„Omega“ wäre ja bereits für September 2020 geplant gewesen. Entsprechend früher fanden die Aufnahmen statt beziehungsweise nahmen die Songs im Songwriting-Prozess Formen an. Was für die meisten Hörer demnach ganz frisch und unverbraucht klingt, könnte für EPICA inzwischen ein alter Hut sein. “Mitnichten”, erklärt Mark Jansen, der nach wie vor stolz auf das neue Album ist. „Ich habe noch das gleiche gute Gefühl, wenn ich die Songs höre.“ Für Jansen hat sich der Zugang zum Album demnach nicht geändert und auch der Rest der Band sei sehr glücklich mit dem Endergebnis. Dass er nach wie vor keine Abnutzungserscheinungen feststellt beziehungsweise auch keinen Grund sieht, etwas am Album verändern zu wollen, sieht er als „unique“ in der Diskografie von EPICA an.
Beinahe „unique“ sei auch die Herangehensweise an den Songwriting-Prozess gewesen, als dass sich die Band wieder – nicht bloß bildlich gesprochen – zusammensetzte, um an den neuen Songs zu arbeiten. „Wir haben zwar schon vorher und jeder für sich Ideen für die neuen Songs gesammelt und uns übers Internet ausgetauscht. Aber, dass wir uns dann wieder einmal für den Schaffensprozess gemeinsam in einem Raum zusammengesetzt haben, war sehr erfrischend.“ Die Band konnte somit gleich Dinge und Details an den Songs verändern, wodurch sich ein dynamischer Workflow ergab. „Wir haben uns dafür eine Woche Zeit gegeben und ich hätte sogar noch eine Woche dranhängen können“, äußert der Musiker seine wiedergewonnene Begeisterung für die face-to-face-Zusammenarbeit. “Ich denke, wir werden diese Art der Zusammenarbeit auch für die nächsten Alben wieder versuchen – und dann vielleicht in zwei derartigen Sessions.”
“Balance” und “Dynamik” sind die Schlagwörter des neuen EPICA Albums “Omega”
Der dynamische Workflow beim Komponieren floss auch in das Album an sich ein, das generell eine gewisse Dynamik in sich birgt. „”The Holographic Principle” hatte einen sehr vollen Sound“, spricht Jansen das vorherige Album an. “Und die Band wollte daran etwas ändern beziehungsweise auch eine andere Richtung in Sachen Mix einschlagen.” Dabei waren die Schlagwörter “Balance” und “Dynamik” die prägendsten Prämissen für das neue Album, welches wieder von Joost van den Broek (STAR ONE, Ex-AFTER FOREVER) produziert worden ist.
Die richtige Balance zu finden zwischen Alt und Neu beziehungsweise Aktivität und Ruhephasen war auch wichtig in der Zeit zwischen “The Holographic Principle” und “Omega“. Schließlich sprach die Band im Vorfeld davon, sich selbst neu erfinden zu müssen. „Wir hatten auch das Gefühl, dass wir unsere Batterien wieder neu aufladen mussten“, erklärt der Bandmitbegründer von EPICA, der auf die beinahe zwanzigjährige Bandgeschichte zurückblickt sowie auf die ausgedehnten Tourneen. Diese Pause sei auch notwendig gewesen, um den Qualitätsstandard, den EPICA für sich in Anspruch nehmen, halten zu können. “Mit den wieder aufgeladenen Batterien konnte sich die Band mit voller Engerie auf die neuen Aufgaben stürzen und herausgekommen sei eine großartige Stimmung.”
Herausgekommen ist dabei nicht nur ein musikalisch starkes Album sondern auch ein Album mit Aussagekraft. Auch wenn nicht klar als Konzeptalbum konzipiert, so steckt doch die Mega Point (oder Omega Point) Theorie dahinter. Das Faible für Quantenphysik wird bei Mark Jansens Erklärungen deutlich, wenn sich in einer vermeintlichen Zukunft alles im Universum einem endgültigen Punkt der Vereinigung nähert. “Alles, was einst zusammengefügt war, explodierte mit dem Urknall, stob auseinander und kommt dann wieder zusammen”, zeichnet Jansen Parallelen etwa zur eigenen Neuerfindung EPICAs.
Entsprechend des lyrischen Inhalts gestaltet sich dann auch gewissermaßen das Cover-Artwork, das wiederum von Stefan Heilemann kreiert worden ist, der inzwischen zu einem guten Freund der Band geworden ist. „Es ist schwer, einen Menschen und Künstler zu finden, mit dem man derart gut zusammenarbeiten kann.“ Damit spricht Mark Jansen unter anderem auch den Ablauf in Sachen Cover-Gestaltung an. „Wir schicken Stefan im Vorfeld Musik und Lyrics des neuen Albums und er hat dann recht große Freiheiten daraufhin etwas zu gestalten.“ Nach den ersten Entwürfen kommt es dann zum gegenseitigen Austausch und zum etwaigen Feintuning. „Und es gibt eben wenige Leute, die es so rasch erfassen, was wir wollen, wie ihn. Ich hoffe, dass unsere Zusammenarbeit noch viele weitere Jahre anhält.“
“Dinge ändern sich schnell im Musikbusiness”
A propos Jahre: EPICA (und zuvor SAHARA STORM) sind schon viele Jahre aktiv. Doch was waren vor rund zwanzig Jahren die Ziele, als man die Band gründete? „So weit voraus haben wir nicht geschaut“, erklärt der Band-Mitbgeründer, der zuvor – auch als Gründungsmitglied – bei AFTER FOREVER mitgewirkt hatte. “Unsere ersten Ziele waren, ein gutes Album zu machen und als Band zu wachsen.“ Das Wachstum als Band und auch die stetige Vergrößerug der Bandbasis ging für EPICA dann jedoch recht rasch vonstatten. „Dennoch haben wir stets von Album zu Album geschaut, schließlich ändern sich die Dinge schnell im Musikbusiness“, spricht Jansen das derzeitige Wegfallen von Shows an. Generell sei er aber sehr stolz über die Entwicklung, die EPICA gemacht haben.
Daher würde er auch nichts anders machen, selbst wenn er es könnte. Alternativen hätte der inzwischen auf Sizilien lebende Künstler durchaus gehabt, wenn er EPICA (damals) nicht auf das nächste Erfolgs-Level hätte hieven können. “Dann wäre die Band ein Hobby geblieben und ich würde einem regulären Job nachgehen.” Etwa als Psychologe, was Mark Jansen studiert hat, aber nie in einem beruflichen Kontext angewendet hat. „Aber ich bin auch in anderen Segmenten kreativ.“ So gestaltet Mark Jansen Kunstwerke aus Stein. Gerade in letzter Zeit konnte er sich Pandemie bedingt diesen Kunstwerken in seinem Garten widmen und schon mehrere Leute hätten ihn darauf hingewiesen, diese Kunstwerke auch zu Geld machen zu können.
Dennoch, EPICA sind Musikprofis geworden und geblieben und man meint, etablierte Bands sollten schwerer von der Pandemie betroffen sein als Bands, die Musik nicht hauptberuflich machen. „Um ehrlich zu sein, dachte ich das auch, aber inzwischen glaube ich, dass die Pandemie Bands schwerer trifft, die gerade ihr erstes oder zweites Album aufnehmen und dafür richtig viel Geld in die Hand genommen haben. Wir sind in der glücklichen Lage, einen gewissen Puffer zu haben. Auch hatten wir im Vorfeld keine großen Investitionen.“ Daher seien sie in finanzieller Hinsicht zwar nicht sorglos, aber derzeit abgesichert. Aber auf Dauer wäre das Fehlen von Shows auch für EPICA schelcht.
“Wichtig ist, dass man sorgsam die Herausforderung annimmt”
Aus der psychologisch geschulten Sicht des promovierten Psychologen sei die Pandemie allerdings auch faszinierend und interessant, wenngleich Mark Jansen auch die Gefahren sieht. Aber es könnte auch etwas Gutes haben. „Es hat schon immer chaotische Zeiten in der Geschichte gegeben. Wichtig ist, dass man sorgsam die Herausforderung annimmt. Dabei gäbe es zwei Optionen: Entweder man nutzt die positiven Effekte und Gedankenanstöße für einen bessere und gute Zukunft oder eben nicht. Es wäre zum Beispiel nicht gut, wenn sich die Einen einen Vorteil gegenüber den Anderen aufgrund der Pandemie verschaffen“. Dennoch ist Jansen zuversichtlich, dass die Möglichkeit besteht, dass die Menschen mit (nicht zwingend monetärem) Reichtum und Glück aus der Pandemie hervorgehen können.
Ein Glück wäre es für den Musiker, wenn EPICA bald wieder live spielen könnten. Einstweilen vertreibt er sich musikalisch die Zeit mit Musik, die er schon in den letzten Jahrzehnten Jahre gehört hat. Angefangen bei MEGADETH, METALLICA (“Master of Puppets“) und OPETH (“Blackwater Park”) über die niederländische Rock-Band GOLDEN EARRING und Folk Rock bis hin zu Filmmusik (Altmann, Seymour) und Klassik (Rachmaninov). Von den aktuellen Neuerscheinungen schätzt Jansen “Human. :||: Nature.” von NIGHTWISH und “Titanium” von PHANTOM ELITE. Diese Scheiben laufen zum einen auf CD, weil im Auto nun einmal ein CD-Spieler ist, und digital via Streaming-Diensten wie Deezer und Spotify auf einem Bose Device, wenn Jansen etwa gerade im Garten mit Steinen arbeitet.
Neben dem Wunsch, wieder Auftritte zu haben, hofft Mark Jansen, dass sich die derzeitige Situation zum Guten auflösen wird. “Es ist schon eine mental harte Zeit für viele Menschen”, ortet der Künstler die leidvollen Folgen der Pandemie. Demnach sei es ihm wichtig, den Lesern und Hörern Gesundheit zu wünschen und die Hoffnung zu äußern, dass man sich bald wieder live begegnen könne.