HEXVESSEL: Kindred

Was ist es eigentlich, dass eine Band wie HEXVESSEL für die Leute, die eigentlich misanthrophischen Krach hören, so interessant macht? Ein Haufen Hippies mit Akustik-Gitarren, Flöten und Trompeten, die über Bäume singen? Naja, bei näherer Betrachtung sind Mat „Kvohst“ McNerney (auch GRAVE PLEASURES) und seine Band eben genau das nicht: Ein Haufen Hippies, die über Bäume singen.

HEXVESSEL zelebrieren das Dunkle, das Bedrohliche und gleichzeitig Epische und Schöne der Natur, die spirituelle Reise dorthin und manchmal auch wieder zurück. Das Alte, das Archaische mit obskuren Ritualen, Opfergaben und mit ungewissem Ausgang für den, der dort Erleuchtung sucht. Und wem das jetzt vorkommt, wie die Beschreibung einer düsteren Death oder Black Metal Band, der hat genau den Grund gefunden, warum HEXVESSEL auch Leute wie mich interessiert.

Hippies, die über Bäume singen?

Musikalisch betrachtet hat die Band beide Beine (wieder) tief im Folk Rock der 60er/70er, die Psychedelic-Elemente des 2016er Albums „When we are Death“ sind noch einmal stärker in den Hintergrund getreten, aber immer noch vorhanden. „Kindred“ ist insgesamt eine Ecke düsterer und auch etwas reduzierter, weniger schwelgerisch als sein Vorgänger “All Trees”, aber in seiner Wirkung nicht weniger intensiv.

Schon der Opener „Billion Year Old Being“ zeigt, wie man die Stilmittel zwischen Folk und Retro-Rock so zu neuen Schwingungen bringen kann, dass daraus faszinierende Musik entsteht, die mit Schweine-Orgel und Fuzz-Gitarren trotzdem kein Stück nach 60s-Trash-Film-Soundtrack klingt. Der britische Wahl-Finne McNerney macht schon in dem Song alles richtig, was NICKE ANDERSSON mit LUCIFER und seinen Interpretationen der gleichen Stilmittel immer wieder falsch macht: Musikalische Tiefe statt oberflächlichem Effekt. Wunderschön geht der Song nach dem Psych-Anfang am Ende dann in einen der typisch-folkigen „Blutverschmierte-Feen-tanzen-im Morgentau“-Rhythmus mit einer wunderbaren Melodie über und fasst somit die ganze Bandbreite des Albums antizipierend zusammen. Wem das gefallen hat, der kann getrost weiter hören. Es bleibt genau so überzeugend und mitreißend wie es angefangen hat.

Songs wie „Demian“ und „Bog Bodies“ sind veredelt mit den für die Band typischen, ja, irgendwie „erhebenden“ Akkord-Wechseln,  rudimentär-bluesigen Rhythmen und sanften Bläser-Einsätzen. Viele Songs hätten so auch auf dem 2013er Meisterwerk „Iron Marsh“ stehen können.

Als Evolution innerhalb des HEXVESSEL-Kosmos kann man das intensiv-düstere „Phaedra“ nehmen, welches das Klangbild nochmal reduziert und klingt wie eine druidische Mischung aus Nick Cave und Velvet Underground. Das sehr schöne „Kindred Moon“ und das ziemlich abgefahrene Intermezzo „Sic Luceat Lux“ gehen auch in diese reduziertere Richtung und erinnern teilweise gar an Tom Waits.

HEXVESSEL zaubern dem Okkult-Hippie ein seliges Lächeln aufs Gesicht

Dazu kommt eine wirklich gelungene Cover-Version von „Fire of the Mind“ von Industrial-Keimzelle COIL. Der eigentlich elektronisch-noisige Song wird vollständig in das HEXVESSEL-Universum transformiert und entsprechend instrumentiert, ohne seine Atmosphäre oder seinen Charakter zu verlieren. Das ist die Definition einer perfekten Cover-Version. Absolut gelungen.

Album-Highlight für mich ist das abschließende Doppel „Magical & Damned“ und „Joy of Sacrifice”. Songs, die das Vergehen und die Wiedergeburt in sanft-wiegenden Tanzschritten zelebrieren und einfach von unglaublicher, leicht morbider Schönheit sind, wie sie eben nur HEXVESSEL entstehen lassen können.

Mit „Kindred“ sorgen HEXVESSEL erneut dafür, dass misanthropische Metaller Blumenkränze  aus verdorrten Gänseblümchen flechten möchten, während sie verzückt den versponnen-veträumten Klängen lauschen und mit keltischen Gottheiten tanzen. Dem Okkult-Hippie in mir zaubert die Platte jedenfalls ein seliges Lächeln auf das Gesicht und ich gehe jetzt in de Garten und baue einen Steinkreis. Oder besser eine Opferstätte….

Release Date: 17.04.2020

Label: Svart Records

Line – Up

Mathew Kvohst McNerney – Vocals, Guitar
Kimmo Helén – Piano, Keys, Viola, Violin, Trumpet, Backing Vocals
Jukka Rämänen – Drums, Percussion, Bass guitar
Jesse Heikkinen – Lead guitar, Acoustic guitars & 12-string guitars, Backing Vocals
Ville Hakonen – Bass

Homepage: https://www.hexvessel.com/

HEXVESSEL „Kindred“ Tracklist

Billion Year Old Being
Demian (Video bei YouTube)
Fire Of The Mind
Bog Bodies
Sic Luceat Lux
Phaedra (Video bei YouTube)
Family
Kindred Moon
Magical & Damned
Joy of Sacrifice

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