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ISIS: Füttern war gestern

Ich werde es wohl nie schaffen ein ausgedehntes Interview mit ISIS zu machen. Aber immerhin nimmt sich der enorm gut gelaunte und fröhliche Keyboarder und Gitarrist Bryant Clifford Meyer der innovativen Band vor dem großartigen Auftritt in München fünfzehn Minuten Zeit, um die wichtigsten Fragen zum neuen Album "Wavering Radiant" zu beantworten, um auf Neuerungen einzugehen und sich zu neuen Mysterien inspirieren zu lassen. Fakt ist: Die Zeiten, in deen die Fans mit Informationen über Konzepte, Bedeutungen und Ähnliches gefüttert werden, sind vorbei.

Ich werde es wohl nie schaffen ein ausgedehntes Interview mit ISIS zu führen. Aber immerhin nimmt sich der enorm gut gelaunte und fröhliche Keyboarder und Gitarrist Bryant Clifford Meyer der innovativen Band vor einem großartigen Auftritt in München fünfzehn Minuten Zeit, um die wichtigsten Fragen zum neuen Album Wavering Radiant zu beantworten, um auf Neuerungen einzugehen und sich zu neuen Mysterien inspirieren zu lassen. Fakt ist: Die Zeiten, in denen die Fans mit Informationen über Konzepte, Bedeutungen und Ähnliches gefüttert werden, sind vorbei.

 

Hallo Cliff, die Tour neigt sich dem Ende, wie läuft es denn?

Danke der Nachfrage. So weit, so gut bisher.

Seit wie vielen Wochen seid ihr nun unterwegs?

Ähm, ich glaube das sind bestimmt schon ein paar Monate. Eine ganz schön lange Zeit auf jeden Fall, soviel ist sicher.

Ist das für ISIS die einzige Möglichkeit von der Musik zu leben – endlos zu touren?

Nicht ganz, aber es hilft auf jeden Fall. (lacht)

Ich will ehrlich sein, die ersten sechs oder sieben Durchläufe hat mich Wavering Radiant enttäuscht. Das Album klingt wie eine Neuerfindung von ISIS mit einem simpleren Charakter, aber genau das liebe ich jetzt an dem Album so sehr und ich entdecke immer noch neue Facetten.

Das Hauptziel ist für uns natürlich immer das bestmöglichste Album zu schreiben. Wir haben uns deutlich mehr Zeit als in der Vergangenheit genommen zu komponieren und ein wenig mehr Zeit, um aufzunehmen. Aber wir waren sehr gut vorbereitet. Es half außerdem ein neues Ohrenpaar hinter dem Mischpult sitzen zu haben. Wir waren alle Feuer und Flamme, mit Joe Barresi zu arbeiten und er hat sich gefreut Wavering Radiant aufnehmen zu können. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt viele Details einzubauen und waren sehr kleinlich beim Einbauen davon. Diese neue Arbeitsweise hat unserem Material sehr gut getan.

Ihr habt Wavering Radiant auch als Kollektiv geschrieben, nicht wie In the Absence of Truth, wo mehr zuhause passierte.

Wir leben jetzt alle in Los Angeles, vor drei Jahren waren ein paar verstreut in New York, daher war das Songwriting etwas komplizierter, wir haben auch als Band geschrieben, aber nicht so fokussiert. Es hilft auf jeden Fall wenn wir zu neunzig Prozent der Zeit zusammen arbeiten, statt zu vierzig Prozent.

In den USA habt ihr auf der gerade absolvierten Tour fast das komplette Wavering Radiant gespielt. Es scheint als wäre dieses Album geradezu gemacht für euer Liveset.

Wir spielen jetzt immer noch dieses Set, uns macht es eben Spaß die neuen Songs zu spielen und es freut uns, dass die Leute dieses Album auch annehmen.

 ISIS
Hat sich stimmlich enorm verbessert: Aaron Turner

Auf jeden Fall ist Wavering Radiant ein Album für die Bühne. Es scheint live zu funktionieren, es klingt wie ein Livekonzert, wurde es auch live aufgenommen?

Ja und nein. Wir haben das Basismaterial live aufgenommen, aber jedes Instrument außer dem Schlagzeug wurde noch mit Overdubs erweitert.

Ich habe mich wirklich gefreut, dass Joe Barresi mit ISIS gearbeitet hat. Ich mag auch den organischen Sound sehr, nur das Schlagzeug ist mir zu dominant. Da auch die Aufmachung der CD nach einem Vinylalbum aussieht stellt sich die Frage, ob die Produktion der CD an Vinylstandards angepasst wurde.

Ich finde auch, dass Wavering Radiant auf Vinyl besser klingt. Es wurde dafür nochmals gemastert und dieses Mastering passt perfekt. Jeder von uns fünf steht eh ziemlich auf Vinyl und wir hören viel privat, wuchsen auch so auf. Wenn wir mit dieser Vorgehensweise wirklich richtig liegen, dann sind freut es uns.

Warum habt ihr euch für Joe Barresi entschieden? Ich habe die Arbeit von Matt Bayles auch immer sehr geschätzt und er ist nun sicher traurig zwei seiner Stammkunden, ISIS und MASTODON, verloren zu haben.

Nein, Matt hat das schon verstanden. Wir wollten eben nach fast zehn Jahren einen anderen Produzenten ausprobieren und Joe hat sich darauf auch ziemlich gefreut. Wir mögen Joes Arbeit und kennen ihn durch die TOOL– und MELVINS-Jungs und verstehen und zu allem Überfluss ziemlich gut, da lag es auf der Hand, ihn zu buchen. Und Matt hat immer noch genug zu tun, er ist noch lange nicht arbeitslos. (lacht)

Ein großer Schritt nach vorne für die Entwicklung von ISIS sind die Keyboards, Orgeln und Synthesizer auf Wavering Radiant. Inzwischen unterstützen sie die Songs nicht nur durch Atmosphäre, sondern bauen ganze Songs auf. Cliff, hast du besonders viel Material geschrieben?

Es passiert viel im Vordergrund, vor allem die Orgeln wirken unterstützend im Bezug auf die Melodien. Auf den anderen Alben passierte das alles eher im Hintergrund. Solche Elemente haben wir heute auch noch, aber es gibt mehr klassische Keyboards, Orgeln oder Pianosounds zu hören. Joe steht auch wirklich darauf mit diesen Instrumenten zu arbeiten und hat sich darauf auch ziemlich konzentriert. Ich mag diesen Sound auch wirklich sehr.

Was sich außerdem erneut deutlich verbessert hat, ist Aarons klarer Gesang.

Er macht das auch live. Das ist wirklich beeindruckend.

Er zeigt viel mehr Selbstbewusstsein mit seinem Gesang. Wird er zu einem wirklich Rock-Entertainer?

(lacht) Keine Ahnung, das ist aber eine gute Frage. Aber auch Joe war positiv überrascht, wie gut Aarons Gesang geworden ist. Sie haben auch viel zusammen gearbeitet und wir könnten mit dem Endergebnis nicht zufriedener sein.

 ISIS
Die Hörer sollen sich ihre eigene Interpretation erarbeiten. Texte und Artworks ausführlich erötern war gestern.

Mir gefällt besonders, dass aus den herben Teilen immer wieder kurze epische, helle Momente entstehen, so dass die Musik noch emotionaler wirkt, als auf den letzten beiden Alben. Wie kann solche Bauchmusik mit derartig philosophischen und politischen Texten harmonieren kann?

Ich glaube, das liegt eher am Hörer, als an uns. Das wollten wir dieses Mal auch umgehen, denn auf den letzten Alben haben wir den Leuten gesagt um was es geht, aber dieses Mal lassen wir allen die Chance ihre eigenen Gedanken zu machen. Als wir jünger waren und Bands wie PINK FLOYD und BLACK SABBATH entdeckten, saßen wir oft stundenlang vor den Texten und versuchten herauszufinden, um was es denn verflucht noch mal ging. Vor fünf Jahren haben wir noch kleinlich erklärt, was das Panopticon ist und worum es da geht, aber auf solche Dinge hatten wir eben keine Lust mehr, die Hörer sollen sich selbst ihre Interpretation erarbeiten. Das klappt scheinbar sehr gut und das sind wirklich gute Nachrichten für uns.

Aber dieses Mal überlasst ihr ja alles dem Hörer. Es gibt nicht mal einen Hinweis auf ein Konzept.

Ich denke, wir werden irgendwann schon Texte veröffentlichen. Aber, wie bei früheren Alben erst nach einer gewissen Zeit.

Ich hattet ja immer ein paar wiederkehrende Themengebiete, die sich auf den Alben angesiedelt haben, die Kontrolltürme, die Moskitos, das Wasser und den weiblichen Charakter. Wavering Radiant scheint sich vom Artwork, den Songtiteln und dem Gesamteindruck her ziemlich um die Kontrolltürme zu drehen.

Das stimmt schon ein wenig, aber ich will nicht zu viel verraten. Die Leute sollen sich ihre eigenen Gedanken machen, wir wollen sie nicht von Hand füttern.

Da fällt mir die Schweizer Band RORCAL ein, die eine weiße CD veröffentlicht hat, auf der nur der Name Monochrome und ein Code stand, mit dem man ganz detektivisch im Internet einen Film zur Musik finden kann.

Wow, das klingt cool, ich mag so etwas.

Wäre so etwas auch ein denkbares Konzept für ISIS?

Hm, vielleicht ja… (lacht)

Okay, Themawechsel. Auf Wavering Radiant hat Adam Jones von TOOL einen Gastauftritt. War er neidisch auf seinen Bandkollegen Justin, der schon Panopticon veredelte, oder warum hat er mitgewirkt?

 ISIS
Überrascht von der eigenen Produktivität: Bryant Clifford Meyer

 

(lacht) Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es. Wir sind ja spätestens seit der US-Tour gut befreundet und leben ja alle in Los Angeles. Adam wollte zu unserem Album etwas beitragen. Die Keyboards, die er für das Titelstück eingespielt hat sind großartig, er hat einen ganz eigenen Stil, der hier aber nicht nach TOOL klingt. Adam hat auch wirklich verrückte Sounds auf Lager, er hat einen wahren Vergnügungspark an Keyboards in seinem Haus.

Wer ist dann der Nächste, den ihr euch von TOOL ausleihen werdet? Maynard James Keenan?

Vielleicht ja, aber ich tippe eher auf Danny.

Liegt Joes Studio eigentlich auch in LA?

Nicht ganz, das ist in Pasadena, aber auch ganz in der Nähe. Das war wirklich bequemes Arbeiten für uns.

Wie lange dauerten die Aufnahmen? Wavering Radiant klingt sehr erdig und spontan, als wäre nicht viel Zeit vergangen.

Wir haben ungefähr drei Wochen aufgenommen und anderthalb bis zwei Wochen für den Mix aufgewendet. Wie gesagt, wir waren ziemlich gut vorbereitet und mussten nur noch aufnehmen. Joe war ziemlich froh darüber.

Ich erinnere mich an eine Newsmeldung vor sechs Monaten auf eurer Homepage, in der stand, dass Wavering Radiant vor 2010 erscheinen würde und so ist es ja auch gekommen. Allerdings habe ich mich dann doch gewundert, dass es schon im Mai veröffentlicht wurde. Wart ihr dieses Mal so schnell, dass es euch selbst überrascht hat?

Ja, das hat uns überrascht. Einige Sachen haben wirklich gut und schnell funktioniert, wie das Songwriting und die Aufnahmen, andere haben wiederum gar nicht funktioniert. Wir wollten zur Veröffentlichung ein Video drehen, aber das hat nicht geklappt. Es wird jetzt aber bald fertig werden, da bin ich ganz zuversichtlich. Schauen wir mal, wie weit das Video ist, wenn wir in einer Woche wieder zuhause sein werden. Aber es ist eben so, dass der Tag zu wenig Stunden hat um alles zu schaffen, was man sich vornimmt.

Für welchen Song wird es denn das Video geben?

Für 20 Minutes / 40 Years.

Perfekt, das ist ja der bekannteste Song von Wavering Radiant.

Ja, das denke ich auch. Selbst wer unser neues Album noch nicht hat, kennt den Song schon durch Myspace. Dieses Stück war auf jeden Fall die richtige Wahl.

In Europa seid ihr jetzt bei CONSPIRACY RECORDS unter Vertrag. Kommt das daher weil ihr, wie MONO, bei CONSPIRACY schon im Booking-Roster seid?

Bei CONSPIRACY gibt es zwei Jungs, Vincent, der das Booking betreibt und Joris, der für das Label zuständig ist. Wir haben bereits mit vielen Distributoren zusammen gearbeitet, aber Joris und seine Jungs sind schon lange Freunde von uns und daher haben es ihnen locker zugetraut, uns unter Vertrag zu nehmen, bisher haben sie einen wirklich guten Job gemacht. Es ist schön, dass sich Freunde um solche Sachen kümmern. Im Gegenteil, das ist ein großer Schritt nach vorne. Wir sind viel unabhängiger, es gibt keinen bürokratischen Bullshit, sie sind auf dem Boden geblieben und kümmern sich um alles Nötige.

Es hilft sicherlich auch, dass ihr bereits einen wirklich großen Namen in der Szene habt.

Ja, das ist sowohl für uns, als auch für CONSPIRACY eine Vorraussetzung für diese Zusammenarbeit.

Bevor wir hier aufhören, zum Thema Vorfreude: Diese Europatour war ziemlich kurz, wird es noch eine Tour im Herbst geben?

Ja, wir werden bald zurückkehren, von der letzten Oktoberwoche bis zur ersten Dezemberwoche gibt es sechs Wochen ISIS in Europa. Und dann werden wir auch mehr Merchandise dabei haben. (lacht)


Bilder: Promofotos (c) Conspiracy Records / Livefotos (c) Tatjana Braun

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