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NOCTE OBDUCTA: Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)

Der Vollmond vorgestern Abend brachte den ersten, richtigen Frost und umso schöner war die Morgendämmerung darauf. Diese Dualität passt nicht nur zum Titel, sondern auch perfekt zur Musik auf NOCTE OBDUCTAs mittlerweile zwölftem Album. „Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)“ fügt sich gut in die dunklen, kalten Nächte ein und untermalt die Zeit zwischen zwei Spelunken um vier, fünf Uhr morgens, quasi von Tür zu Tür. „Wenn Sie denn nur geöffnet wären!“, scheint Bandchef und Songschreiber Marcel zu denken.

Außerdem irrlichtert die Musik zwischen den Stilen auch hin und her und erzeugt nicht selten eine abstrakte Poesie. Das könnte zum puren Chaos verkommen, NOCTE OBDUCTA präsentieren sich dabei aber vielseitig statt unentschlossen. Vor allem ist „Irrlicht“ stilistisch ungeschliffen und roh – der Titel „Zurück im bizarren Theater“ deutet schon an, dass NOCTE OBDUCTA wieder in Richtung Kerkervergangenheit unterwegs sind und progressive Einflüsse eher meiden. Die Bandbreite reicht trotzdem vom punkigen Black ’n‘ Roll in den ersten Minuten hin zu atmosphärisch-doomigen Stücken und ist trotz aller ‚Fuck Off‘-Attitüde sehr ausbalanciert. In dem schmutzigen Gesamtbild bekommen NOCTE OBDUCTA geradezu mühelos Doom Metal bis Postrock unter.

Mit „Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)“ erschaffen NOCTE OBDUCTA ein stimmiges – pardon – Alterswerk.

So entstehen absolut bemerkenswerte Lieder: „Vom Stürzen in Mondmeere“ mit seiner ausufernden, elegischen Melodik, das atmosphärische „Rot und Grau“ und „Der alte Traum“, das alle Facetten des Albums auf den Punkt bringt – laut und leise, wild und introspektiv -, sind die besten Stücke des Albums. Davon abgesehen brauchen NOCTE OBDUCTA viel Zeit, um dieses Mal wirklich einzuschlagen. „Irrlicht“ ist beileibe nicht das Werk von Musikern in der Midlife Crisis, es ist ein ausgewogenes Album, das sein Publikum fordert. Nicht einmal die rotzigen Elemente fühlen sich beliebig an, auch hier ist eine songschreiberische Sorgfalt erkennbar, wenn auch erst nach einigen Durchgängen. Marcels Riffs sind zwingend und treffsicher wie lange nicht, immer wieder ist die Impulsivität spürbar, und die Black Metal-Wurzeln treten am deutlichsten hervor.

Ich bin froh, dass „Irrlicht“ vom goldenen Oktober in den grimmigen Winter verschoben wurde. Erstens braucht es viel Zeit zu reifen und sein ganzes Aroma zu entfalten. Und zweitens ist „Irrlicht“, ganz simpel, ein hervorragendes Album für diese kalte, dunkle Jahreszeit. NOCTE OBDUCTA erzeugen durch das Songwriting, die schroffe Produktion und nicht zuletzt das schaurige Artwork eine ganz eigene, ungute und bittere Atmosphäre auf diesem eklektischen Album. Ob „Irrlicht (Es scheint dem Mond ein kaltes Herz)“ mit den großen Klassikern wie „Taverne“ und den beiden „Nektar“-Teilen auf Dauer mithalten kann, muss die Zeit zeigen. Zum stilvollen Sammeln von Erfrierungen in einer vom Absinth berauschten, klirrend kalten Vollmondnacht, weil man sich auf dem Nachhauseweg verläuft, ist dieses stimmige – pardon – Alterswerk indes bestens geeignet.

Wertung: 5,5 von 7 Kälteschäden

VÖ: 11. Dezember 2020

Spielzeit: 52:05

Line-Up:
Marcel – Gitarren, Gesang, Keyboards, Bass
Torsten – Gesang
Stefan – Gitarren
Matze – Schlagzeug
Heidig – Bass

Label: Supreme Chaos Records

NOCTE OBDUCTA „Irrlicht (Es schlägt dem Mond ein kaltes Herz)“ Tracklist:

1. Zurück im bizarren Theater (Official Audio bei Youtube)
2. Vom Stürzen in Mondmeere
3. Rot und Grau
4. Der Greis und die Reiterin
5. Der alte Traum (Official Audio bei Youtube)
6. Bei den Ruinen
7. Noch

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