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ROLLING STONES: Stuttgart, Gottlieb-Daimler-Stadion, 03.08.2006

In Stuttgart konnten die ROLLING STONES beim letzten Deutschlandkonzert ihrer aktuellen Tournee zeigen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören.

Manchmal sind Songtexte ungewollt vorausschauend. Oh No, Not You Again aus dem neuen Album der ROLLING STONES A Bigger Bang handelt zwar eigentlich von einer verhängnisvollen Begegnung mit dem anderen Geschlecht – aber um ehrlich zu sein: der Ausspruch hätte auch im Vorfeld der Tour fallen können. Und er ist es wahrscheinlich auch: Die schon wieder! Sind die nicht langsam zu alt, um auf Tour zu gehen? Was wollen die denn spielen, die gleichen alten Hits? Im Prinzip ja.

45.000 Menschen sind ins Gottlieb-Daimler-Stadion nach Stuttgart gekommen, um ihren Helden trotzdem oder gerade deshalb die Ehre zu erweisen. Viele von ihnen sind nicht das erste Mal bei einem STONES-Konzert (der inoffizielle Rekord liegt bei 41 Mal), doch auch junge Fans stürmen das Areal in Scharen. Sie alle sollen eine Show bekommen, die den Vergleich mit früheren Jahren nicht scheuen muss. Was umso mehr überrascht, da drei der vier Bandmitglieder die Alters-Schallmauer von 60 Jahren längst durchbrochen haben und Keith Richards dann und wann von Palmen fällt. Nur Nesthäkchen Ron Wood ist gerade einmal 59 Jahre jung und daher weniger sturzgefährdet.

Dass jünger nicht unbedingt besser sein muss, zeigen die SIMPLE MINDS, die als Vorband ihren einzigen Hit Don`t You (Forget About Me) überstrapazieren. Der ist aus den 80er Jahren und klingt auch so. Die neuen Lieder übrigens auch. Nur wenige im Publikum werden von dem nicht gerade zeitgemäßen Synthie-Pop-Revival zu Freudensprüngen animiert.

Diese kommen erst, als die STONES mit Jumping Jack Flash ihrerseits die Greatest-Hits-Parade einläuten. Laut, bombastisch, effektgeladen – hier bekommt der Fan noch etwas für sein Geld. Schon im ersten Lied langen die Pyrotechniker ordentlich zu, während auf einer riesigen Leinwand abwechselnd Live-Aufnahmen und Video-Collagen aus früheren Zeiten zu sehen sind.

Doch es ist nicht der Vorsprung durch Technik, der dafür sorgt, dass auf der Bühne und im Stadion das Energielevel steigt. Es sind die vielen Alt- und Neusteine (darunter das Tier am Bass Darryl Jones und die ebenso bezaubernde wie stimmgewaltige Mrs. Lisa Fisher im Background-Chor), die auch die (mindestens) fünfzigste Version Let`s Spend The Night Together und Brown Sugar so wirken lassen, als wäre sie gerade in der aktuellen Top Ten ganz vorne mit dabei. Mick Jagger rennt wie eh und je die Bühne entlang, als gebe es Kilometergeld und singt sich die Seele aus dem Leib. Keith Richards schaut gekonnt über die Plastikpalmen im Publikum hinweg und konzentriert sich stattdessen auf sein Multitasking (rauchen, Gitarre spielen, lässig wirken). Charlie Watts und Ron Wood werkeln hintergründig, aber stilsicher vor sich hin. Und was soll`s: Es ist nur Rock `n` Roll, aber ich mag es. Die ROLLING STONES verleihen ihren Worten noch immer den nötigen Nachdruck. Das Publikum kann sich daher auch kaum satt hören und wenn nicht irgendwann die obligatorische Zugabe Satisfaction den Schlussakkord gesetzt hätte, hätten Band und Fans sicherlich noch die ganze Nacht durchfeiern können.

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