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WAYFARER: American Gothic

Wildwestromantik adé: WAYFARERs fünftes Album „American Gothic“ porträtiert kongenial eines der düstersten Kapitel der USA.

Colorado hat nicht nur die kreativste (Black) Metal-Szene der USA, es hat auch die richtige geografische Voraussetzung für eine Band wie WAYFARER. Die Heimat von 16 HORSEPOWER und WOVENHAND, das Tor zum Westen – allein das beflügelt schon die Fantasie. Kein Wunder, dass sich die Musiker von STORMKEEP, BLOOD INCANTATION und LYKOTONON seit geraumer Zeit mit WAYFARER austoben. Deren letztes Album „A Romance With Violence“ war etwas unentschlossen, aber hatte große Momente. „American Gothic“ baut konsequent darauf auf: Statt kitschiger Karl May-Romantik und schlecht gealterter Rassistenwestern, konzentriert sich die vierköpfige Band weiterhin auf den blutigen American Dream von vor hundertfünfzig Jahren.

WAYFARER zaubern ein völlig natürlich wirkendes Klangbild: „American Gothic“ verbindet stimmig Alternative Country, Americana und US-Black Metal.

Natürlich, Americana und Black Metal haben schon andere sehr stimmig verbunden, allen voran PANOPTICON. WAYFARER gehen aber einen Schritt weiter und fahren schwere Geschütze auf: „American Gothic“ hat die Gravitas eines Sergio Leone-Filmes, man schmeckt förmlich den Sand im Mund, klopft sich den Staub aus dem Mantel. „The Thousand Tombs Of Western Promises“ beginnt langsam und lässt sich Zeit, bestückt die Bühne sorgfältig mit Kulissen und den Figuren: Revolverhelden, Ölbarone, Vigilanten und Vagabunden. Die Westerngitarre wird langsam von Black Metal-Riffs abgelöst und die langsamen Rhythmen werden durch die Bass Drum abgelöst. Und ehe man sich versieht, steht man drin, in einem der dunkelsten Kapitel der US-amerikanischen Geschichte.

„American Gothic“ klingt so, wie es heißt. Es ist beeindruckend, wie WAYFARER die Geschichten von damals in die Gegenwart holen – die acht Songs des Albums klingen authentisch in dem zeitgemäßen Sound von Arthur Rizk. Das liegt daran, wie detailverliebt das Songwriting von Frontmann Shane McCarthy und die Instrumentierung sind: Die Country-Gitarren fließen in klirrende Tremolo-Riffs und es fühlt sich völlig natürlich an. In diesem Bereich haben sich WAYFARER enorm entwickelt. Dabei entstehen Epen, wie „The Cattle Thief“, das dank Synthesizer und ruhigem Mittelteil episch wirkt, oder der düstere Abschluss „False Constellation“. WAYFARER profitieren davon, dass die Musiker noch weitere, stilistisch deutlich abgegrenzte Bands haben: So wird das Songwriting routinierter und definierter.

Exzellentes Songwriting, starke Performance, aber etwas zu wenig persönlich: WAYFARER veröffentlichen mit „American Gothic“ ein starkes, aber eben nicht perfektes Album.

Auch kompakte Stücke, wie das grimmige „To Enter My House Justified“, das durch die Hammondorgel sehr frisch klingt, und das mit einem Hauch Goth verfeinerte „Black Plumes Over God’s Country“ schaffen große Momente, ohne zu arg auszuufern. Mit „Reaper On The Oilfields“ und „A High Plains Eulogy“ gibt es auch Songs zu hören, die bar jeglicher Black Metal-Elemente sind. Egal wie WAYFARER es anstellen, ihre Kompositionen klingen nie pathetisch oder kitschig. Das hat aber auch eine Schattenseite: So atmosphärisch dicht „American Gothic“ auch ist, so großleinwandig und authentisch sie rüberkommen, wirklich emotional packend ist die Musik nicht. Das Persönliche fehlt an diesem Album, so wie eben PANOPTICON einerseits und WOVENHAND andererseits es in ihre Musik einfließen lassen.

Die sind aber nicht so ausgefuchste Songwriter wie WAYFARER. Im Gegensatz zu den früheren Alben stehen auf „American Gothic“ Americana, respektive Alternative Country und Black Metal nahezu gleichberechtigt nebeneinander und nähern sich klanglich sogar an. Durch ihre songschreiberische Erfahrung schaffen WAYFARER es, dass die Songs für sich stimmig sind, das Album als Gesamtes aber auch ein großes, cineastisches Feeling hat. Dass hier die Performance auch absolut tadellos ist, ist schon fast nebensächlich. Würden WAYFARER nun noch etwas mehr Persönliches in die Musik einfließen lassen, sie wären ebenso große Geschichtenerzähler wie ACROSS TUNDRAS, nur eben mit Black Metal-Grundierung. Davon abgesehen ist „American Gothic“ ein rauschhaftes Album mit einer ganz besonderen Atmosphäre, das aufgeschlossene Hörer von WOLVES IN THE THRONE ROOM bis 16 HORSEPOWER zumindest mental in Richtung Wild West reisen lässt.

Wertung: 6 von 8 Saloonschlägereien

VÖ: 27. Oktober 2023

Spielzeit: 43:47

Line-Up:
Shane McCarthy – Guitars / Vocals
Isaac Faulk – Drums / Percussion
Jamie Hansen – Bass
Joe Strong-Truscelli – Guitars

Label: Century Media Records

WAYFARER „American Gothic“ Tracklist:

1. The Thousand Tombs Of Promiskes
2. The Cattle Thief
3. Reaper On The Oilfields
4. To Enter My House Justified (Official Video bei Youtube)
5. A High Plains Eulogy (Official Video bei Youtube)
6. 1934
7. Black Plumes Over God’s Country
8. False Constellation (Official Video bei Youtube)

Mehr im Netz:

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