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LAST ONE DYING: The Hour of Lead

Man könnte es Retro-Metalcore nennen…oder einfach nur richtig guter Metal mit viel Melodie!

Wieviel kann man heute als Metalcore-Band noch erreichen, wenn ein neuer Trend doch bereits mit Pseudo-Retro-Stretch-Jeans, ONSLAUGHT-Backpatch-Kutte, ungewaschener Thrasher-Mähne und 80er-Sound bereits hinter der nächsten Ecke lauert? Wahrscheinlich nix.
Aber wahrscheinlich (oder besser hoffentlich) ist das den Jungs LAST ONE DYING ziemlich egal, denn Musik macht man ja sowieso aus anderen Gründen als des schnöden Mammons wegen.
Außerdem greift Metalcore auch als Begrifflichkeit wiedermal viel zu kurz, so wie es das meistens getan hat. Diese Band kann mehr, und schafft es ähnlich wie CALIBAN, mir, als ausgesprochenem Klar-Gesang-Nicht-Gut-Finder, einige Passagen eben jener Medizin unterzujubeln, die nicht nur ertragen, sondern sogar richtig gemocht werden können. Respekt!
Auch musikalisch entfernt sich die Band von der allgegenwärtigen Übermacht von KILLSWITCH ENGAGE und dem üblichen Strickmuster Zwei links, zwei rechts, eine Wall of Death und gehen quasi einen Schritt zurück, zu den ursprünglichen Einflüssen des Genres. So klingen die Rheinländer in ihren härteren Momenten eher wie UNEARTH , in ihren schnelleren Parts tatsächlich nochmal wie das Original, nämlich IN FLAMES , was schon lange keiner mehr geschafft hat, und in ihren melodiösen Momenten, auch aufgrund des wirklich guten Klar- und sogar Hamoniegesanges eher wie eine Prog-Rock-Band der Siebziger a la YES.
YES? Was soll denn jetzt dieser Vergleich bei einer Metalcore-Band?!? Tja, es ist merkwürdig, aber das faszinierendste an der Platte ist, neben der technisch anspruchsvollen, aber trotzdem
nicht aufdringlichen Gitarrenarbeit, eine spürbare Zurückhaltung des ganzen Arrangements, vor allem in den melodiösen Parts. Und die Gesangs-Arrangements klingen dann zum Teil echt proggig. Die Melodie hat tatsächlich Platz zur Entfaltung und die Harmonie muss nicht gegen tonnenschweres Doublebass-Gedresche ums Überleben kämpfen. Sehr gut! Sowas kann man halt machen, wenn man richtig singen kann, eine Qualität, die vielen Genre-Kollegen leider fehlt. Überhaupt ist das Songwriting in Sachen Nachvollziehbarkeit und Eingängigkeit richtig gut, wenn man jetzt mal wohlwollend übersieht, dass die Riffs sich nicht gerade an die Spitze der Innovationsbewegung setzen könnten, so es denn eine gäbe, aber besser ein gut gespielter, glaubhafter Standard, der den Song voranbringt als DESPISED ICON. Das kann man gar nicht oft genug sagen.
Ein Song lebt davon, dass er ein Song ist und nicht eine Ansammlung von Riffs. Und Songs gibt es jede Menge auf dieser Platte, die ein durchgängig hohes Niveau halten kann und keine wirklichen Langweiler produziert. Von balladesk bis richtig schnell, alles hat Hand und Fuß, richtige Refrains, schöne Melodien und macht richtig Laune.
Was die Produktion angeht, so hat diese Zurückhaltung dort leider nicht voll durchgeschlagen, da die Drums und vor allem die Doublebass leider zu steril klingen und im Mix zu weit im Vordergrund stehen, was dem Bass leider wiedermal kaum Freiraum lässt. Schade, aber leider Standard heutzutage. Allerdings ist es hier sogar doppelt schade, da es auch den wirklich guten, weil sehr lebendigen Gitarrensound, mit zwar relativ dosierter, aber sehr gut und warm klingender Verzerrung etwas Platz nimmt. Trotzdem knallt diese Platte nicht so gnadenlos und unerträglich in den roten Bereich wie die meisten anderen Produktionen heutzutage, sondern lässt Raum für Dynamik und sogar etwas Wärme. Die Songs bleiben lebendig, die Musik kann atmen und auch der Zuhörer kann atmen, Details wahrnehmen und Dynamik erfahren.
Wow, was für eine Erfahrung! Ist es schon soweit, dass man sich über so etwas freuen muss? Früher Standard, heute ein Pluspunkt.
Irgendwie hat man des Gefühl, dass die Kölner versuchen, viele Fehler zu vermeiden, die das Genre Metalcore, bzw. moderner Melodic-Death, in den letzten Jahren so mit sich brachte und bei vielen gelingt es ihnen auch, nicht zuletzt aufgrund der individuellen musikalischen Klasse.
Könnte man diese Platte unvoreingenommen hören, wäre sie fantastisch, aber selbst mit dem Mitschwingen metalcoriger Graumsamkeiten der letzten Jahre, für die LAST ONE DYING ja nun auch nix können, ist sie richtig gut und absolut empfehlenswert, vor allem für solche, die sich für Melodic- Death/Metalcore/Modern Metal prinzipiell interessieren, aber die meisten Bands für reines Plastik mit hochgepitchter Lautstärke halten. Also Leute wie ich.
Die beste Musik findet sich eben doch, wie so oft, im Untergrund. Somit lässt sich für diese Band doch einiges gewinnen, wenn auch nicht als Metalcore-Band, sondern als richtig gute Metal-Band mit viel Melodie.

Veröffentlichungstermin: 04.09.2009

Spielzeit: 47.35 Min.

Line-Up:
Jan Hades Müller – Vocals
Thorsten Minos Wambach – Guitar
Andreas Androgeos Gül – Guitar
Ralf Gortys Conrad – Bass
Bodo Rhadamanthys Stricker – Drums

Produziert von Patrick Pedi Karwatka
Label: Good Old Boys Records
MySpace: http://www.myspace.com/lastonedying

Tracklist:
1. Intro
2. The Hour of Lead
3. Darkness on my Trail
4. Anthem of the Lost
5. Annabel Lee
6. Legacy
7. All this time
8. Hate Me (Feat. MANTAS)
9. Far away
10.Exclude me from your prayers
11.My own Machine
12.Until we meet again
13.Into the Deep

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