Interview mit KLABAUTAMANN: Drums mit Solarstrom

KLABAUTAMANN war seit jeher das Kernduo Florian Toyka (VALBORG) und Tim Steffens. Trotz dem Weggang Florians bleiben sich KLABAUTAMANN auf “numbered” treu – noch immer ist die Musik der Deutschen eigenwillig, progressiv und düster. Noch immer erstaunt und überrascht das Artwork und Freunde analoger Sammlerstücke werden mit KLABAUTAMANNs “numbered” nicht enttäuscht. Zeit also, bei Tim Steffens digital vorstellig zu werden und mehr über die alte neue KLABAUTAMANN-Welt zu erfahren. 

numbered” ist das erste KLABAUTAMANN-Album, das du ohne deinen langjährigen Mitstreiter Florian Toyka (VALBORG) kreiert hast. Inwiefern war der Entstehungsprozess von “numbered” anders für dich? 

Ja stimmt! Sonst hatten wir immer ausgiebige gemeinsame Songwriting-Sessions. Für “Merkur” haben wir uns z.B. damals – das war noch während des Studiums – ein oder zwei Wochen am Stück bei Florians Eltern im Wohnzimmer eingerichtet um die Songs auszuarbeiten. Jetzt hab ich das alles in Eigenregie gemacht. Der Input von Flo hat mir schon gefehlt, seine Sachen haben mir immer gut gefallen. Aber so waren jetzt einige Entscheidungen leichter und das Ganze ist deutlich experimenteller geworden als das früher der Fall gewesen wäre.

Die Liste deiner MitmusikerInnen ist sehr sehr lang. Wie habt ihr euch alle gefunden? Wart ihr jemals alle zusammen im Studio?

Das ist sehr unterschiedlich – ein paar sind sehr gute Freunde von mir, mit denen ich Jahre lang schon zusammen Musik machen – und mit anderen habe ich zum ersten mal zusammengearbeitet. Christoph habe ich vor fast 20 Jahren zufällig auf dem WACKEN OPEN AIR kennengelernt, wo er und seine Frau uns mit Gummi-Äxten überfallen haben, wir haben zufällig nebenan gecampt. Ich habe damals noch viel andere Bands in meinem Homestudio aufgenommen, und so kam es dann dass ich auch das Album “Vulva Infernale” von deren beider Band EXCRETE  produziert habe. Dabei haben wir uns angefreundet und sind nicht nur musikalisch in Kontakt geblieben, sondern machen auch viele Wandertouren zusammen. Zelt schnappen und ab in die Berge. 

Marlon hatte sich damals auf eine Anzeige beworben, die wir irgendwo geschaltet hatten, weil wir nach nem Schlagzeuger gesucht haben. Das ist sicher schon über 20 Jahre her. Er hat uns mit seinen krassen Blast- und Doublebass-Skills mega begeistert und dann auch direkt unser erstes Album “Our Journey Through the Woods” eingetrommelt. Über die Jahr hat er sich schlagzeugtechnisch nochmal krass weiterentwickelt. Er hat für sich im stillen Kämmerlein immer weiter krumme Takte geübt, weil ihn das so flasht. Daher war er mega happy als ich ihm das Material von “numbered” gezeigt habe, wo man nach im Radio gängigen Taktarten lange suchen muss. Ich finde sein Drumming auf der Scheibe wirklich überwältigend. Sehr songdienlich, etwas zurückhaltend wenn es passt – und mit vielen nerdigen Finessen wie stellenweise krasser Polyrythmik, unzählige Paradiddles und ab und zu – wenn es passt – wirklich abgefahrenen Drumpatterns. Besonders geil ist auch der Flow, der er in die Songs reinbekommen hat, da klingt nichts krumm und abgehackt – obwohl in Wirklichkeit nichts gerade ist. Ist würde sagen, dass er der beste Drummer ist, mit dem ich je zusammengearbeitet habe.

Die anderen habe ich irgendwie über die Musik kennengelernt, sei es über mein damaliges “Flammenmeer Studio” – daher kenne ich zum Beispiel Steph, der dort schon mit den SCREAMING SOULS aufgenommen hat. Oder halt über KLABAUTAMANN: Die Anna hat uns mal nen Gig in der Schweiz klar gemacht, darüber sind wir in Kontakt gekommen.

Mit Corona-Pandemie – die Gesangssession mit Ingo und Chester war das Wochenende vor dem ersten Lockdown – und der Verteilung der Künstler über verschiedene Länder – nämlich Deutschland, Spanien, Holland, Ungarn, Schweiz und Norwegen – war ist rein logistisch nicht möglich sich gemeinsam im Studio zu treffen. Das war aber okay, weil wir in der Regel eh eins nach dem anderen einspielen – nicht zuletzt, weil viele Elemente erst während der Aufnahme komponiert werden und wir im Vorfeld die Songs nicht vorher als Band gemeinsam proben. 

Die Drums wurden ja in Ungarn aufgenommen. Welche Verbindung gibt es zwischen Ungarn und KLABAUTAMANN? Falls es eine weitere Verbindung ausser der Schlagzeugaufnahme gibt: Was ist dein ungarisches Lieblingsessen?

Marlon wohnt einen großen Teil der Zeit in Ungarn. Er hat da ein schönes, abgelegenes Haus, in dem er sehr autark wohnt: er baut sich im Garten sein eigenes Gemüse an, als Wasser kommt das Regenwasser aus seiner Zisterne zum Einsatz – und der Strom kommt über seine Solaranlage. Die gesamten Drums auf der Scheibe sind also mit Solarstrom aufgenommen. Wir haben uns meisten selbst bei ihm selbst gekocht, daher habe ich nicht viel von der ungarischen Küche mitbekommen …

Auf “numbered” geht es ja – vom Konzept her – um die Vergänglichkeit und wie unsere Tage in diesem Leben quasi “(ab)gezählt” sind. Was war die Hauptinspiration für dieses Thema? 

Das Leben. Die Realisierung, dass wir keinen Moment festhalten können. Lebensphasen enden, neue starten. Geliebte Menschen sterben – das musste ich leider auch erfahren – aber es entsteht auch neues Leben. Wie unser kleiner Sohn Ben. Der ist jetzt mit sieben Monaten auch schon nicht mehr das kleine Wesen, dass er kurz nach der Geburt war. Was ich aus diesen ja teilweise auch schmerzlichen Erfahrungen mitgenommen habe ist, dass wir achtsam mit unserer Zeit, die wir haben, umgehen sollten. Ich fühle jetzt viel mehr wie wertvoll jeder Moment ist, den wir erleben und konzentriere mich viel stärker auf die essentiellen Dinge im Leben. 

Ja, das stimmt. Was oder wer hat dich musikalisch am meisten inspiriert für “numbered”? 

Ich würde sagen meine Hauptinspirationen sind PORCUPINE TREE, OPETH, KING CRIMSON und ENSLAVED. Und es waren auch immer wieder einzelne Kontakte, wie zum Beispiel mit Dimitrios von ZEMIAL, mit dem ich vor vielen Jahren mal gejammt habe. Er hat mich echt für die krummen Takte begeistert, indem er mir verschiedene Zählweisen und Betonungen gezeigt hat.

Das Cover-Artwork zu “numbered” ist quasi ein extrem minimalistisches Kontrastprogramm zum “Smaragd”-Album-Cover. Wie passen die Albumcover für dich unter dem Deckmantel “KLABAUTAMANN” zusammen? Nimmt das Cover von “numbered” Bezug auf einen spezifischen Songs auf dem Album?

Das Cover von “numbered” sticht schon ziemlich heraus mit seiner Einfachheit – das ist aber auch durchaus so gewollt, schließlich hat sich musikalisch auch einiges gewandelt. Ich wollte, dass sichtbar wird, dass es sich jetzt nicht einfach genau so weiter geht wie vorher. Zudem bin ich selbst ein großer Freund des Minimalismus geworden (wobei ich noch weit weg davon bin ein Minimalist zu sein). Ich bin tatsächlich mega zufrieden mit dem Artwork. Es kommt leider am Rechner nicht so gut raus, aber die CDs sehen echt mega edel aus. Bin sehr auf die Platten gespannt, die sollen Ende April geliefert werden!

Ein paar der Songs sind bei einem längeren Aufenthalt in Neuseeland entstanden. Einer davon – nämlich “holding on” – in einem kleinen Holzhaus mit Blick auf einen einsamen, idyllischen Strand, gesäumt von Hügeln. Es gibt ein Foto, wo der Ausblick durch ein von Holzstreben durchzogenes Fenster aufs Meer festgehalten ist. Ich habe immer noch diese intensive, einsame, melancholische und sehnsüchtige Stimmung in Erinnerung. Dieses Foto diente als Inspiration für das Cover Artwork. Und natürlich wird mit der auf- und untergehenden Sonne und dem Mond Bezug auf die Endlichkeit genommen – passend zum Titel-Song.

Da 2021 noch nicht lange her ist: Welches sind deine “Alben des Jahres” für 2021 und warum?

Öhm … ich glaube nicht, dass ich ein Album gehört habe, das 2021 erschienen ist. Generell finde ich wenig aktuelle Veröffentlichungen, die mich ansprechen. Ich beschäftige mich gerade mehr mit älteren Sachen – habe mir Anlässlich der PHIL COLLINS-Biographie, die ich gerade fertig gelesen habe, einige GENESIS-Sachen nochmal reingezogen. Ansonsten entdecke ich gerade PAT METHENY, PHILIP GLASS, JOAO GILBERTO und GEORGE HARRISON. Das aktuellste Album, dass ich gerade erkunde, ist “The  Raven That Refused to Sing” von STEVEN WILSON – aber das hat auch schon wieder ein paar Jahre auf dem Buckel.

Wo sollte man sich “numbered” am besten anhören und weshalb?

Ich würde empfehlen es auf einer guten Anlage in gemütlicher Atmosphäre zu hören, alleine. So kann man die großartige Produktion von Anna Murphy am besten genießen. Und man wird sicher das eine oder andere interessante Detail wahrnehmen, wenn man sich voll auf die Musik einlässt.

Ansonsten könnte ich mir “numbered” auch gut als melancholischen Soundtrack über Kopfhörer beim Spazieren vorstellen. Am besten irgendwo ohne viel Ablenkung, ich empfehle den Wald oder einen Strand.

Welche Bands (tot oder lebendig) würdest du in dein “Traum-Tourpackage” für KLABAUTAMANN mit ins Boot holen und warum?

Ich fände es sehr cool mal mit ENSLAVED und OPETH zusammen zu zocken! Wenn sich das mal ergibt sind wir an Board – ist bloß extrem unwahrscheinlich!

Was sind die Pläne für KLABAUTAMANN im Jahr 2022?

Abgesehen von der Veröffentlichung der LP-Version von “numbered” Anfang Mai gibt es keine Pläne für KLABAUTAMANN – wir werden uns erstmal um unseren kleinen Klabauta kümmern.

Vielen lieben Dank für das kurzweilige Interview und alles Gute!

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