WITHERFALL: Curse Of Autumn

Das dritte Album in knapp vier Jahren, der dritte Volltreffer. WITHERFALL zeigen erneut, dass sie zu den besten Bands der Gegenwart zählen.

Innerhalb von zwei Jahren zwei völlig überragende Alben abzuliefern, schaffen nicht viele Bands. WITHERFALL sind so eine Band. Das Debüt “Nocturnes And Requiems” setzte sich 2018 aus dem Nichts spielend an die Spitze meines Jahrespolls und der – meiner Meinung nach inzwischen stärkere – Nachfolger “A Prelude To Sorrow” scheiterte nur ein Jahr später denkbar knapp an SOLSTICEs Meisterwerk “White Horse Hill”. Nach diesem extrem persönlichen, düsteren und niederdrückenden Album folgte die solide “Vintage”-EP, welche die Band von einer ganz anderen, reduzierten Seite zeigte. Nun also das dritte full length-Album in knapp vier Jahren. Abnutzungserscheinungen? Redundanz? Wo denkt ihr hin?

WITHERFALL spielen auch mit “Curse Of Autumn” in ihrer eigenen Liga

Um es gleich mal vorweg zu nehmen: WITHERFALL liefern mit “Curse Of Autumn” das dritte überragende Album in Folge ab und bewegen sich dabei stilistisch irgendwo zwischen NEVERMORE, SYMPHONY X und DREAM THEATER. Und das Ganze auf einem Niveau, welches kaum eine andere Truppe auch nur annähernd erreicht. Da hat sich ein kongeniales Songwriter-Duo gefunden und einige weitere Weltklasse-Musiker um sich gesammelt. Jospeph Michael ist einer der besten, komplettesten Metalsänger, die aktuell so rumlaufen. Egal, welche Stimmlage, der Mann hat es drauf, sowohl technisch als auch emotional makellos. Gleiches gilt für Jake Dreyer, der mit nicht einmal 30 Jahren Unfassbares aus seiner Gitarre zaubert, von wildem Skalengedudel bis zu gefühlvollen, mitreißenden Soli.

Vier Virtuosen, die sich jedoch stets in den Dienst des Songs stellen

Und dann wäre da ja noch die Rhythmusgruppe bestehend aus Bassist Anthony Crawford, der mit so illustren und unterschiedlichen Musikern wie Virgil Donati und Justin Timberlake gearbeitet hat und selbst einen Jazz und R&B Background hat, sowie Marco Minnemann, der unter anderem STEVEN WILSON, STEVE VAI und NECROPHAGIST in seiner Vita stehen hat. Beide sind absolute Meister ihres Fachs und zählen zur absoluten Spitze im Metal-Genre. Die größte Leistung von WITHERFALL ist aber wohl, dass diese vier überragenden Individuen sich zu jeder Zeit in den Dienst des Songs stellen. Man hört an allen Stellen die Virtuosität dieses Quartetts, doch es artet niemals in selbstgefälliges Gedudel aus, immer steht die Melodie, der Moment, der Song im Vordergrund.

Vom Tech Thrash Inferno über einfühlsamen Balladen bis zum Prog Metal-Epos haben WITHERFALL alles in petto

Und was das Songwriting angeht, haben Joseph Michael und Jake Dreyer erneut nichts anbrennen lassen. Los geht es mit “The Last Scar”, einem wahnwitzigen Tech Thrash-Inferno mit einem völlig überragend aufspielenden Marco Minnemann, der den Song mit Volldampf antreibt, dabei aber noch Breaks und Fills einbaut, dass einem der Kiefer runterklappt. Beim folgenden “As I Lie Awake” hält sich Minnemann im direkten Vergleich sehr zurück. Der Song ist wohl das zugänglichste Stück auf “Curse Of Autumn”, ein echter Hit mit einem super eingängigen aber natürlich kein bißchen platten Refrain. “Another Face” ist ein eher zurückhaltendes, nachdenkliches Stück mit einem starken, auf das Ende und den Übergang zu “Tempest” hinarbeitenden Schlusspart, bei dem Joseph Michaels Stimme den Hörer kristallklar und sanft umschmeichelt. Vielleicht die prägnantesten und eindringlichsten Zeilen auf “Curse Of Autumn”:

Waiting, in the edge of a storm
And the tempest is coming
And we’ll face it alone
Waiting, on the edge of a storm
All the signs point to nothing
They won’t carry us home

Wie ein wogender Sturm spielen WITHERFALL auf “Curse Of Autumn” auf

Mit “Tempest” folgt der erste von zwei monumentalen Longtracks. Und hier ist der Name Programm: tatsächlich hat das Stück etwas von einem wogenden Sturm, der sich langsam zusammenbraut, kurz innehält und dann losbricht, mit brachialer Gewalt wütet, alles hinfort spült und dann dramatisch ausklingt. Der kurze, ruhige Titelsong lässt kurz Zeit zum Durchatmen und gibt Joseph Michael mal wieder die Gelegenheit mit einfühlsamen, berührenden Gesang zu glänzen. Doch die Ruhe währt nur kurz, denn mit dem Instrumental “The Unyielding Grip Of Each Passing Day” werden die Herren Dreyer, Crawford und Minnemann mal wieder von der Leine gelassen und dürfen sich in einer Art Mini-Symphonie austoben, die dann nahtlos in “The Other Side Of Fear” übergeht, einem weiteren brettharten, kompakten aber auch frickeligen Abriss. Das folgende “The River” ist eine Ballade, die in der ersten Hälfte rein akustisch daher kommt und bei der Josephs Gesang mal wieder unter die Haut geht.

Mit “And They All Blew Away” geht die Band zum Grande Finale noch mal in die Vollen und präsentiert uns eine viertelstündige Achterbahnfahrt voller Breaks und Richtungswechsel, von ruhigen Akustikpassagen zu irrem Gefrickel und wieder zurück, kulminieren in einem epischen, dramatischen Refrain. Vielleicht hätte man den Song stellenweise etwas kürzen und die eine oder andere Instrumentalpassage etwas zurechtstutzen können. Aber letztendlich ist und bleibt “And They All Blew Away” ein beeindruckendes, mitreißendes Epos.

Zum Abschluss haben WITHERFALL sich “Long Time” von BOSTON vorgenommen und dem Song in einer zerbrechlichen, wunderschönen Akustikversion ein völlig neues Gesicht gegeben. Zurückhaltend instrumentiert bekommt Joseph Michael hier noch mal die Gelegenheit seine einfühlsame Seite zu zeigen und dabei zentimeterdicke Gänsehaut zu erzeugen. Unglaublich, was WITHERFALL hier aus dem Original gemacht haben und ein perfekter Schlusspunkt für ein (fast) perfektes Album.

WITHERFALL melden mit “Curse Of Autumn” laut und deutlich Ansprüche auf den Titel “Album des Jahres” an

Jon Schaffer hat “Curse Of Autumn” als vermutlich letzten Beitrag zum Thema Heavy Metal einen perfekten, differenzierten, druckvollen und makellosen Sound verpasst. Es mag Bands geben, bei denen mir ein wenig Dreck im Sound lieber ist, zu WITHERFALL aber würde das nicht passen. Und natürlich ziert auch “Curse Of Autumn” ein stimmungsvolles Cover von Kristian “Necrolord” Wåhlin. Ja, hier stimmt einfach alles, das gesamte Paket. Herausragende Songs, gespielt von herausragenden Musikern mit herausragendem Drumherum. WITHERFALL halten mit “Curse Of Autumn” problemlos das bereits wahnwitzige Niveau ihrer bisherigen Alben – welches man da nun am besten findet, ist reine persönliche Vorliebe. Besser kann man diese Musik nicht spielen. Düsterer, progressiver Power Metal in Perfektion. Album des Jahres? Gut möglich!

Veröffentlichungsdatum: 05.03.2021

Spielzeit: 57:08

Line Up:
Joseph Michael – vocals, keyboards
Jake Dreyer – acoustic and electric guitars
Anthony Crawford – bass
Marco Minnemann – drums
Alex Nasla – live keyboards

Produziert von: Jon Schaffer

Label: Century Media

Bandhomepage: https://witherfall.com
Facebook: https://www.facebook.com/witherfall

WITHERFALL “Curse Of Autumn” Tracklist

01. Deliver Us Into The Arms Of Eternal Silence
02. The Last Scar (Audio bei YouTube)
03. As I Lie Awake (Video bei YouTube)
04. Another Face (Lyrics-Video bei YouTube)
05. Tempest
06. Curse Of Autumn
07. The Unyielding Grip Of Each Passing Day (Video bei YouTube)
08. The Other Side Of Fear (Video bei YouTube)
09. The River (Video bei YouTube)
10. … And They All Blew Away (Video bei YouTube)
11. Long Time (Acoustic Version)

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