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WAYFARER: A Romance With Violence

WAYFARER beschäftigen sich inhaltlich und teilweise auch musikalisch mit dem, was wir so schön in Kinder-Deutsch „Wilder Westen“ nennen und was uns als Kind in erster Linie durch den Schund von Karl May oder Serien wie „Rauchende Colts“ oder „Bonanza“ in die Kinderstube getragen wurde. Das prägende Bild dieser Epoche in meiner Generation ist also ein ziemliche behämmertes. Von daher ist es natürlich erst mal merkwürdig, wenn sich eine Band aus dem Extreme Metal-Bereich mit dieser Epoche beschäftigt und die Platte dann auch noch mit Lucky-Luke-Honky-Tonk-Klavier beginnt. Aber für US-Amerikaner ist diese Epoche eben ein lebendiger Teil ihrer noch relativ kurzen Geschichte, mit dem sich genauso ernsthaft in der Musik beschäftigt wird, wie bei uns etwa mit dem 30-jährigen Krieg.

Und mit dieser Haltung sollten wir auch „A Romance with Violence“ begegnen. Denn so ernsthaft platziert das Quartett aus Denver, Colorado, seine Geschichten über Tod, Täuschung, einsame Reiter, fallende Masken und Verdammnis in ein Umfeld aus rauer Natur und karge Wildnis, wie es unzählige andere Metal-Bands auch tun, nur eben mit Staub und Hitze in endlosen Prärien anstelle von Wald und Schnee. Und mit Knarren anstatt Schwertern. Und es macht absolut Sinn.

WAYFARER pendeln zwischen folkigen Parts, Black Metal und Country-Anklängen

Schon der erste Song (nach dem erwähnten kurzen Intro) „The Crimson Rider (Gallows Frontier Act I)“ trägt den Hörer durch zehn Minuten eindringliche Musik zwischen elegischem Midtempo, folkigen Parts mit Akustik-Gitarren im Americana-Stil, hin zu einem Finale mit kurzen Blastbeat-Eruptionen und Black Metal-Gitarrenläufen.

Der nachfolgende Song „The Iron Horse (Gallows Frontier, Act II)“ setzt genau dort an und pendelt zwischen mächtigen, ausladenden Riffs und Gitarrenwänden und elegischen Passagen, die immer wieder Country- oder Americana-Anklänge, wie die markanten Pull-Offs in den Gitarren-Parts im Mittelteil, aufblitzen lassen.

“A Romance With Violence” ist quasi ein einziger Song

Die Stilmittel Dynamik, Country/Americana ziehen sich logischerweise durch alle Songs und verbinden sich erstaunlich gut mit den Black-Metal Versatzstücken, die als Kontrast genutzt werden, obwohl die wunderbare Dynamik der Songs hier gar keine Kontraste aufkommen lässt, sondern die Entwicklung innerhalb der Songs natürlich und folgerichtig wirkt. Im Prinzip ist die Platte ein einziger langer Song, eine Geschichte mit verschiedenen Facetten und Emotionen, die aber immer eine gewisse Verlorenheit und Einsamkeit ausstrahlt, die den Hörer mit auf die Reise nimmt und wirklich eindringlich und packend erzählt ist.

In „Fire and Gold“, dem „postigsten“ Song der Platte gibt es, neben dem ansonsten heiserem Kreischen und echtem Growling, sogar Klargesang und Keyboards, ohne auch nur einen Hauch Kitsch zu verbreiten. Im Abschlusstrack „Vaudeville“ wird die Verschmelzung dieser Stilmittel in einem einzelnen Song nochmal auf die Spitze getrieben und es entsteht ein intensives Stück Musik, das der insgesamt wirklich sehr gelungenen Platte einen würdigen Abschluss bietet. Vieles auf der Platte bewegt sich im Midtempo, es werden Gitarrenwände aufgeschichtet, wieder beruhigt und vor dem geistigen Auge entstehen genau die Bilder von langsamer Bewegung in einsamer Prärie, die dem Inhalt des Konzepts entsprechen. Was will man mehr von einem Album mit einem Konzept?

Die Band bietet natürlich eine moderne Variante der Stilmittel des Black Metal, die – auch von der Produktion her – oftmals an DER WEG EINER FREIHEIT erinnert, allerdings ohne deren technische Brillanz zu erreichen, was aber vermutlich auch nicht das Ansinnen war. Der naheliegende Vergleich ist sicher PANOPTICON, was durchaus auch passt, obwohl PANOPTICON beide Bereiche, also Folk/Country und Black Metal extremer ausführen und vor allem im Black Metal-Anteil die ursprüngliche Raserei viel stärker vertreten ist. WAYFARER sind melodischer und atmosphärischer, weniger harsch und legen den Fokus mehr auf retrospektive Melancholie, dafür dann in aber perfekter Ausführung.

WAYFARER liefern eine überraschende und fantastische Platte

Und natürlich kann man jetzt sagen, das ist Hipster-Kram und wo ist der Hass, die Misantrophie etc. – natürlich ist das alles nicht da. Und natürlich ist das im Prinzip auch kein Black Metal, will es aber auch gar nicht sein. Im Endeffekt ist es nunmal der Verlauf musikalischer Evolution, dass Stilmittel ein Eigenleben entwickeln und auch in anderem Kontext genutzt werden und funktionieren können. Dafür sind WAYFARER dann nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich ein perfektes Beispiel. Eine überraschende und wirklich fantastische Platte.

Und zum Schluss möchte ich explizit darauf hinweisen, das ich sämtliche sich anbietenden Western-Metaphern, wie „die Band geht aus dem Sattel“, „der Song wechselt von Trab in Galopp“, „Der Hörer wird mit dem Lasso eingefangen“ „das Brandzeichen der Band ist klar erkennbar“, „der Black Metal-Zug nach El Paso“, „die Blastbeats ziehen schneller als ihr Schatten“,  „für eine Handvoll Riffs“, „Kein Post- sondern Postkutschen-Black Metal“ etc., NICHT benutzt habe. Yee-haw!   

Release Date: 16.10.2020

Label: Profound Lore Records

Line Up:
Isaac Faulk – Drums
James Hansen – Bass, Vocals
Shane McCarthy – Guitars, Vocals
Joey Truscelli – Guitars

WAYFARER “A Romance with Violence” Tracklist:

1. The Curtain Pulls Back
2. The Crimson Rider (Gallows Frontier, Act I
3. The Iron Horse (Gallows Frontier, Act II)
4. Fire & Gold
5. Masquerade Of The Gunslingers
6. Intermission
7. Vaudeville (Audio auf Youtube)

Full Album Stream auf Youtube

https://wayfarercolorado.bandcamp.com/album/a-romance-with-violence

https://www.facebook.com/wayfarercolorado

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