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FRIEDEMANN: Manchmal ist die Welt so einfach (Interview Teil 2)

In Teil 2 des Interviews spricht FRIEDEMANN über das, was ihn an den sozialen Medien, Spotify und Amazon ankotzt, über Heimatverbundenheit, und was PUNGENT STENCH in seinen Songs verloren haben.

 

Wenn ich an die „Mehr Sein als Schein“-Liveplatte denke, kommt es mir bei den Ansagen so vor als wärst du wütend gewesen. Deshalb fand ich es spannend in den Liner Notes zu lesen, dass das für Dich auch der Abschluss einer Zeit war.

Weißt Du noch, wo wir die aufgenommen haben?

In Berlin, oder?

War das Berlin? So wie „Unterwegs“? Ich muss dir ehrlich sagen, dass ich mich an die „Unterwegs“-Aufnahmen total gut erinnern kann. An „Mehr Sein als Schein“ hab ich überhaupt keine Erinnerung mehr. Ich weiß von der Tour noch, dass wir mit CONNY OCHS in einem Berliner Club gespielt haben, wo wir zuvor noch nie waren. Ich hatte eine Zeit, die du vielleicht auch kennst. Da kamen die Kinder und wir haben versucht an der Gesellschaft mehr Anteil zu nehmen. Ich habe versucht zu den Leuten nett zu sein, die ich nicht mag, ich hab probiert Elternabende durchzustehen, obwohl es mir auf den Sack geht, ich hab also probiert mich ein bisschen anzupassen. Und ich habe gemerkt, dass das scheiße ist.

Diese Erkenntnis hatte ich auf der Tour auch. Das ist scheiße, das fühlt sich nicht gut an. Ich hab auf dieser Platte auch eine Ansage, dass ich Facebook und all das ausmache. Und wenn mich die Leute nicht mehr hören wollen, komm ich nicht mehr wieder dann müssen wir damit leben. Also hab ich Facebook deaktiviert und innerhalb von einem Jahr ist mein Publikum in Berlin von 350 auf 80 Besucher geschrumpft. Die Solotour lief ohne Facebook zu Beginn wahnsinnig schlecht, 20 Leute, 30 Leute, 10 Leute, und so weiter. Mitten unter der Tour hab ich den Account wieder aktiviert und gesagt, dass ich eine Rolle rückwärts mache. Ich kann nicht ohne Musik leben und ich knicke jetzt hier ein. Du wirst es nicht glauben, ab da waren die Säle wieder voll und die Leute kamen zu mir und sagten: „Ich dachte du machst keine Musik mehr.“ Das ist so bitter. Ich hab es ein Jahr durchgezogen und verloren in diesem Jahr. Ich hätte da heulen können. Ich gebe zu, dass das Experiment gescheitert ist. An dem Abend auf der Liveplatte war ich voller Euphorie und dachte, dass ich das durchhalte. Dass ich halt keine Platten mehr aufnehme wenn mich keiner mehr hören mag. Aber dann kam ich auf Entzug. Weil ich das schon immer gemacht habe. Dabei gehts mir nicht ums Geld, ich hab mit der Musik ja immer nur Minus gemacht. Es geht darum, was ich bin. Ich bin ein Musiktyp. In meinem Leben gibt es nur zwei Konstanten. Die eine ist die Familie, die andere ist die Musik. Ich konnte das nicht loslassen und habe mich Instagram und Facebook gebeugt. Aber ich bin da nicht glücklich damit. Dann heißt es, ich muss ja nicht viel auf diesen Plattformen machen. Aber wenn ich nicht viel mache, geh ich da komplett unter.

Hast du mal daran gedacht, das an jemand anderen zu übergeben?

Ich orientiere mich da gerade ein wenig um und versuche einen anderen Weg zu gehen. Im Endeffekt suche ich jemanden, der genau das für mich macht. Keinen großen Major, sondern eher so ein kleines Underground-Ding. Der Andreas von EXILE ON MAINSTREAM hat da auch keinen Bock drauf. Ich würde mich freuen, wenn es jemanden gäbe, der sagt: „FRIEDEMANN, du bist ein guter Typ, wir machen die Platte und unterstützen dich da ein bisschen.“ Ich bin wirklich leer und abgerissen von der Scheiße. Ich finde das so hohl zu schreiben: „Die Platte ist zwei Wochen draußen, welchen Song findet ihr am geilsten?“ Einfach nur um Content zu generieren. Dann schreiben die Leute was, dann musst du wieder kommentieren, und so weiter. Das machen viele Bands, die auch auch gerne mag, aber das kann und will ich nicht. Vielleicht verkaufe ich auch darum kaum Platten. Das ist wirklich rapide bergab gegangen. Ich verkaufe normalerweise viel auf Tour, und die Touren fehlen mir jetzt. Ich habe 300 Abos verkauft und der Rest waren nochmal 50 Platten extra, aber über die 400 bin ich noch nicht rüber. Das ist total traurig.

Gehört wird die Musik wie verrückt über Spotify. Aber die Leute verstehen nicht, dass ich bei Spotify pro Song nur 0,04 USD bekomme, und das auch nur wenn der Hörer 30 Sekunden durchhält. Das geht alles in die falsche Richtung mit diesen großen Firmen. Deshalb schreibe ich auch immer, dass die Leute nicht bei Amazon kaufen sollen. Die schreiben dann: „Aber deine Platten gibt’s ja bei Amazon.“ Ja, weil Amazon an jedem Vertrieb in Deutschland dran hängt. Das haben dann einige kapiert und dann schon bei mir direkt bestellt. Da ist so ein Zwang da überall mitzumachen und das fällt mir derzeit sehr sehr schwer, das gebe ich ehrlich zu.

Ja, ich habe auch gesehen, dass es „In der Gegenwart der Vergangenheit“ bei Amazon auf Vinyl für 16,99 € gibt.

Und die kaufen die Platte dann beim Vertrieb für 5,99 €, aber das weiß ja keiner. Ich kann mich erinnern, dass bei einer CD von COR Amazon über 1,20 € weniger bezahlt hat, als jeder andere Großhändler. Du kommst da auch nicht mehr raus. Die diktieren einfach die Preise. Ich sage deshalb, dass die Konsumenten die freie Entscheidung haben, wo sie kaufen. Für dieses Geld kann keine Sau leben. Vor allem, wenn ich alles abziehe, bin ich bei Gewinn pro Platte von 2 €. Und davon muss das Studio und so weiter gezahlt werden. Das macht keinen Sinn. Daher fordere ich, dass die Menschen mitdenken sollen.

blankDas meinst Du dann auch mit „Meine Musik ist ohne Effizienzgedanken“, wie es im Booklet steht. Das kommt natürlich die romantische Vorstellung vom Barden hoch, andererseits ist es natürlich schön für dein Publikum, dass du das machst, auch wenn nichts davon übrig bleibt.

Ich kann es dir genau vorrechnen. Ich bin noch nicht mal ansatzweise aus den Kosten von „In der Gegenwart der Vergangenheit“ raus.

Trotz Abo, das ja wie eine Art Crowdfunding gewirkt hat?

Ja, das war sehr gut und hat mir geholfen, die Platte zu pressen. Aber von dem, was wir als Familie auf der Seite liegen haben, habe ich das Studio bezahlt. Der nächste Studioaufenthalt ist schon gebucht, wir werden im November wieder aufnehmen. Da geht’s dann immer ans Familienvermögen. Die Familie sagt dazu: “Vati soll machen, dann ist er wenigstens glücklich.” (lacht) Dieser Satz vom Effizienzgedanken ist mir halt wichtig. Wenn ich morgen eine Million Platten verkaufen würde, würde ich natürlich nicht nein sagen, weil ich es schön finde, wenn viele Leute meine Musik hören. Aber ich mache sie wirklich deshalb, weil ich damit glücklich bin. Ich brauche das einfach. Ich möchte zufrieden sein und kleine Liedchen vor mich hinsingen. Mit meinen Worten und Melodien Musik zu bauen ist für mich, wie für kleine Jungs Lego. Die bauen was Schönes zusammen und denken sich: „Boah, das kann ich nachher meinen Eltern zeigen.“ Und ich denk mir: „Boah, das kann ich nachher den Leuten zeigen.“ Es freut mich auch richtig, und wenn mir jemand schreibt, dass es ihn berührt, was ich mache. Ich denke mir, dass das geil ist, wenn jemand in Bayern, in Österreich oder in der Schweiz mir sowas schreibt. Deswegen mache ich das. Schöne Momente auf der Bühne genießen, mit Leuten ins Gespräch kommen und Kraft von einer Tour mitnehmen.

Ich habe 2014 „Uhr vs. Zeit“ reviewt und obwohl ich das Album mochte, war noch nicht reif dafür. Ich glaube, da ging es weniger um die musikalische Seite, mehr um die geistige Reife. Da kam einiges noch nicht so bei mir an. Und 2018 hat sich für mich sehr viel verändert und da war viel Unsicherheit und Angst in mir. Ich habe zu dieser Zeit mal wieder  „Uhr vs. Zeit“ gehört, und festgestellt, dass da viele passsende Gedanken drauf sind. Und das hat mir geholfen. Ich habe zu der Zeit auch festgestellt, dass in mir eine gewisse Heimatverbundenheit ist, die ich nicht abstellen kann, ob ich will oder nicht.

Die hab ich auch. Diese Frage nach Heimat und den Wurzeln ist in linken Kreisen sehr verpönt. Aber ich muss sagen, dass ich den Ort an dem ich lebe, wirklich liebe. Ich stelle ihn nicht über den Rest der Welt, aber für mich ist er perfekt. Ich mag es auch zu Hause zu sein, ich mag es eine Heimat zu haben. Ich bin ein Mensch, der Wurzeln braucht. Das ist für mich gut. Und das ist ein zentraler Gedanke für mich. Das ist ein Ort der Ruhe, da wo meine Familie ist. Wenn ich nach einer Tour wieder heimkomme, dann (lacht) naja, ist da anderer Stress. So viele Leute auf der Welt flüchten, über Meere und durch Wüsten und suchen nach Heimat. Entweder nach geistiger Heimat oder einer zum Anfassen. Das wird in unserer Szene weggeschwiegen, obwohl es so zentral ist.

Genau. Und als mir das dämmerte, hörte ich viele Songs von „Wer hören will muss schweigen“ und die Lieder haben was in mir angerührt, speziell „Haben und Brauchen“ und „Glück“.

Du bist mit der Musik mitgewachsen. Da geht es mir so ähnlich. Das ist auch das Schöne an Musik. Dass man Leute, die in ähnlichen Lebensphasen sind, oder meinetwegen etwas davor oder dahinter, mitnehmen kann. Und sie können feststellen, dass ihnen wer aus der Seele singt. Wenn dieses Wort „Volksmusik“ nicht so negativ besetzt wäre… das ist eigentlich was ich mache. Ich sehe mich nicht als großen Künstler oder Sänger, sondern als jemand, der die Lebenssituation von sich selbst und anderen auffasst, darüber nachdenkt und ein kleines Lied daraus macht. „Glück“ ist ein ganz kleines Lied, da sind gar nicht viele Worte drin, aber ich saß da manchmal auf der Bühne und bei mir sind die Tränen gelaufen, weil ich gedacht habe: „Ja, so einfach ist das und fertig ist die Laube.“ Nicht, weil ich so ein toller Typ bin, sondern weil die Worte mich selbst berührt haben und weil die Welt manchmal so einfach ist. LEONARD COHEN hat mal gesagt, er würde sich wünschen, dass in 100 Jahren irgendwo irgendwer noch seine Lieder singt und pfeift. Und das wünsche ich mir auch.

“Die Menschen brauchen Lieder, die einen Mitnehmen und Kraft geben.” FRIEDEMANN ist der Gehalt der Musik wichtiger als die große Show.

„Glück“ hat ja auch ein unglaublich intensives Video. Da laufen bei mir die Tränen, wenn ich das sehe.

Ich konnte es mir nur einmal ankucken und bin bei diesen Geschichten auch sehr sensibel. Meine Gedanken zu „Glück“ waren damals auch völlig anders als die von dem, der das Video gedreht hat. Das war für seine Schwester und seinen Schwager, damit die beiden einen Abschluss haben konnten. Deren Kind ist einfach gestorben, obwohl es gesund auf die Welt kam. Wenn wer kommt und ein Video zum Song machen will und seine eigenen Gedanken einfließen lassen will, dann sag ich: „Feuer frei“. Ich mache das oft so. Und so entwickeln die Lieder ein Eigenleben. Das ist auch das Schöne an Musik. Du hast 1000 Hörer und 1000 Interpretationen. Das macht es spannend.

Zurück zum neuen Album. Auf „In der Gegenwart der Vergangenheit“ sind einige Lieder, bei denen es, wie ich finde, um Orientierungslosigkeit geht. Zieht sich durch das Album thematisch ein roter Faden?

Nein, gar nicht. Wenn du mir ein Lied nennst, sage ich dir, was ich damit gemeint habe. Auf „In der Gegenwart der Vergangenheit“ dreht sich auch die Hälfte um die Geschichten von anderen Leuten. Aber es sind auch sehr persönliche Geschichten drauf und Stücke über Partnerschaft, wie „Ohne Dich“. Das mag ich total, weil mir und meiner Frau mal aufgefallen ist, dass wir in diesem Hamsterrad sitzen, in dem wir nie sein wollten. Wir haben ein tolles Leben hier, aber da waren so viele Träume und wir wollten so viel machen. Wir bewegen uns sicher freier als andere, aber auch uns hat dieser Mechanismus gegriffen. Und in dem Lied fragen wir uns: Warum lassen wir nicht mal alles stehen und liegen und warum fahren wir nicht einfach mal nach Wien? Und halten wir das als Paar aus, diese Träume auch nicht zu verwirklichen? Ich kann ja auch Träume leben, aber ohne den Menschen den ich liebe. Es ist oft so, dass ich ein Konzert spiele und wenn meine Frau dabei wäre, konnten wir schön lachen und das auswerten, ich bekäme Feedback, wir könnten am nächsten Tag auf der Autobahn sitzen und irgendwo hinfahren, mal anhalten und ein kleines Käffchen trinken. Es findet sehr viel ohne meine Familie und meine Frau statt. Und da muss man ganz schön aufpassen, dass sich das nicht zerreißt.

Apropos Wien, ich musste sehr lachen, als im Song der Name PUNGENT STENCH fiel.blank

Ich hab das mit Absicht eingebaut. Das ist auf allen Platten so. Wenn jemand gewisse Bands kennt, wird er merken, wo ich eine Hommage eingebaut habe. Einmal eben an PUNGENT STENCH, weil das so eine schräge Band ist. Ich hab die mal kennen gelernt. Das sind gute Menschen, die haben aber diesen Wiener Schmäh, den musst du wirklich verstehen. Das ist teilweise schon bizarr. Und in „Wo wir ankommen“ habe ich diesen „naa-naa-na-na-na“-Teil drinnen. Das ist von STATUS QUO, von einer ganz frühen Scheibe, ich glaub „Ma Kelly’s Greasy Spoon“. Ich liebe STATUS QUO, ich habe alle Platten von ihnen. Bei COR machen wir das auch. Wir zollen Sachen die wir lieben mit kleinen Details Tribut.

STATUS QUO ist gar nicht meine Baustelle.

Das können viele nicht nachvollziehen. Aber ich hab die mal live gesehen, da war ich so ein junger Punker. Ich bin durch Zufall in das Konzert geraten, und da haben sie mich echt umgehauen. Ich werde dafür oft belächelt. Meine größte Plattenabteilung ist von MOTÖRHEAD, aber danach kommt gleich STATUS QUO. Die haben ja auch viel Humor, mit ihren drei Akkorden. Deshalb haben sie eine Platte gemacht, die heißt „In Search Of The Fourth Chord“. Auf dem Cover sind Francis Rossi und Rick Parfitt, die sich durch einen Dschungel schlagen und vor ihnen ist ein Tempel auf dem der vierte Akkord ist. Ich mag sie wirklich gerne und deshalb versuche ich immer wieder mal solche Dinger einzubauen.

OK, aber mit der „Orientierungslosigkeit“ war ich dann wohl etwas schief gewickelt. Ich dachte da an das Lied „Desillusioniert“.

Ich spiele viel mit anderen Bands zusammen. Ich will nicht damit leben, dass wir uns als Punk- und Subkultur diesem Kommerzgedanken unterwerfen. Ich weiß, ich bin als großer Meckerer verschrien und viele versuchen mir deshalb aus dem Weg zu gehen, aber ich finde es einfach lächerlich. Wenn eine Punkband was singt von wegen „Warum werden wir nicht satt“ und dann einen kilometerlangen Merchandisestand hat mit Artikeln aus Indien und China, nichts Fairtrade, alles scheißegal. Neulich habe ich im Impressum der Homepage der TOTEN HOSEN gelesen, dass sie Medienpartner von Amazon sind. Und das ist verbunden mit Werbeanzeigen von Amazon. Ich denke mir da, seid doch noch so ein bisschen Punk, behaltet euch doch ein bisschen Würde und nehmt uns doch nicht alles weg, zerdrescht uns doch nicht die letzten Illusionen. Darum geht’s in „Desillusioniert“. Manchmal bin ich wirklich frustriert nach solchen Konzerten heimgefahren und hab mir gedacht, ich schlaf ab sofort im Wald, das ist mir alles zu blöd.

Was du in dieser Zeit gut beobachten kannst ist, dass vor Corona so viele Bands gefordert haben: „Das System muss kippen, das kann nicht so weiter gehen, das große Chaos muss kommen, alles muss kaputt sein, eine neue Welt muss erschaffen werden.“ Und während der Coronazeit schreiben die gleichen Bands im Netz: „Wir hoffen, dass wir uns bald wiedersehen, so wie es vorher war, das war alles total geil und wir haben so schön gefeiert und Bier getrunken.“ Ja, genau deshalb ist es am Arsch, weil wir gesoffen haben, rumgeeiert haben, aber nicht daran gearbeitet haben, eine neue Welt zu erschaffen. Ich bin echt entsetzt, wie rückwärtsgewandt viele Bands sind. Jetzt wäre die Zeit da, uns als Szene zu hinterfragen und neue Sachen zu denken. Aber diese Bereitschaft ist fast nicht vorhanden. Man findet, es soll alles so weiter laufen wie vorher, man will feiern, Geld verdienen und dabei bitte nicht gestört werden. Und da bin ich sehr desillusioniert. Es soll nicht alles so sein vorher. Ich möchte eine Welt, wo man hier oben die kleine Birne mal anmacht und auch als Teil der Musikindustrie mit den ganzen Autofahren, der Pyrotechnik, dem Merch hinterfragt, ob das wirklich so sein muss. Sind wir nicht Teil des Problems? Ich denke schon, durch diesen ganzen Gigantismus. Das ewige Wachstum, das wir als Punker kritisieren, leben die großen deutschen Punkbands alle mit vor. Da geht’s nur um Wachstum und Kohle, Nightliner, große Bühnen und so weiter. Und ich hoffe, Corona biegt das wieder hin, zumindest so ein bisschen. Dass wir wieder zum Kern kommen und Lieder spielen. Und es gibt so viele gute Bands, auch in Deutschland, die das können, aber verlernt haben, durch Lichtshows, Pyrotechnik und so weiter. Das braucht keine Sau. Die Menschen brauchen Lieder, die einen Mitnehmen und Kraft geben. Das ist zumindest meine persönliche Meinung.

Interessant, ich habe das Lied eher auf meine Situation bezogen. Welche Pläne hatte ich als junger Mann, ich kratze an der 40, denke des öfteren, dass ich hoffentlich noch ein paar Jahre habe und etwas bewegen kann. Ich habe solche Hummeln im Hintern, aber da gibt es Faktoren, die mich ausbremsen. Zum Beispiel die Bank, die jeden Monat ihr Geld will und mich so dran hindert, mich radikal neu zu erfinden. Und so klingt „Monster“ für mich, wie dieser Pakt mit dem Teufel.

„Monster“ ist eigentlich ein Beziehungslied. Ein Freund von mir hat eine Frau kennen gelernt und war total happy. Aber die waren von Anfang total verschieden, in allen Punkten. Die haben sich schon nach zwei Wochen gestritten, wollten aber unbedingt schnell heiraten. Sie wollte eine weiße Kutsche, er wollte auf den Himalaya, und so weiter. Ich saß mit meiner Frau daneben und sagte, dass das in die Hose gehen würde, aber sie sahen das anders. In so einer Beziehung fängt man irgendwann an sich zu hassen und lebt nebeneinander her. Ich kenne viele Paare die mit Hass und Wut auseinander gegangen sind. Und das nährt das Monster. Dann kann man nicht mehr in Freundschaft auseinander gehen, weil man weiß, dass einen mal was verbunden hat. Nein, wir füttern das Monster, bis es unter die Gürtellinie geht. Und das hab ich mit diesem Lied beschrieben. Dass man aufpassen muss, dass aus Liebe und Zuneigung nicht Hass wird, weil dann was Böses in einem wächst, so wie diese Golem-Geschichte. Der wir immer größer und zerschlägt dann seinen Herrn. Aber schön, wenn du das neu interpretierst, dafür sind die Lieder ja da.

Weiter geht’s in Kürze mit dem dritten Teil des Inteviews mit FRIEDEMANN.

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