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TARJA: My Winter Storm

Ein verhältnismäßig eigenständiges Album mit vielen überdurchschnittlich starken Liedern gelungen, die sich zwischen schwermütigen Balladen und schleppendem Symphonic Rock bewegen und zum Träumen und Verweilen einladen.

Wow, eine CD mit Nivea-Logo im Inlay! Das passt bestens zur Erwartungshaltung. Eine Stimme, ein Gesicht, ein Produkt – das wollen Universal vermarkten. Als Hintergrundband für die Ex-NIGHTWISH-Sängerin fungieren Profis, die abgesehen von FARMER BOY Alex Scholpp aus dem Pop-Bereich stammen; für den Songwriting-Brei wurden viele Köche verpflichtet. Kann angesichts dieser Vorzeichen etwas anderes herauskommen als seelenlose Kommerzmucke?

Die Antwort lautet zu meiner großen Überraschung ja! Das Best Case Scenario ist eingetreten: NIGHTWISH rocken ohne ihre ehemalige Frontdiva den Rockolymp, während TARJA – der Nachname ging auf dem Weg ins Presswerk verloren – es tatsächlich geschafft hat, eine eigene Identität zu finden. Ihr Erbgut enthält natürlich NIGHTWISH-DNA. Doch bezeichnenderweise klingt “My Winter Storm” gerade dann am besten, wenn die Musik am wenigsten nach Tarjas ehemaligem Arbeitgeber klingt.

Stilistisch bewegen sich die meisten Stücke zwischen schwermütigen Balladen und schleppendem Symphonic Rock. “I Walk Alone”, Opener und erste Single, zeigt, wohin die Reise geht. Die Atmosphäre ist dicht, aber nicht überfrachtet. Die Refrain-Melodie ist dramatisch, lässt den letzten Ohrwurmkick jedoch vermissen. Bestes Beispiel dafür, dass es ein hörenswertes Leben nach NIGHTWISH gibt, ist “Our Great Divide”, ein wunderschönes, episches Lied, bei dem man unwillkürlich in die geheimnisvoll verträumte Atmosphäre eintaucht. Immer wieder gibt es gelungene Zwischenspiele, die die einzelnen Stücke verbinden, so dass stellenweise richtiges Kino-Feeling aufkommt.

Weitere Höhepunkte sind die ruhigeren Stücke “The Reign” und “Oasis”. “The Reign” ist eine ergreifende Ballade mit geschmackvollen Streicher-Arrangements, bei der Tarja als gereifte Sängerin brilliert. Der Zauber wird am Ende leider durch flottes Ethno-Getrommel getrübt. “Oasis”, Tarjas Debüt als Songwriterin, kommt in der ersten Hälfte rein instrumental daher und besticht durch eine schöne Klaviermelodie und epische Soundtrack-Elemente. Der kurze Gesangsteil (auf Finnisch) fügt sich schließlich nahtlos in den Spannungsaufbau ein.

Mit “Lost Northern Star”, “Die Alive” und “Ciarán`s Well” befinden sich auch ein paar härtere Nummern auf dem Album. Diese können kompositorisch nicht mit dem Rest des Albums mithalten und haben einen gewissen Alibi-Charakter. Ein weiterer Kritikpunkt, der gerade bei diesen Stücken auffällt, ist der klinische Schlagzeugsound, welcher den härteren Passagen die Wucht nimmt und unnötiges Pop-Feeling verbreitet.

Das Schöne an “My Winter Storm” ist auf alle Fälle, dass trotz der eingangs erwähnten Vielköcherei alles aus einem Guss klingt, und dass sich die elegische Stimmung wie ein roter Faden durch das Album zieht. Es spricht zudem für Tarjas Souveränität, dass weder Textzeilen wie Er wollte doch nur ein Spielzeug (“Boy And The Ghost”), noch das ALICE COOPER-Cover “Poison” lächerlich wirken, obwohl beide Fälle sicherlich nicht zu den Glanzpunkten der CD gehören.

Frau Turunen ist also ein verhältnismäßig eigenständiges Album mit zahlreichen überdurchschnittlich starken Liedern gelungen, die zum Träumen und Verweilen einladen.

Veröffentlichungstermin: 16.11.2007

Spielzeit: 60:56 Min.

Line-Up:
Tarja Turunen: Gesang
Alex Scholpp: Gitarre
Torsten Stenzel: Keyboard
Doug Wimbish: Bass
Earl Harvin: Schlagzeug

Produziert von Daniel Presley
Label: Universal

Homepage: http://www.tarjaturunen.com

Tracklist:
1. Ite, Missa Est
2. I Walk Alone
3. Lost Northern Star
4. Seeking For The Reign
5. The Reign
6. The Escape Of The Doll
7. My Little Phoenix
8. Boy And The Ghost
9. Sing For Me
10. Oasis
11. Poison
12. Our Great Divide
13. Sunset
14. Damned And Divine
15. Die Alive
16. Minor Heaven
17. Ciarán`s Well
18. Calling Grace

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