HANGMAN’S CHAIR: A Loner

HANGMAN’S CHAIR wollen Großstadtelend und Einsamkeit in gleißenden Neonfarben ausleuchten – das Resultat ist mangels großer Songs und Riffs und entschieden zuviel Post Metal leider durchwachsen.

Es fällt nicht unbedingt leicht, über ein Album zu schreiben, das einem schon in den ersten drei Minuten, noch ehe der Gesang eingesetzt hat, mehr zusetzt als einem lieb wäre; erst recht, wenn man das, was es beschreiben und ausdrücken will, tagtäglich vor der Nase hat: die unendliche Tristesse und Ausweglosigkeit des Lebens in urbaner Armut und Einsamkeit. Wäre dieses Album dann jedoch in sich stimmig und packend – man denke nur an “World Coming Down” von TYPE 0 NEGATIVE -, ich würde ihm einen Ehrenplatz in meiner Sammlung gewähren. Ist das hier der Fall?

Leider nein. Die Franzosen HANGMAN’S CHAIR haben sich immer schon dem finsteren Moloch “Großstadt” verschrieben, aber mit ihrem Nuclear-Blast-Debüt “A Loner” leuchtet es dort neon: musikalisch im Grunde klassischer Doom, klingen Bass, Gesang und Gitarre doch irgendwie entrückt und, ja, hell: Hier wird die Gnadenlosigkeit, die das Cover-Artwork so treffend illustriert, gleißend hell ausgeleuchtet. Eigentlich kein Problem, im Gegenteil, den künstlerischen Ansatz kann man nur als originell begrüßen, aber die Kunst ist es ja, das tröstende Moment der Melancholie, das im Doom Metal so überaus süchtig machend stets von geilen Riffs umsorgt wird, auch immer dabei zu haben.

“A Loner” verliert sich in Post-Metal-Beliebigkeit

Zunächst gelingt das der Band auch – nach zweieinhalb Minuten wird los gewalzt, dass es eine helle Freude ist: “Cold & Distant” heißt der Hit des Albums; hier exerzieren HANGMAN’S CHAIR – ganz die Szene-Veteranen – vor, wie das geht, Hoffnungslosigkeit in eine Hymne zu verwandeln und dabei treibender zu rocken als es der Streetworker erlaubt.

Leider geht es nicht so weiter. Zwar ist “A Loner” durchaus ein Grower, aber wenn man den doch sehr nach Post Metal und nebeligen 80er-Discos klingenden Gesangseffekt, die bewusst sehr kalt klingenden Gitarren und die Tatsache, dass die fetten Riffs auf Albumlänge einfach zu kurz kommen, nicht so gut ab kann, wird man feststellen, dass es nicht gerade in den Himmel wächst: zu flach sind die Flächen, zu zahm die Gitarren, zu verwaschen der Gesang. Problematisch ist vor allem der Mittelteil des Albums, das mir entschieden zu “postige” “Supreme” und das belanglose Instrumental “Pariah And The Plague”; dahinter verstecken sich zwar noch zwei bessere Lieder (das mit einem eindringlichen Video ausgestattete, aber ohne jeden Biss vorgetragene “Loner” gehört m.E. nicht dazu), aber man darf vorher halt nicht eingeschlafen sein.

Nein, auf Albumlänge muss ich HANGMAN’S CHAIR leider attestieren, dass das Experiment, Großstadtelend im Spätkapitalismus in gleißendem Neon musikalisch auszuleuchten, nicht geglückt ist, und wende mich wieder der Tradition zu – oder stapfe gleich  weiter in den Wald. Schade!

Veröffentlichung am 11.2.2022 auf Nuclear Blast

Spielzeit: 52:02 Min.

HANGMAN’S CHAIR “A Loner” Tracklist

1. An Ode To Breakdown (Video bei YouTube)
2. Cold & Distant (Video bei YouTube)
3. Who Wants To Die Old
4. Storm Resounds
5. Supreme
6. The Pariah And The Plague
7. Loner (Video bei YouTube)
8. Second Wind
9. A Thousand Miles Away

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