Das warme Wetter lässt einen noch nicht richtig in Konzertstimmung kommen diesen Oktober. Zu sehr locken Spaziergänge, Restaurants mit Außenterrasse und Aussicht – Bands, die bereits auf Tour sind und die Festivalsaison hinter sich gelassen haben, haben das Nachsehen. So ist es keine Überraschung, dass an diesem Mittwochabend um 19 Uhr der Großteil der Gäste noch immer im lauschigen “Garten” des Gaswerks im Schwyzer Seewen weilt, gemütlich Bier trinkt und miteinander diskutiert und den Feierabend genießt.
Das Gaswerk aus einer anderen Zeit
Sofort fällt auf: Hier in Schwyz ticken die Uhren anders als in Zürich. Man weist sein Ticket vor – und erhält keinen Stempel aufs Handgelenk. Keine Durchsuchung, keine bärbeißige Security, kein Depotsystem. Stattdessen Vertrauen, Gastfreundschaft, Freundlichkeit und Getränke in richtigen Gläsern (beziehungsweise Tee in großen gepunkteten Porzellantassen). Das Gaswerk in Seewen mag eine junge Kulturstätte sein und topmodern aussehen, aber Leute mit dem Bierhumpen in der Hand habe ich schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr an einem Konzert gesehen. Dazu gesellen sich faire Getränkepreise und extrem saubere Klos – doch, dieser Club kommt definitiv auf die persönliche Liste für gute Locations.
SKAPHOS
Doch eigentlich gibt es heute primär einen Geburtstag zu feiern – VADER zelebrieren ihr 40jähriges Jubiläum mit einer ausgedehnten Europatour. Den Abend einlärmen dürfen die Franzosen von SKAPHOS. Diese haben sich ganz dem gruseligen Seemannsgarn verschrieben. Die Bühne zieren (zum Glück geruchsfreie) Fischknochen, Fangnetze und Tiefseefisch-Banner, die Band selber sieht aus, als hätte sie sich von Davy Jones und seinem Kraken persönlich das Corpsepaint aufs Gesicht malen lassen. Statt Schwarzmetall gibts bei den Franzosen indes eher eine brachiale Black / Death Metal-Mischung, bei denen anfänglich vermutete Melodien in den Wogen der Brutalität untergehen.
Lauer Abend gegen Meeresungeheuer
Selbst wenn SKAPHOS hier und da ähnlich unheimlich klingen wie AHAB, so regiert doch das Gebolze. Vom ersten Album “Bathyscaphe” holzen die Franzosen den Titeltrack und auch “US OH”. Die Ansagen des Quartetts beschränken sich auf ein Minimum und das Publikum lässt sich nur zaghaft durch die dissonanten Klänge vom lauen Abend draußen weglocken. SKAPHOS geben sich professionell und unbeirrt, mehr als einen soliden Eindruck hinterlassen die Franzosen an diesem Abend allerdings nicht.
AETHERIAN
Die Griechen von AETHERIAN sind das komplette Kontrastprogramm zu SKAPHOS. Banner mit anmutigen Mythen-Illustrationen lassen vermuten, dass AETHERIAN nicht die kompromisslose Satanshuldigung à la alte ROTTING CHRIST durchgeben werden. Und tatsächlich – AETHERIAN überraschen mit sehr melodiösem Pagan Metal und sind stellenweise fast schon fröhlich. Sänger Panos Leakos (BLASTEROID) interagiert mit dem nun in größerer Zahl vorhandenen Publikum, reißt mit und wer sich an Bands wie SVAVELVINTER oder den älteren Zeiten EQUILIBRIUMs erfreut, dürfte an diesem griechischen Quartett wohl seine helle Freude haben. Das Publikum macht ordentlich mit, der Sound überzeugt genauso und AETHERIAN dürfen den heutigen Auftritt definitiv als Erfolg verbuchen. Pluspunkte gibts für die wirklich schön gestalteten T-Shirts und die anständigen Merch-Preise.
Setliste AETHERIAN
1. Clouds Gathering
2. Seeds of Deception
3. Drops of Light
4. Dark Earth
5. Primordial Woods
6. Black Sails
7. At Storm`s Edge
8. The Rain
VOMITORY
VOMITORY waren just letzten Monat am MEH SUFF METALFESTIVAL im schweizerischen Hüttikon zu Gast. Während bei anderen Bands dies oft dazu führt, dass Publikum zu Hause bleibt, weil man die Band ja eben erst gesehen habe, so scheint dies bei den Death Metallern aus Värmland nicht der Fall zu sein – im Gegenteil. Viele denken sich, dass 12 Jahre Wartezeit auf das aktuelle VOMITORY-Album “All Heads are gonna roll” mehr als genug gewesen sind und man sich deswegen VOMITORY ruhig ein Mal pro Monat live geben darf. Obwohl an diesem Abend im Gaswerk VOMITORY mit einem geänderten Line Up antreten: Die Gitarristen Ubbe und Peter konnten aus beruflichen Gründen nicht die ganze Tour mitmachen, weswegen heute Abend Christian Fredriksson (INFERIOR) und Kalle Sundin (GEHENNAH) bei VOMITORY aushelfen. Christian hatte schon Leads auf “All Heads are gonna roll” beigesteuert, von dem her also die logische Wahl.
VOMITORY sind trotz Session-Gitarristen eine Einheit
VOMITORY sind indes trotz Session-Gitarristen an diesem Abend eine Einheit. Drei Wochen auf Tour haben Spuren hinterlassen – die Schweden spielen tight wie ein Kamelhintern im Sandsturm. Und dies trotz der ausgewechselten Gitarrenfraktion. Das Publikum ist entsprechend begeistert und bei der Sache. Da müssen dann doch einige ihren Glashumpen auf die Bühne stellen, damit sie ungestört headbangen können. VOMITORY sind leidenschaftlich bei der Sache und es wird klar, dass das aktuelle Album “All Heads are gonna roll” bereits bekannt und beliebt ist beim Publikum. Beim Reisser “Raped, Strangled, Sodomized, Dead” gibts sogar “hey, hey, hey”-Chöre vom Publikum beim Refrain, was zwar arg ungewöhnlich anmutet an einem Death Metal-Konzert, gleichzeitig aber das “Hit-Potential” des Songs unterstreicht. Sehr geiler Gig von VOMITORY.
Setliste VOMITORY am 11. Oktober 2023
1. All heads are gonna roll
2. Stray bullet kill
3. Terrorize brutalize sodomize
4. Piece by stinking piece
5. Revelation Nausea
6. Ode to the meat saw
7. Regorge in the gorge
8. Rebirth of the Grotesque
9. Redemption
10. Raped, Strangled, Sodomized, Dead
11. Chaos Fury
VADER
Mit flinken Fingern baut die routinierte VADER-Crew nach VOMITORY die Bühne um. Kurz darauf betreten VADER die Bühne und werden begeistert begrüsst. Das polnische Death Metal-Urgestein hat sich auch einiges vorgenommen für den heutigen Abend. Denn wenn das Jubiläum schon “40 Years of VADER” heisst, dann werden auch gefälligst alle Epochen der Bandgeschichte berücksichtigt. VADER nehmen die Aufgabe chronologisch in Angriff und zeigen trotz 40 Jahre Bühnenleben keinerlei Müdigkeit.
Von “Decapitated Saints” bis “Carnal”
Die Setliste der Polen enthält dann auch alles an Brachialem, was es für den gepflegten Death Metal-Abend braucht. Von den ruppigen Anfängen im Sinne von “The Wrath” bis zu den persönlichen Highlights “Carnal” und “Wings”. Man kann im Publikum ziemlich genau sehen, bei welchem Song die jeweilige Person VADER für sich entdeckt hat. Altersbestimmung mittels VADER-Songmaterial! Es funktioniert. Fronter Peter ist sichtlich begeistert von seinem Publikum und seine Ansagen werden beklatscht und mit Johlen beantwortet. Technisch macht macht VADER ebenfalls nichts vor an diesem Abend, doch die Interaktion mit dem Publikum steht trotz aller Technik nicht hinten an. VADERs Set fällt so üppig aus, dass sich gegen Ende sogar die Reihen im Saal etwas lichten – die Arbeit am nächsten Tag ruft wohl den einen oder anderen genauso wie die letzte ÖV-Verbindung. Das tut der Stimmung allerdings keinen Abbruch und VADER beweisen, dass man auch nach 40 Jahren noch genauso passioniert Death Metal zelebrieren kann wie am ersten Tag. Ein gelungener Todesmetall-Konzertabend in einer Location wie aus einer anderen Zeit. Wunderbar.
Setliste VADER am 11. Oktober 2023
1. Decapitated Saints
2. The Wrath
3. Chaos
4. Vicious Circle
5. Dark Age
6. Silent Empire
7. Sothis
8. Black to the Blind
9. Carnal
10. Wings
11. Cold Demons
12. Epitaph
13. Dark Transmission
14. This is the War
15. Helleluyah!!! (God is Dead)
16. Triumph of Death