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NOCTE OBDUCTA: Karwoche (Die Sonne der Toten pulsiert)

Ist das schön, wenn Bands wissen, was ich brauche: NOCTE OBDUCTA rennen mit ihrem neuen Album kompromisslos zurück zu den Wurzeln – und bei mir damit offene Türen ein. Vorhang auf die “Karwoche”, ein kurzweiliges Meisterwerk schwarzmetallischen Metalpunks!

NOCTE OBDUCTA sind eine Institution im Black Metal – und eine dieser Bands, die mich seit nunmehr 25 Jahren musikalisch begleiten. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, die euphorische Rezension ihres Demos im Rock Hard gelesen und mir später aufgrund dessen das Debüt “Lethe” zugelegt zu haben, ein Werk, das mich in meiner Jugend nicht nur durch seine Rohheit und Kompromisslosigkeit, sondern auch durch seine Ästhetik unmittelbar mitgenommen hat: Da war genau diese Schnittstelle zwischen Punk und Metal zu spüren, die mich bis heute fasziniert – wo z.B. CRADLE OF FILTH damals den Vampir-Kitsch bis zum blutigen Erbrechen steigerten, platzierten NOCTE OBDUCTA einfach eine Ananas und diverse Behältnisse mit einem anderen von mir ebenfalls seit 25 Jahren hoch geschätzten Meisterwerk menschlicher Schaffenskraft, dem Bier, im Bandfoto. Was habe ich sie geliebt dafür!

Nun, viele Jahre und mehr oder weniger geniale Nachfolgewerke später – großartige musikalische Experimente in Richtung Krautrock inklusive -, sind NOCTE OBDUCTA da angekommen, wo ich erneut pünktlich von ihnen abgeholt werde: tief drin in der Nostalgie-Ecke. Selbst die Ananas ist wieder da auf dem Bandfoto (oder war sie nie weg? So genau hab ich das zugegebenermaßen nicht verfolgt, aber es hat mich halt gefreut, sie wiederzusehen), und auch das Bier darf sich wieder blicken lassen. Das Cover des neuen Albums “Karwoche” ist jetzt zwar ästhetisch nicht unbedingt der Bringer, aber das war bei “Taverne” auch schon so, und die gilt so manchem bis heute zurecht als NOCTEs Meisterwerk.

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Unkonventionell, leicht krank, große Kunst: NOCTE OBDUCTA

Musikalisch hatten NOCTE OBDUCTA mich zuletzt nach dem herrlich verschrobenen “Mogontiacum” leider verloren, aber schon nach kurzer Zeit mit der “Karwoche” war klar, dass sie es mal wieder geschafft haben, mich zurück zu holen: “Sonne der Toten” startet dermaßen oldschool in die knackigen 42 Minuten, dass man das Gefühl hat, dass hier schädlicher Ballast über Bord geworfen und endlich mal wieder befreit losgeballert werden konnte. “Drei gemeuchelte Sommer” begeistert dann mit punkigem Schlagzeug und der herrlichen Vokabel “Herzbluthaus”, wie sowieso Torstens Gesang einfach der Knaller ist: Hervorragend im Mix platziert und mit gut gereiften Stimmbändern ist fast jedes gekrächzte Wort zu verstehen und fügt der Musik so noch ganz ohne Booklet-Lektüre jene Ebene hinzu, die es manchmal braucht, um aus einem guten ein hervorragendes Album werden zu lassen.

Sowieso der Mix, die Produktion: Das klingt old-school, räudig und dreckig, aber ungemein druckvoll und organisch, und Gitarren- und Schlagzeugsound sind unverkennbar NOCTE OBDUCTA – unkonventionell, leicht krank, große Kunst. Oder kurz: richtig geil. Egal, ob es episch wird (“Birkenpech”) oder der klassischen Wiege des Drecks gehuldigt wird (“Blutmond Nemesis”) – “Karwoche” strotzt nur so vor effektivem Songwriting und Spielfreude.

“Karwoche” ist nostalgisch ohne peinlich zu werden

Nun habe ich vorhin geschrieben, NOCTE seien angekommen in der Nostalgie-Ecke – das stimmt natürlich nicht, sie sind da schon seit Ewigkeiten drin, schon vor 15 Jahren drehten sich die Texte häufig um die Jugend der Herren Musiker, und auch auf “Karwoche” gibt es mit “Schwarzbier und Feigen” wieder ein Epos, in dem darüber gesungen wird, wie man damals irgendwo herum lungerte, mit Bier (und Ananas vermutlich). Das ist also alles alles andere als originell, aber die Art und Weise, wie die Band das immer wieder in packende Lieder und Bilder gießt, ist so schön, dass man ihr deshalb unmöglich böse sein kann. Böse bin ich ihr höchstens, weil ich mir trotz der im Grunde klugen Entscheidung, die Songs kurz und knackig zu halten, bei einigen doch etwas mehr Raum für den ein oder anderen bombastischen Refrain gewünscht hätte (so endet das Album z.B. plötzlich im großen Gefühl, ohne dieses voll ausgelebt zu haben). Das Gute daran: “Karwoche” verlangt danach, oft gehört zu werden, sehr oft, und darf als ein Paradebeispiel dafür gelten, wie man auch im fortgeschrittenen Bandalter zurück zu den Wurzeln kann, ohne sich lächerlich zu machen. Zum Wohl!

Spielzeit: 41:51 Min.

Veröffentlichung am 18.8.2023 auf Supreme Chaos Records

NOCTE OBDUCTA “Karwoche – Die Sonne der Toten pulsiert“ Tracklist

1. Sonne der Toten
2. Drei gemeuchelte Sommer
3. Karwoche
4. Birkenpech
5. Blutmond Nemesis
6. Conamara Chaos
7. Balder (Video bei YouTube)
8. Schwarzbier und Feigen

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