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OPETH: Auf dieser Platte hat es sieben Bässe

blankBassist Martin Mendez ist nach Mikael Åkerfeldt am längsten dabei bei OPETH. Der gebürtige Uruguayer ist noch in den 90ern nach Schweden gezogen und veredelte als erstes „Still Life“ (1999) mit seinen Basslines. Im Vorfeld zum OPETH-Gig in Zürich fand sich endlich Zeit, ein Interview mit dem sympathischen Bassisten zu führen – gediegen im aufgeräumten Tourbus, in welchem es sogar zwei Arten Würfelzucker für Kaffee und Tee im Angebot hat.

Hej Martin. Danke für das wundervolle Album „In cauda venenum“. Was als allererstes interessiert: Welche Art von Bassgitarre hast du auf dem Album verwendet?

Also auf „In cauda venenum“ hat es sieben verschiedene Bassgitarren. Dies liegt unter anderem daran, dass es im Studio eine sehr schöne Sammlung von Vintage-Bässen hatte, wo ich mich bedienen durfte. Davon spielte ich auf vieren: einem Fender von 1967, einem Höfner-Bass wie Paul McCartney von den BEATLES, einem Precision von 1964 und einen alten Gibson-Bass aus den Sechzigern. Dazu kommt ein Franz-Bass aus Deutschland. Die Franz-Bassmanufaktur baute mir einen Bass und wir sind noch daran, dieses Modell weiter auszutesten. Ein wirklich schönes Instrument und ein sehr guter Bass. Dazu gibt`s noch Fender-Bässe und einen Sandberg-Bass zu hören.

Und letztere gehören dir.

Genau. Fender, Sandberg und Franz-Bass gehören mir. Im Studio gab es eine ganze Auswahl von Instrumenten, mit denen man experimentieren konnte. Da wendet man dann nicht nur die Marken an, mit denen man Endorsement-Verträge hat. Also bei den Gitarren nicht nur PRS, sondern auch Fender und Gibson im Studio.

Aber ist das dann kein Problem mit den Sponsoren?

Nein. Man darf trotzdem diese anderen Instrumente auch anwenden. Das ist auch das Beste für den Sound.

Auf der Bühne müsst ihr dann aber die Endorsement-Instrumente anwenden, oder?

 Live, ja.

Das wusste ich nicht, ich hatte gemeint, ihr dürft dann auch im Studio nur noch die gesponserten Marken verwenden.

Eigentlich ja schon, aber realistisch ist das nicht.

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OPETH-Bassist Martin Mendez beim Konzert in Zürich im November 2019

Der Sandberg-Traumbass

Hast du denn eigentlich einen Traum-Bass? Und besitzt du ihn bereits?

Ja, momentan ist es der Sandberg-Bass. Ich habe wieder mit ihnen angefangen zu arbeiten und sie bauen ein Signature-Modell für mich. Das wird dann mein Hauptbass. Und ja, ich habe ihn bereits. Also den Prototypen, den habe ich auch heute Abend dabei. Offiziell ist das Signature-Modell aber noch nicht erschienen.

War es denn schon immer Sandberg?

 Nein, vorher eindeutig Fender. Ich habe schon immer Fender gespielt. Jazz Bass-Fender.

Also hat sich dein Bassgeschmack nie wirklich verändert?

Nun, ich habe mit Fender angefangen und das hat sich wirklich lange so gehalten.

In dem Fall hattest du nie eine Phase, in der es dir am wichtigsten war, dass dein Bass einfach möglichst krass aussieht – nur um dann auf ein anderes Modell zu wechseln, um in punkto Bassgeschmack „erwachsen“ zu werden.

 Nein, so war es nie, haha. Ich wollte eigentlich immer auf dem gleichen Instrument spielen, ich bin ein Gewohnheitstier. Aber heute ist es anders. Man muss verschiedene Dinge ausprobieren, man muss zeigen, was man alles kann. Es ist schwierig, all diese verschiedenen Fähigkeiten nur mit einem Modell zu spielen. Auf eine Art ist das tragisch, aber so lange es gut geht, ist alles gut.

Zwei Effektpedals reichen

blankNatürlich muss ein Bass, den du anwendest, eine gewisse Qualität haben. Sonst könntest du ja auch nicht dahinter stehen. Was bei deiner Spielweise auffällt, ist, dass du kein großer Effektpedalensammler zu sein scheinst.

 Ich benutze live zwei verschiedene Pedals. Zum einen das EBS Valve Drive Pedal, das ist sozusagen mein Hauptsound. Dann noch das Distortion-Pedal meines Super Bassman Fender-Verstärkers. Das wars auch schon.

Du brauchst also nur zwei.

Genau, für diese Art von Musik brauche ich „nur“ zwei, haha.

Bass spielt man mit den Fingern

Was denkst du eigentlich darüber, dass gewisse Leute mit einem Pick Bass spielen statt mit den Fingern?

Ja, das ist schon andersartig. Ein ganz anderer Sound. Ich habe das selber nie gemacht – bis letztes Jahr. Da habe ich mit einem Sideprojekt eine Platte aufgenommen und habe das ganze Album mit dem Plektrum eingespielt. Bassspielen mit einem Plektrum! Das passte gut zu diesem Stil, es war etwas härter, so schwarzmetallisch. Aber sonst habe ich immer mit den Fingern gespielt. Ich weiss nicht, warum. Es war einfach schon immer so.

Würdest du sagen, dass man also im Death Metal mit dem Plektrum spielen soll wegen des Sounds?

Also ich habe auch vorher nur mit den Fingern gespielt, sehr wohl auch Death Metal. Nur dieses eine erste Mal letztes Jahr für die zuvor genannte Platte, da spielte ich mit dem Plektrum. Aber man kann ja auch mit den Fingern Bass spielen für Black Metal, das weisst du sicher, haha.

Oh ja. Es scheint mir nur so merkwürdig, dass jemand ausgerechnet dich fragen würde, ob du mit dem Plektrum spielen kannst – gerade weil du auch die schnelleren Basslines mit den Fingern mehr als gut hinkriegst. Es ist ja fast schon Ressourcenverschwendung dann.

Also die Initiative kam schon auch von mir. Ich selber wollte es testen. Und dieses Projekt bot sich für diesen Test an. Es war also nicht so, dass mir jemand dahingehend eine Vorschrift gemacht hätte! Es passte einfach gut. Es ist ja gut und recht, wenn man selber wählen kann und sich selber fürs Plektrum entscheidet. Da kriegt man einen metallischeren Klang.

Aber ich liebe es, mit den Fingern Bass zu spielen. Das ist das, was ich mag. Man hat viel mehr Möglichkeiten!

Ja, und man hat nie den Stress, dass man das Plektrum fallen lassen könnte während des Gigs. Seine Finger verliert man nicht.

Genau, die sind immer da.

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OPETH-Sänger Mikael Akerfeld beim Konzert in Zürich im November 2019

Musikalische Familienbande

Soweit ich weiss, hat es ja in deiner Familie noch andere Musiker. Was denken deine Eltern über dein musikalisches Schaffen mit OPETH?

 Sie sind sehr stolz und sie finden es toll. Mein Vater war Bassist, doch seine Karriere endete, bevor ich geboren wurde. Sie war also nicht so lang. Ich habe auch einige Vetter, die spielen, aber nicht professionell. Meine Familie ist aber stolz auf das, was ich mache. Sie kommen zu den Konzerten, wenn sie können und fragen immer, wo ich als nächstes auftrete und so weiter. Sie mögen es sehr.

Aber wohnen sie nicht ziemlich weit weg, um an deine Konzerte zu kommen? OPETH spielen ja nicht so häufig in Uruguay.

 Ah, meine Eltern sind vor sieben Jahren umgezogen nach Barcelona. Da wird es natürlich einfacher mit den Konzertbesuchen.

Gibt es denn etwas aus Uruguay, das du vermisst in Schweden?

 Ja, das ist klar, dass man den Ort, an dem man geboren ist, vermisst. Die Schulfreunde von früher, die Plätze der Kindheit, der Rest der Familie, die, die noch in Uruguay wohnen. Ich wohne schon länger in Schweden, als ich je in Uruguay gewohnt hatte, aber diese Erinnerungen verschwinden nicht einfach so. Für mich ist Uruguay immer in meinem Herzen. Ich kann nicht dorthin reisen und nicht spüren, dass ich von dort bin. Obwohl ich natürlich schon sehr lange in Schweden lebe. Aber das Herz ist in Uruguay – oder zumindest ein Teil davon.

blankFleisch und Dulce di Leche aus Uruguay

Gibt es auch Profaneres, das du aus Uruguay vermisst?

 Ja, FLEISCH! Man isst viel Fleisch in Uruguay und man findet überall immer sehr gutes Fleisch. Fleisch ist überall. Sämtliches Grillfleisch ist von sehr guter Qualität, das ist schon speziell. Natürlich gibt es noch andere Esswaren, aber heutzutage kriegt man in Schweden fast alles. Es ist nicht mehr so schwierig, exotisches Essen zu kaufen, wie noch vor 15 Jahren. Zum Beispiel Dulce di Leche. Diese Spezialität kommt ja aus Uruguay.

Nicht aus Brasilien? Ich kenne es nur aus brasilianischen Restaurants.

 Nein, eigentlich ist es aus Uruguay – oder aus Argentinien. Wir haben da einen ewigen Streit darüber, wer es erfunden hat. Aber es ist typisch für Uruguay. Heutzutage kann ich Dulce di Leche in Barcelona oder in Stockholm kaufen, es ist nicht mehr wie früher, als man es krass vermisste und dann warten musste, bis man es wieder mal bekam…

Genau, wenn jemand in Urlaub flog und man darum bitten musste, irgendwelche Fressalien aus dem Ferienland zu bekommen.

Richtig, und dann darauf hoffte, dass er einem was mitbrachte. Aber heutzutage ist das Ganze viel einfacher wegen der Globalisierung. Aber die Erinnerungen an früher und die Freunde von damals vermisst man halt dennoch.

Charlatan mit Bässen

Kommen wir mal noch zu OPETHs aktuellem Album „In cauda venenum“. Ein Freund von mir hat behauptet, dass im Song „Charlatan“ nur Bassgitarren zum Einsatz gekommen wären und keine normalen E-Gitarren. Ist das wirklich wahr?

Ja, alle Saiteninstrumentenparts werden von drei Bässen übernommen. Es hat keine Gitarren in „Charlatan“. Ich spielte meinen normalen Bass mit meinem üblichen Sound. Fredrik und Mikael spielten verzerrte Bässe und natürlich weiter oben, darum klingt es, als ob es Gitarren wären.

Also ist es wirklich wahr. Ich war mir echt nicht sicher.

Doch doch, wirklich nur mit Bässen. Aber man hört es nur ein bisschen.

Es ist ja schon ungewöhnlich. Spontan fällt mir dazu nur NECROMANTIA ein, die auch mal ein ganzes Album (“IV Malice”) nur mit verzerrten Bassgitarren eingespielt haben.

 Ja, es gibt noch ein paar andere Bands, die solche „Bass-Alben“ gemacht haben. Aber es ist selten.

Ich finde es mutig. Wessen Idee war es? Deine?

Nein, nicht meine. Es war Mikaels Idee. Er hat den Song so geschrieben. Er wollte diesen bestimmten Sound haben und experimentierte deswegen mit den Bassgitarren und den entsprechenden Klang hinzukriegen.

Extraproben für Axenrot und Mendez

Was mir bei OPETH unter anderem gefällt, ist, dass die Basslines nicht einfach auf die Grundtöne reduziert werden. Deine Basslines haben ein richtiges Eigenleben fernab der Grundtoneinschränkungen. Wie läuft das beim Songwriting? Hast du viele Freiheiten?

 Nun, ich bin nicht wirklich Teil des Songwritingprozesses. Ich beeinflusse „nur“ den Bass. Mikael macht Demos mit seinen Songideen drauf. Man bekommt klare Demos mit fertigen Songs – Gitarren, Bass, Drums, Keys – alles ist schon da. Das ist dann der Startpunkt für eigene Ideen, die man für sein Instrument hat. Das, was man bringt, muss immer besser sein als das, was auf dem Demo ist. Ich habe viel Freiheit, würde ich sagen, denn ich liefere immer das Beste, was ich liefern kann. Schliesslich und endlich ändere ich ziemlich viel – es ist ein grosser Unterschied zwischen der Demoversion und der Albumversion.

Du prägst also die Songs sehr wohl selber mit.

 Ja, auf jeden Fall. Man muss natürlich Mikaels Grundidee respektieren, aber ich kann viel beeinflussen. Ich und Axenrot treffen uns jeweils einen Monat vor den Albumaufnahmen. Wir üben also einen Monat lang die neuen Songs zu zweit, damit die Rhythm und Bass-Arbeit auf jeden Fall stimmt, bevor die Gitarren, die Keyboards und der Gesang dazukommen.

Das klingt ja sehr danach, als wären alle die dummen Witze über Bassisten, die nur mit Musikern abhängen, gar nicht wahr.

 Genau. Das ist nicht wahr, haha.

Jazz als Herausforderung

Welches Lied auf „In cauda venenum“ fordert dich am meisten heraus?

 Hm, ich weiss nicht. Es gibt ja nichts, was unspielbar wäre, man muss einfach vor den Aufnahmen mehr trainieren. Aber das Lied „Banemannen“ ist sicher anspruchsvoll, weil es jazzige Parts hat. Allerdings verbeiße ich mich dann auch gerade deswegen darin – ich liebe Jazz und Jazz-Sounds. Aber das war ein Lied, an dem ich wirklich präzise arbeiten wollte. Es ist ja nicht wirklich schwer – man muss sich einfach mehr konzentrieren, dann geht es schon. Wir waren vor den Aufnahmen – wie gesagt – gut vorbereitet, also war kein Lied unmöglich.

Also gab es keine Überraschungen.

Nein, dieses Mal nicht. Axenrot und ich hatten uns ja gut vorbereitet und einen Monat Vorsprung. Bei anderen Alben – wie etwa „Deliverance“ – hatten wir vorher die Songs nicht einstudiert. Wir hatten im Vorfeld nichts geübt und hatten nur eine vage Idee, wie die Songs waren. Wir machten also alles im Studio. Wir brauchten also viel mehr Zeit im Studio. Bei „In cauda venenum“ war es anders – alle konnten ihre Parts schon vor dem Studioaufenthalt. Wir waren also viel schneller. Und es kostete weniger.

Naja, dafür wart ihr in diesem Luxusstudio mit den edlen Vintage-Bässen, da hebt sich das ja wieder auf…

 Hahah, nein. Es dauerte viel weniger lang, nämlich nur zwei Wochen, bis wir „In cauda venenum“ eingespielt hatten. Der Mix dauerte dann nochmals zwei oder drei Wochen. Das war also ziemlich schnell.

Schwedisch klingt natürlich

Was war deine Reaktion darauf, dass „In cauda venenum“ auch auf Schwedisch erscheint?

 Also ich fand die Idee sehr cool. Und etwas, was wir vorher noch nie gemacht hatten. Ein Album aufnehmen, auf dem es nur schwedische Texte zu hören gibt.

Auf jeden Fall kein ganzes Album. Ihr habt ja mal eine Coverversion von Marie Fredrikssons (ROXETTE) Song „Den ständiga resan“ gemacht, das auf „Watershed“ erschien.

Ja, aber das war ja nur ein Bonustrack, es war kein regulärer Track auf dem Album. So war die schwedische Variante etwas Neues für uns.

Ich mag die schwedische Version von „In cauda venenum“ viel mehr als die englische, muss ich zugeben.

Ja, ich auch. Ich glaube, ich habe die englische Version nur einmal gehört, als sie fertig gemischt und gemastert war. Die ganze Produktion zuvor, das Einspielen im Studio, die Demos – ich kannte nur die schwedische Version von „In cauda venenum“. Das war meine „Arbeitsversion“. Und ich höre mir eigentlich immer die schwedische Version an.

Ich auch, aber einige meiner schwedischen Freunde meinen, dass sie ganz klar die englische Version bevorzugen, weil das für sie die „OPETH wie ich sie kenne“-Version sei. Mikaels schwedische Singstimme wirke zu ungewohnt.

 Ja, für sie ist es vermutlich wirklich sehr ungewohnt, OPETH auf Schwedisch zu hören. Aber für mich ist „In cauda venenum“ halt eine schwedische Platte, weil wir nur damit geprobt haben. Es fühlt sich einfach natürlicher an.

Danke fürs Interview!

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