonsten ist alles wie gehabt bei der Heavy / Power Metal-Band: Gitarrist Crusader genießt das Rockstar-Leben, wohingegen Kollege Viking am Bass die Zuschauer:innen regelmäßig mittels eindeutiger Gesten zu noch mehr Einsatz anstachelt. Gesprungen wird sodann in „Maximus“, gemeinsam gesungen wiederum in „Fight“. Natürlich erhält Tribune auch heute für die Hits „Spartacus“ und „Sparta“ stimmliche Unterstützung von Kollegin Morgana, deren harsche Growls einen willkommenen Kontrast zum wunderbar miteinander harmonierenden Gesang des Frontgespanns bilden. Cheesy, aber dennoch spaßig – sowohl mit als auch ohne Weinbegleitung.
WARKINGS Setlist
1. The Last Battle
2. Maximus
3. Spartacus
4. Warriors
5. Fight
6. We Are The Fire
7. Sparta
Fotogalerie: WARKINGS
VOODOO KISS
Auf einen ganz besonderen Auftritt freuen sich VOODOO KISS, die auf der überdachten Rebel Stage heute nämlich ihr gerade erst aus der Taufe gehobenes Zweitwerk „Feel The Curse“ vorstellen. Den Album-Release feiert das Abtsgmünder Hard Rock- / Heavy Metal-Projekt sodann mit Titeltrack, dem Sängerin Steffi Stuber (MISSION IN BLACK) überraschendweise sogar ein paar pointiert gesetzte Screams beimischt und so den beiden silbernen Hörnchen auf dem Haupt Rechnung trägt.
Während Stuber in „Lords Of Darkness” und “The Prisoner” gar die Führung übernimmt, teilt sie sich sonst die Aufgabe am Mikro mit Kollege Gerrit Mutz, welcher die neue Ära ebenfalls mit frischem Look einläutet. Zylinder, Gehstock und Mantel verleihen dem Fronter zugleich Eleganz und Autorität. Auf diese Weise fungiert das Duo als visueller Fixpunkt des sonst geerdeten Auftritts, wodurch sich Gitarrist Martin Beuther, Bassist Klaus Wieland und Drummer Achim Ostertag im Hintergrund, doch mit sichtlich Spaß bei der Sache, auf ihr Handwerk konzentrieren können.
Sogar die Security schwenkt zum Sound von VOODOO KISS die Arme
Die Chemie zwischen VOODOO KISS und ihrem Publikum jedenfalls scheint von Anfang an zu stimmen, was wohl auch am teils eingängigen Songmaterial wie „Angel Demon“ oder „On Wings Of Serpent Dreams“ liegt, das selbst Neulingen den direkten Zugang zum Bandsound ermöglicht. Nur logisch, dass zum Ende der Show nicht nur die Fans, sondern auch die Security im Fotograben singenderweise die Arme über den Köpfen schwenken lassen.
Fotogalerie: VOODOO KISS
NEAERA
Es ist eigentlich eine ungesunde Mischung: Nicht nur haben NEAERA nach der ausgefallenen 2020er Ausgabe des SUMMER BREEZE etwas nachzuholen, Sänger Benny Hilleke hat darüber hinaus den offensichtlichen Drang in Vorleistung zu gehen. Ab Mitte September will sich der Shouter nämlich aus familiären Gründen auf unbestimmte Zeit zurückziehen. Wie verabschiedet man sich also würdig von den großen Bühnen? Indem man selbige erstmal komplett ignoriert, natürlich!
Hillekes Antwort scheint kurios, als er bereits die ersten Klänge des Openers „Armamentarium“ nutzt, um der Main Stage den Rücken zuzukehren und den vorderen Wellenbrecher zu überwinden. Ein paar energische Gesten reichen dabei aus, um das Publikum zur Wall of Death zu spalten, in deren Mitte wir alsbald den Sänger selbst erspähen. Pure Eskalation ab Minute eins? Aber selbstverständlich!
Gefühlt verbringt NEAERA-Shouter Benny den halben Auftritt inmitten der Zuschauerschaft
Zwischen Musik, dem Treiben auf den Brettern und dem turbulenten Chaos im Zentrum wissen wir phasenweise selbst nicht, wem oder was nun unsere Aufmerksamkeit gelten soll. Klar, die sauberste Performance ist das wohl nicht, doch das breite Grinsen ist uns dennoch in die Gesichter geschrieben, wenn Benny erst im Pit und später in „Walls Instead Of Bridges“ an der Absperrung das Mikro im Sekundentakt an die Fans weiterreicht.
So viel Einsatz muss entlohnt werden: Wasser fordert der Frontmann für die aufopferungsvolle Meute, bevor er höchstpersönlich den Wasserschlauch bedient. Die Abkühlung kommt vor der nächsten Herausforderung: Crowdsurfen sei zum starken „Torchbearer“ angesagt, während Hilleke – zwischenzeitlich wieder auf der Bühne zu sehen – einen Purzelbaum vollführt. Zum Adrenalinabbau reicht das Kunststück augenscheinlich jedoch nicht, nimmt der Sänger doch wenig später selbst ein Bad in der Menge, aus welchem er gar mit neuer Kopfbedeckung zurückkehrt.
Sogar SUMMER BREEZE-Maskottchen Mikey schicken NEAERA eine Runde crowdsurfen
Überhaupt wuselt es ständig irgendwo und mit irgendwem: Das neue SUMMER BREEZE-Maskottchen Mikey begrüßt man erst mit klassischem High-Five, bevor der Pelzwolf auf den Händen der Fans nach hinten gereicht wird. Kollege BastiBasti (CALLEJON) gesellt sich im Anschluss für „Let The Tempest Come“ zur Band, um den NEAERA-Klassiker mit noch mehr Stimmgewalt auszustatten – Shouter-Kollege Benny reitet in der Zwischenzeit irgendwo im Gemenge Huckepack. Dass sowohl Band als auch wir nach dem finalen „Spearheading The Spawn“ komplett erledigt sind, müssen wir wohl nicht gesondert erwähnen. Vergessen werden wir diesen Wahnsinn jedenfalls nicht so schnell.
NEAERA Setlist – ca. 45 Minuten
1. Armamentarium
2. Walls Instead Of Bridges
3. Torchbearer
4. Pacifier
5. Paradigm Lost
6. Let The Tempest Come
7. All Is Dust
8. Spearheading The Spawn
Fotogalerie: NEAERA
DELAIN
Nach einem solchen Abriss hat es eine Band wie DELAIN zum Einstieg richtig schwer; jedenfalls bei denjenigen, die sich beide Auftritte ansehen und nicht Teil des Personalwechsels sind, welcher sich gerade vor der Main Stage abspielt. Es ist ja auch eine völlig andere Kerbe, in welche der Symphonic Metal der Niederländer schlägt. Den Austausch der kompletten Besetzung im Jahr 2022 hat das Projekt um Keyboarder Martijn Westerholt derweil gut verkraftet.
Spätestens ab dem zweiten Song sitzt Sängerin Diana Leah überwiegend fest im Sattel, brilliert in „Burning Bridges“ und liefert sich in „The Quest And The Curse“ bei klarem Sound so manches Duell mit Bassist Ludovico Cioffi sowie Gitarrist Ronald Landa, deren harsche Backing Vocals den theatralischen Stücken ein rohes Element beimischen. Nur auf den Brettern selbst tut sich abseits fliegender Haarbüschel während der ersten Hälfte des Sets nicht allzu viel. Spaß hat das SUMMER BREEZE mit DELAIN und den leichtfüßigen Strukturen von „Invidia“ dennoch zur Genüge, weshalb wir durchaus ein paar Songs länger geblieben wären, als es der Terminplan zulässt.
Fotogalerie: DELAIN
MEMORIAM
Die Pflicht jedoch ruft, wenn MEMORIAM auf der anderen Seite des Geländes zum Tanz bitten. Eigentlich fehlt uns ja die passende Haarpracht, um dem walzenden Death Metal der Briten den gebührenden Respekt zu zollen; wobei wir selbst dann wohl noch ein paar Jährchen dranhängen müssten, um zu Frontmann Karl Willets aufzuschließen. Fliegen dessen blonde Strähnen gerade nicht in hohem Bogen durch die Luft, gibt es eigentlich nur zwei Alternativen: Entweder bearbeitet Willets dann das Mikro mit beeindruckender Autorität oder er kümmert sich beispielhaft um die Moral seiner Mitmenschen.
Als würde das sympathische Grinsen des Shouters nicht ausreichen, verlässt Willets in „Surrounded (by Death)“ bald die Bühne, um auf den davor aufgebauten Lautsprecherboxen erst die Metalheads an der Absperrung zusätzlich anzustacheln, bevor er plötzlich selbst in deren Rolle schlüpft und aus kurzer Distanz seine eigenen Mitstreiter anfeuert. Das sorgt für so manchen Schmunzler, die MEMORIAM mit „All Is Lost“ und Tracks vom Schlage eines „To The End“ allerdings schnell wieder aus dem Gesicht wischen. Nicht einmal der kurze Ausfall der PA im Opener „Onwards Into Battle“ kann der guten Stimmung vor der T-Stage etwas anhaben, wie auch MEMORIAM in treffender Weise feststellen: „Das Wetter passt, wir sind hier, ihr seid hier – was kann da schon schiefgehen?“ Amen.
Fotogalerie: MEMORIAM
MOTIONLESS IN WHITE
Als MOTIONLESS IN WHITE letztes Jahr im Vorprogramm BEARTOOTHs wie der Headliner abgefeiert wurden, war uns klar, dass wir die US-Amerikaner bald schon auf den großen Bühnen wiedersehen würden. Entsprechend hoch ist der Andrang vor der Main Stage, als das Quintett mit „Meltdown“ recht geradlinig durchstartet. Natürlich gilt die Aufmerksamkeit so einiger Besucher:innen Sänger Chris Motionless, der mit eher dezentem Make-up jedoch gar nicht so auffallend ins Auge sticht wie der Joker-Look Justin Morrows.
Der Bassist mit den leuchtend grünen Haaren unterstützt wie Gitarrist Ricky Olson seinen Frontmann beizeiten am Mikro, überlässt die Kommunikation ansonsten aber dem wortkargen, doch nicht unsympathischen Frontmann. Jenem frisst das Publikum ohnehin aus der Hand, springt in „Sign of Life“ auf Kommando auf und ab, heizt im harten „Soft“ den Circle Pit an und singt die Ballade „Masterpiece“ textsicher von vorne bis hinten mit.
MOTIONLESS IN WHITE spielen ganze zwei Balladen auf einem Metal-Festival
Schnell ist offensichtlich, wie gut sich das aktuelle Material – rund die Hälfte der Songs entstammen dem aktuellen Album „Scoring The End Of The World“ (2022) – im Live-Kontext macht, wo die Balance aus Eingängigkeit und Power noch ein wenig mehr Punch mitbringt. So kann nicht einmal das emotionale „Another Life“ die Energie auf dem Battlefield ausbremsen: Plötzlich segeln die Leute in Massen über die Hände der Fans nach vorne. Verständlich, denn was soll man auch sonst machen, wenn MOTIONLESS IN WHITE auf die skurrile Idee kommen, auf einem Metal-Festival eine zweite Ballade anzustimmen?
MOTIONLESS IN WHITE Setlist
1. Meltdown
2. Sign Of Life
3. Thoughts & Prayers
4. Headache
5. Masterpiece
6. Slaughterhouse
7. Break The Cycle
8. Another Life
9. Reincarnate
10. Soft
11. Scoring The End Of The World
Fotogalerie: MOTIONLESS IN WHITE
FEUERSCHWANZ
Mittelalter und Folk geht auf großen Open Airs wie dem SUMMER BREEZE immer. Der vordere Trakt bis zum ersten Wellenbrecher ist bis zum Bersten gefüllt, als die beiden Show-„Miezen“ Myu und Musch-Musch zum Auftakt die Fahnen schwenken. Der fast schon feierlich gehaltene Einzug trügt jedoch, denn keine Minute später schießen ringsum meterhohe Flammensäulen in die Luft. „SGFRD Dragonslayer“ ist zugegebenermaßen ein mitreißender Startschuss, dem FEUERSCHWANZ mit „Memento Mori“ eine weitere ihrer leicht zugänglichen Hymnen hinterherschieben.
Sänger Ben Metzner greift hier zum Dudelsack, während die Menge mit einem Schlag komplett aus dem Häuschen ist. Die Anhänger:innen der Franken klatschen, singen, tanzen, als würden sie die Botschaft des Stücks an Ort und Stelle in die Tat umsetzen wollen. Besser als der Soundmix an diesem frühen Abend ist folglich nur die Stimmung, was am schmissigen Songmaterial genauso liegen dürfte wie an der sichtbaren Spielfreude der Formation. Geigerin Johanna von der Vögelweide ist das Grinsen wie immer ins Gesicht geschrieben, während zu unserer Rechten ein T-Rex zu „Untot im Drachenboot“ die Hüften kreisen lässt.
FEUERSCHWANZ halten das Energielevel mittels Spielfreude und Effektgewitter hoch
Dass es der Fan im Folgenden nicht mehr lange in seinem aufblasbaren Kostüm aushalten soll, könnte auch an den feurigen Showeinlagen weiter vorne liegen: Erst zücken Myu und Musch-Musch die Flammenwerfer, dann steht plötzlich wieder die ganze Bühne in Brand. Das Energie- und Party-Level halten FEUERSCHWANZ dabei auch im Weiteren hoch, animieren in „Metfest“ zum Trinken oder in „Berzerkermode“ bzw. „Schubsetanz“ zu ein wenig Körperkontakt. Ganz unsere Welt ist das auch 2024 nicht mehr und so manche holprige Ansage („Bastard von Asgard“) oder fragwürdige Coverversion („Dragostea Din Tei“) schreckt uns tendenziell eher ab, doch den grundlegenden Appeal des FEUERSCHWANZschen Konzepts können wir anhand des Gebotenen bestens nachvollziehen.
Fotogalerie: FEUERSCHWANZ
NECROTTED
All jenen, die vor den fröhlichen Klängen nebenan Reißaus genommen haben, bieten NECROTTED bereitwillig Zuflucht unter dem Zeltdach der Rebel Stage. Ohne Humor geht es bei der Modern Death Metal-Band allerdings ebensowenig: Unsere Spekulationen, ob der maßgeschneiderte Intro-Song aus den Serverzentren einer Künstlichen Intelligenz stammen könnte, bestätigt Sänger Fabian sodann gleich selbst.
Der „Heavy Metal Rock Show“ fügt der Shouter wie gewohnt seine eigene Note hinzu: Von donnerndem Growling bis gellenden Screams reicht die Bandbreite; genug Variation bringen NECROTTED darüber hinaus auch kompositorisch mit. Den walzenden Auftakt von „Sow Sorrow For Victory“ garniert das Quintett mit einem melodisch-aufwühlenden Finale, das folgende „Compulsory Consumption“ wiederum ist hörbar zum Haareschütteln geschrieben.
NECROTTED-Shouter Fabian Fink erklimmt schon früh die Absperrung
Hier wagt Fabian Fink zudem einen kleinen Ausflug in den Fotograben, um sich ein persönliches Bild davon zu machen, was denn in der Mitte den ganzen Staub aufwirbelt. Dass des Rätsels Lösung nicht wirklich überrascht, ist klar – den Pit anheizen kann man aber mit etwas mehr Tempo dennoch. Zumindest, sofern Drummer Markus Braun mitzieht – nachdem auch dessen Zustimmung eingeholt wurde, säbelt „Unity Front“ gepflegt über den Acker und zaubert nicht nur uns ein kleines Lächeln aufs Gesicht.
So manches Mal haben wir NECROTTED in den vergangenen Jahren live erlebt, der Spaß war uns dabei immer gewiss. Das ist auch heute so, weil das Quintett bis zum letzten Stück „Cynic Suicide“ engagiert und publikumsnah zu Werke geht. Ein baldiges Wiedersehen wäre sicherlich nicht nur in unserem Interesse.
Fotogalerie: NECROTTED
CALLEJON
Was ist denn hier los? So wie es auf dem T-Square gerade zugeht, fragen wir uns ernsthaft, ob CALLEJON möglicherweise auf die falsche Bühne gebucht wurden. Denn das Interesse an der deutschen Metalcore-Band nimmt zur Prime-Time Dimensionen an, die einen Slot auf der Hauptbühne sicherlich gerechtfertigt hätten.
Analog bricht umgehend Partystimmung aus, als „Porn From Spain 3“ locker und bestimmt zugleich das Set einläutet. Der harte Kern in der Mitte eskaliert binnen Sekunden komplett, als Sänger BastiBasti das SUMMER BREEZE mit einer kollektiven Ansage begrüßt: „Willkommen im Pit!“, heißt es im Refrain – möglicherweise auch, um uns zu verstehen zu geben, dass es selbst in den hinteren Reihen keine Ausreden gibt.
CALLEJON geben vor dem Line-up-Umbruch nochmal alles
Wir würden zwar gerne die folgende Cover-Nummer „Palmen aus Plastik“ als solche anführen, werden aber umgehend von einer feiernden Meute überstimmt. Okay, wir haben verstanden. Abseits einiger weniger Zäsuren à la „Mary Shelley“ halten CALLEJON die schnell aufgetürmte Intensität am Limit, egal ob es in „Gottficker“ mal rockiger, in „Dieses Lied macht betroffen“ mit leichtem BULLET FOR MY VALENTINE-Einschlag oder in „Blitzkreuz“ mit Groove und Melodeath-Vibes zur Sache geht.
Als möchten es die Berliner angesichts des bevorstehenden Line-up-Umbruchs – drei Mitglieder werden die Band nach der Festivalsaison verlassen – nochmal wissen, knallen uns CALLEJON eine Performance um die Ohren, die gut und gerne als Bewerbung für die große Stage angesehen werden kann.
Fotogalerie: CALLEJON
AMON AMARTH
Ihren Platz ganz oben auf dem Billing haben sich AMON AMARTH über viele Jahre hinweg erspielt. Headliner-Format haben die Skandinavier dabei schon seit einer ganzen Weile, was sich nicht zuletzt in ihrer aufwendigen und visuell opulenten Show bemerkbar macht. Selbstverständlich macht das heutige Set da keine Ausnahme, sodass uns schon „Raven’s Flight“ bei ausgesprochen gutem Sound mit dem absoluten Pyro-Overkill begrüßt. Feuer schießt am vorderen Bühnenrand im Sekundentakt Richtung Nachthimmel, doch auch in den hinteren Ebenen des mehrstufigen Sets lodert es gewaltig, während ab und an gar das Dach der opulenten Main Stage in Flammen aufzugehen scheint.
Drummer Jocke Wallgren sitzt mit seinem Drumkit natürlich auch heute wieder auf einem überdimensionalen Wikingerhelm, der links und rechts erst von zwei gigantischen Statuen, später dann von Drachenbooten eingerahmt wird. So wandelbar sich die Bühne im Laufe der anderthalb Stunden zeigt, so wenig flexibel zeigen sich AMON AMARTH in so ziemlich allen anderen Bereichen. Die Show – so spektakulär und atemberaubend sie für Neulinge sein mag -, ist mitsamt ihrer Einlagen und Showeffekte seit vielen, vielen Jahren die gleiche: Spaziert während „Deceiver of the Gods“ der trügerische Gott Loki über die Bühne, liefern sich in „The Way Of Vikings“ zwei Krieger einen einstudierten Schaukampf.
AMON AMARTH bringen das erwartete Spektakel, verlassen sich aber sehr auf ihre Routine
Die Folge sind unweigerliche Abnutzungserscheinungen, wenn wir jede Facette des Sets quasi blind vorhersagen können. Immerhin ist selbst heute noch Frontmann Johan Heggs jugendliche und authentische Freude ansteckend. Der Hühne liebt es augenscheinlich nicht nur, auf der Bühne zu stehen und mit zehntausenden Fans einen Kriegsschrei nach dem anderen abzusetzen, auch die gewaltige Jormundgandr-Replik in „Twilight Of The Thunder God“ bearbeitet er nach wie vor mit Feuereifer, wenn er der aufblasbaren Midgardschlange den Thorshammer entgegenschwingt.
Den Erwartungen entspricht zum Großteil auch die Songauswahl: Gerade das erste Drittel spielen AMON AMARTH in leicht unterschiedlicher Reihenfolge sowieso jedes Mal: „Raven’s Flight“, „Guardians Of Asgaard“, „The Pursuit Of Vikings“, „Deceiver Of The Gods“. Alles Hits, alle schon zigfach live gehört. Wir sind ehrlich: Ein wenig mehr Mut würden wir uns nach so langer Zeit schon wünschen, zumal AMON AMARTH auf einen wirklich reichhaltigen Backkatalog zurückblicken können, der die Live-Pause eines Evergreens ohne mit der Wimper zu zucken kompensieren würde. Das demonstrieren die Skandinavier heute vorzüglich selbst, indem sie tatsächlich doch zwei Raritäten aus dem Ärmel schütteln: Die Wikinger-Ballade „Under The Northern Star“ sowie das marschierende „Tattered Banners And Bloody Flags“ bringen kurzzeitig frischen Wind in die Routine.
Gerudert wird bei AMON AMARTH zwischenzeitlich sogar im Fotograben
Die gute Nachricht: Sofern man sich darauf einlässt, ist selbst ein akribisch durchgetakteter AMON AMARTH-Gig immer noch ein Garant für eine gute Zeit. Im Pit geht es zur Sache, „Heidrun“ eignet sich ähnlich gut zum MItgröhlen wie das sonst etwas platte „Raise Your Horns“ und im eigens dafür geschriebenen „Put Your Backs Into The Oar“ darf sich das SUMMER BREEZE einmal mehr auf den Allerwertesten setzen. Gerudert wird dabei nicht nur vor der Bühne, wo sich sogar die Security der Grabenschlampen das Kreuz aufarbeiten, selbst so mancher Getränkeausschank verwandelt sich kurzerhand in ein provisorisches Drachenboot, wie uns zugespielt wird. Da wartet selbst der durstigste Nordmann gerne ein paar Augenblicke länger.
Eigentlich also alles so wie immer bei AMON AMARTH, die als langjährige Dauergäste natürlich in Dinkelsbühl immer gern gesehen sind und wohl auch in Zukunft noch das eine oder andere Gastspiel hinlegen dürften. Dann aber gerne mit ein paar wirklichen Neuerungern in der Hinterhand.
AMON AMARTH Setlist – ca. 90 Min.
1. Raven’s Flight
2. Guardians Of Asgaard
3. The Pursuit Of Vikings
4. Deceiver Of The Gods
5. As Loke Falls
6. Tattered Banners And Bloody Flags
7. Heidrun
8. War Of The Gods
9. Put Your Back Into The Oar
10. The Way Of Vikings
11. Under The Northern Star
12. First Kill
13. Shield Wall
14. Raise Your Horns
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15. Crack The Sky
16. Twilight Of The Thunder God
Fotogalerie: AMON AMARTH
TENSIDE
Was tun, wenn man zur gleichen Zeit wie der Headliner ranmuss? Während nicht unweit der Rebel Stage AMON AMARTH den Nachthimmel erleuchten, bringen TENSIDE kurzerhand ihr eigenes Arsenal an Pyrotechnik mit. Irgendwie muss man ja selbst als kleine Band mithalten. Nötig wären die Spezialeffekte hingegen überhaupt nicht, wie wir bald feststellen dürfen. Der moderne Sound der Münchner ist live bekanntlich ein todsicheres Ding, weshalb es vor den Brettern erst in „Deadweight“ und dann in „Cannibals“ ordentlich zur Sache geht. Gesprungen wird auf Wunsch von Sänger Daniel Kuhlemann im groovenden „Iron Will & Golden Heart“, so dass die folgenden „Tenside“-Sprechchöre eigentlich nicht überraschen sollten, doch dem Frontmann dennoch kurz die Sprache verschlagen.
Mit einer solchen Resonanz habe man nicht gerechnet, schon gar nicht, weil eben nebenan ein solch massiver Act aufspielt. Das Feedback jedoch ist heute Abend wohlverdient und zugleich das Ergebnis der letzten Jahre harter Arbeit, in welchen sich die Modern Metal-Band zusehends zum ernstzunehmenden Act gemausert hat. In der jetzigen Nische trifft das Quartett jedenfalls regelmäßig den richtigen Ton, egal ob „Impending Doom“ nach vorne wegzieht oder „Dust Of The Bereaved“ Melodie und Emotionalität vereint.
Zum Finale freuen sich TENSIDE über eine gewaltige Wall of Death
Dass nach dem eingängigen „Aim For Paradise“ mit dem bewährten Groove-Monster „This Is What We Die For“ das Ende eigentlich viel zu schnell kommt, ist den Gesichtern der Zuschauer:innen deutlich abzulesen. Mitunter deshalb legen sich die Metalheads noch einmal richtig ins Zeug, indem sie Kuhlemanns Bitte Rechnung tragen, für die Wall of Death doch die Sicht auf den Tonmann freizugeben. Der auf den Fuß folgende Tumult lässt selbst uns kurz Innehalten – eine Machtdemonstration, die selbst zur besten Spielzeit nicht immer auf diese Weise zu realisieren ist.
TENSIDE Setlist – ca. 45 Min.
1. Deadweight
2. Cannibals
3. Iron Will & Golden Heart
4. As Above So Below
5. Impending Doom
6. Pitch & Gold
7. Dust Of The Bereaved
8. Shadow To Shine
9. Aim For Paradise
10. This Is What We Die For
Fotogalerie: TENSIDE
CRADLE OF FILTH
Gedankengänge, die wir nicht erwartet hätten: Irgendwie wirken CRADLE OF FILTH an diesem Freitag auf der T-Stage fast etwas verloren. Nicht, dass den Gothic / Black Metal-Urgesteinen die Erfahrung fehlen würde, doch das eigentlich recht liebevoll gestaltete Setdesign der „Existence Is Futile“-Tour ist für solche Dimensionen augenscheinlich nicht ausgelegt. Was im Herbst 2022 im Münchner Backstage sehr stimmig und eindrucksvoll auf uns wirkte, kann die Atmosphäre der düsteren Musik nun kaum stützen.
Ein Todesurteil ist das keinesfalls, zumal der differenzierte Sound einiges wettmacht. Nichtsdestotrotz fällt es uns heute schwerer als erwartet, in die Klangwelt der Band einzutauchen. Ein wenig mehr Nebel, vielleicht etwas Feuer hätten möglicherweise geholfen, die dramatischen, teils exzentrischen Spitzen von Stücken wie „Saffron’s Curse“ oder „The Principle Of Evil Made Flesh“ auszuschmücken.
CRADLE OF FILTH stellen ihre stilistische Bandbreite zur Schau
Doch wollen wir nicht unfair sein: Möglicherweise sind wir selbst das Problem und heute schlicht nicht zu Einhundertprozent auf den markanten Stil der Briten gepolt. Nüchtern betrachtet ist nämlich alles so, wie es sein sollte: Dani Filth steht sichtlich unter Strom, jauchzt, schreit und keift so unverkennbar wie eh und je, während Keyboarderin Zoë Marie Federoff den eleganten Gegenpart stellt.
Ob catchy wie „She’s A Fire“ oder theatralisch in „Cruelty Brought Thee Orchids” decken CRADLE OF FILTH ihre stilistische Bandbreite recht ausgewogen zur Schau. Möglicherweise agiert die Band dabei einfach zu routiniert und abgebrüht, so dass der Funke letzten Endes nie auf uns überspringen mag. Deshalb schenken wir uns spontan die zweite Hälfte des Sets, obwohl uns dort sicherlich noch der eine oder andere Klassiker erwartet hätte. Kommt vor.
Fotogalerie: CRADLE OF FILTH
LORDI
Der dritte ehemalige ESC-Teilnehmer des Festivals darf wie schon LORD OF THE LOST am Mittwoch den Prestige-Slot nach dem Headliner bespielen. 70 Minuten LORDI heißt heute zugleich eine Reise in die Vergangenheit, denn die ersten drei Studioalben werden mit jeweils ebenso vielen Stücken bedacht, sodass uns die Finnen ganz nebenbei auf einen kleinen Nostalgie-Trip mitnehmen.
Neben den unvermeidlichen Evergreens „Blood Red Sandman“ und „Devil Is A Loser“, wo Frontmann Mr. Lordi typischerweise seine Flügel ausbreiten darf, kommen auch Schmückstücke aus der zweiten Reihe zum Zug. So setzt Gitarrist Kone im unverkrampften „Get Heavy“ zum Sprint über die große Bühne an, darf in „Wake The Snake“ bald darauf ein paar schmissige Riffs aus dem Ärmel schütteln und schließlich vor dem erwähnten „Devil Is A Loser“ gar ein kleines Solo zum Besten geben.
Frontmann Mr. Lordi ist heute erstaunlich gut bei Stimme
Ergänzt wird das Retro-Set durch ausgewählte Zwischenstopps in der Diskografie: „Dead Again Jayne“ eröffnet den Reigen als Vertreter jüngeren Baujahrs, wohingegen das stampfende „Hug You Hardcore“ und das locker nach vorn rockende „The Riff“ die anderen Gesichter LORDIs hervorkehren. Das Tempo bleibt währenddessen angenehm hoch: In der ersten Hälfte des Sets hält sich der oft redselige Mr. Lordi auffallend kurz, besticht stattdessen durch eine überraschend souveräne Gesangsleistung, die wir in dieser Form gar nicht mehr erwartet haben.
Uns ist der Verzicht auf übermäßigen Dialog ohnehin ganz recht, denn wenn LORDI sich doch mal länger an ihr Publikum wenden, ist es meist in Form derselben „Jaja“-Witze und Floskeln, die wir schon vor fünf Jahren an gleicher Stelle gehört haben. Dasselbe trifft natürlich auch auf die wenigen Show-Effekte zu: die rauchende Kreissäge in „Lucyfer Prime Evil“, die CO2-Kanone in „Who’s Your Daddy?“ – die meisten Requisiten haben die Monster-Rocker schon seit mehreren Album-Zyklen im Dienst.
Den LORDI-Hit “Hard Rock Hallelujah” können alle im Publikum mitschmettern
Eine gute Zeit haben wir an der Seite des Publikums dennoch: Die erstaunlich Gefühlvolle Ballade „It Snows In Hell“ sorgt für einen Augenblick der Andacht, bevor nach einem nonchalanten Geburtstagsgruß an Crew-Mitglied Jarre zu „Would You Love A Monsterman?“ lautstark gesungen werden darf. Die Kirsche auf der Fleischpastete bildet schließlich – wie könnte es anders sein – der ESC-Gewinnersong „Hard Rock Hallelujah“, den natürlich ausnahmslos alle auf dem Areal inbrünstig mitschmettern können und der mit einem kleinen Luftschlangenregen zu Ende geht. Plötzlich sind wir wieder Teenager und das fühlt sich in dieser lauen Sommernacht irgendwie verdammt richtig an.
LORDI Setlist – ca. 70 Min.
1. Dead Again Jayne
2. Get Heavy
3. My Heaven Is Your Hell
4. Hug You Hardcore
5. Blood Red Sandman
6. Scare Force One
7. Lucyfer Prime Evil
8. It Snows In Hell
9. Wake The Snake
10. Who’s Your Daddy?
11. The Riff
12. Devil Is A Loser
13. Would You Love A Monsterman?
14. Hard Rock Hallelujah
Fotogalerie: LORDI
MOONSPELL
Wir bleiben in der Vergangenheit: Wenn wir uns richtig zurückerinnern, dann haben wir den Namen MOONSPELL seinerzeit das erste Mal im Zusammenhang mit dem SUMMER BREEZE gehört. Als das Open Air noch Sampler-CDs veröffentlichte, war es ein Track namens „Finisterra“, der Eindruck hinterließ. Seitdem sind viele Jahre ins Land gezogen und aus verschiedenen Gründen hatte es nie sollen sein mit dem Live-Erlebnis. Bis jetzt, denn selbst die kleine Verspätung zu Beginn kann uns diesmal keinen Strich durch die Rechnung machen.
Spät nachts also die MOONSPELL-Premiere für uns – einen perfekteren Rahmen können wir uns kaum vorstellen, um den düsteren Gothic Metal mit Haut und Haaren genießen zu können. Sänger Fernandos volle Stimme nimmt uns umgehend mit, weil er Stücke wie „Opium“ oder das folgende „Awake!“ mit Gefühl und Leidenschaft wiedergibt. Generell sind der Fronter und seine Truppe ausgesprochen engagiert bei der Sache, was zu dieser gottlosen Uhrzeit doch noch mal für einen letzten Energieschub ausreicht.
MOONSPELL orientieren sich heute vorwiegend an ihren Anfangstagen
Im Verhältnis jedenfalls, denn als sich Fernando für das harte „Night Eternal“ einen Moshpit wünscht, ist das Resultat wohl eher durchwachsen. Das müsse größer gehen, ist er sich sicher, bevor mit „Finisterra“ nochmal eine Schippe Aggression draufgelegt wird – und uns spontan ein Jubelschrei entfährt. Für uns hat der Titel schließlich Symbolcharakter, und ganz besonders in Verbindung mit dem Boden, auf dem wir gerade stehen.
Dass MOONSPELL im Folgenden ihr aktuelles Werk „Hermitage“ (2021) nicht mit einem einzigen Song bedenken, sondern sich vorwiegend ihren Anfangstagen um „Irreligious“ (1995) und „Wolfheart“ (1994) widmen, fällt nicht einmal ansatzweise ins Gewicht. Von Beginn bis Ende verlieren wir uns schnell im Sound der Portugiesen, deren Frühwerk mit „Mephisto“, „Alma Mater“ oder dem Schlusspunkt „Full Moon Madness“ zielstrebig unter die Haut geht und deren Ende uns daher umso schmerzlicher zurück in die Realität befördert.
MOONSPELL Setlist
1. Opium
2. Awake!
3. Extinct
4. Night Eternal
5. Finisterra
6. Everything Invaded
7. Breathe (Until We Are No More)
8. Mephisto
9. Alma Mater
10. Full Moon Madness
Fotogalerie: MOONSPELL
Samstag, 17. August 2024
Endspurt 2024: Die letzten vier Tage stecken uns an diesem abermals sonnigen Vormittag mittlerweile spürbar in den Knochen, doch beißen wir trotzdem gerne nochmals die Zähne zusammen. Denn auch der Samstag besticht mit einem hochinteressanten Programm, das HEAVEN SHALL BURN mit einer fast exklusiven Festivalshow anführen und von Veteranen wie SUBWAY TO SALLY sowie Durchstartern à la SPIRITBOX flankiert wird. Überdies haben wir den Underground auf dem Schirm: UNPROCESSED waren ja schon auf der Tour mit TESSERACT live eine regelrechte Wucht.
Gemunkelt wird zu alledem über einen Überraschungsauftritt von MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN auf dem Campsite Circus: Gemeinsam mit GUTALAX ist man ohne Vorankündigung auf dem Festivalshirt vertreten und letztere haben noch am Freitag kurzfristig die geplante Surprise Show absagen müssen. Fraglich ist für uns lediglich, ob wir in unserem Zeitplan Raum für etwas Freibeuter-Geplänkel finden, denn ab Mittag sind wir eigentlich durchgehend vor einer der vielen Bühnen im Einsatz.
SAMURAI PIZZA CATS
Um Punkt zwölf auf der Main Stage ranzumüssen, ist nicht die dankbarste Aufgabe, knallt doch die Sonne gnadenlos auf die Bühne, wo Sänger Sebastian Fischer im Verlauf der 40 Minuten wohl mehrere Liter Wasser verlieren dürfte. Wie sehr die Hitze nicht nur Publikum, sondern auch Band schlaucht, lässt uns der Fronter nach so ziemlich jedem Song wissen. Das bemerkt Fischer zwar irgendwann sogar selbst, doch ausgesprochen werden muss es dennoch: Geteiltes Leid ist schließlich nur halb so schlimm.
Die Zähne zusammenbeißen kann man auf dem SUMMER BREEZE trotzdem ganz gut, anders können wir uns die ungebrochene Party-Stimmung kaum erklären, die nach dem Intro der namengebenden Zeichentrickserie “Samurai Pizza Cats” durchgehend herrscht. Nachdem Fischer nach dem Einmarsch die pinkfarbene Hasenmaske abgelegt hat, springen Band und Publikum zu „Outcast“ wie in Ekstase und schieben in „Falling Down“ einen Circle Pit hinterher. Dass während „The Wolf In Me“ plötzlich eine Rolle Toilettenpapier über die Menge segelt, weckt Erinnerungen ans Vorjahr, wo GUTALAX eine Spur der Verwüstung hinterließen. Nach deren spontanen Absage am Vortag ist es also nur logisch, sich der nun überschüssige Munition an gleicher Stelle zu entledigen.
Mit SAMURAI PIZZA CATS gibt es mittags das komplette Metalcore-Pflichtprogramm
Mit der Wall of Death in “Last Player” und einem abschließenden Ausflug in den Fotograben komplettieren SAMURAI PIZZA CATS bald darauf das Metalcore-Pflichtprogramm, das uns schließlich trotzdem leicht grübelnd zurücklässt: Warum Sebastian Fischer sein wundervolles Pizza-Kostüm für „You’re Hellcome“ überstreift und vor dem abschließenden Überhit „Pizza Homicide“ wieder ablegt, können wir nur auf eine Weise erklären: Es ist wohl heute schlichtweg zu heiß.
SAMURAI PIZZA CATS Setlist
1. Outcast
2. The Wolf In Me
3. Burn
4. Freakshow
5. Last
6. Fake
7. Have A G.O.O.D. Day!
8. Welcome To The Fightclub
9. Alpha
10. You’re Hellcome
11. Pizza Homicide