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CRIPPLED BLACK PHOENIX: Banefyre

CRIPPLED BLACK PHOENIX zelebrieren seit jeher musikalisches Anderssein und widmen mit „Banefyre“ ein ganzes Album konzeptionell der Diversität. Kein Wunder, dass dieses Werk stilistisch gesehen unwahrscheinlich bunt und breitgefächert ist. Und doch funktioniert das sehr ambitionierte Werk (zumeist) wie am Schnürchen.

Wenn das Durchstöbern der Diskografie von CRIPPLED BLACK PHOENIX eines lehrt, dann dass sie zumeist gut daran tun, kompakte Alben zu schreiben. „I, Vigilante“ ist das frühe Karrierehighlight der Band, während überlange Werke wie „(Mankind) The Crafty Ape“ immer wieder mit Längen und verzichtbaren Songs zu kämpfen hatten. Nun ist „Banefyre“ sogar das längste Album in der Geschichte des Kollektivs. Das birgt natürlich Gefahren, zumal Meister Justin Graeves sich ums Verrecken nicht festlegen will, welches Album er eigentlich aufnehmen will – und das ist gut so. Denn CRIPPLED BLACK PHOENIX fordern sich nicht nur selbst heraus, natürlich auch ihr Publikum hat an diesem Werk zu knabbern.

Ein wütendes Konzept als Basis für entschlossene Songs: CRIPPLED BLACK PHOENIX veröffentlichen mit „Banefyre“ nach dem kontemplativen „Ellengæst“ ein weiteres Protestalbum.

Die große Bandbreite, mit der CRIPPLED BLACK PHOENIX auf diesem Album auftrumpfen, mag einige Hörer der Band vor den Kopf stoßen. Keine PINK FLOYD-Epen? Dafür viel Post Punk und Gothrock und was-weiß-ich-noch? „Banefyre – The Musical!“? Sic Transit Gloria Mundi. Doch erstens steht dieser Sound CRIPPLED BLACK PHOENIX verdammt gut, siehe auch „Cry of Love“ von „Ellengæst“ und zweitens gibt es mehr Vertrautes zu hören, als man denken möchte. Zumindest ist da ein für die Band klassisches und sehr wütendes Spoken Word-Intro, das den Weg in das Album weist. Shane Bugbee spricht über das Anderssein und dass es nicht cool, sondern gefährlich ist. Hiermit schlägt die Band die Brücke zum brillanten Artwork: Vertauschte Rollen, der Mensch als Opfer der Tiere, Planet Of The Apes In Wonderland.

Nach diesen Gedanken beginnt der dunkle Tanz; und zwar recht gothy. „Wytches and Basterdz“ hat Momente, für die TIAMAT töten würden. Nach dem introvertierten „Ellengaest“ mit seinen zahlreichen Gastsängern, wird sofort deutlich, dass CRIPPLED BLACK PHOENIX als Band, mit einem festen Kern, inklusive Sängern agieren, außerdem klingen sie viel entschlossener und wütender als zuvor. Belinda Kordic führt „Wytches And Basterdz“ erhobenen Hauptes an, und wem dieser Auftakt zu straight ist, erhält mit dem martialischen-neofolkigen, wahnsinnig dichten „Ghostland“, das wie ein Totenzug klingt, das genaue Gegenteil. Der schwedisch gesungene Chor jagt einen Schauer nach dem anderen über den Rücken – eines der Highlights des Albums.

CRIPPLED BLACK PHOENIX, gothy wie nie: Auf „Banefyre“ finden sich Riffs, für die so manche Legende töten würde.

Im Chor ist auch Joel Segerstedt zu hören, seit der „Painful Reminder / Dead Is Dead“-EP aus dem vergangenen Jahr neuer zweiter Frontmann des Kollektivs – dass das passt, wissen wir also schon. Segerstedt, der hörbar aus der (Post) Punk-Ecke kommt, bringt eine gewisse Coolness mit, die CRIPPLED BLACK PHOENIX für diese Songs sehr gut zu Gesicht steht. Das treibende „The Reckoning“ wirkt mit ihm daher auch wütend und intensiv. Passend dazu hat die britisch-schwedische Formation auch ihre Tontechniker gewählt. Kurt Ballou für den Mix zu beauftragen war ein kluger Schachzug, „Banefyre“ klingt lebendig und roh, voluminös und direkt. Die Dynamik wird voll ausgespielt: Die TYPE O NEGATIVE-Hommage „Blackout ’77“ profitiert von seinen Eruptionen und tappt in kein einziges stilistisches Klischee.

Doch mehrmals kämpft „Banefyre“ mit Stellen, die sich zu Beginn etwas ziehen, dann aber im gesamten Kontext Sinn machen, gerade bei den langen Stücken: „Down The Rabbit Hole“ und „I’m OK, Just Not Alright“, die beide wieder mentale Gesundheit zum Thema haben, müssen viel Anlauf nehmen, um schließlich zu einem großen, mitreißenden, kraftvollen Finale zu gelangen – jeder Song auf seine Weise. Anbiederungen an klassischen Progrock gibt es übrigens nicht – seit dem Ausstieg von Daniel Änghede ist diese Facette bei VENUS PRINCIPLE gelandet, die „Endtime Ballads“ sind endgültig dem „Macabre Rock“ gewichen, um im CRIPPLED BLACK PHOENIX-Sprech zu bleiben.

„Banefyre“ braucht Zeit und Raum: So manche Länge wird von CRIPPLED BLACK PHOENIX durch geschicktes Songwriting aufgelöst.

Aber ganz lassen sich die Längen doch nicht vermeiden. „The Scene Is A False Prophet“ hat einen exzellenten Text, doch in der Mitte stehen bei dem fünfzehnminütigen Stück zu viele unfokussierte Jams und das Finale fällt eher schwach aus – kein Vergleich zum überlebensgroßen Epos „Great Escape“. Auch das psychedelische Hippiegedöns „The Pilgrim“ ist eher Füllmaterial – als Parodie auf gängigen Retro Rock wäre es brillant, so ist das Stück leider schnell vergessen. Doch während viele frühere Alben von CRIPPLED BLACK PHOENIX zwischendurch immer wieder vor sich hin dümpelten, bleibt „Banefyre“ auch in den weniger starken Momenten stets definiert.

Und natürlich finden sich Stücke, die zum Sterben schön sind. Der Beginn von „Rose Of Jericho“ ist ein einziges Halleluja – die Glorie dessen, wofür Post Rock in seinen goldenen Zeiten stand, voller Anmut, mit flirrenden Gitarren, großen Gesten, einem Chor und Bläsern als I-Tüpfelchen. Die zweite Hälfte des dreizehnminütigen Stücks kann da nicht mithalten, doch der Übergang in Richtung cool groovender Nummer glückt und beweist einmal mehr, dass Justin Graeves’ unkonventionelle Art des Songwritings das Potenzial zur Genialität hat. Apropos strahlende Schönheit: Die Leadgitarre von „Bonefire“ verankert sich vehement im Hirn. Mit diesem Stück und „Everything Is Beautiful But Us“ haben CRIPPLED BLACK PHOENIX zwei kurze, aber außerordentlich betörende Songs parat, die von einer Belinda Kordic angeführt werden, die nie besser klang.

Wenig Füllmaterial und ganz viel Genialität: „Banefyre“ ist nicht perfekt, zeigt CRIPPLED BLACK PHOENIX aber als vitales Kollektiv.

Knapp 100 Minuten dauert dieses Album, und es wirkt, als wäre nur eine Stunde vergangen. Die Strategie, kurze, griffige Stücke neben lange Kompositionen zu stellen, geht besser denn je auf. Verwurzelt im Punk und absolut unprätentiös lassen CRIPPLED BLACK PHOENIX Taten sprechen, statt mit akademischer Akribie albernen Perfektionist zu spielen. „Banefyre“ ist umso lebendiger und kann mit Direktheit und Aufrichtigkeit strahlen. Die Andersartigkeit, die in den einzelnen Songs auf viele verschiedene Arten mal gefeiert, mal betrauert wird, sie hält das Album zusammen. Wie schön ist das eigentlich? Diversität funktioniert, wenn alle wollen.

Ehe „Banefyre“ mit dem launig-gesichtslosen Crustpunk-Bonustrack „No Regrets“, eigentlich der Song eines neuen Projekts von CRIPPLED BLACK PHOENIX-Akteuren, erstaunlich rabiat endet, hat dieses Album schon längst seinen Weg ins Herz gebahnt, alle Stärken und wenige Schwächen inklusive. Justin Graeves und sein dynamisches Team geht stilistisch gesehen den Weg von „Ellengaest“ weiter, nur mit vielen weiteren Nuancen und Facetten. „Banefyre“ ist daher ein Album, das sowohl am Stück als auch als Stückwerk funktioniert. CRIPPLED BLACK PHOENIX präsentieren sich mit Wut und Verve, ein dunkelbunter Befreiungsschlag nach dem introvertierten „Ellengæst“ – und doch finden sich genügend kontemplative Momente. Kurz gesagt, „Banefyre“ liefert Stoff für viele, viele Wochen und Monate und zeigt CRIPPLED BLACK PHOENIX als vitales, energiegeladenes Kollektiv – wie soll man da nicht begeistert sein?

Wertung: 11 von 13 herrschende Nutztiere

VÖ: 9. September 2022

Spielzeit: 97:32

Line-Up:
Justin Graeves
Belinda Kordic
Helen Stanley
Andy Taylor
Joel Segerstedt

with
Matt Crawford
Chrissie Caulfield
Shane Bugbee
Rene Misje
Frode Kilvik
Jugglo Wall
Jacob Bannon
Kurt Ballou
Lucy Marshall
Andy Marshall

Label: Season of Mist

CRIPPLED BLACK PHOENIX „Banefyre“ Tracklist

1. Incantation For The Different
2. Wytches and Basterdz
3. Ghostland
4. The Reckoning
5. Bonefire (Official Audio bei Youtube)
6. Rose Of Jericho
7. Blackout ’77 (Official Video bei Youtube)
8. Down The Rabbit Hole
9. Everything Is Beautiful But Us (Official Video bei Youtube)
10. The Pilgrim
11. I’m OK, Just Not Alright
12. The Scene Is A False Prophet
13. No Regrets (Bonus Track)

Mehr im Netz:

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https://riseupandfight.bandcamp.com/

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