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HEXVESSEL: Polar Veil

Finnisches Schneegestöber in maximaler Ausprägung: HEXVESSELs Psychedelic Forest Folk weicht einem Black-Doom-Blizzard. „Polar Veil“ zeigt die Band mit neuer Ausrichtung und wohlbekannter Magie.

Endlich ist es da, das Sauwetter, die kalte Zeit, die Dunkelheit. Der lange und viel zu trockene Spätsommer sorgte dafür, dass HEXVESSELs sechstes Album etwas länger im Regal lag, bevor es so richtig zur Geltung kam, doch jetzt ist – pathetisch gesprochen – seine Stunde gekommen. Bei „Polar Veil“ ist der Name Programm und so manch Fan der psychedelisch-dunklen Folksongs der Vergangenheit werden sich verwundert die Frage stellen, ob das noch dieselbe Band ist, die hier spielt. Denn HEXVESSEL begeben sich im Black Metal-Gewand in Richtung Doom Metal – im Vergleich zum vor drei Jahren erschienen „Kindred“ ein gewaltiger Unterschied.

„Polar Veil“ ist deutlich weniger farbenfroh wie sämtliche Vorgänger der Band, und schon gar nicht psychedelisch. Es dominiert ein krasser Gitarrensound, den weder IMPERIAL CRYSTALLINE ENTOMBMENT in jüngster Zeit noch die frostigsten Black Metal-Bands der zweiten Welle damals hinbekommen haben. Das schleppende Tempo des Openers „The Tundra Is Awake“, ist nahe der Mühsal, durch einen Schneesturm zu stapfen. Der Sound lässt erschaudern, ist abschreckend und unheimlich, gerade weil sich Kvohsts Stimme dazwischen emporhebt, wie ein strenger, guter Geist, einem Irrlicht in der Schneeblindheit gleich.

Ein Gitarrensound, bei dem selbst die Protagonisten der zweiten Black Metal-Welle frieren: Mit „Polar Veil“ legen HEXVESSEL einen konsequenten Stilbruch hin.

In der Folge schaffen HEXVESSEL die Transition in einen Black-Doom-Act mit scheinbarer Leichtigkeit: „Older Than The Gods“ atmet echte Erhabenheit und ruht in sich selbst, was durch Okovis (BÖLZER) Gastgebell im Refrain nur noch unterstützt wird und in einem wundervoll harmonischen Finale gipfelt. „Polar Veil“ wird in der Folge noch schroffer und entweltlichter („Listen To The River“ mit CHELSEA WOLFEs Ben Chisholm und „A Cabin In Montana“), auch mal schnell („Eternal Meadows“) oder verströmt den Zauber eines düsteren Märchens („Crepuscular Creatures“).

Mit „Ring“, dessen verschrobener Doom-Part am Ende HEXVESSEL vertraut-kauzig klingen lässt, täuscht „Polar Spirit“ ein entspanntes Finale an, bis das chaotische „Homeward Polar Spirit“ eine echte Herausforderung wird: Die Schichten von Black Metal-Drumming, konträr spielenden Tremolo-Riffs und Kvohsts beruhigendem Gesang fährt nochmal alle Kontraste des Albums auf und erschafft eine eisige Symphonie. Nein, psychedelisch sind HEXVESSEL auf diesem Album nicht, und doch erzeugen sie rauschhafte Soundwände, die einen forttragen aus dem grauen Alltag.

„Polar Veil“ besteht aus rauschhaften Soundwänden, unter denen sich exzellente Songs verstecken – HEXVESSELs Magie ist ungebrochen.

Und genau diese Soundwände müssen erstmal verdaut werden. HEXVESSEL zeigten in der Vergangenheit zwischen aller Blumigkeit gerne die Zähne, doch stets höchstens marginal metallisch. Wer sich durch „Polar Veil“ von dem finnischen Gespann entfremdet fühlt, dem sei gutes Sitzfleisch gewünscht. Hinter der knarzigen und eiskalten Soundwand versteckt sich in jedem Song die typische HEXVESSEL-Magie. Die perfekt akzentuierten Synthesizer funktionieren wie Farbtupfer in der Finsternis, die sparsam eingesetzten und umso erhabeneren Gitarrenharmonien wärmen das Herz. Die seltenen Geschwindigkeitsausbrüche dazwischen lockern das Album auf, auch wenn es hier am ehesten droht, wie ein Bruch zu wirken. Immerhin: „Polar Veil“ bietet viel mehr, als es zunächst den Anschein macht.

Die saubere Performance der Band, das Spannungsfeld aus Kvohsts betörendem Gesang und der schroffen Songs, der erstklassige Sound – auch die Drums, in denen viel Raum zu hören ist, sind bemerkenswert – und nicht zuletzt die hervorragenden Songs sorgen dafür, dass das Wagnis „Polar Veil“ aufgeht. HEXVESSEL zeigen sich runderneuert, fangen authentisch Dunkelheit und Kälte ein, ohne den Hoffnungsschimmer missen zu lassen, der Titel „Polar Veil“ ist absolut gerechtfertigt. Das unglaublich schöne Cover von Sperber Illustrationen fängt diese Stimmung aufs Genaueste ein. Das Ergebnis ist HEXVESSELs bisher stringentestes Album. Und es lässt hoffen, dass der Winter nach der Schmelze des jüngsten Schneetreibens schon bald wieder seinen eisigen Griff um diese Welt schließt.

Wertung: 7 von 8 Wollsocken

VÖ: 22. September 2023

Spielzeit: 41:46

Line-Up:
Matt Khvost McNerney – Guitars, Vocals, Keyboards, Songwriting, Lyrics
Kimmo Helén – Piano, Keyboards, Strings
Vile Hakonnen – Bass
Jukka Rämänen – Drums

Label: Svart Records

HEXVESSEL „Polar Veil“ Tracklist:

1. The Tundra Is Awake
2. Older Than The Gods (Official Video bei Youtube)
3. Listen To The River
4. A Cabin in Montana
5. Eternal Meadows
6. Crepuscular Creatures
7. Ring
8. Homeward Polar Spirit

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