BANG YOUR HEAD 2007: Der Festivalbericht

Der Bericht zum Bang Your Head Festival 2007.

Freitag, 22.06.2007:
ADRAMELCH | WOLF | GIRLSCHOOL | PRAYING MANTIS | LETHAL | VICIOUS RUMORS | EVERGREY | DARK TRANQUILLITY | THUNDER | AMON AMARTH | HEAVEN AND HELL

Samstag, 23.06.2007:
ARCHER | MYSTIC PROPHECY | POWERMAD | MERCENARY | AMORPHIS | FINNTROLL | BRAINSTORM | NAZARETH | W.A.S.P. | HAMMERFALL | EDGUY

Nach einer gelungenen Warm-Up-Show gab es auf dem Messegelände Balingen zwei Tage lang eine breite Palette an Bands. Das abwechslungsreiche Programm hatte freilich seine Tücken, da wohl nur die wenigsten Anhänger von AMON AMARTH etwas mit ADRAMELCH anfangen konnten (und umgekehrt). Ein nicht gerade kleiner Teil des Publikums ließ sich davon aber nicht stören und feierte einfach ein kurzweiliges Heavy Metal-Wochenende. Wie gehabt beschränkte sich das Programm auf eine Bühne, was der Gemütlichkeit der Massenveranstaltung sehr dienlich war. Die Bühnentechniker brachen in den Umbaupausen allerlei Geschwindigkeitsrekorde, ohne dass der Sound darunter litt. Die oftmals übertriebenen Bässe waren in den meisten Fällen wohl leider beabsichtig und schmälerten den Hörgenuss, wobei Bands wie LETHAL und HAMMERFALL demonstrierten, dass weniger hier mehr sein kann. Die Informationspolitik vor Ort hätte besser sein können. Um die genaue Running Order zu erfahren musste man entweder einen zusätzlichen Euro für ein Autogrammheftchen ausgeben – oder im Internet nachschauen. Das hat man natürlich bei einem Festival immer dabei. Hätte man dort noch etwas genauer auf den Unterseiten gestöbert, hätte man auch erfahren, dass am Samstag kurzfristig ein Auftritt von AGE OF EVIL um 9.30 Uhr anberaumt wurde. Außerdem hingen auf der Bühne keine großen Uhren mehr, was so manchen Besucher in die Orientierungslosigkeit stürzte. (Ist es schon 13.35 Uhr? Oder Samstag?) Die sanitären Anlagen waren im üblichen – d.h. mit gutem Willen betrachtet in akzeptablem – Zustand, ebenso die Preise für Essen und Getränke. Wie schon in der Vergangenheit gab es Autogrammstunden der meisten Bands, was bisweilen amüsanter anzusehen war als so manche Band. (In meinem Fall waren es die Gesichtsausdrücke von POWERMAD, als ich ihnen das Tape von The Madness Begin… sowie die Hooters-CD Zig Zag zum Signieren vorlegte.) Zudem tummelten sich nicht nur beim Auftritt von HEAVEN AND HELL auch zahlreiche Musiker im Publikum, um mit den Fans gemeinsam eine gute Zeit zu verbingen. Die Ordnungskräfte waren wie gewohnt äußerst hilfsbereit und freundlich, so dass dem Festivalvergnügen nichts Elementares im Wege stand.

Freitag, 22.06.2007

ADRAMELCH
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BANG
Besonders bei den älteren Stücken von ADRAMELCH kam das Charisma von Vittorio Ballerios Stimme zum Tragen.

Geographisch wie musikalisch fielen ADRAMELCH einst mit ihrem Debüt Irae Melanox aus dem Rahmen. Danach wurde es still um die Band und die Erinnerung verblasste langsam aber sicher. Als das italienische Quintett letztes Jahr schließlich ihr zweites Album Broken History veröffentlichte, horchte entsprechend nur ein kleiner Fankreis neugierig auf. Der Gesang war tiefer, die Produktion um Welten besser und die Songs durchaus gelungen. Einen ähnlichen Eindruck hinterließ auch der Auftritt auf der Balinger Bühne. Die Setlist bestand überwiegend aus Stücken vom aktuellen Album, die vom langsam wachsenden Publikum wohlwollend beklatscht wurden. Auf der Bühne war nicht gerade viel los, so dass die Musik gegenüber dem Album nur unwesentlich frischer klang. Es gab auch einen Song vom nächsten Album zu hören, der stilistisch wenig Überraschungen bot. Der überwiegend getragene Power Metal lebte in erster Linie von Vittorio Ballerios Gesang, der jedoch nicht mehr die Sirenenqualitäten wie zu Irae Melanox-Zeiten besitzt. Zum Schluss gab es mit Was Called Empire immerhin noch ein echtes Highlight, bei man die aufziehenden Regenwolken einfach vergaß. Insgesamt war der Auftritt von ADRAMELCH somit ein solider Auftakt, nicht mehr, nicht weniger.

WOLF
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Dauerregen begleitete den Auftritt von WOLF, weshalb viele Leute die Band aus sicherer, nach Möglichkeit trockener Entfernung zuhörten. Mit ihrem traditionellen Metal konnte das Quartett aber auch einige Anhänger vor die Bühne locken, die das Wetter ignorierten und das Festival-Motto in die Tat umsetzten. Auf der Bühne war sie Stimmung gut, was sich so weit es das Wetter zuließ auch auf das Publikum übertrug. WOLF konnten zwar keine neuen Fans aus den hinteren Reihen anlocken, befriedigten aber alle konventionellen Headbanger mit Kraftfutter. Gerade das Fehlen von exotischen Stil- und Melodieelementen zeichnete Lieder wie Wolf´s Blood aus. In Sachen Tempo und Heaviness gab es ein begrenztes Maß an Abwechslung. Die Musik der Schweden wirkte wesentlich bodenständiger als die geschliffenen Werke ihrer Landsmänner HAMMERFALL und bot entsprechend gute Unterhaltung.

BANG
WOLF spielten Heavy Metal – ohne Spezialeffekte, ohne Umwege und ohne Sonnenbrillen.

GIRLSCHOOL
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Inzwischen hatte es sich so richtig eingeregnet, und die jungen Herren am Gizeh-Stand auf dem Festivalgelände konnten stapelweise Adressen einsacken: Wer an einem Gewinnspiel des Zigarettenpapierherstellers teilnahm, bekam ein kostenloses Regencape. Etlichen Festivalbesuchern war das allerdings egal, kurz vor dem Auftritt von GIRLSCHOOL wurde es voller vor der Bühne.
Die nicht mehr ganz so jungen Damen, ihre erste Band gründeten Gitarristin Kim McAuliffe und Bassistin Enid Williams vor rund 30 Jahren, ignorierten das Wetter ebenfalls; die Musikerinnen trauten sich im Laufe des Gigs nach vorne auf den Steg ins Publikum – und ins Nasse. Auch im Regen posen die Damen wie die ganz großen, selbst wenn am Anfang erstmal alles nach einem gemütlich runtergespielten Set aussah. Das Publikum hat´s nicht gestört, nach C´mon Let´s Go und einem weiteren Song folgte Hit and Run und danach wurde zumindest in der vorderen Reihen nicht mehr nur artig geklatscht, sondern auch ein wenig gejubelt. GIRLSCHOOL sahen das und legten endlich einen Zacken zu. Enid Williams baute nun auch mehr Kontakt zum Publikum auf, die Ansagen wurden länger und humorvoller. Die Britinnen beschwerten sich über den Regen und diskutierten, wie wasserfest Wimpertusche sein sollte und wie viel man davon bei dieser Witterung auftragen kann. Weiter ging´s mit Screaming Blue Murder, You Got Me und Race With The Devil – ohne Höhepunkte, aber auch ohne Aussetzer. Für sinnlos in die Länge gezogene Soloeinlagen reichte die Zeit nicht, das überließen GIRLSCHOOL ihren Landsmännern, die später am Abend auf der Bühne standen. Zu Emergency endete das feuchte Geniesel, die Band gab nun auch richtig Gas, es wurde dreckiger, die vier Frauen präsentierten sich natürlicher und der Rest des Gigs mit dem Song Take it all away machte den lahmen Auftakt wieder wett. Hat am Ende doch noch Spaß gemacht! (andrea)

BANG
Trotz Regen und Anlaufschwierigkeiten konnten GIRLSCHOOL am Ende überzeugen.

PRAYING MANTIS
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Eine der melodischsten Bands des Billings waren eindeutig PRAYING MANTIS. Zweistimmige Gitarrenlinien und souverän intonierte Lead- und Backing-Vocals schmeichelten dem Ohr. Entsprechend horchten viele Leute auf und auch die Sonne kam wieder raus. Das Quintett präsentierte einen Querschnitt aus ihrem bisherigen Schaffen und agierte ausgesprochen locker. Lieder wie Can´t See The Angels funktionierten auch ohne ultraschwere Gitarren und aggressives Stageacting. Dass die Band 30 Jahre nach ihrer Gründung nicht mehr den Biss eines frischen Newcomers hat, störte nicht im geringsten. Denn während manch andere Band von ein oder zwei herausragenden Hits lebt, setzt man im Hause PRAYING MANTIS lieber auf einen runden Gesamteindruck, so dass es ausnahmslos überdurchschnittliche Stücke zu hören gab. Damit konnte die Band Fans wie Neulinge überzeugen und die relativ lange Spielzeit mühelos rechtfertigen.

BANG
Mike Freeland und Co. waren gut aufgelegt und ließen es sich nicht nehmen, zwischendurch We Will Rock You anzustimmen. Auch sonst stellte der recht flotte Melodic Rock von PRAYING MANTIS einen angenehmen Kontrast zu den härteren Bands dar.

LETHAL
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BANG
LETHAL-Sänger Tom Mallicoat: Gott! (Zumindest sang er so.)

Wer es noch nicht mitbekommen hat: Tom Mallicoat ist Gott. Mit Strohhut und Sonnenbrille ausgestattet sang er so ziemlich alles an die Wand, was auf der BANG YOUR HEAD-Bühne in den letzten Jahren ein Mikro in der Hand hatte. Mit Leidenschaft, Energie und unnachahmlichem Melodiegespür machte er jeden Ton zu einem ergreifenden Kunstwerk, jede Zeile zu einer fesselnden Geschichte. Bereits der Opener Fire In Your Skin zeigte, wie filigran US-Metal klingen kann, ohne dass dies auf Kosten der Heaviness geschieht. Durch das gesundheits- und berufsbedingte Fehlen von Gitarrist Eric Cook wirkte die große Bühne zwar manchmal ein wenig leer. Dafür war der Sound erstaunlich fett und sehr gut abgemischt. Obgleich LETHAL recht kurzfristig aufs Billing gerutscht waren, befanden sich zahlreiche Fans im Publikum, die die Band nach allen Regeln der Kunst abfeierte. Wer LETHAL bis dahin noch nicht live erlebt hatte, dürfte ein ähnliches Erlebnis gehabt haben wie ich beim KEEP IT TRUE-Festival. Die Band selber war – nach einem Turnhallen- und einem Clubgig in Deutschland – sichtlich beeindruck vom Ausblick, der sich ihnen bot. Die Setlist enthielt keine Überraschung, sondern die Songs, die alle hören wollten: Programmed, Swim Or Drown, Obscure The Sky – jeder für sich war ein Höhepunkt und wurde dementsprechend beklatscht. Gerührt von dieser Euphorie fand Tom Mallicoat wenig Worte, meinte kurz, er würde sich wie METALLICA vorkommen, ehe er wieder fasziniert in die Weite schaute. Nach dem eher ruhigen Balancing Act machte die Band bei Immune abermals Druck und erntete dafür lautstarke LETHAL-Sprechchöre. Mit Killing Machine stand dann schon der letzte Song an, bei dem die Band ein letztes Mal die weitläufige Bühne ausnutze. Die vorderen Reihen ließen es sich am Ende nicht nehmen trotz 7/8-Takt mitzusingen! Keine Frage, dieser Auftritt hat auf beiden Seiten Lust auf mehr gemacht.

VICIOUS RUMORS
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BANG
Die Soldaten der (Warm-up-)Nacht waren auch nachmittags in Topform: Geoff Thorpe und James Rivera (VICIOUS RUMORS)

VICIOUS RUMORS konnten den LETHAL-Auftritt natürlich unmöglich toppen, zogen sich aber sehr beachtlich aus der Affäre. Bereits der Opener Digital Dictator zeigte, wie kraftvoll US-Metal klingen kann. Bandkopf Geoff Thorpe und Sänger James Rivera waren die Aktivposten der Band, die die letzten Unentschlossenen im Publikum durch ihre leidenschaftliche Performance auf ihre Seite zogen. Bei Nackenbrechern wie Minute To Kill oder dem neuen Sonic Rebellion wurden vor der Bühne eifrig die Köpfe geschüttelt. Da ließ sich Schlagzeuger Larry Howe nicht lange lumpen und hämmerte mit doppelter Wucht auf die Felle. Zwischendurch gab es mit dem Titeltrack des Debüts Soldiers Of The Night eine Hymne, die zum Mitsingen einlud. James Rivera musste zwar den Text vom Blatt ablesen, zeigte aber auch hier, dass man in so einem Fall nicht zwangsläufig so erstarrt wie Rob Halford dastehen muss. Gesangslich machte er seine Sache ohnehin erstklassig. Immortal vom aktuellen Warball-Album konnte mich zwar nicht so begeistern wie ältere Songs der Marke Don´t Wait For Me und Abandoned. Der Auftritt von VICIOUS RUMORS war aber trotzdem eine runde Sache, zumal es mit You Only Live Twice ein unangekündigtes Lied und mit Hellraiser einen am Vorabend nicht gespielten Kracher gab. Angesteckt von der Energie des Publikums wurden die beiden Nummern scheinbar noch einen Tick schneller als auf Platte gespielt. Denn nach March Or Die blieb der Band sogar noch Zeit für eine Zugabe in Form von Mr. Miracle. Fazit: ein starker Auftritt, der bis zu einem gewissen Grad einmal mehr von der Klasse der alten Songs zehrte.

EVERGREY
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Nach dem Intro stolperten nach und nach die Musiker von EVERGREY auf die Bühne. Wäre Sänger Tom Englund ein klein wenig mitteilsamer gewesen und hätte er nicht in den zu langen Pausen zwischen den Songs nur an seiner Gitarre oder seinem Verstärker rumgeschraubt, hätten meine Arme bei EVERGREY durchweg an eine gerupfte Gans erinnert. So war es ein sehr schöner, emotionaler Auftritt, dem allerdings der letzte Biss fehlte. Daran änderte auch der neue Bassist nichts, der mit seiner Sonnenbrille aussah wie Puck die Stubenfliege und ziemlich nervte, weil er gar so unkoordiniert auf der Bühne umherschwirrte. Optisch war das nichts. Die technischen Probleme mit den Gitarren störten zwar, und der aufkommende Wind wehte den Sound zusammen – aber die Songs und Englunds gefühlvoller Gesang überzeugten. Die Setlist war gut gemischt, EVERGREY gruben unter anderem Nosferatu aus und spielten Solitude Within – das entschädigte dafür, dass ich eigentlich gehofft hatte, dass A Shocking Truth, einer der besten Song der Band, auf der Setlist stehen würde. Dafür gab es Recreation Day, Masterplan, neueres Material wie A Touch of Blessing und eine enrstzunehmende Band, die sich Mühe gab, die Soundschwierigkeiten auszugleichen. Trotzdem fehlte mir der Kontakt zum Publikum, ein paar Schritte nach vorne, ein bisschen weniger schüchtern in die Reihen vor der Bühne schauen und beim nächsten Mal wird’s dann richtig, richtig toll. Und mit dem Mann am Bass sollte man auch nochmals reden, wenn er dabei bleiben sollte. Irgendwie passt das gar nicht – Rotzrock-Gepose ist bei EVERGREY fehl am Platz, das wurde in Balingen sehr, sehr deutlich. (andrea)

BANG
Ein sehr schöner, emotionaler Auftritt, dem allerdings der letzte Biss fehlte: EVERGREY.

DARK TRANQUILLITY
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BANG
DARK TRANQUILLITY-Frontmann Mikael Stanne überzeugte auf ganzer Linie.

Bester Auftritt am Freitag! Den größten Anteil daran hatte Frontmann Mickael Stanne, der wie Rumpelstilzchen auf die Bühne stampfte und sich den Kopf hochrot schrie. Zwischendurch, in den ruhigen Passagen, bewies er, dass er auch die leisen Töne beherrscht und richtig singen kann. Fiction und Character sind zwei verdammt gute Alben. Was sollte also noch schief gehen? Stanne zog die Zuschauer vom ersten Song an in seinen Bann. Wahnsinn, was der Mann an diesem Tag für eine Ausstrahlung hatte – glaubwürdiger und ehrlicher kann man seine Songs kaum präsentieren. Das danke ihm das Publikum und jubelte über alles, was der Schwede mit den roten Haaren von sich gab. Die letzten Zweifler überzeugte er mit seinen intelligenten Ansagen, die weit über dem üblichen Schreit für mich, (Ortschaft einsetzen) lag. Er hatte einen Draht zum Publikum gefunden, und er brachte ihn zum Glühen! Mit The lesser Faith und Blind at heart spielten DARK TRANQUILLITY Songs vom aktuellen Album. Eine grandiose Version von The wonders at your Feet, bei der man schon fast ein wenig Angst um den Sänger haben konnte – weil er sich gefährlich nahe am Bühnenrand wälzte und ihm vor lauter Einsatz die Adern an den Schläfen pochten. The Treasson Wall, Final Restistance, My Negotiation und Punish My Heaven – alles Volltreffer. Dass es schwer für AMON AMARTH werden würde, war abzusehen… (andrea)

THUNDER
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AC/DC-Intro. Dann Harmloser Hardrock, zugegeben gut umgesetzt. Irgendwie aber wie Sätze ohne Verben. Souveränder Gesang. Weiterhin Sonnenschein. Kein Donner. Ausgelassene Stimmung im Publikum. Applaus. Zahme Melodien, wummernde Bässe – keine Widerhaken. Zeitvertreib: geschätztes Alter des Sängers? Mit zunehmender Spieldauer akutes Aufmerksamkeitsdefizit. Weiterhin kein Donner – weder vom Himmel, noch aus den Boxen.

BANG
THUNDER – die Hardrock-Band ohne Eigenschaften? Viele Leute im Publikum (d.h. vor der Bühne) waren anderer Meinung.

AMON AMARTH
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Inzwischen kann ich mir wieder AMON AMARTH-Alben anhören, ohne dieses oh je, die schon wieder-Gefühl zu spüren. Die Schweden haben in den vergangenen Jahren wirklich jedes Festival beackert und auch wenn ich die Band schon immer sehr mochte, war´s irgendwann einfach zuviel des guten. Beim Bang Your Head vor vier Jahren haben die Schweden in Balingen alles abgeräumt und einige Kinnladen standen auch Minuten nach ihrem Auftritt offen. Drei Jahre später sieht es anders aus: Das Standard-Liveprogramm kennt man inzwischen zu Genüge. Deshalb hat es die Band um eine so genannte Wikinger-Show ergänzt: Verkleidete Schauspieler fuchteln mit überdimensionierten Schwertern rum. Irgendwann tut einer der beiden so, als ob er seinem Gegner die Kehle durchschneidet. Kunstblut oder meinetwegen auch Ketchup hätte allerdings einiges zur Wirkung beigetragen. Zwischendurch standen die Herren Wikinger auf dem Schlagzeugpodest rum und hielten ihre Schilder gen Publikum und Himmel. Da war wenig von zornigen Nordmännern zu spüren. AMON AMARTH hingegen wirkten um einiges lebhafter, und auch wenn man die Gesten und Sprüche von Johann Hegg inzwischen kennt, waren AMON AMARTH trotz aller Nörgelei ziemlich überzeugend. Bei Death In Fire explodierten passenderweise Pyros und Herr Hegg stand ein ums andere Mal ziemlich nah dran – je nach Blickwinkel konnte man befürchten, dass sein Bart, der mittlerweile das etwas schütter gewordene Haupthaar in der Länge fast übertrifft, in Flammen aufgeht. Inzwischen haben alle, nicht nur der Chef, ein Trinkhorn, mit dem sie ins Publikum prosten. Anstoßen konnte man auf Victorious March, Cry Of The Black Birds, Masters Of War, With Oden on our side und Runes come to my memory. Im Publikum war zumindest ganz vorne ordentlich was los, wie aber beim fast gesamten Festival war es kein Problem, sich ganz gemütlich am Mini-Moshpit vorbei nach vorne zu gehen. (andrea)

BANG
AMON AMARTH ließen trotz großer Pyro-Show nichts anbrennen.

HEAVEN AND HELL
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BANG
Ältere Herren spielen ältere Songs: HEAVEN AND HELL

Erschreckend wenige Leute waren auch beim Headliner vor der Bühne. In den vergangenen Jahren hatten die BYH-Veranstalter immer noch einen Hauptact gebucht, der neben dem normalen Festivalpublikum auch viele Tagesgäste anzog, die dann mit Familie und Picknick-Decken am späten Nachmittag auf das Gelände kamen. In diesem Jahr fanden aber deutlich weniger Besucher den Weg zum Messegelände – auch bei HEAVEN AND HELL stand das Publikum recht locker. Letztendlich waren HEAVEN AND HELL, also BLACK SABBATH mit Ronnie James Dio als Sänger, dann auch weit davon entfernt, gute Stimmung zu schaffen – der Funke sprang einfach nicht über. Dabei hätte es so schön werden können: Ganz Balingen hätte erschallen können mit dem Refrain von Heaven and Hell, man hätte wie vor ein paar Jahren bei TWISTED SISTER ganz wunderbar eine große Party im Regen feiern können. Doch es kam anders: Mit dem Opener Mob Rules konnte die Band zwar einige Fans schnell auf ihre Seite ziehen, eine Steigerung gab es allerdings nicht. Ohne Frage, Ronnie James Dio war in guter Form, sein Gesang über den gesamten Auftritt einwandfrei. Er gehört zu den ganz großen, wenn es um das Singen geht. Er bemühte sich redlich, Kontakt zum Publikum aufzubauen. Stellenweise gelang ihm das ganz gut, doch die Stimmung kühlte bei den arg in die Länge gezogenen Soloeinlagen von Schlagzeuger Vinnie Appice und Gitarrist Tony Iommi merklich ab. Auf der Setlist standen unter anderem Children Of The Sea, I, The Sign Of The Southern Cross, Voodoo, Falling of the edge of the world, Die young und zwei neue Songs. Dio war viel in Bewegung und schien zumindest während der Songs die Nähe zum Publikum zu suchen, was er aber damit zunichte machte, dass er in den Pausen sofort die Deckung auf dem hinteren Teil der Bühne suchte. Appice thronte auf einem imposanten Schlagzeugpodest, und die Herren Butler und Appice bewegten sich gar nicht, sie sahen sich nicht einmal an. Irgendwie wurde ich den Eindruck nicht los, dass zwischen den beiden allenfalls Kälte zu spüren ist. Das übertrug sich auch aufs Publikum, die Reaktionen waren verhalten und als es bei Falling from the edge of the world wieder zu regnen begann, verließen erschreckend viele das Gelände.

Da sich auf der Bühne ohnehin nicht viel tat, konnte man sich den Auftritt auch bequem aus größerer Entfernung anschauen – was sich gelohnt hat. Denn erst aus der Ferne sah man alle Details der aufwändigen Inszenierung: Das Backdrop gaukelte dem Publikum die Wand einer Kirche vor. Auf die drei Fenster wurden Albumcover, die Gesichter der Musiker oder Schädel projiziert, alles untermalt von einer stimmungsvollen und beeindruckenden Lightshow. Auf der Bühne waren Gartenzäune mit geschmiedeten Spitzen aufgestellt, zum düsteren Friedhofsambiente fehlten nur noch ein paar Grabsteine.

Kurz nach halb elf kam dann aber auch schon Heaven and Hell, und wer sich darüber gewundert hatte, warum die Band den Song mitten im Set raushaut, wurde eines Besseren belehrt: Es stand nicht zwischendrin auf der Liste, sondern war tatsächlich der letzte Song und wurde mal eben auf rund 25 Minuten gedehnt. Das hätte funktionieren können, wäre das Publikum euphorisch genug gewesen, alle Mitsingspielchen mitzumachen. Es gab aber nur ein paar lahme Gesänge, und dazwischen solierten und improvisieren die Herren auf der Bühne vor sich hin. Da das Protokoll noch die Zugabe Neon Knights vorsah, verschwanden HEAVEN AND HELL kurz hinter der Bühne, warteten nicht lange, kamen zurück und spielten den letzten Song. Pünktlich um 23 Uhr war dann auch Ruhe über Balingen. Meinen Erwartungen wurden HEAVEN AND HELL nicht gerecht – und bleibt nur, den Auftritt mit einem Satz zusammenzufassen: Ältere Herren spielen ältere Songs. (andrea)

Samstag, 23.06.2007

ARCHER
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BANG
Morgenstund´ hatte ARCHER im Mund.

Überraschung! Früh aufzustehen, hat sich gelohnt. ARCHER schafften es, als völlig unbekannter Opener, die Festivalbesucher morgens um halb elf zu Bang Your Head-Sprechchören zu animieren. Dafür gab es nach dem Auftritt auch ein Bier, auf der Bühne serviert von Veranstalter Horst Franz persönlich. Das Bier hatten sich die Amerikaner verdient, denn der Auftritt war grandios. Die jungen Musiker füllten zu dritt die riesige Bühne, besonders der Bassist war ständig in Bewegung, aber auch der Sänger mit Gitarre zeigte überdurchschnittlich viel Einsatz. Selbst der Junge hinter dem Schlagzeug konnte mit ein paar Drumstick-Wirbeltricks auf sich aufmerksam machen. ARCHER anzusehen, war eine wahre Freude – umso schöner, dass auch die Songs der Band aufhorchen ließen. Irgendwo zwischen SENTENCED, BLACKSHINE, METALLICA und ein bisschen dreckigem Stonerrock könnte man ARCHER einordnen. Originell und eingenständig! Nicht ganz so eigenständig war das Stageacting des Bassisten, er ist ganz bestimmt ein großer Fan von Robert Trujillo, das war nicht zu übersehen. Der Band hat der Auftritt gefallen, ab der Mitte des Sets grinsten die Musiker ununterbrochen und da das Publikum die Leistung der Band mit viel Applaus würdigte, entwickelte sich ein toller Gig mit viel Energie vor und auf der Bühne. (andrea)

MYSTIC PROPHECY
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BANG
MYSTIC PROPHECY-Sänger R.D. Liapakis (mit Klaus Meine-Gedächtnis-Kappe) war ausgesprochen lauffreudig.

MYSTIC PROPHECY spielten melodischen Power Metal. Dieser Satz enthält bereits die Essenz des Auftritts, den sich bereits zahlreiche Frühaufsteher aus der Nähe ansahen. Nach einem speed-lastigen Opener dominierte Midtempo-Songs mit kräftigen Riffs und mitsingbaren Refrains das Geschehen. Sänger R.D. Liapakis war ständig in Bewegung und sorgte mit seiner kräftigen, leicht kehligen Stimme dafür, dass die Musik nie zu seicht klang. Stücke wie Evil Empire, Sign Of The Cross und Nightmares Of Demons stießen auf offene Ohren. Mit dem Song Dark Forces gab es zudem bereits einen Vorgeschmack auf das im Herbst erscheindende Album Satanic Curses, welcher stilsicher und noch einen Tick reifer perfekt zum restlichen Material passte. Was freilich fehlte, war ein Alleinstellungsmerkmal. Aber mal ehrlich: Beim Frühstück ist Abwechslung selten anzutreffen, ohne dass dies den Genuss trüben würde.

POWERMAD
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BANG
Das starre Auftreten von POWERMAD-Frontman Joel DuBay war für viele Fans eine Enttäuschung.

Bevor LETHAL und ADRAMELCH nachrückten, waren POWERMAD die einzige Band auf dem Billing, die mich wirklich interessierte. Würde die Band nach 17 Jahren Pause an die Klasse des Absolute Power-Albums anschließen können – jenes US-Speed Metal-Werk, mit dem ein kurzsichtiges Majorlabel seinerzeit vom Thrash-Boom profitieren wollte? Zuerst war ich überrascht, dass die Band so früh (und kurz) spielte. Andererseits handelte es sich bei Absolute Power eigentlich nicht um einen richtigen Klassiker, wenngleich Lieder wie Nice Dreams und Slaughterhouse sicherlich bärenstarker Metal waren. Und abgesehen von der 1989er EP The Madness Begin… gab es kein Repertoire, dass eine längere Spielzeit gerechtfertigt hätte. Mit dem Opener der EP, Terminator, legte das in Originalbesetzung angetretene Quartett los. Schloss man die Augen, klang die Musik fast wie auf Platte. Mit offenen Augen sah die Sache aber anders aus. In Gedanken versuchte ich, die Musiker auf der Bühne den Gesichter auf dem Bandfotos im Inlay zuzuordnen. Vergeblich. Insbesondere das starre, unmetallische Auftreten von Sänger/Gitarrist Joel DuBay war im höchsten Maße irritierend. Hatte ihn Tobias Sammet etwa in Vampirmanir gebissen und seiner Stageactingenergie beraubt? Das anschließende Absolute Power erhärtete den Verdacht: Die glatte Produktion der Studiowerke war nicht auf die Tontechnik zurückzuführen, sondern direkt auf die Band. Bassist Jeff Litke war zwar recht aktiv, jedoch an sein Instrumentenkabel gebunden, während auf der gegenüberliegenden rechten Bühnehälfte Gitarrist Todd Haug den letzten Kick vermissen ließ. Nice Dreams hätte einer der Höhepunkte des Festivals werden können, klang aber sehr durchwachsen, da Teile des Gesangs einfach weggelassen wurden. Escape From Fear zeigte dann das wahre Ausmaß der Tragödie: Kaum fehlten die starken Melodien, blieb nur noch ein gesichtsloses Metal-Fragment übrig. Da half es wenig, dass die hohen Schreie sauber intoniert wurden und mit Slaughterhouse der zweite Hit ebenfalls gespielt wurde. Danach wirkte der Auftritt wie die Endphase einer ereignisarmen 0:0-Partie, bei der den Spielern langsam die Kraft ausgeht. Da war es auch egal, ob Plastic Town oder Blind Leading The Blind gespielt wurden. Dieser Auftritt war bestenfalls mittelmäßig. Man hat lange darauf gewartet, aber gelohnt hat es sich nicht.

MERCENARY
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Ganz anders MERCENARY: Die Dänen hatten sichtlich Feuer im Hintern, allen voran Sänger Mikkel Sandager, der schon nach wenigen Minuten einen hochroten Kopf hatte. Ohne Rücksicht auf Menschen, deren Gehör hohe Sänger nicht so gut verträgt (z.B. Andrea), schrie er sich in bester Halford-Manier die Seele aus dem Leib. Der Rest der Band lieferte ein hartes Metal-Fundament, dem weder Schwedentodelemente, noch klassisches Thrash-Riffing, noch melodische Farbtupfer fremd waren. Das Ganze wurde mit einer Prise Keyboards garniert, die den Klang nicht wesentlich verwässerte. Die frische Herangehensweise der Band an den gar nicht so frischen Musikstil ließ aufhorchen. Der Verzicht auf allzu offensichtliche Fremdzitate verlieh den Stücken Eigenständigkeit, schmälerte aber ein Stück weit das Interesse von potenziellen Neufans. Gleichzeitig konnten MERCENARY – wie zuvor ARCHER – dadurch punkten, dass es auf dem Billing keine Band aus einer vergleichbaren Stilnische gab. So hatten POWERMAD trotz des besseren Songmaterials im direkten Vergleich eindeutig das Nachsehen.

BANG
Zu Beginn des Auftritts noch nicht mit hochrotem Kopf: MERCENARY-Sänger Mikkel Sandager.

AMORPHIS
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BANG
AMORPHIS agierten souverän und überraschten mit einer Setlist, deren Hauptaugenmerk auf älteren Werken lag.

Eine wunderbare Setlist hatten sich AMORPHIS ausgedacht. Vergleicht man sich das Debüt The Karelian Isthmus mit neueren Alben wie Far From The Sun oder Eclipse liegen Welten zwischen den Songs. Live schaffen es AMORPHIS dennoch, den Bogen von alten zu neuen Songs zu spannen. Auch Besetzungswechsel steckt diese Band weg, Sänger Tomi Joutsen kommt inzwischen sehr gut mit den alten Stücken zurecht. Anfangs wirkten die Finnen zwar noch etwas müde und Joutsen konnte seine verquollenen Augen kaum aufhalten, doch der Opener Leave Scar ließ aufhorchen. Es folgte Against Widows und nun waren auch alle wach. Die Band bewegte sich, suchte Kontakt um Publikum und traute sich auch mal an den Bühnenrand. Joutsen ist ein guter Frontmann mit Ausstrahlung und wenn er seine Dreadlocks durch die Luft wirbelt, auch ein beeindruckender Anblick. Es hätte sich angeboten, einen Song vom neuen Album zu spielen – doch AMORPHIS verzichteten darauf und kramten stattdessen einige Überraschungen hervor. Into Hiding, eine sehr schöne Version von Alone, Sign from the north side, The Smoke und My Kantele folgten. Tomi Joutsen ist kein Mann der großen Worte, seine Ansagen waren kurz – was aber niemanden gestört hatte, denn die Songs nahm das Publikum dankbar an, und etliche freuten sich auch über das alte Stück Magic and Mayhem von Album Tales from the thousand lakes. Nach House of Sleep war dann leider auch schon wieder ein kurzweiliger, schönen Auftritt vorbei. (andrea)

FINNTROLL
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BANG
Der richtige Sänger in der falschen Band? Mathias Vreth Lillmåns (FINNTROLL)

Was ganz besonderes waren FINNTROLL vor langer Zeit. Davon ist leider nicht mehr allzu viel übrig. Sänger Mathias Vreth Lillmåns, seit vergangenem Jahr dabei, ist ohne Zweifel ein guter Sänger und ein guter Frontmann mit beeindruckender Stimme und Charisma. Leider passt er nicht zu dem, wofür FINNTROLL einmal standen. Diese Band war in ihren Anfangstagen wirklich originell und einzigartig. Sie spielten Humppa-Metal, der sofort ins Tanzbein fuhr und für Zuckungen sorgte. Heute spielen sie Metal mit ganz wenig Humppa und haben ihre Einzigartigkeit verloren. Vorbei die Zeiten mit Fellkostümen und freakiger Bühnenshow, heute spielen sie streng nach Konvention ihr Set runter. Kein Wunder, dass mancher im Publikum seelenruhig in der ersten Reihe, direkt am Absperrgitter zum Bühnengraben, gemütlich einen großen Döner essen kann. Die Musiker, alle uniformiert in schwarze Lederröcke, haben es nicht gesehen – oder übersehen und einmal quer durch die FINNTROLL-Diskogafie ihre Songs runtergespielt. Wie gesagt, ich habe großen Respekt vor Lillmåns, er spielt nur in der falschen Band. Von einem FINNTROLL, wie ich mir ihn vorstelle und wie man sie vor einigen Jahren bewundern konnte, hat er nämlich gar nichts. (andrea)

BRAINSTORM
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BANG
BRAINSTORM-Sänger Andy B. Franck ließ nichts anbrennen.

Nachdem bis zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der Bands kostbare Spielzeit für überwiegend unnötige Intros verschwendet hatte, punkteten BRAINSTORM mit schwäbischem Kulturgut – nur um danach doch noch ein klassisches Intro folgen zu lassen. Als die Band dann schließlich loslegte, war das aber schnell vergessen. Die Power Metal-Fraktion des Publikums erwachte sogleich aus ihrem Mittagsschlaf und begrüßte das Quintett mit viel Applaus. Stilistisch wurde direkt dort weitergemacht, wo MYSTIC PROPHECY aufgehört hatten. Allerdings klangen die Lieder von BRAINSTORM ausgereifter und einen Tick griffiger. Sänger Andy B. Franck sang äußerst souverän und genoss den Auftritt in vollen Zügen. Ansonsten war es ein routinierter Auftritt, bei dem man hinterher nicht genau sagen konnte, ob die Klasse der Band oder das Fehlen von ernsthafter Konkurrenz für den positiven Gesamteindruck verantwortlich war. Auf alle Fälle waren Stimmung und Wetter ausgezeichnet, woran sich bei der nächsten Band auch nichts ändern sollte.

NAZARETH
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Auftritte von Bands wie NAZARETH gleichen oftmals einem Drahtseilakt: Alte Gassenhauer dürfen nicht fehlen, führen in vielen Fällen aber auch zu Stagnation. Da die Setlist keinen Song enthielt, der nach 1982 erschien, kamen also zumindest die Nostalgiker voll auf ihre Kosten. All jene, die nur die Hits aus dem Radio kannten, sollten ebenso wenig enttäuscht werden. Tatsächlich schaffte es die vier Musiker alle Erwartungen zu erfüllen, indem sie jede Nummer mit Leidenschaft intonierten, als wäre sie gerade erst frisch geschrieben und veröffentlicht worden. Sänger Dan McCafferty war trotz seines fortgeschrittenen Altes (150 Jahre laut Ansage) bestens bei Stimme und hatte auch sonst sichtlich Spaß am Geschehen. Gitarrist Jimmy Murrison sammelte mit seinem SLAYER-T-Shirt Sympathiepunkte bei den Anhänger der Krachfraktion, zelebrierte auf seinem Instrument jedoch die klassische Rockgitarre mit Blues-Einflüssen und ausufernden Soli. Nach dem Opener Night Woman folgten mit Razamanaz und This Flight Tonight gleich zwei der bekanntesten Stücke. Das Publikum wurde also bestens unterhalten. Neben starken Rockstücken wie Alcatraz und Hair Of The Dog gab es zwischendurch auch die Ballade Dream On, die ausgesprochen gut rüber- und ankam. Während FOREIGNER im Vorjahr komplett auf Schmusesongs verzichteten, beendeten NAZARETH ihr Set schließlich mit einer weiteren Kuschelrocknummer, nämlich Love Hurts. Am Ende war sogar noch Zeit für Morning Dew, bei dem es noch einmal etwas rockiger zuging, so dass alle Anwesenden mit dem Auftritt sehr zufrieden sein konnten.

BANG
Die Stimme von NAZARETH-Sänger Dan McCafferty hat rein gar nichts von ihrem Charme verloren.

W.A.S.P.
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BANG
Hatten ein Motivationsproblem: W.A.S.P.

Cum Tempore bedeutet, dass eine Veranstaltung eine Viertelstunde später als angekündigt beginnt. Wenn man es weiß, ist das ja auch ok. Wenn man aber 15 Minuten warten muss, bis sich Musiker bei einem Festival mit striktem Zeitrahmen auf die Bühne bequemen, ist das ärgerlich. Der Auftritt stand unter keinem guten Stern, zu spät angefangen, dann versagte die PA beim Intro The End von THE DOORS. Die Band wird sich gedacht haben: Egal, bringen wir es hinter uns. Und genau diese Einstellung lag das ganze Konzert über in der Luft. Lawless sprach wenig bis gar nicht mit dem Publikum, er kläffte die Songtitel ins Mikro und das war´s auch schon an Ansprache. On your Knees, Inside The Electric Circus, L.O.V.E. Machine, The Idol, I wanna be somebody, Chainsaw Charlie (Murders In The New Morgue) und Blind In Texas – egal welchen Song die Band spielte, motivierter wurde sie nicht. Da war zwar viel Bewegung auf der Bühne, doch alles wirklich aufgesetzt und die Band hat eben ihre Pflicht erfüllt. Wen sich Musiker nicht mal die Mühe machen, zur rechten Zeit vor dem Mikro zu stehen, damit es wenigstens so aussieht, als ob sie die Backingvocals selbst singen, sagt das schon viel. Ganz besonders der Gitarrist hatte Probleme, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. W.A.S.P. war es offenbar wurscht, dem Publikum nicht – zum Teil waren die Pfiffe lauter als der Applaus. So lassen sich W.A.S.P. nicht behandeln und deshalb machten sie auch ganz pünktlich Schluss. Reden wir nicht mehr drüber, das war einfach nichts. (andrea)

HAMMERFALL
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BANG
The Man, the Myth – not yet the Legend: Oscar Dronjak. (Joacim Cans bei der Bandvorstellung von HAMMERFALL über den Gitarristen)

Bei HAMMERFALL war schließlich kollektives Kopfschütteln angesagt. Vor der Bühne wurde eine Melodic Metal-Party gefeiert, während weiter hinten die Kritiker der Band aufstöhnten. Die fünf Musiker zelebrierten ihr Image mit einer atemberaubenden Perfektion. Bereits das von zehn Bassdrums (für jeden Buchstaben des Bandnamens eine) bestimmte Bühnenbild macht klar, wohin die Reise geht. Die Schweden stiegen mit Threshold und einem Haufen Explosionen in ihr Set ein. Vorne herrschte Party, hinten weiterhin skeptisches Kopfschütteln. Nach dem eher langweiligen Opener folgte mit dem schleppenden Templars Of Steel eine kräftetechnische Bremse, bei man allerdings sehr gut mitsingen konnte. Bei Riders On The Storm nahm die Band dann langsam Fahrt auf. Schon hier zeigte sich, dass HAMMERFALL allen Spöttern zum Trotz die einprägsamsten Lieder des Tages im Programm hatten. Die nicht immer ganz improvisierte Bühnenchoreographie erinnerte hin und wieder eher an einen Musikvideodreh als an einen Liveauftritt, doch insgesamt gab es in musikalischer Hinsicht nichts zu meckern, zumal die Band den besten Sound des Tages erwischt hatte. Renegade wurde einen kräftigen Zacken schneller als auf Platte runtergezockt und stellte für mich den Höhepunkt des Auftritts dar. Aber auch das nachfolgende Blood Bound machte Laune. Das Instrumental Reign Of The Hammer war danach reichlich überflüssig, da Gitarrist Stefan Elmgren auch so schon jedes Solo ausgiebig zum Posen nutzte. Bassist Fredrik Larsson blieb dagegen die ganze Zeit über dermaßen unauffällig, dass es mich nicht wundern würde, wenn man ihn irgendwann mal aus Versehen bei einer Pinkelpause an einer Autobahnraststätte vergisst. Das epische Glory To The Brave passte nicht besonders gut zum parallel stattfindenden romantischen Sonnenuntergang. Joacim Cans, den ich nun endlich auch einmal live erleben konnte, füllte seine Rolle – wie auf Platte – solide aus. Starke Songs brachte er gut rüber, während er bei den Hängern nicht die Kraft hatte, das Zepter an sich zu reißen. Zu meiner großen Überraschung funktionierte das neue The Fire Burns Forever live um Längen besser als auf Platte. Die Pyroflammen passten ausnahmsweise ins musikalische Bild und die Band-Publikumsinteraktion war toll. Bei Let The Hammer Fall zeigte sich einmal mehr, dass viele Fans der Band anwesend waren, während Crimson Thunder dem bis dahin sehr unterhaltsamen Gig jeglichen Schwung nahm. Nach der Bandhymne Hammerfall (mit amüsantem Fehleinsatz von Cans und Fans) war erst einmal Schluss. Die Zugaben Unnatural High (öde) und Hearts Of Fire (gut) hätte man eigentlich auch noch so ins Set packen können. Ebenso hätte der ein oder andere Uptempo-Kracher gut getan. So blieben HAMMERFALL letzten Endes kurzweilig und verhältnismäßig harmlos.

EDGUY
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Langsam wurde es dunkel in Balingen und die Spannung wuchs. Würden EDGUY einen würdigen Headliner abgeben? Wie erwartet hatte das Billing nicht so viele Leute gezogen wie in den Vorjahren. Das ließ sich aber noch problemlos als Gesundschrumpfungsprozess ansehen. Doch war die Metal-Welt schon bereit für eine Band, deren Mitglieder noch nicht einmal auf der Welt waren, als viele der früheren Headliner bereits Pionierarbeit leisteten? Die Band selbst war jedenfalls bereit. Und wie! Der treibende Opener Mysteria kam druckvoll aus den Boxen und zeigte EDGUY um einiges bissiger als auf CD. Die anschließende Begrüßung des Publikums durch Zebrafelljackenträger Tobias Sammet machte allerdings klar, dass der eigentliche Star des Abends nicht die Musik war, sondern der Frontkasper des Quintetts aus Fulda selbst. Wäre er Fußballer, würden die Kommentatoren sicherlich meinen, er habe sehr offensiv gespielt. Wäre er Radsportler, gäbe es jetzt vermutlich haufenweise Dopinggerüchte. Aber als Sänger einer Heavy Metal-Band war sein Verhalten einfach nur… würdig! Immer wieder fand er Zeit und Atem, um den größten Unsinn zu verzapfen, den das Messegelände Balingen seit, nunja, dem letzten EDGUY-Auftritt anno 2000 gehört hat, und ganz nebenbei erweckte er abgedroschene Mitsingspiele mit einer Selbstverständlichkeit zu neuem Leben, die selbst den größten Skeptiker zum Mitmachen animierte. Obwohl bereits zahlreiche talentierte und motivierte Sänger vor ihm auf der Bühne gestanden hatten, übertraf sein Elan sie alle um Längen. Egal ob er über die Bühne sprintete und dabei um ein Haar auf die Fresse fiel oder im Eifer des Gefechts sein Mikro vergaß und die rechte und linke Publikumshälfte kurzerhand rein mit Gesten und unverstärktem Brüllen zum gegenseitigen Lärmmachwettstreit anstachelte: Hellfire Tobi (so sein T-Shirt) hatte die Zeit seines Lebens und kostete jede Sekunde voll aus.

Zum Luftholen gab es zwischendurch auch immer mal wieder Musik. Neben zu erwartenden Songs wie Lavatory Love Machine und Tears Of A Mandrake gab es mit Wake Up The King auch eine kleine Überraschung. Bei The Piper Never Dies stand sogar eine Weile lang ganz klar die ergreifende Musik im Vordergrund. Denn EDGUY haben im Laufe ihrer Karriere durchaus einige exzellente Werke abgeliefert. Spätestens als Tobi danach seinem leicht verblüfften Schlagzeuger die Schuld am Ausbleiben des kommerziellen Megaerfolgs der Band gab, herrschte aber wieder eine ausgelassene Stimmung. Dass die Musiker trotz Headlinerstatus bescheiden geblieben sind, zeigte die Selbsteinschätzung in Form des Songs Superheroes. Nach einem Abstecher in die Vergangenheit (Vain Glory Opera) kündigte Sammet den Antischamhaarsong S(h)ave Me vom immer noch aktuellen Rocket Ride-Album an und meinte, auch Metaller müssten hin und wieder weinen, zum Beispiel wenn Bayern München mal wieder verloren hat. Letzteres hätte er lieber nicht gesagt, denn sofort erschollen lautstarke VfB-Chöre, die die Labertasche auf der Bühne zumindest einen Moment lang verstummen ließen. Wirklich böse konnte man ihm aber trotzdem nicht sein. Bei Save Me selbst gab es einen weiteren magischen Moment, als beim spontan eingebauten Mitsingteil die Publikumsresonanz derart laut ausfiel, dass es selbst Tobi einen Moment lang die Stimme verschlug.

Natürlich gab es Punkte, die man im Nachhinein kritisieren könnte. Sacrifice, Wake Up The King und das Schlagzeug-Solo hätte man sich sparen und stattdessen überragende Lieder wie Catch Of The Century und Babylon ins Programm aufnehmen können. Aber die können EDGUY immer noch spielen, wenn sie in ein paar Jahren wieder das BANG YOUR HEAD headlinen. 2007 war das reguläre Programm nach Fallen Angels zu Ende, was für viele etwas plötzlich kam. Die anfangs zaghaften Zugaberufe wurden aber bald lauter und die Band kehrte mit Out Of Control auf die Bühne zurück. Danach kündigte Tobi einen Song an, der nicht von EDGUY stammt. Es ist bezeichnend für die ausgelassene Stimmung des Publikums, dass jemand in die Stille hinein Abenteuerland rief. Gespielt wurde dann aber Avantasia von Sammets gleichnamigem Nebenprojekt. Den Abschluss der Show bildete King Of Fools, bei dem die Band noch einmal alles gab und glückliche Fans mit heiseren Stimme und verkrampften Lachmuskeln zurückließ. Also: EDGUY als Headliner beim BANG YOUR HEAD 2007? Gaaanz großes Kino!

BANG
EDGUY-Sänger Tobias Sammet: Die sind viel lauter als ihr! Bassist Tobias Exxel denkt sich vermutlich: Wann hört der endlich mal auf zu quasseln?

Fotos: boxhamster (außer EDGUY: Jutze)

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