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AARA: Triade II: Hemera

Und die Reise geht weiter: AARAs atemlose Trilogie geht mit „Triade II: Hemera“ in die zweite Runde und bietet weiterhin melodischen und zeitgemäßen Black Metal auf allerhöchstem Niveau.

Er ist schon ein armer Tropf, aber auch irgendwie selbst schuld an seiner Misere: Melmoth der Wanderer ist verflucht, hundertfünfzig Jahre auf Erden zu wandeln, und gehört nirgends hin und nirgends dazu, und doch ist er überall. Mal ehrlich, geht es uns nicht allen so, Stichwort Doomscrolling in der U-Bahn? AARA begleiten den ruhelosen Melmoth und irgendwie auch das ruhelose Publikum durch eine Welt, in der das Fußfassen so schwierig ist. Das weiß auch die Hemera, eine enge Verwandte der Eos übrigens, die jeden Tag aufs Neue aus Hades aufsteigt. Ein Leben am Fließband des steten und immergleichen Wechsels.

Vielleicht ist es das, was mich an „Triade II: Hemera“ so berührt und gleichzeitig abschreckt: Das Murmeltier grüßt auch hier erneut, mit einem weiteren Erdenbürger unter meinem Dach. Nachdem die Erste aus dem Gröbsten raus ist, ist da ein neues Wesen, das uns so sehr braucht in seinem Selbstverständnis, dass es oft so wirkt, als würde die Selbstbestimmung niemals zurückkehren. Ha! Selbstbestimmung! Zum Glück ist da noch die Liebe, die uns durchhalten lässt. Ich renne also mit Melmoth Seite an Seite durch die Welt, meine ganz anders als seine und doch gleich – nur dass ich keine 150 Jahre mehr vor mir habe.

Noch ruheloser und weltumspannender als Teil eins: AARA schicken Melmoth in „Triade II: Hemera“ auf Weltreise

Und AARA? Die verstehen es immer noch meisterhaft, die Essenz dieser Epoche ins hier und jetzt zu übertragen und diesen Stoff kongenial zu übertragen. Wir erinnern uns: Teil I dieser Triade schmiss Melmoth in die Welt, ließ ihn Schiffbruch erleiden, sechs Szenen, sechs rasende Dramen in diesem Universum. „Triade II: Hemera“ bietet wieder sechs Kapitel und wirkt wunderbar szenisch. Das Album ist dabei noch etwas ruheloser und noch weltumspannender. Schon das atmosphärische Intro ist kürzer und mündet sofort in eine tragische Melodie, aus der dann „Phantasmagorie“ explodiert. Ein unglaublich wütendes Stück, das immer wieder durch Chöre und etwas langsamere Momente aufgelockert wird, um nicht monoton zu wirken, und doch stets kompromisslos.

Melmoth kommt weiter in der Welt herum und AARA fangen dies brillant auf: „Sonne der Nacht“ besticht indischen Gesangssamples, ein wundervoller Kontrast zum melodiös rasenden Black Metal. Und immer wieder ist da eine Verzweiflung zu hören: „Adonia’s Elegien“ und das abschließende „Mitgift“ mit seinem unglaublichen Hauptriff lassen uns die Unbill spüren, so ganz verlassen im Labyrinth der Existenz. Furor und Misere im Schulterschluss. AARA schaffen es mit Leichtigkeit, dieses Gefühl die ganzen 40 Minuten hindurch aufrechtzuerhalten, denn auch „Das Dunkel der Welt“ und „Strepitus Mundi“ andere Schwerpunkte haben, nämlich die Aggression, fügen sich aber perfekt ins Gesamtbild ein und ergänzen es mit vielen Details und immer wieder unerwarteten Nuancen, wie etwas das jüdische Schofar Horn.

Diese Band ist ein Phänomen: Auf „Triade II: Hemera“ brillieren AARA erneut in Bezug auf Komposition, Darbietung und Konzept

Der Titel „Strepitus Mundi“ passt perfekt zum gesamten Werk. Erstens sind wir hier auf einer Weltreise, vorwiegend in Richtung Osten, was sich auch an den Harmonien bemerkbar macht. Zweitens besteht diese lärmende Welt, in der sich Melmoth wiederfindet, erneut vierzig Minuten lang aus wilden Riffs, mal eingängig und mal komplex, aus donnernden Blast Beats und aus dem markerschütternden Geschrei der Lyrikerin Fluss, ohne dass die Intensität je nachlässt. Dieses Mal ist der Sound allerdings ein bisschen weniger am Limit. Gut gewählt, denn wenn schon die Stücke kaum Luft zum Atmen lassen, ist es wichtig, dass die Drums zumindest marginal dezenter sind.

Wie schon „En Ergô Einai“ und „Triade I: Eos“ zeigt „Triade II: Hemera“ eine junge, hungrige Formation, die nicht zu bremsen ist. Die sich ungeheuer treffsicher gibt, in Bezug auf Komposition, Darbietung und Konzept. Apropos: Dass „Triade II: Hemera“ so getrieben wirkt und recht abrupt endet, ist kein Zufall, sondern der Dramaturgie geschuldet. Das ist konsequent, lässt aber den zweiten Teil dieser epischen Reise ein wenig hinter dem Auftakt zurückstehen. Wer denkt, dass dies ein Makel ist, versteht nicht, wie Trilogien funktionieren. Viel mehr wässern AARA damit die Münder – Triade III (lasst mich raten: Nyx?) kann gar nicht schnell genug kommen.

Wertung: 5 von 6 Irrgärten

VÖ: 13. Mai 2022

Spielzeit: 41:43

Line-Up:
Berg – Guitars, Bass, Samples
Fluss – Vocals, Lyrics
J. – Drums

Label: Debemur Morti Productions

AARA „Triade II: Hemera“ Tracklist:

1. Phantasmagorie
2. Adonaia’s Elegien
3. Sonne der Nacht
4. Das Dunkel der Welt (Official Audio bei Youtube)
5. Strepitus Mundi (Official Audio bei Youtube)
6. Mitgift

Mehr im Netz:

https://aara.bandcamp.com
https://www.facebook.com/profile.php?id=100051054499947
https://www.instagram.com/aara_art/

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