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PAIN OF SALVATION, CRYPTEX, Z7, Pratteln, 25.02.2012

Die Schweden hatten sich vom Ritt auf dem Besetzungkarussell gut erholt und boten zum Abschluss des jüngsten Tourblocks eine lange, beeindruckende Show mit überwiegend neuem Songmaterial.

Vor der aktuellen Tour hatte sich das Besetzungskarussell bei PAIN OF SALVATION einmal mehr gedreht, so dass ich von den Leuten, die dort im Z7 in Pratteln um 20.30 Uhr die Bühne betraten, kein einziges bekanntes Gesicht ausmachen konnte. Offenbar hatte Bandchef Daniel Gildenlöw sich kurzfristig selbst aus der Band geschmissen. Jedenfalls spielten auf der Bühne nur noch drei Leute – ein Schlagzeuger, ein Gitarrist sowie ein Keyboarder, der kurzerhand auch den Leadgesang übernahm und im weiteren Verlauf des Konzert noch allerlei andere Instrumente in die Finger nahm. Diese Veränderungen schlugen sich freilich auch im Songmaterial wieder, da nach Gildenlöws Weggang praktisch nichts mehr von der bis dato typischen Düsternis und Depressivität übrig geblieben war. Stattdessen standen die Grooves und die 70er-Jahre-Anleihen noch weiter im Vordergrund als sonst. Dank der spartanischen Besetzung gab es keinen Soundbrei, sondern ein klares, druckvolles Klangerlebnis. Der Gesang wirkte bei aller Melodieverliebtheit durchaus dreckig genug, um aufhorchen zu lassen. Das Publikum wippte erfreut mit und ließ sich zu Rockstarmitsingspielen animieren. Die im akzentfreuen Deutsch vorgetragenen Ansagen halfen dann auch dabei, dass auch reserviertere Leute Zugang zu Songs wie Freeride und Dance Of The Strange Folk fanden. Die Songs waren in sich schlüssig arrangiert, unterschieden sich jedoch teilweise stark voneinander. Ein Glück, dass Scheuklappen am Einlass abgegeben werden mussten. So sorgten flotte Shuffle-Rocker ebenso für gute Stimmung wie eine bluesig angefärbte Mundharmonika-Einlage, für die es Szenenapplaus gab. Selbst ein Didgeridoo wurde irgendwann hervorgeholt, ohne dass Getränkebecher auf die Bühne flogen. Es war also ein Freudenfest der Toleranz, was auch der Schlagzeuger irgendwann merkte, sich eine Cajonkiste schnappte und plötzlich richtig extrovertiert den Rhythmus vorgab, nachdem er anfangs er konzentriert und starr sein Kit bearbeitet hatte. Nach 40 kurzweiligen Minuten wurde das letzte Lied des Abends angekündigt, nach dem es wohlwollenden Applaus gab, allerdings keine Zugabe.

Ich freute mich natürlich für die Band, dass sie die emotionalen Probleme der Vergangenheit in den Griff bekommen hatte und nun unbeschwert allerlei bunte Musikstile erforschen konnte. Mir persönlich blieb nach dem Auftritt außer einem Lächeln auf den Lippen wenig hängen. Vielleicht lag es daran, dass es zu wenig – nämlich überhaupt keine – Metal-Elemente zu hören gab. Aber Moment mal – das waren ja gar nicht PAIN OF SALVATION gewesen, sondern CRYPTEX! Das erklärte einiges.

CRYPTEX

CRYPTEX heizten der halbvolle Halle mit reichlich Spielfreude gut ein.

 
Die eigentliche Show sollte erst noch stattfinden. Passend zur allgemeinen Stimmung liefen in der Umbaupause überwiegen BEATLES-Lieder, ehe eine Reihe von Intros vom Band liefen. Der sperrige Opener Softly She Cries war musikalische eigentlich die genaue Fortsetzung des Vorprogramms. Die beschwingte Rockmusik wurde eben nur mal kurz in Metal verwandelt, bis sie langsam anfing zu rosten, ehe sie in Emotionen überführt wurde, die die fünf Musiker auf der Bühne schließlich wieder in Form eines Klanggebildes den Publikum darboten. Ebenso düster, aber eingängiger ging es danach mit Ashes weiter, woraufhin es den ersten überschwenglichen Jubelausbruch des Abends gab. Im Mittelpunkt der Setlist standen freilich Stücke der beiden Road Salt-Alben, sowohl härtere Brocken wie Linoleum als auch balladeske Töne wie 1979. Die Aufteilung in hart und soft macht bei PAIN OF SALVATION natürlich nur begrenzt Sinn. So brach erneut Euphorie aus, als Daniel Gildenlöw Chain Sling ankündigte, ein Song, der sich stilistisch nur schlecht klassifizieren lässt. Persönlich beeindruckte mich besonders Iter Impius vom BE-Album, dass auf CD bei mir irgendwie immer im ungeordneten Schlussspurt untergegangen war. Live wirkte das Stück zerbrechlich, aber zugleich auch intensiv und kraftvoll. Da kümmerte mich auf einmal auch nicht mehr die Playback-Streicher.

PAIN

Bandgründer Daniel Gildenlöw war erwartungsgemäß der Punkte, der drehte und angelte. Er steuerte nich nur Gesang und Gitarre bei, sondern griff bei Healing Now auch zur Mandoline und trommelte bei Shock Me souverän.

 
Es sollte noch besser kommen. Das Quintett hatte trotz der alles andere als positiven Musik sichtlich Spaß auf der Bühne und stimmte nach Ending Theme recht spontan The Perfect Element an. Hier hatte die Stimmung dann ihren Höhepunkt erreicht. Auch mit der aktuellene Besetzung hat der Song eine unglaubliche Präsenz. Der anschließende Besuch beim Debüt Entropia machte deutlich, dass PAIN OF SALVATION von Anfang an ihren eigenwilligen Stil hegten und pflegten, denn Stress harmoniert bestens mit den aktuellen Songs. Dreh- und Angelpunkt des Geschehens war selbstverständlich Daniel Gildenlöw, der an diesem Abend nur einmal eine Ansage in einen ausführlichen Motivationsdialog mit dem Cluster im vorderen Hallendrittel, das seine Hände nicht auf Befehl hochhalten wollte, ausufern ließ. Daniel D2 Karlsson agierte an den Keyboards ähnlich dynamisch wie bei früheren Konzerten am Bass, wobei sein Beitrag eigentlich nur bei den ruhigeren Stücken zur Geltung kam. Bei den massiven Riffwänden sorgte dafür Gustaf Hielm (ex-MESHUGGAH, ex-ex-PAIN OF SALVATION) am Bass für den nötigen Druck. Gitarrist Ragnar ZSolberg füllte die Fußstapfen von Johan Hallgren zu meiner vollsten Zufriedenheit, womit ich vor dem Konzert nicht unbedingt gerechnet hätte.

Ein weiteres Indiz für die gute Laune der Band: Für Healing Now griff die Band zu Manodlinen und Mandola, wobei Daniel Gildenlöw meinte, es wäre nun klar, welches Lied kommt. Auf den Publikumszuruf Handful Of Nothing hin begannen Léo und Gildenlöw tatsächlich das thrashige Stück anzuspielen, sehr zur Erheitungen ihrer Bandkollegen und der Fans. So machen Live-Auftritte Freude!

PAIN

Ragnar ZSolberg war ein würdiger Ersatz für den jüngst ausgestiegenen Johan Hallgren.

 

Bei der ersten Zugabe – der überraschenden KISS-Cover-Version Shock Me – durfte Ragnar den Leadgesang übernehmen, während Daniel Gildenlöw Schlagzeug, Daniel Karlsson Bass und Gustaf Gitarre spielte – und Léo Margarit sich ausruhte. Ansonsten war das Zugabenabteil mit The Physics Of Gridlock und Sisters suboptimal bestückt. Klar, es war faszinierend anzuschauen, wie Daniel Gildenlöw auf seiner bundfreien 7-saitigen Gitarre hämmerte und herumstrich. Doch selbst das an sich bewegende Sisters wurde durch Schlagzeugwirbel vom Band und unangebrachte, aber durchaus nachvollziehbare Inside-Zwischenrufe in Mitleidenschaft gezogen. So endete der Auftritt nicht mit einem Paukenschlag sondern mit einem eher verletzlich wirkenden, grauen Schlusspunkt mit Tendenz zum Fragezeichen. Vor gut zwei Jahren am selben Ort war der Band ein überzeugenderes Ende gelungen u.a. mit Hallelujah und Conditioned. Wie dem auch sei, dem finalen Jubel tat das alles keinen Abbruch, denn immerhin hatten PAIN OF SALVATION weit über zwei Stunden lang erstklassige Musik geboten. Vom Ritt auf dem Besetzungkarussell hatte die Band sich jedenfalls gut erholt und war ihrem Ruf als gefühlsintensiver Live-Act in Pratteln vollauf gerecht geworden.

PAIN

PAIN OF SALVATION Tour-Besetzung Februar 2012: Gustaf Hielm (Bass), Daniel D2 Karlsson (Keyboards), Daniel Gildenlöw (Gesang, Gitarre), Ragnar ZSolberg (Gitarre), Léo Margarit (Schlagzeug)

 
Setlist PAIN OF SALVATION:

1. Softly She Cries
2. Ashes
3. Linoleum
4. The Deeper Cut
5. 1979
6. To The Shoreline
7. Chain Sling
8. Iter Impius
9. Ending Theme
10. The Perfect Element
11. Stress
12. Healing Now
13. Kingdom Of Loss
14. Enter Rain
15. No Way

16. Shock Me
17. The Physics Of Gridlock
18. Sisters

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