VEHEMENTER NOS: Gott hat uns verlassen

Dunkler, progressiver Black Metal aus Frankreich, der scheinbar aus dem Nichts kam… Engwar gibt Auskunft zu den nicht leicht fassbaren VEHEMENTER NOS.

Praktisch aus dem Nichts heraus schienen VEHEMENTER NOS letztes Jahr aus dem französischen Black Metal-Underground zu entspringen. Diesen Sprung vollführten die Franzosen allerdings kaum überseh- beziehungsweise überhörbar. Zum einen erschien ihr Debüt Vehementer Nos gleich beim renommierten Label Osmose Productions, zum anderen zeigte das Duo, dass düstere Schwarzmetall-Kreationen, in denen auch Streicher und Flöten vorkommen, nicht gleich in die Abteilung fröhliches Lalala gehören. Somit ein guter Grund, bei Engwar vorstellig zu werden, um ein bisschen Licht in das dunkle Universum von VEHEMENTER NOS zu bringen.

Nun ja, euer Album Vehementer Nos hat mich ziemlich überrascht (natürlich im positiven Sinne), da ihr vorher nicht schon mehrere Demos veröffentlicht hattet. Wie hat die Presse auf euren doch nicht alltäglichen Black Metal reagiert? Und wie wichtig ist euch die Meinung anderer zu eurer Musik?

Danke für das Kompliment! Bis jetzt waren die Feedbacks auf unser Album sehr gut. Ich bin ziemlich überrascht darüber, dass so viele Journalisten mögen, was wir machen, weil unser Stil schon etwas speziell ist. Aber es zeigt, dass die meisten Journalisten einen guten Geschmack haben! Es ist immer interessant, die Meinung anderer Leute zum eigenen Schaffen zu hören. Wir selber sind immer sehr streng und kritisch mit uns, wenn wir Musik schreiben. Darum wissen wir auch, was wir am Ende abliefern.

Soweit ich weiß, wurde VEHEMENTER NOS im Jahr 2000 gegründet. Im Promoschreiben werden auch einige Demos erwähnt. Sind sie noch erhältlich und wie heißen sie?

Das waren nur Working Demos, die wir nie veröffentlicht haben und die deswegen auch nirgends erhältlich sind. Auf ihnen sind die Songs drauf, die auch auf dem Album sind. Einfach zu einem früheren Zeitpunkt. Die Demos sind somit kaum von Interesse.

In dem Fall gibt es also keine weiteren Songs von euch, außer den fünf Kreationen, die auf Vehementer Nos zu hören sind?

Es gibt keine weiteren Songs. Die fünf Songs, die auf dem Album drauf sind, sind die fünf Songs, an denen wir während diesen sechs Jahren gearbeitet haben. Wir haben noch einige Parts von den früheren Versionen übrig, weil wir sie rausgeschnitten haben für die Albumversion, aber es ist kein vollständiger Song übrig.

Die Musik von VEHEMENTER NOS könnte man am ehesten als progressiven Black Metal mit einigen melodiösen Parts beschreiben. Wie seid ihr darauf gekommen, bei OSMOSE PRODUCTIONS zu unterschreiben und wie seid ihr zufrieden mit der Arbeit eures Labels?

Es gibt nur sehr wenige interessante Black Metal Labels in Frankreich. OSMOSE PRODUCTIONS ist mit großem Abstand das am meisten respektierte Black Metal-Label hier. Als sie uns einen Vertrag anboten, haben wir sofort zugesagt. Ich bin sehr zufrieden mit ihrer Arbeit bis jetzt. Die Leute bei OSMOSE PRODUCTIONS arbeiten sehr professionell und sie mögen die Bands, die bei ihnen unter Vertrag sind, wirklich.

VEHEMENTER NOS ist ja ein Duo, welches aus dir und A.M. besteht. Allerdings habt ihr auf eurem Album auch einige Gastmusiker, die sich um die exotischeren Instrumente wie Violine, Cello, Kontrabass und Flöte kümmern. Wie seid ihr auf diese Gastmusiker gekommen? Sind es professionelle klassische Musiker oder sind es Metalheads, die mit diesen Instrumenten umgehen können? Und spielen diese Musiker auch in anderen Bands?

Die meisten von ihnen sind Freunde von uns. Üblicherweise spielen sie keinen Metal, aber sie haben gerne angenommen, diese Parts für uns einzuspielen. Die einzige Person, mit der ich speziell für Vehementer Nos Kontakt aufgenommen hatte, war der Cellist. Er ist auch Cellolehrer und war etwas überrascht, als er sich zum ersten Mal anhörte, wo er da mitspielen sollte. Aber ich habe ihm erklärt, was ich haben wollte und schließlich hat er diese Aufgabe großartig gemeistert. Die Gastmusiker sind alle klassische Musiker, die nicht in anderen Bands spielen, sondern in Orchestern.

Wann habt ihr euch denn dazu entschieden, mit klassischen Musikern zusammenzuarbeiten? War es von Anfang an klar, dass ihr für diese Passagen Gastmusiker engagieren würdet, anstatt die Parts selber einzuspielen oder einen elektronischen Ersatz (Sampler etc.) zu verwenden?

Es war von Anfang an klar, dass wir echte Instrumente wollten. Als wir die Songs schrieben, haben wir uns immer daran erinnert, wie diese Passagen klingen sollten, da wir ja anderen Musikern erklären mussten, wie diese Parts am Schluss klingen sollten. Wir selber können diese Instrumente nicht spielen, deswegen brauchten wir Gastmusiker.

Allerdings seid ihr ja beide Multi-Instrumentalisten, wenn man sich die Instrumentenverteilung so anschaut. Gleichzeitig braucht ihr Gastmusiker für die klassischen Parts. Spielt VEHEMENTER NOS jemals live? Sind Gigs in Planung?

Nein, wir planen keinerlei Live-Shows im Moment. Erstens wäre es sehr kompliziert, weil wir fünf oder sechs Session-Musiker mit auf Tour nehmen müssten. Zweitens bin ich mir nicht sicher darüber, ob die Musik denselben Effekt auch live entfalten würde. Unsere Musik hat viele verschiedene Stimmungen und das live zu reproduzieren würde bedeuten, unter sehr guten Bedingungen zu spielen. Es ist schwierig, solche Bedingungen als Newcomer zu bekommen. Vielleicht sieht die Zukunft anders aus, wer weiß…

Über VEHEMENTER NOS gibt es ja nur wenige Informationen. Spielt ihr auch noch in anderen Bands mit oder ward ihr früher in anderen Formationen aktiv?

Ich habe noch ein anderes Projekt namens AINULINDALE, wo wir Tolkien-inspirierte Folk Music kreieren. Das erste Album davon erschien 2004 auf TROLLMUSIC und momentan arbeite ich am Nachfolger. A.M. hat noch kein Side-Projekt am Start.

Auch sonst seid ihr nicht gerade übervertreten im Internet. Seit kurzem habt ihr eine Myspace-Site, aber keine Homepage, obwohl es euch schon seit über sechs Jahren gibt. Wie kommt es, dass ihr so wenige Informationen über eure Band mit den Fans teilt?

Ich denke, dass die Myspace-Site genügt, um das zu mitzuteilen, was wir unseren Hörern mitteilen wollen. Das einzige Wichtige ist die Musik, also wollen wir keine Zeit damit verschwenden, protzige Homepages zu machen, nur um mitzuteilen, dass wir Musik komponieren. Ich bin sicher, dass jede Person, die sich das Album angehört hat, weiß, was ich meine, wenn ich sage, dass Musik alles für uns ist. Was die Fans über uns wissen müssen, ist alles in unserer Musik enthalten.

Vehementer

Würdest du soweit gehen zu sagen, dass das Internet und Band Websites Black Metal Bands mehr Schaden zufügen als nützen (vor allem wenn man die heutige Situation mit den frühen Tagen der Szene vergleicht)?

Nein, nein, nicht wirklich. Es ist schön, wenn man sich neue Bands im Internet anhören kann. Das einzige, was ich bedauere, ist dieser Hang zum Trends machen. Es ist interessant zu sehen, wie Bands komponieren und aufnehmen. Gleichzeitig tötet es jedoch die Magie hinter der Musik und ich möchte nicht, dass VEHEMENTER NOS diese Magie verliert.

Das hat schon was. Kommen wir zum altbekannten Tipp: Gibt es französische Bands im Underground, welche du empfehlen kannst?

Ja. Ich habe einen Tipp, vor allem für diejenigen, die Französisch sprechen: ATHANOR. Eine sehr coole Band, die eine Art neo-klassischen Prog Metal macht. Man kann sie sich auf ihrer Myspace-Site anhören.

Klingt interessant. Wenn wir gerade bei anderen Bands sind und dabei berücksichtigen, dass VEHEMENTER NOS erfrischend eigenständig klingen: Welche Band hat dich ursprünglich zum Black Metal gebracht und welcher Gruppe ist es zu verdanken, dass du zum Metal gefunden hast?

Meine ersten Metal-Kontakte waren IRON MAIDEN und METALLICA. Dann kamen MEGADETH, SLAYER und MACHINE HEAD. Beim Black Metal waren es für mich EMPEROR, SATYRICON, ULVER, LIMBONIC ART und ARCTURUS. Und noch einige andere Bands, deren Namen mir gerade nicht einfallen.

Gibt es auch andere Genres, für welche du dich erwärmen kannst?

Ja selbstverständlich, es gibt viele andere Genres, welche ich mag. Zum einen natürlich klassische Musik (unter anderem Rachmaninov, Beethoven, Dvorak), dann aber auch Prog und Rock (PINK FLOYD, RADIOHEAD, MAGMA) und düsteren Folk (beispielsweise SOPOR AETERNUS), um nur einige zu nennen.

Kommen wir zurück zu eurem aktuellen Album. Die meisten Bands singen auf Englisch, das ja schon seit einigen Jahren zu einer Lingua Franca geworden ist. Ihr hingegen singt auf Französisch. Warum?

Der erste Grund, warum ich das Französische als Singsprache gewählt habe, ist, dass VEHEMENTER NOS eine französische Black Metal-Band sein sollte statt einfach eine Black Metal Band. Woher wir kommen, hat viel zu tun mit unserem Stil und es wäre Nonsens gewesen für uns, unsere Lyrics auf Englisch zu schreiben. Der zweite Grund, weswegen die Wahl aufs Französische fiel, war, weil ich ein größeres Vokabular für mich zur Verfügung haben wollte. So kann ich poetische und komplizierte Ideen besser in meinen Lyrics ausdrücken.

Nun muss ich gestehen, dass ich trotz französischem Namen und jahrelangem Französischunterricht nicht verstehe, über was ihr genau singt. Gibt es ein Konzept, welches die fünf Songs auf dem Album verbindet und um was geht es dabei?

Ja, es gibt ein übergreifendes Konzept. Es geht um die Suche nach der Macht, um den endlosen Zeitzyklus zu überwinden. Jeder Song ist ein Kapitel einer Geschichte, der erste Song ist der Prolog, der letzte der Epilog dieser Reise. Alles fängt damit an, dass Gott uns verlassen hat und ich fragte mich, was wir tun könnten, um das Zeitenrad zu zerbrechen. Zur gleichen Zeit habe ich realisiert, dass die meisten Taten, die wir vollbringen, das ultimative Ziel haben, ein Zeitzeichen zu hinterlassen. Schließlich kam ich zu folgender Frage: Kann die großartigere Tat uns genügend Macht verleihen, um die Unsterblichkeit zu erlangen?

Eine interessante Fragestellung. Eine gewisse geschichtliche Dimension hat ja auch euer Bandname. VEHEMENTER NOS bezeichnete eine päpstliche Weisung, welche ein französisches Gesetz aus dem Jahr 1905 missbilligte, welches vorschrieb, dass Staat und religiöse Institutionen getrennt sein sollten. In der heutigen Zeit ist eine solche Trennung ja vielerorts wieder aktuell, etwa wenn man sich die Geschehnisse in einigen Ländern der arabischen Welt anschaut. Wieso habt ihr diesen Bandnamen gewählt und was ist eure Meinung zur Gewaltentrennung von Staat und Kirche? Behandelt ihr in euren Texten auch religiöse Themen?

Die Trennung von Staat und Kirche war ein neuer Anfangspunkt für Frankreich als Nation. Lustigerweise ist das auch der Anfangspunkt für mein lyrisches Konzept. Dazu kommt noch, dass VEHEMENTER NOS unsere Leidenschaft bedeutet, unseren Glauben und das, wofür wir kämpfen wollen. Es gibt so viele Wörter, um unsere Verbindung zu unserer Musik zu umschreiben. Es war offensichtlich, dass dieser Name sowohl der Bandname als auch der Titel des Albums sein sollte, an dem wir arbeiteten. Die wenigen religiösen Elemente, welche in den Lyrics vorkommen, sind der Anfangspunkt der Reflektion, dass Gott uns verlassen hat. Und ja, meiner Meinung nach ist es notwendig, dass man sich sämtlicher religiöser Einflüsse entledigt und für sich selber denkt und die eigenen Überzeugungen für sich aufbaut.

Von diesem religiösen Zündstoff, Symbolen oder anderen Schockeffekten ist das Covers von Vehementer Nos ja frei. Warum habt ihr dieses eher schlichte Artwork gewählt und wer zeichnet dafür verantwortlich?

Das Artwork stammt von einem Freund von mir, mehr Informationen zu seinem Schaffen gibt es auf seiner Website. Ich erklärte ihm das Konzept und gab ihm ein Exemplar unseres Albums. Wenig später zeigte er uns sein wunderschönes Artwork, das mit fast schon flüssigen Flammen das Zeitelement in seiner Unendlichkeit repräsentiert. Allerdings hat das komplette Artwork schon gewisse Symbole integriert, aber sie sind meistens im Hintergrund versteckt. Sie alle haben ihre ganz eigene Bedeutung.

Stichwort: Zeit. Soweit ich weiß, habt ihr sechs Jahre gebraucht, um Vehementer Nos fertigzustellen. Hattet ihr von Anfang an ein so ehrgeiziges Projekt im Sinn oder hat sich das erst nach und nach ergeben? Und wie muss man sich den Songwriting-Prozess bei VEHEMENTER NOS vorstellen?

Anfangs dachten wir nicht, dass es so ehrgeizig werden würde. Wir wussten nur, dass wir etwas Persönliches aufbauten. Beim Songwriting war es meistens so, dass ich mit einer Melodie, einem Riff oder einer Struktur zur Probe kam und wir dann zusammen die Songs schrieben. Dann nahmen wir den ganzen Song oder einen Teil davon auf und ich begann damit, noch genauer an den Arrangements zu feilen. Aber das ist nur der Normalfall, wir genehmigen uns totale Freiheit beim Songwriting, von Anfang bis Ende.

Kommen wir zum Ende dieses Interviews: Wie sieht die Zukunft von VEHEMENTER NOS aus? Habt ihr schon neue Songs für das nächste Album?

Ja, ich habe bereits einige Songideen für das nächste Album, aber mit den Proben dafür werden wir wohl erst nächstes Jahr beginen. Ich möchte erst genug gute Ideen sammeln, bevor wir mit den Arbeiten an den Songstrukturen beginnen. Wir ziehen es vor, uns die Zeit zu lassen, die wir brauchen, um die bestmöglichsten Ideen zu realisieren.

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