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MÜTTERLEIN: Amidst The Flames, May Our Organs Resound

Über Unbeugsamkeit trotz uralter Wunden: MÜTTERLEINs drittes Album „Amidst The Flames“ ist ein Mahnmal, das aktueller kaum sein könnte – und musikalisch vielschichtig und tief.

Mit der red gepillten ultraautoritäten Regierung in den USA scheinen die schlimmsten Fieberträume in greifbare Nähe gerückt. Zu „The Handmaid’s Tale“ ist es noch ein gewisser Weg, der Faschismus, der sich über den Menschen zusammenbraut, weil ein paar kleine Jungs in Männerkörpern Angst haben, Frauen würden ihre Rechte einschränken, scheint so bitter und absurd, dass es sich eigentlich nicht beschreiben lässt. Gruppen, sich in den letzten Jahren bemühten, wahrgenommen zu werden, werden ausgegrenzt, der Lächerlichkeit preisgegeben. Marion Leclerq alias MÜTTERLEIN, die mit ihren beiden ersten Alben „Orphans Of The Black Sun“ und „Bring Down The Flags“ sich bereits klar mit „Lesbians, Whores and Witches“ solidarisierte, kämpft auch 2025 mit dem Mut der Verzweiflung: „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ ist ein dystopisches Album, dessen Schwärze seinesgleichen sucht.

Ein unheilvolles Konglomerat aus Dark Ambient, Industrial, Post Metal und Doom: MÜTTERLEIN bauen auf „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ ihre musikalische Welt weiter aus.

Mit einem Titel, der zugleich Kampferklärung und Moment des Stolzes ist, erzeugen MÜTTERLEIN auch starke Assoziationen der Doppeldeutigkeit. Nicht nur dank des Artworks, sondern auch durch die Wörter, die Marion Leclerq nutzt. „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ könnte auch für die im Info bezeichneten, grausamen gynäkologischen Versuche stehen, die im neunzehnten Jahrhundert an versklavten Frauen wie Anarcha Wescott durchgeführt wurden. Dieses Martyrium ist tief im kollektiven Feld verankert, lässt Orgeln wie Organe erklingen. Insofern führt Marion Leclerq ihr Publikum in die Tiefen des bewussten wie unterbewussten Schmerzes.

Passend dazu führt MÜTTERLEIN mit Dark Ambient-Intro und pulsierenden Trance-Beats die Hörer*innen in die Dunkelheit. Das hat trotz aller Fremdartigkeit eine enorme Power, fließt in der Folge in den eher bekannten Klang des Projekts über. „Concrete Black“ kriecht zwischen Industrial-Rythmen, Doom und Post Metal, mit dazwischen heftig verzerrten Tremologitarren, Chören und dramatischen Orgeln. Das Stück erzeugt dabei eine nervöse Klaustrophobie, angeführt von der verzweifelten, wütenden Stimme Marion Leclerqs. „Wounded Grace“ zieht die Spannungsschraube weiter an, ein schneller, monotoner IDM-Beat mit Synthesizer als Grundgerüst baut Atmosphäre auf. Nach einem Bruch geht der Song in eine epische Post Metal-Richtung, mit großem Chorus und viel Furor, aber auch Wagenladungen voll Schmerz, bevor der Song zerfasert und ausfaded.

Gewaltig und äußerst schmerzhaft: Mit „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ gelingt MÜTTERLEIN ein intensives Album als Mahnmal.

Nach diesem gewaltigen und intensiven Auftakt ruht das Album ein wenig mit dem von TREHA SEKTORI geschriebenen ersten Teil von „Memorial“, bevor mit „Division Of Pain“ der heftigste Song des Albums zu hören ist. Die dissonante Soundwand schmerzt und leitet über in ein bedrückendes Ambient-Zwischenstück, das am Ende in Richtung tieftraurige Melancholie driftet. „Ivory Claws“ mit seinen 9 Minuten ist ein Finale, das wie ein Trip funktioniert: Hypnotisch und pulsierend bauen sich die Schichten nur langsam auf, Repetition ist hier das Zauberwort. Zaghaft kommen Synthesizer und Gitarren dazu, der Fokus bleibt auf Ambient. Durch die dichte Atmosphäre bleibt das Stück kurzweilig und geht über in das abschließende, meditative „Memorial Two“ – Trauergesang und Monument zugleich.

„Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ klingt ganz anders als BONG-RAs „Black Noise“, aber in Sachen Stimmung passen beide Alben gut zusammen, und wenn man einen Abend mit Beklemmung der Welt wegen verbringt, eigenen sich beide Alben, um den Gefühlen Ausdruck zu verleihen. MÜTTERLEIN erschafft dabei ein größeres Panorama und führt in tiefere psychische wie physische Abgründe. Marion Leclerqs Wut und Verzweiflung bleibt authentisch und schmerzhaft spürbar, doch sie bewahrt sich ihre künstlerische Identität und Integrität. Wie sie ihre musikalische Basis ausdehnt und mit den Elementen spielt, ohne dass der Gesamteindruck darunter leidet, verdient großen Respekt. „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ schmerzt und lässt kaum Luft zum Atmen, aber es schafft Bewusstsein und sorgt für Solidarität. Relevanter kann ein Album – leider – kaum sein.

Wertung: 6 von 7 Kastrationen für Andrew Tate

VÖ: 9. Mai 2025

Line-Up:
MÜTTERLEIN

Gastmusiker:
TREHA SEKTORI („Memorial One“, „Memorial Two“)

Label: Debemur Morti Productions

MÜTTERLEIN „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ Tracklist:

1. Anarcha
2. Concrete Black (Official Audio bei Youtube)
3. Wounded Grace (Official Audio bei Youtube)
4. Memorial One
5. Division Of Pain
6. Ivory Claws
7. Memorial Two

MÜTTERLEIN „Amidst The Flames, May Our Organs Resound“ Full Album Stream bei Youtube

Mehr im Netz:

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