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ORANSSI PAZUZU: Muuntautuja

Psychedelic Black Metal wie ein Hundertwasser-Gebäude: ORANSSI PAZUZUs klangarchitektonische Meisterleistung „Muuntautuja“ bietet ästhetische Wunder und aufregende Soundwelten.

Es ist schon ein wenig platt, wenn ORANSSI PAZUZU ihr sechstes Album „Muuntautuja“ nennen: Dass die Finnen Gestaltwandler sind, haben sie im Laufe ihrer Karriere pausenlos bewiesen, und dieser Titel heißt eigentlich, Eulen nach Athen zu tragen. Die Verbindung von Black Metal und Psychedelia, Krautrock, Drone und Dub ist so einzigartig wie wandelbar, sodass den Finnen ein gewisser Ruf eh vorauseilt. ORANSSI PAZUZU leisten sich vom Titel abgesehen keinen Fauxpas, sieben Songs lang fräsen sie sich ins Gehirn und fahren ein Kaleidoskop an Sounds auf, das vielleicht noch ein wenig bizarrer ist als auf den Vorgängeralben. Das brillante „Mestarin kynsi“ ließ den Verdacht aufkommen, dass die Band ihren Zenit erreicht habe, „Muuntautuja“ – soviel vorab – legt noch eine Schippe Intensität und Kohärenz drauf.

Sorgsam ausgearbeitetes Songwriting mit einer simplen Basis und einer atemberaubenden Fülle an Details: ORANSSI PAZUZU entwickeln sich mit „Muuntautuja“ subtil aber konsequent weiter.

Die klangliche Tiefe von „Muuntautuja“ ist schier bodenlos. Zahlreiche Spuren, Schichten und aufgetürmte Sounds formen Songs, die so sehr unter die Haut gehen, in die Tiefe graben, zutiefst erschüttern und gleichzeitig euphorisieren, dass es mit jedem Hören mehr mitreißt. Dabei haben ORANSSI PAZUZU erneut eine relativ klare Struktur gewählt. Basis sind die hypnotischen Rhythmen, die repetitiven Riffs und Bassläufe, die von vielen zusätzlichen Parts erweitert werden. Synthesizer, Soundeffekte, Piano, Drones, alles wird sorgsam übereinandergelegt und wird gleichsam mit Akribie als auch mit Spontaneität zu gewaltigen Songkonstrukten. Man kann sich ORANSSI PAZUZU fast als Architekten vorstellen, die Hundertwasser des psychedelischen Black Metal eben.

Dabei achtet das Quintett auf Ausgewogenheit, zwischen der schweißtreibenden Euphorie des Rauschzustands, beinahe wie auf einer Rave, und introspektiven, minimalistischeren Momenten. Dass „Muuntautuja“ mit etwas weniger als 45 Minuten Spielzeit zu den kürzeren Alben der Bandgeschichte zählt, ist dabei kein Nachteil: ORANSSI PAZUZU achten darauf, dass sich die Musik gleichmäßig im gesamten Soundspektrum verteilt. Mit dem treibenden, auf einem simplen und effektivem Groove und verzerrten Bass basierendem Opener „Bioalkemisti“, der in jeder Wiederholung des Themas ungeheuerlicher und klaustrophobischer wird, beginnt der Irrweg durch das Soundlabyrinth. Und wie könnte das Publikum anders, als hindurch zu tanzen, so sehr steckt der Sounda an. Da der anschließende Titelsong zu Beginn leise und pulsierend auf Bass, Drums und Synthesizer basiert und später in einer kranken Dub-Hölle mündet, entsteht genügend Dynamik, um vom schizophrenen „Voitelu“ zermalmt zu werden, in dessen Klimax das Soundinferno beiseitegeschoben wird und einer morbiden Pianomelodie die Führung überlässt.

Ausgewogenheit und Dynamik als Kernkompetenz: ORANSSI PAZUZU wissen, wie die Songs von „Muuntautuja“ am effektivsten wirken

„Muuntautuja“ verstört aber nicht nur in den extremen Passagen, wie in „Valotus“, das sich immer brutaler in den Wahnsinn schraubt und am Ende in seiner Heaviness beinah körperlich spürbar wird. Es gelingt den Finnen auch, in den leiseren Momenten. Das zehnminütige „Ikikäärme“ fährt beim subtilen Beginn im Hintergrund eine Menge Verwirrendes auf, wie Vokalfetzen à la TERRA TENEBROSA. Der große, heftige Ausbruch gegen Ende wirkt, als würde hinter der nächsten Tür ein Dämon stehen und das verrammelte und verriegelte Ding aufbrechen, damit außerweltliche Energien in den Raum fluten, die allerdings eher wundersam als albtraumhaft sind. Und das ist, was ORANSSI PAZUZU auf diesem Album auszeichnet: Die Katharsis, die das Publikum spürt, wenn der auf analogen Synthesizer basierende Instrumentaltrack „Vierivä usva“ ist eine Gute. „Muuntautuja“ wirft die Rezipienten in keinen Abgrund und lässt sie dort, es zieht sie auch wieder heraus.

Somit ist das sechste Album von ORANSSI PAZUZU ein Ganzheitliches. Die Pole zwischen der maximalistischen, extremen und äußerst unkonventionellen Metal-Front und den leiseren, aber mindestens ebenso tiefen psychedelischen Momenten werden von komplett ausgereizt und ORANSSI PAZUZU pendeln mit beinah traumwandlerischer Sicherheit dazwischen. Dass das Bandgefüge sehr stabil ist, macht es der Band leichter zu experimentieren und ihre Songs architektonisch zu denken. Und sie agieren als Einheit: Jedes Instrument hat seinen Platz im Klangkonstrukt und ordnet sich dem Gesamteindruck unter, und nicht mal die Vocals drängen sich in den Vordergrund – obwohl auch hier abseits der kranken Screams viel passiert; Goth Vocals zum Beispiel. Dass der Klang der Drums, von Bass, den verzerrten Synthesizern und des Pianos ganz prägnant und glasklar ist, hilft dabei natürlich ungemein.

ORANSSI PAZUZU und die Suche nach dem perfekten Rausch – auch „Muuntautuja“ observiert Psychosen, Halluzinationen und Triebe.

Dopamin und kein Ende. ORANSSI PAZUZU suchen seit mehr als 15 Jahren nach dem perfekten Rausch, und wer weiß, was da alles für toxikologische Spuren in den Körpern dieser fünf Menschen zu finden sein dürften. Alles für die Kunst eben. „Muuntautuja“, der Gestaltwandler, ist ORANSSI PAZUZUs sechste Full Length-Observation von Psychosen, Halluzinationen und Trieben und damit so urmenschlich und doch metaphysisch, wie Musik nur eben werden kann und allein deshalb in letzter Konsequenz einfach bildschön. Das nischige Publikum, das sich in den hypnotisch-dunklen Welten der Finnen bisher verlieren konnte, wird nicht enttäuscht sein, da die Band konsequent voranschreitet. Fakt ist: Die dunkle Seite der Musik kann kaum aufregender, intensiver, bizarrer und mitreißender sein. „Muuntautuja“ ist nicht nur ORANSSI PAZUZUs bisher beste Arbeit, es ist ein heißer Kandidat für das Album des Jahres.

Wertung: 6,5 von 7 Verschimmelungsmanifeste

VÖ: 11. Oktober 2024

Spielzeit: 42:16

Line-Up:
Evill – Grand piano, Vocals, Effects
Ikon – Guitar, Sampler, Synthesizers
Jun-His – The voice, Guitar
Korjak – Drums
Ontto – Bass guitar, Synthesizers

Label: Nuclear Blast Records

ORANSSI PAZUZU „Muuntautuja“ Tracklist

1. Bioalkemisti
2. Muuntautuja (Official Video bei Youtube)
3. Voitelu
4. Hautatuuli
5. Valotus (Official Video bei Youtube)
6. Ikikäärme
7. Vierivä usva

Mehr im Netz:

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