blank

WIZO: Punk gibt`s nicht umsonst (Teil III)

Die aktuell beste deutschsprachige Punk-Band liefert die nahtlose Fortsetzung ihrer letzten Alben mit leichten Abnutzungserscheinungen, aber zum Glück auch mit einigen Hammersongs und dem typischen WIZO-Feeling.

Der Untertitel Teil III deutet es an: WIZO machen dort weiter, wo sie 2005 bzw. nach den Festival-Auftritten 2010/2011 aufgehört haben. Eine Stunde lang kann man sich der Illusion hingeben, es hätte den Grunge nie gegeben. Toller Gesang, fette Gitarren, eine herrliche Balance zwischen Geschwindigkeit und Liebe zum Detail (z.B. die Triangel bei Dummensch), eingängige Refrains – dazu gesellen sich kompromisslose Texte gegen Nazis, über Lebensfrust und die Unausweichlichkeit des Sterbens.

Der Opener Seegurke besticht durch eine originelle Textidee, versprüht zugleich jedoch das vertraute WIZO-Gefühl. Scheissefresser ist dann direkt im Anschluss ein längst überfälliges Lied über Nahrungsmittelgroßproduzenten, schnell und melodisch auf den Punk(t) gebracht. Liebend gerne würde ich schreiben, dass sich hier Kracher an Kracher reiht. Tatsächlich ist das Großteil der Songs gut, nur eben selten auf dem Klassiker-Niveau von Kopfschuss, Raum der Zeit, Alte Frau und Der Käfer. Offen gesagt wüsste ich auch nicht, wie man den Nihilismus von Quadrat im Kreis und die Emanzipation jeglicher Gedankenschubladen bei Chezus noch verfeinern und übertreffen könnte. War Z.V.G. auf Anderster zumindest noch eindringlich, klingt Schlechte Zeit nun einfach nur destruktiv. Kein Empfang überzeugt immerhin mit Reaggae-Rhythmus und trauriger Stimmung, während Kohlenholen zwar ein druckvoller Midtempo-Song mit ausgeklügelten Reimen ist, aber doch auch wie ein blasser Abklatsch von Walter wirkt. Beim Thema Tod hatten WIZO in der Vergangenheit meist ein besseres Händchen für die Perspektiven (Tod im Freibad, B.D.U., Bei Dir).

Das klingt jetzt nüchterner als beabsichtigt. Vor lauter Erwartungsmanagement sei deshalb an dieser Stelle zu betonen, dass WIZO ganz klar die aktuell beste deutschsprachige Punkband sind. (Englische Titel sucht man diesmal vergeblich.) Die Uptempo-Nummer Endzweit, die bereits 2005 als XLQ-Demo auf MySpace auftauchte, ist musikalisch über jeden Zweifel erhaben und herrlich knackig arrangiert worden. Bei Wie solls gehen schlagen WIZO erfolgreich nachdenklichere Töne an. Da verzeihe ich gerne das recht debile Zombiemann und halbgare Songs wie Kriminell & Asozial und Erwin. Einige Stücke sind nicht überragend, aber einfach gut: Dummensch, eines der grimmigsten Stücke der Band bis dato, zum Beispiel, und natürlich der wunderbar selbstironische Rausschmeißer Alte Herren. Meine persönlichen Lieblingsstücke auf dem neuen Album sind überraschenderweise die Akustiknummern Meine Wut (großartig!) und Wenn ich mal sterb. Letzteres besticht durch eine effiziente Prägnanz, wie man sie sich von Reinhard Mey seit 40 Jahren vergeblich wünscht. Subtil wird da beispielsweise das Thema Organspende angerissen; das Thema macht deutlich, dass es sich hier nicht um eine reine Nostalgie-Veranstaltung handelt. Und dass WIZO auch herrlich subversiv sein können, zeigt das Trio bei Unpoliddisch – der besten B-Seite seit DIE ÄRZTE einst übers Saufen sangen.

Man mag der Band sicher vorwerfen, dass sie sich stilistisch nicht von der Stelle gerührt hat. Zumindest textlich teile ich diese Kritik auch ein Stück weit. Aber Punk gibt`s nicht umsonst (Teil III) (CD-VÖ: 18.07.2014; LP-VÖ: 15.08.2014) ist dennoch ein gutes Album mit einiges tollen Songs und dem typischen WIZO-Feeling.

Veröffentlichungstermin: 13.06.2014

Spielzeit: 65:19 Min.

Line-Up:
Axel Kurth: Gesang, Gitarre
Ralf Dietel: Bass
Thomas Guhl: Schlagzeug
Label: Hulk Räckorz

Homepage: http://www.wizo.de

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/wizo.punk

Tracklist:
1. Seegurke
2. Scheissefresser
3. Kohlenholen
4. Ganz klar gegen Nazis
5. Scheissekotzen
6. Kriminell & Asozial
7. Kein Empfang
8. Alles verschwimmt
9. Koenigin
10. Unpoliddisch
11. Zombiemann
12. Endzweit
13. Meine Wut
14. Pinoepel
15. Dummensch
16. Wenn ich mal sterb
17. Erwin
18. Wie solls gehen
19. Pfoertner
20. Schlechte Zeit
21. Alte Herren

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner