ISIS: Wavering Radiant

Es braucht viel Zeit, begeistert aber schließlich doch: Das bisher schwierigste Album von ISIS.

Das Schwanken im Titel des fünften Albums von ISIS, es ist geradezu programmatisch. Bis sich Wavering Radiant über mich wie eine wärmende Decke gelegt hat, ist einiges an Zeit vergangen, Blut und Tränen musste ich sprichwörtlich vergießen. Weil irgendwie war da ein schlechtes Gefühl, dass Wavering Radiant nach dem großartigen In the Absence of Truth eine Enttäuschung werden würde. Und siehe da, die ersten fünf, sechs Durchläufe war das neue Werk aus dem Hause ISIS auch eher eine fade Angelegenheit. Aber ich sage dir, nach und nach war da ein Zwang da, dieses Album immer wieder und wieder zu hören. Und immer mehr und mehr Stellen frästen sich in mein Hirn und langsam aber sicher entblößte sich auch hier wieder die pure Schönheit und Gewalt dieser Ausnahmeband.

Wavering Radiant ist einerseits ein typisches ISIS-Werk, andererseits sind Neuerungen enthalten, die zunächst nicht viel Sinn zu machen scheinen. Ein Dilemma. Aber öffne dich. Nach Oceanic sind sie nicht stehen geblieben, aber ISIS eben hauptsächlich in den Details weiter entwickelt, eine ganz klare Folge von dem zusammenwachsen zu einer Einheit, die ein wenig den Einfluss von außen vermissen lässt und sich in einer scheinbaren Sackgasse befindet, auch trotz qualitativer Spitzenleistungen in der Vergangenheit. Und Wavering Radiant ist gleichbedeutend mit einem Ausbruchsversuch. Weil die Identität von ISIS ist nach wie vor unverändert, aber es scheint anfangs so, als würden sie mit Gewalt neue Retroelemente einbauen. Und auch die Produktion von Joe Baresi ist mit der von Matt Bayles nicht zu vergleichen, das übermäßig dominante Schlagzeug verzerrt die Musik sogar bis zu einem gewissen Grad.

Wie kann aus so einem Ausgangspunkt doch noch ein unvergleichliches Album entstehen? Es liegt ganz einfach daran, dass die Songs doch großartig sind. So einfach ist das. ISIS haben wieder dermaßen gute Gitarrenarbeit in den Songs, derart massive Riffs und vergleichsweise simple, aber immer noch poetische Harmonien, die nach und nach erst so richtig zünden, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn die Songs schwach wären. Der Bass von Jeff Caxide mit seinen schönen Chorus-Effekten fügt sich hier schön ein, enthält ein sehr atmosphärisches Element, das aufgegriffen wird von den Synthesizern, die sich auf Wavering Radiant mehr in den Vordergrund stellen, da sie viel abwechslungsreicher sind. Mit Orgeln wird experimentiert, mit Fender Rhodes und schönen Retro-Synthesizern, es ist eine wahre Freude.

Daraus entsteht sehr tiefes Material, weit weniger eingängig als das auf In the Absence of Truth und somit dauert es eben seine Zeit, bis es dich packt und mitreißt. Aber trotzdem haben ISIS mit Hall of the Dead auch hymnische Elemente in ihren Songs, es gibt zum Weinen schöne melancholische Stellen, wie in dem unglaublichen Hand of the Host und dem äußerst facettenreichen 20 Minutes 40 Years, dramatisches und brutales, wie in Stone to Wake a Serpent, das ein wenig orientalisch angehaut ist und das abschließende Threshold of Transformation, das wieder ein großes Finale parat hat. Aber generell ist jeder Song so vielschichtig, dass überall jede Facette enthalten ist, weshalb Wavering Radiant auch nach dem zwanzigsten Hören spannend bleibt und sich nicht abnutzt.

Richtig weiterentwickelt hat sich Aaron Turner, der nun gerade mit seinem klaren Gesang begeistert, zwar hier und da unbequeme Stellen zu verantworten hat, die aber dem Album eine sehr geheimnisvolle Komponente geben. Generell ist „Wavering Radiant“ das vielleicht unharmonischste Album von ISIS seit Celestial, eben weil es so eigenwillig ist und keine so offensichtlichen Stellen parat hat und das schreckt anfangs etwas ab. Aber jetzt ist ein Happy End angesagt, auch trotz der etwas verhunzten Schlagzeugproduktion: Wavering Radiant ist wie jedes Album von ISIS ein großes Erlebnis, ein tiefes, ehrliches, aufrichtiges und hochintelligentes Werk voller Gefühl und atemberaubender Spannung.

Es wächst und wächst und kann vielleicht sogar wieder diejenigen überzeugen, die in den letzten Jahren ISIS aus unerfindlichen Gründen schon abgeschrieben hatten. Aber das passiert eben nicht von heute auf morgen. Und so ganz misslungen ist auch die Produktion von Joe Baresi nicht, immerhin wird hier endlich die Seelenverwandtschaft zu ENSLAVED deutlich, die auf Vertebrae auch schon von Baresi produziert wurden. Wenn du, wie ich, nicht sofort in den Klangstrudel geworfen wirst, dann sei dir bewusst, dass dieser abweisende Monolith und diese schutzgebende Beherbergung der Seele ein kryptisches Gesicht hat. Du findest es oben links, neben dem Text.

Veröffentlichungstermin: 8. Mai 2009

Spielzeit: 54:08 Min.

Line-Up:
Aaron Turner – Vocals, Guitar
Mike Gallagher – Guitar
Jeff Caxide – Bass
Aaron Harris – Drums
Bryant Clifford Meyer – Electronics, Guitar

Produziert von Joe Baresi
Label: Conspiracy Records

Homepage: http://www.isistheband.com

MySpace: http://www.myspace.com/sgnl05

Tracklist:
1. Hall of the Dead
2. Ghost Key
3. Hand of the Host
4. Wavering Radiant
5. Stone to Wake a Serpent
6. 20 Minutes40 Years
7. Threshold of Transformation

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner