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KREATOR: Hate über alles

Wie man den Thrash Metal aus den Achtzigern holt – KREATOR zeigen es auf “Hate über alles” und liefern ein weiteres hervorragendes Album ab.

Mille hat mich 1989 an der Bushaltestelle hier auf dem Dorf abgeholt. Im übertragenen Sinne, versteht sich. Mit „Extreme Aggression“ im Walkmann entdeckte ich beim Warten auf den Bus eine meiner ersten Lieblingsbands und stellte fest, dass Musik so viel mehr als nur Hintergrundgeräusch sein kann. Damals wie heute fasziniert mich an KREATOR, wie diese Band negative Gefühle kanalisiert und ins Gegenteil verwandelt. Trotz fast 40 Jahren Bandgeschichte ist da noch immser eine gute, ehrliche Aggression zu spüren. Aufbegehren, sich zur Wehr setzen, ohne stumpfe Gewalt und sinnlose Zerstörung. Das ist auch auf dem neuen Album „Hate über alles“ so – es ist davon sogar mehr zu spüren als auf den direkten Vorgängeralben „Gods Of Violence“ und „Phantom Antichrist“.

Wie man den Thrash Metal aus den Achtzigern holt – “Hate über alles”  zeigt es

Knackige Thrash-Songs wie „Hate über alles“, Strongest Of The Strong“ und das herrlich straighte „Killer Of Jesus“ reihen wunderbar-holprige Old-School-Riffs aneinander, die in extrem prägnanten und eingängigen Refrains und Referenzen an alte KREATOR-Platten gipfeln. Die Songs bleiben beim ersten Hören direkt im Ohr hängen – gleichzeitig gibt’s immer wieder Neues zu entdecken, wenn man das Album mehrmals anhört.

Mit “Become Immortal” gibt’s einen Song für Traditionalisten, die rekapitulieren wollen, wie gleich nochmal der Zusammenhang zwischen New Wave Of British Heavy Metal und Thrash Metal war. “Midnight Sun” ist der Experimental-Track des Albums, die Berliner Sängerin SOFIA PORTANET verleiht ihm mit ihrer glasharten Stimme eine ganz eigene Note. Das klingt nach Reißbrett und Kalkül – doch damit tut man der Band unrecht. So unterschiedlich die einzelnen Songs sind, das detaillierte, durchdachte und vor allem dynamische Songwriting eint sie. KREATOR haben lange Zeit an diesem Album gearbeitet, das kann man hören. Und der knapp siebenminütige Rausschmeißer “Dying Planet” ist erstaunlich sperrig und tatsächlich ein ganz großer Schritt weg von ausgetreten Pfaden – die nötige Trittsicherheit haben KREATOR allemal und wer die neuen Sachen von AT THE GATES mag, wird den Song lieben.

Die DEAD KENNEDYS-Anspielung im Albumtitel „Hate über alles“ ist übrigens weniger platt und plakativ als man auf den ersten Blick meinen könnte. Sie ist ein wichtiges Statement in einer Musikkultur, deren Toleranz gegenüber zu stramm konservativ bis offen nationalistischen Bands und Einzelpersonen leider offenbar immer größer wird.

Es ist alles beim Alten bei KREATOR. Und es gibt viel Neues.

Mit „Violent Revolution“ stellten sich 2001 die neuen, alten KREATOR vor: Nach stilprägenden Alben und einigen Experimenten bewies die Band, dass Thrash Metal traditionell und gleichzeitig zeitgemäß klingen kann – dabei gelingt KREATOR seit nunmehr fünf Alben (“Gods Of Violence” (2017), “Phantom Antichrist” (2012), “Hordes Of Chaos” (2009) und “Enemy Of God” (2005)) das Kunststück, irgendwie alle abzuholen, es sind inzwischen ja auch mehrere Generationen, die man da ansprechen kann. Einerseits bewegen sich KREATOR inzwischen in definierten Grenzen und wissen auch ganz genau, wie man Songs für Livekonzerte schreibt (Bei „Killer Of Jesus“ gibt’s einen Mitklatschpart, bei”Become Immortal” einen schon ziemlich übertriebenen Ohohoh-Mitsingpart). KREATOR haben wenig Angst vor Metal-Klischees, manche Songtitel und Textzeilen sind für sich genommen hart an der Grenze. Und um Anspielungen an MANOWAR, JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN auf „Hate über alles“ zu finden, muss man nicht suchen.

Das Motto von KREATOR: Raus aus der eigenen Blase!

Andererseits verpacken sie alles ziemlich geschickt und wollen sich manchmal auch einfach nicht an die Regeln halten: Mit den Alben “Renewal”, “Endorama” und “Cause For Conflict” bewies die Band den Mut, wirklich Experimentelles zu wagen – und wurde und wird bis heute dafür von vielen Fans kritisiert.  So ganz lassen können KREATOR das Anderssein aber bis heute nicht: Gastmusiker stammen nicht wie sonst üblich aus der eigenen Blase, sondern kommen gerne mal aus ganz anderen Genres. Für das 1999er Album „Endorama“ holte KREATOR-Sänger Mille LACRIMOSA-Frontman Thilo Wolff ins Studio und nahm ein Duett mit ihm auf.  Auf dem letzten Album „Gods Of Violence“ war der Schweizer (Schlager)-Sänger /Liedermacher Dagobert bei „Fallen Heroes“ zu hören. Am aktuellen Album war neben SOFIA PORTANET auch der Post-Punk/Indie-Musiker DRANGSAL beteiligt. Und es gibt noch mehr Beispiele: Die KREATOR-Biografie „Violent Evolution“ aus dem Jahr 2011 schrieb Autor und Werbetexter Hilmar Bender, und eben nicht ein Musik-Journalist mit dem Schwerpunkt Rock/Heavy Metal. „Hate Über Alles“ wurde unter anderem im Hansa Studio in Berlin aufgenommen – nicht gerade eine der ersten Adressen für Metal-Bands.

Und wenn KREATOR dann doch mit Szene-Personal zusammenarbeiten, dann suchen sie sich einfach die Besten aus. So wie Cover-Künster Eliran Kantor, dessen Artworks für Bands wie BLOODBATH (das Cover von „The Arrow Of Satan Is Drawn“ ist unerreicht grausig) über MY DYING BRIDE bis INCANTATION ganz weit weg sind von den sterilen, am Rechner bearbeiten Bildchen mit den immergleichen Motiven. Oder Produzent Arthur Rizk, der “Hate über alles” vor allem einem einen abartig guten Drum-Sound verpasst hat.

VÖ: 10. Juni 2022

Label: Nuclear Blast

KREATOR “Hate über alles” Tracklist

01. Sergio Corbucci Is Dead
02. Hate Über Alles (Video bei YouTube)
03. Killer Of Jesus
04. Crush The Tyrants
05. Strongest Of The Strong (Video bei YouTube)
06. Become Immortal
07. Conquer And Destroy
08. Midnight Sun (Video bei YouTube)
09. Demonic Future
10. Pride Comes Before The Fall
11. Dying Planet

Besetzung:

Miland „Mille“ Petrozza – Gesang, Gitarre
Sami Yli-Sirniö – Gitarre
Frédéric Leclercq – Bass
Jürgen „Ventor“ Reil – Drums

Mehr im Netz:

kreator-terrorzone.de
instagram.com/kreatorofficial

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