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IQ: Von Freizeit-Prog und dem Malus der späten Geburt

IQ-Keyboarder Martin Orford über seine Solo-Aktivitäten, das aktuelle IQ-Album, dissende Konkurrenz, mißverständige Journalisten und die große künstlerische Freiheit des Freizeit-Proggers…

Als IQ Anfang der 80er die Bühne des Musikbusiness erklommen, waren die Pioniertaten der zweiten britischen Prog Rock-Generation bereits vollbracht. Obgleich in Liebhaberkreisen geschätzt, stand die Band von Beginn ihrer Karriere an stets im Schatten der großen Namen des Genres. Daß sich IQ als eine der beständigsten Konstanten der Szene etablieren und auch 20 Jahre nach ihrer Gründung ebenso traditionsbewußte wie qualitativ außergewöhnliche Alben veröffentlichen würden, hätten wohl die Wenigsten erwartet.

Doch mit The Seventh House, dem Nachfolger des umjubelten Konzept-Werkes Subterranea, bewiesen die Briten erst kürzlich eindrucksvoll, daß sie noch heute für Klassiker gut sind, während weite Teile der ehemaligen Konkurrenz das Zeitliche gesegnet oder sich in ferne musikalische Terrains vorgewagt haben. Doch gut Ding will Weile haben, und so mußten sich die Fans der Band einmal mehr in Geduld üben, bis sie in Genuß eines neuen IQ-Studioalbums kamen.

Naja, es waren doch gerade dreieinhalb Jahre! Eigentlich sind wir doch recht produktiv, oder?, lacht Martin Orford, Keyboarder der Band und mein Interviewpartner. Nimm mal PINK FLOYD, die haben immerhin schon seit 9 Jahren kein neues Album mehr aufgenommen. Und die gehen – im Gegensatz zu uns – immerhin keinen normalen Vollzeitjobs nach…

Wie dem auch sei: Das Warten hat sich gelohnt…

Danke!

Ich vermute allerdings, daß es gar nicht so einfach war, den Nachfolger für ein Album wie Subterranea zu schreiben…

Das sagen viele. Subterranea wird allgemein als das Meisterstück der Band betrachtet, und jeder sagte, da könne man nichts mehr draufsetzen und wir könnten uns genau so gut auflösen! (lacht) Wir haben uns also sehr bemüht, ein Album zu schreiben, das mindestens genauso gut oder sogar besser ist. Ob uns das gelungen ist, muß aber der Hörer entscheiden. Doch bislang ist das Feedback recht positiv…

Das konntet Ihr ja schon im Vorfeld austesten, ist es doch bei IQ üblich, den Fans neue Alben noch vor der offiziellen Veröffentlichung im Rahmen von Live-Shows zugänglich zu machen…

Das stimmt, ja. Wir versuchen immer, unseren Konzertbesuchern das jeweils neueste Album schon im Vorfeld anzubieten und ihnen damit auch einen kleinen Anreiz zu geben, sich auf den Weg zu uns zu machen.

Was nun den Schritt von Subterranea zu The Seventh House angeht, kann man ohne Wertung zumindest eines festhalten: Ihr habt nicht den Fehler begangen, das Erfolgsrezept nur kopieren und aufwärmen zu wollen…

IQ_KeyboarderGenau. Es stand nicht zur Debatte, dieses Doppel-CD-Konzept noch einmal zu wiederholen, denn das haben wir mit Subterranea schon ziemlich gut hingekriegt. Es wäre närrisch gewesen, die gleiche Formel noch einmal zu verwenden. Wir mußten also ein Album aufnehmen, dessen Songs auch für sich alleine stehen könnten und nicht wieder Teil eines übergeordneten Konzeptes sind. Einfach eine Sammlung guter IQ-Tracks. Und ich denke, das ist uns gelungen. Insbesondere der Titelsong scheint sich zu einem Hörerfavoriten zu entwickeln. Live ist er bislang absolut großartig angekommen! Er ist allerdings kompliziert zu spielen. Da ist eine Stelle gegen Ende, bei dem Vocals und die Keyboards einen langsamen 7/4-Takt anschlagen, während die Rhythm-Section schnellen 6/8-Takt anstimmt. Wenn alles klappt, dann klingt es wunderbar stimmig, aber wenn nur ein Taktschlag daneben geht, klingt es entsetzlich und geht vollkommen falsch.

Ist es schon oft daneben gegangen?

Zu unserer Überraschung noch gar nicht so oft. An ein paar Abenden ging es daneben, aber wir kamen irgendwie wieder rein und haben wieder zueinander gefunden. Ich denke, es war ein berühmter Dirigent, der einmal sagte, das Orchester müsse gemeinsam anfangen und gemeinsam aufhören zu spielen, und was dazwischen passiert, sei egal! (lacht)

Das Zusammenspiel innerhalb der Band scheint also zu klappen. Und das, obwohl IQ ja längst zu einer Art Freizeitunternehmen geworden ist…

Ja, das ist IQ in der Tat. Alle Bandmitglieder haben Jobs in Berufsfeldern außerhalb der Musikbranche. Nur ich habe auch sonst etwas mit Musik zu tun, weil ich die Plattenfirma besitze (Giant Electric Pee – der Verf.). IQ ist im Grunde eine Freizeitband. Aber eine sehr erfolgreiche Freizeitband! Wenn man den anderen einen Vollzeitjob als Musiker anbieten würde, glaube ich nicht, daß sie ihn annehmen würden. Ich denke, sie mögen es eigentlich so wie es ist.

Du selbst scheinst allerdings absoluter Vollblutmusiker zu sein…

Oh ja!

Du bist nicht nur Mitglied von IQ, sondern spielst auch bei JADIS und in der Band John Wettons. Außerdem bist Du seit einiger Zeit auch aktiver Solokünstler…

Ich denke, wenn man sich sicher ist, daß man gern Musiker und nichts anderes sein möchte, dann muß man flexibel sein. Man muß die unterschiedlichsten Sachen machen, zumindest solange, bis man mal Glück hat und ein paar große Hits landet und somit ausgesorgt hat. Aber die Wenigsten haben dieses Glück, und daher muß man eben flexibel sein und in einer Menge Projekte und Bands mitwirken. Und das versuche ich! Ich denke, das macht alles auch sehr interessant. Man muß ständig am Ball bleiben und an sich arbeiten. Und das ist gut!

Waren Deine vielen Aktivitäten auch ein Grund dafür, daß Du Dich beim Songwriting für The Seventh House eher in Zurückhaltung geübt hast?

In der Tat! Mein Solo-Album `Classical Music And Popular Songs` hatte einfach Priorität. Die meisten anderen IQ-Mitgliedern haben eh nur die eine Band und sie wollten das neue Album unbedingt im Laufe des vergangenen Jahres fertig kriegen. Aber ich hatte schon lange vorher beschlossen, daß ich jetzt erstmal eine Menge Arbeit und Energie in mein Solo-Album stecken werde. Das habe ich die letzten sieben Jahre immer wieder hinter die Arbeit mit IQ und JADIS zurückgestellt, und daher hatte ich entschieden, daß 2000 das Jahr für mein Solo-Album sein wird. Als es nun plötzlich mit IQ ernst wurde, war mir klar, daß ich nicht an zwei Alben gleichzeitig arbeiten kann. Aber es hat auch so alles geklappt. Ich habe mich auf mein Album konzentriert und ich denke, es hat sich gelohnt. In der Zwischenzeit hatten dann Mike (Holmes, Gitarrist – der Verf.) und John (Jarret – der Verf.) den Großteil der IQ-Songs geschrieben. Auch deshalb ist The Seventh House ein wenig anders ausgefallen als frühere Alben, es ist vor allem härter. Ich denke das war alles ganz gut so, zumal es sich auf diesem Wege auch sehr von meinem Solo-Album unterscheidet. So vertragen sich die beiden Veröffentlichungen ganz gut miteinander, ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen.

The Seventh House klingt nicht nur härter, sondern auch dunkler, melancholischer…

Ja, ich bin eher für die fröhlichen Sonnenschein-Sachen zuständig! (lacht) John schreibt all diese großen, bösen Metal-Riffs… Bei IQ haben wir fünf Musiker, die alle sehr klare und eigene Ansichten bezüglich ihrer Musik haben. Jeder einzelne von ihnen könnte wohl ein hervorragendes Solo-Album aufnehmen, wenn er es nur wolle. Aber sie wollen eben nicht, auch daher ist es ganz gut, daß sich diesmal die Anteile am Songwriting etwas verschoben haben und auch die anderen ihre Vorlieben stärker miteinbringen konnten..

Unterscheidet sich der musikalische Background der einzelnen IQ-Mitglieder demnach?

IQ: Ja, sehr. Ich selbst stamme ursprünglich aus der Ecke der klassischen Musik. Mike Holmes mich fast ausschließlich klassische Musik. Mike hat sich ursprünglich für 70er Jahre-Rock interessiert, steht jetzt aber auf so High-Energy-Disko-Zeug (??? – der Verf.). John hört eine Menge sehr merkwürdige Sachen und ziemlich ungewöhnlich Bands, Paul Cook steht auf Big Band-Jazz, und Steve Nicholls mag Bands wie die OSMONDS oder so. Das geht sehr weit auseinander. Niemand von uns hört übrigens Prog Rock!

Erstaunlich!

Nicht wirklich. Wenn man sich zu viele Bands des eigenen Genres anhört, leidet die Kreativität.

IQ wurde und wird allerdings oft vorgeworfen, daß sie sich zu sehr an anderen Prog oder Art Rock-Bands wie YES und GENESIS orientieren würde. Ähnliches habe ich selbst auch schon von mir gegeben…

Das sehe ich ganz und gar nicht so! Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, daß sich IQ sehr viel anders anhören würden, wenn es diese Bands niemals gegeben hätte. Und ich denke, die einzige Parallele zwischen einer Band wie uns und denen, die vor uns kamen, ist die, daß diese wohl genauso viel unterschiedliche Einflüsse verarbeitet haben wie wir. Und wenn man all diese Einflüsse nun in einer Band zusammenwirft, dann klingen man eben wie andere in einem ähnlichen Genre. Die Musik, die ich geschrieben haben, bevor ich Bands wie YES und GENESIS kannte, unterscheidet sich bestimmt nicht sehr von dem, was wir jetzt mit IQ machen. Wenn ich so zurück blicke, kann ich ganz ehrlich sagen, daß mich diese Bands nicht beeinflußt haben.

Ihr wart also einfach nur ein wenig zu spät dran, um zu den Genre-Pionieren gezählt zu werden…

IQWir kamen ein wenig zu spät, ja (lacht). Aber das war auch irgendwie ganz gut. Denn da wir so viel später dran waren, hatten wir die Gelegenheit, mit Musikern zu arbeiten, die aus dieser Prog Rock-Ära stammten. Es war zum Beispiel sehr schön, all die Jahre mit John Wetton (u.a. ex-UK, ex-KING CRIMSON und ex-ASIA – der Verf.) zu arbeiten, ebenso auch mit Steve Hackett (ex-GENESIS-Gitarrist – der Verf.). Und diese Jungs betrachten IQ nicht als eine Kopie dessen, was sie selbst gemacht haben. Für sie ist es einfach gute Musik. Es ist komisch: Das ist irgendwie etwas, mit dem immer die Journalisten anfangen. Wir kriegen zu hören: Ihr klingt zu sehr nach CAMEL oder GENESIS und so weiter. Nun, ich kenne Mitglieder von GENESIS und von CAMEL und DIE haben keine Probleme damit. Warum sollte also jemand anderes ein Problem damit haben?

Zugegeben: Wir Journalisten, die wir jeden Monat ungefragt zahlreiche Alben zugesandt bekommen, haben oft leicht reden und klagen. Für Fans einer speziellen Musikrichtung mag es ja sogar ein Glücksfall sein, daß es nicht nur eine einzige Band gibt, deren Alben sie sich kaufen können…

Genau! Der Markt ist groß genug für mehrere Bands eines Stiles. Und die Fans dieses Stiles müssen nicht drei Jahre warten, bis wieder ein Album auf den Markt kommt, das für sie interessant ist…

Mit welchem IQ-Album kannst Du selbst Dich eigentlich am stärksten identifizieren?

Oh je… also, aus textlicher Hinsicht kann ich dazu gar nichts sagen, denn die Inhalte von Peters (Peter Nicholls, Sänger von IQ . der Verf.) Texten verstehe ich meist nicht. Und ich denke, ihm geht es wohl genauso (lacht). In musikalischer Hinsicht mag ich Subterranea sehr. Es ist ein phantastisches Stück Musik und nach wie vor mein Lieblingsalbum. Ich schätze, das liegt wohl auch daran, daß es so ambitioniert war.

Es war wohl auch das modernste und vielschichtigste Album IQs…

Das mußte es auch werden. Bei einem Doppelalbum dieser Länge muß man für viel Abwechslung sorgen. Hätten wir immer nur diese typischen großen Prog Rock-Elemente verwandt, wäre es eher langweilig geworden.

Schade, daß auch Du mir nicht viel zu den Texten von IQ sagen kannst. Auf The Seventh House gibt es wieder einige interessante Passagen, die allerdings nicht leicht nachzuvollziehen sind…

Ich denke, man sollte nicht zuviel über ihre Bedeutung nachdenken. Grundsätzlich ist es so, daß Peter nicht versucht, eine wirkliche Geschichte zu vermitteln. Ich denke, er geht ähnlich vor wie ein impressionistischer Maler: Er möchte einfach Eindrücke schaffen, in die man alles mögliche hinein interpretieren kann. Er schreibt kaum konkrete Texte. Ich habe mal auf eine Bitte hin versucht, die Story von Subterranea zu erläutern. Anschließend habe ich Peter angerufen und ihm berichtet, was ich da von mir gegeben hatte. Er meinte nur: Ja, das funktioniert so! Die Version nehmen wir! (lacht) Alles, was er Dir also sagen würde, wäre: Die Texte bedeuten das, was sie für Dich bedeuten sollen und was Du in sie hinein interpretierst…

OK, ich gebe mich geschlagen. Auf jeden Fall passen sie stets hervorragend zur Musik..

Das tun sie. Sie schaffen eine großartige Atmosphäre. Peters Texte und seine Stimme sind für mich eigentlich eher eine Art Instrument, als nur eine Erzählerinstanz.

Peter wird allerdings auch oft kritisiert. Sein Gesangsstil ist offenkundig nicht jedermanns Sache, zumal er in meinen Ohren zwar eine Menge Charisma besitzt, aber objektiv betrachtet kein wirklich guter Sänger ist…

IQNun, seine Stimme besitzt viel Ausstrahlung. Ich denke, auch von Brian Ferry würde niemand behaupten, er sei ein guter Sänger, ebensowenig von Mark Knopfler. Es gibt viele gute Frontmänner, die nciht wirklich zu den großartigen Sänger zählen, und Peter wäre wohl der erste, der zugibt, daß seine Stimme rein technisch nicht eben zu den besten gehört. Aber ich finde, er ist einer der wenigen wirklich hervorragenden Interpreten, die es im Musik-Business gibt.

Mich persönlich erinnert er immer wieder an den jungen Peter Gabriel…

Ich habe GENEIS nie mit Peter Gabriel gesehen, das kann ich nicht beurteilen. Dazu bin ich noch zu jung…

Was soll ich denn da mit meinen 28 sagen?

28? Das ist wirklich noch sehr jung!

Och, manchmal ist mir das schon alt genug…

Du solltest in drei Bands gleichzeitig spielen. DANN fühlst Du Dich manchmal alt…

Na, das kann einem instrumentalen Legastheniker wie mir wohl nicht passieren. Aber um bei dieser Gelegenheit noch einmal auf Deine zahlreichen Aktivitäten zurückzukommen: Mir scheint, als fände sich in Deinem Umfeld immer wieder der gleiche Kreis an altbekannten und -gedienten Musikern ein. Für einen Außenstehenden macht das fast den Eindruck einer großen Art- und Prog Rock-Familie, die sich immer wieder in verschiedenen Konstellationen versammelt…

Oh ja, das ist in der Tat sehr wie eine Familie! Wir alle stehen ständig miteinander in Kontakt und verstehen uns auch privat sehr gut. Auch die Mitwirkenden an meinem Solo-Album stammen alle von IQ, JADIS und der John Wetton-Band. Das sind meine Freunde, und deshalb sind sie auch auf dem Album zu hören. Und natürlich, weil sie hervorragende Musiker sind

Auf der IQ-Homepage ist übrigens ein Hinweis auf weitere Solo-Aktivitäten von Dir zu finden…

Im Moment passiert da nichts. Aber sagen wir mal so: Das Album kam so gut an, daß ich sehr ernsthaft darüber nachdenke, ein weiteres aufzunehmen. Es hat sich doppelt so gut verkauft, wie ich dachte, da wäre es wirklich dumm, nicht an ein zweites zu denken. Momentan nehmen die Promotion.Aktivitäten für die neuen Alben von IQ und John Wetton noch zuviel Zeit in Anspruch, aber sobald das vorbei ist, setze ich mich ans Keyboard und arbeite an neuen Songs. Ich werde hoffentlich noch Ende des Jahres mit den Aufnahmen beginnen können. Und möglicherweise auch live auftreten…

In einem Interview sagtest Du, das würdest Du erst dann, wenn das Album sich über zehntausendmal verkaufen würde…

Nun, ganz so gut hat es sich nun doch nicht verkauft, aber es fehlt nicht viel. Und die Leute fragen eben ständig wegen Auftritten an. Das ist jetzt so weit, daß ich einige gute Angebote auf dem Tisch habe, und es dumm wäre, sie alle abzulehnen. Ich habe zwar als Solo-Künstler keine großen Ambitionen, aber die Leute rufen mich ständig an und sagen, sie möchten mich auf der Bühne sehen. Das ist eigentlich eine ganz angenehme Situation! Wenn du ein Solo-Album in Angriff nimmst, weißt Du nie, ob Du allein gut genug bist, und das ohne Band durchziehen kannst. Es ist schon ganz nett, wenn man dann plötzlich gefragt wird, ob man nicht auftreten und ein zweites Album aufnehmen möchte. Schön zu wissen, daß man offensichtlich kein kompletter Versager ist! (lacht)

Sehr überrascht – und zwar durchweg positiv – war ich von Deinem Gesang. Ich habe Dich noch nie zuvor Lead Vocals singen hören...

MartinNein, das mache ich auch nicht sehr oft. Ich hatte eigentlich auch nicht vor, sooo viel zu singen. Eigentlich hatte ich John Wetton gebeten, nicht nur eins, sondern zwei Stücke einzusingen. Er kam bis zur zweiten Zeile und meinte dann: Schau, ich kann das natürlich singen, aber ich kann es nicht so gut wie Du. Denn das ist DEIN Song! Und er hatte recht: Es war besser, daß ich es machte, denn es war ein recht persönliches Stück. Also habe ich ihn selbst eingesungen. Bei einem anderen Song, bei dem ich ebenfalls die Vocals übernommen habe, wollte ich eigentlich mit Neal Morse von SPOCK`S BEARD arbeiten und ihn singen lassen. Aber Neal war recht beschäftigt und es blieb nicht mehr genug Zeit. Es gab einen bestimmten Veröffentlichungstermin und den konnte ich nicht verschieben, daher hat es nicht geklappt. Vielleicht auf dem nächsten Album! Für das habe ich ohnehin eine Menge große Gäste eingeplant. Ich würde zu Beispiel gerne mit Steve Hackett arbeiten, ebenso mit Andy Latimer von CAMEL. Ich behaupte nicht, daß sie alle sofort dabei wären, aber das wären eben Musiker, die ich gerne auf dem Album hören würde.

Keine schlechte Wahl. Aber einmal mehr: Lauter alte Hasen. Gibt es keine jungen Bands, die Dich in den letzten Monaten oder Jahren beeindruckt haben?

Ich wünschte, es wäre so, aber es gibt keine. Ich denke, der Grund ist folgender: Die meisten hören zuviel Progressive Rock. Sie sollten sich meiner Meinung nach mehr mit Jazz, Folk, Klassik oder anderen Genres auseinandersetzen, als immer nur mit dem ersten MARILLION-Album oder so. Wenn man immer nur das hört, was man selbst machen will, dann wird man in seinen musikalischen Möglichkeiten sehr limitiert. Es gibt hunderte von MARILLION-Clones und vielleicht auch eine Menge IQ-Clones, wer weiß. Die meisten haben das Problem, daß sie zwar die richtigen Töne erzeugen, ihnen aber vernünftige Songs fehlen. SPOCK`S BEARD ist eine jener Bands, die großartige Songs schreiben, und das ist bei jedem Stil das Wichtigste. All die jungen Bands haben zwar unglaubliche technische Fähigkeiten, können aber leider keine Songs schreiben. Es ist sehr schade! Wenn Du eine wirklich gute Band mit großartigen Songs hörst, gib` mir Bescheid, ich nehme sie unter Vertrag! (lacht)

Eine, die mir ausgezeichnet gefällt, ist PORCUPINE TREE…

Von denen kenne ich nichts. Das einzige, was ich über sie weiß, ist, daß Steven Wilson (Sänger, Gitarrist und Bandleader von PORCUPINE TREE – der Verf.) in jedem Interview, das ich bislang gelesen habe, sagt, wie furchtbar IQ wären…

Oh…

Ich habe PORCUPINE TREE noch nie gehört und ich habe Steven Wilson noch nie getroffen, aber er hat wohl keine allzu hohe Meinung von mir oder der Musik, die ich schreibe. Ich bin daher nicht allzu wild darauf, sie mal anzutesten.

In dem Interview, das ich vor einigen Monaten mit ihm führen konnte, hat er allerdings nichts Negatives über IQ gesagt…

Oh gut, vielleicht hat er ja damit aufgehört! Ich hoffe es, zumal das auch nicht nötig ist. Wir stehen nicht im Wettbewerb zu dieser Band, und sich sehe keinen Grund, warum das umgekehrt so sein sollte…

Im Grunde denkt er eigentlich ähnlich wie Du. Er ist ein wenig frustriert, daß die Leute so starre Vorstellungen bezüglich dessen haben, was Progressive Rock ausmacht und daß die wenigsten bereit sind, ihren Horizont zu erweitern und neue Wege zu gehen…

Das ist ja auch OK. Aber man muß eben eine Grenze ziehen und zwischen guten und schlechten Bands unterscheiden. Und IQ wären nicht schon seit 20 Jahren dabei, wenn sie sooo schlecht wären….

20 Jahre: Eine lange Zeit…

Allerdings…

Hättest Du Dir damals träumen lassen, daß es die Band so lange geben wird?

Das denkt man eigentlich nie, oder? Ich bin mir sicher, daß die ROLLING STONES 1963 nicht gedacht hätten, daß sie 2001 noch Musik machen würden (lacht). In einer Band hat man wohl immer das Gefühl, man werde eines Tages zu alt für all das sein. Bislang ist es noch nicht so weit. Und wenn man erst mal die 40 hinter sich hat, denkt man sich wohl, wenn man immer noch damit durchkommt, kann man auch gleich weitermachen…

Du bist jetzt 42?

Genau.

Hast Du Familie?

Ich habe eine Partnerin, mit der ich zusammen lebe. Und einen Hund. Bislang planen wir noch keine Kinder, aber einige in der Band haben schon welche. Peter hat eine kleine Tochter, und John erwartet im April Nachwuchs…

Wenn man so durch und durch für`s Musikbusiness lebt wie Du, muß man wohl auch den ein oder anderen Kompromiß bezüglich des Privatlebens eingehen…

Ja, ich veröffentliche zu viele Alben, um Nachwuchs zu planen. Und ich möchte es nicht wie andere machen, die einfach so gedankenlos Kinder in die Welt setzen und dann abwarten, was passiert. Bislang habe ich also noch keinerlei Reproduktionspläne. (lacht)

Bist Du eigentlich zufrieden mit dem, was IQ bislang erreicht haben?

Ja, absolut! Wir haben mit IQ großartige Verkaufszahlen erreicht, unsere Fanbasis ist phantastisch, und das Beste daran ist: Wir waren nie SO berühmt, daß jemand auf unserem Rasen campt! (lacht) Die Balance stimmt also, wir haben genau den Bekanntheitsgrad erlangt, denn wir uns gewünscht haben. Wir verdienen ganz genau so viel Geld, wie wir wollten, und arbeiten exakt so viel, wie es uns paßt. Es gibt keine Plattenfirma, die Druck auf uns ausübt, und auch finanziell müssen wir uns keine Sorgen machen, denn unsere Aufnahme-Kosten sind vergleichsweise gering, da wir den größten Teil der Produktion selbst übernehmen. Und bei mir persönlich ist es so: Wenn ich ein Solo-Album machen möchte, kann ich ein paar der besten Musiker der Welt anrufen und die Chance steht nicht schlecht, daß sie mitmachen. Das ist eine großartige Lebenssituation!

Ruhm hat Euch also seit jeher wenig interessiert?

Wir sind schon berühmt genug! (lacht)

Auf Deinem Soloalbum `Classical Music And Popular Songs` ist ein Stück namens `Field Of Fallen Angels`, das sich mit den möglichen Folgen von Ruhm und Erfolg auseinandersetzt…

Ja, es handelt davon, wie Helden jemanden, der zu ihnen aufblickt, enttäuschen können. Wenn man Menschen trifft, die man zu einem Idol, hochstilisiert hat, dann sind sie in der Regel genauso dumm alle anderen auch.

Hat Eure Bodenständigkeit dazu beigetragen, daß Ihr Euch eine so treue Fanbasis erarbeitet habt?

Möglicherweise. IQ waren seit jeher eine sehr zugängliche Band. Wir waren immer die ersten, die aus der Backstage-Bereich rauskamen und ein paar Gläser Bier mit den Fans getrunken haben. Wir unterhalten uns mit den Fans, und deshalb kommen auch Leute immer wieder zu unseren Shows, die uns schon seit 1983 hören! Das ist so eine Art große Familie. Und sie wächst immer noch…

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