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LUCIFER: III

Selten hat mich eine Platte mit mint-grünem Artwork so begeistert, wie das Debüt von LUCIFER. Diese Stimme von Johanna Platow Andersson (ehemals Johanna Sadonis) mit einer Mischung aus aristokratischer Arroganz und anmutiger Hingabe, die tollen Riffs von Gaz Jennings (Ex-CATHEDRAL, aktuell DEATH PENALTY, SEPTIC TANK), das Ganze umweht vom einer morbiden Fin-de-Siecle-Okkult-Atmosphäre – auch in der Rückschau ein fantastisches Album!

Leider ging die Entwicklung von LUCIFER musikalisch und auch atmosphärisch danach in eine Richtung, der ich nicht ganz folgen konnte. Jennings stieg aus, NICKE ANDERSSON stieg ein. Und mit ihm und seiner obligatorischen Riesen-Uniform-Mütze zog erwartungsgemäß auf dem zweiten Album „II“ eine gewisse Sixties-Psychedelic-Rock-Hektik in den Sound von LUCIFER ein. Aus Les Paul wurde Stratocaster und das Tambourin klimpert unentwegt. Leider ließ dieses Sound-Gewand eine Stärke der Band, nämlich den auf dem Debüt so erhabenen Gesang eher hektisch als anmutig wirken, und dass die doomigen Riffs in dem Kontext nicht mehr da sein würden, war ja leider bereits durch den Wechsel an sich klar. Zusätzlich wurde die eher okkulte Atmosphäre durch Leder, Motorräder und trashige Rocker-Attitude ersetzt, man schaue nur das an der Grenze zur Lächerlichkeit changierende Video zu „California Son“ an.

Krasser Stilwechsel bei LUCIFER

Im Prinzip klang „II““ eben so wie alles, was der ehemalige Herr Hellacopter mit seinen Bands halt so macht. Prinzipiell ist das nicht verkehrt, aber in dem Kontext als Entwicklung leider für mich nicht nachvollziehbar.

Auf dem aktuellen Album „III“ wurde die Hektik und das Motorradfahren wieder etwas zurückgefahren, was der Band aus meiner Sicht gut tut, wenn auch die wunderbare Schwere und Tiefe des Debüts leider nicht mehr erreicht werden. Vermutlich wird das auch nie wieder der Fall sein, also finden wir uns damit ab und schauen, was uns die „neuen“ LUCIFER anbieten können, um das zu kompensieren.

Anständige Rocker & dramatische Balladen

Mit „Ghosts“, „Lucifer“ und „Flanked by Shakes“ gibt es straighte und anständige 70er-Rocker, die jeden Cowboy-Stiefel, zum Mitwippen bringen, mit „Stay Astray“ wird fast schon in 80er-Hardrock-Bereiche vorgestoßen, so dass der Cowboy-Stiefel eher aus Wildleder, als aus Schlangenleder ist. Mit „Leather Demon“ gibt es dann noch eine, na ja, dramatische Ballade, die vermutlich einen tollen Titelsong für einen B-Movie-James-Bond-Abklatsch abgeben würde und vermutlich würde Herr Andersson das jetzt als Kompliment verstehen.

Bemerkenswert in positiver wie negativer Weise ist „Coffin Fever“, ein Sabbath-esker 70er-Doomer mit schönen Iommi-Gitarren-Riffs, vor allem im „schnellen“ Mittelteil. Ein Song, der aber nach knapp vier Minuten, als er beginnt sich richtig schön zu entfalten, auf einmal grundlos und völlig abrupt abgebrochen wird und mich damit ratlos zurücklässt. Hier wird definitiv eine Möglichkeit für Tiefe und Emotionalität vertan, weil, ja warum eigentlich? Radio-Tauglichkeit kann es ja heutzutage nun wirklich nicht sein….

Immer wieder nervt die Sixties-Cheesyness

Dann gibt es mit „Midnight Phantom“ einen Song mit geilen Riffs und düsterer Strophe, der gelungen wäre, würde er nicht im Refrain dann doch wieder diese gewisse Sixties-Cheesyness entwickeln. Und natürlich klappert das Tambourin dann auch wieder munter vor sich hin. Dennoch ein Song, der alleine schon mehr Tiefe aufweist als das Vorgänger-Album als Ganzes. Um das Dilemma dieser Platte zu verdeutlichen, gibt es mit „Pacific Blue“ einen Song, der vom Riffing und vom Groove recht stark an die fantastischen BLOOD CEREMONY erinnert, was ja nicht das schlechteste ist und den Song zu einem ein Highlight der Platte macht. Im Vergleich mit den KanadierInnen ist es allerdings deutlich zu spüren, dass BLOOD CEREMONY es mit den gleichen musikalischen Stilmitteln schaffen, eine in gewisser Weise ernsthafte, dichte Atmosphäre zu erzeugen und damit emotional packende Musik zu erschaffen. Dann bin ja auch ich durchaus für Hippie-Kram zu begeistern. Das Problem an den aktuellen LUCIFER ist, dass sie zumeist klingen wie eine ganze nette, aber doch irgendwie blutleere Hommage an den Sound und Spirit, den die KandierInnen so perfekt umsetzen.

„III“ ist eine gelungene Weiterentwicklung und enttäuscht trotzdem

Wenn man das Debüt-Album von der restlichen Diskographie der Band abtrennt, ist „III“ eine gelungene Weiterentwicklung zum Vorgänger und hat einige wirklich gute Songs. Johanna Platow Andersson hat immer noch eine wunderbare Stimme und hat sich gesangstechnisch deutlich gesteigert. Das Album ist ziemlich gut gemacht, schön warm produziert, kompetent gespielt und im Abarbeiten der Klischees nahezu perfekt. Damit kann man sich im Okkult-Rock weiter an Genre-Größen wie die bereits erwähnten BLOOD CEREMONY oder an die eigene Vergangenheit mit THE OATH annähern, erreicht diese Klasse aber leider nicht. Das Doom-Genre hat die Band mittlerweile endgültig hinter sich gelassen.

Als Fazit gibt es also eigentlich mehr Licht als Schatten, dennoch kann ich eine gewisse Enttäuschung nicht verbergen, man kann aber sagen, dass es sich bei „III“ definitiv um das beste Album handelt, was Nicke Andersson seit Jahren gemacht hat, nur leider nicht um das beste Album von Johanna Platow Andersson.

Release Date: 20.03.2020

Label: Century Media

LUCIFER „III“ Tracklist

Ghosts (Audio bei YouTube)
Midnight Phantom (Video bei YouTube)
Leather Demon
Lucifer
Pacific Blues
Coffin Fever
Flanked By Snakes
Stay Astray
Cemetery Eyes

Line-Up:
Johanna Platow Andersson (vocals)
Nicke Platow Andersson (drums)
Linus Björklund (guitar)
Martin Nordin (guitar)
Harald Göthblad (bass)

www.lucifer.church

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