THE BLUE SEASON: Möwenklau und Bierbestechung

Nochmals kräftig steigern konnten sich THE BLUE SEASON mit “Cold“. Zu den komplexen, zerbrechlichen Gothicmetalkompositionen, die von wabernden, Delay-entstellten cleanen Gitarren getragen werden, gesellen sich neuerdings mächtige Gitarrenriffs und eine enorme Energie, die THE BLUE SEASON zu einem einzigartigen Act in einem ansonsten von Klischees überfrachteten Genre macht. Gitarrist Jogi war diesmal an der Reihe, vampster Rede und Antwort zu stehen.

Nochmals kräftig steigern konnten sich THE BLUE SEASON mit Cold. Zu den komplexen, zerbrechlichen Gothicmetalkompositionen, die von wabernden, Delay-entstellten cleanen Gitarren getragen werden, gesellen sich neuerdings mächtige Gitarrenriffs und eine enorme Energie, die THE BLUE SEASON zu einem einzigartigen Act in einem ansonsten von Klischees überfrachteten Genre macht. Gitarrist Jogi war diesmal an der Reihe, vampster Rede und Antwort zu stehen.

Zunächst einmal würde mich interessieren, ob Dir Dein Delayeffektgerät die Trennung verziehen hat, hehe…

Trennung???

Naja, im Vergleich zu früher hast Du es viel spärlicher eingesetzt auf Cold.

Nun, ich denke, die Songs sind allgemein härter und auch rifforientierter geworden. Es hat sich einfach so ergeben, dass ich die Effekte öfter weggelassen hab´ und dafür straightere und knackigere Riffs gespielt hab´. Das passierte ganz automatisch, als wir die Songs geschrieben haben. Ich hab´ immer überlegt, was besser passt, ein fettes Riff oder schwummi-schwummi-Delay-Parts. Bei den Songs auf Cold hat es sich einfach angeboten, dass ich das Delay etwas rausnehme. Aber wer weiß, vielleicht ist auf der nächsten CD mein Gitarrenspiel wieder etwas verträumter.

Dir hat also keiner nachts das Effektboard aus dem Proberaum geklaut?

Nein, nein (lacht). Ich hätte sonst auch noch ein zweites für den Notfall! Bin da bestens ausgerüstet.

Zum Trost wurden die Gitarrenspuren mehr in den Vordergrund gemischt, oder täusch´ ich mich da?

Stimmt (lacht). Der Oli Zillich [Sänger/Keyboarder] meint manchmal scherzhaft, dass Cold meine Soloplatte wäre. Am Schluss der Platte gibt´s ja ein Gitarreninstrumental, und das Klavierzwischenspiel mittendrin hab´ ich auch eingespielt. Ziemlich viele Solos gibt´s auch auf Cold, so im Nachhinein betrachtet. Die Gitarre ist aber auch sonst sehr im Vordergrund. Beabsichtigt war das aber nicht. Secede hör´ ich immer noch gern, nur hat da halt irgendwie der letzte Kick gefehlt. Das ist bei Cold nicht der Fall, würd´ ich jetzt sagen, wo ich ein klein wenig Distanz dazu hab´. Es war meine Motivation, dafür zu sorgen, dass die Songs einfach mehr abgehen. So kamen Songs wie Release, Forever Torn und Hours and Hours zustande.

Wie siehst Du Cold insgesamt nun mit ein wenig Abstand?

Die Platte klingt in sich sehr differenziert und bleibt nicht mehr so auf einem Level, wie es noch bei Secede der Fall war. Cold ist einfach abwechslungsreicher.

Allerdings klingt die Snare etwas dünn…hat da die Zeit gedrängt im Studio?


Zum einen das, zum anderen waren wir vielleicht ein bisschen zu penibel im Studio. Christoph [Schlagzeug] hat schon sehr genaue Vorstellungen gehabt, wie sein Schlagzeug klingen soll. Er hat ewig mit unserem Produzenten Roman rumgeschraubt, doch als alles fertig war, war es dann letztlich doch nicht das, was uns alle zufriedengestellt hätte. Da fehlt ein bisschen Druck, so ein Schlag in die Magengrube.

Der neuen METALLICA wolltet ihr da also nicht nacheifern, hehe…

(Lacht) Nein, nein, das überlassen wir dem Dänen, der damit die ganze Metalwelt spaltet.

Zurück zu eurer Band. Oli und du, ihr seid ja die Hauptsongwriter. Wie unterscheiden sich eure Ideen voneinander?

Oli schreibt seine Songs auf dem Keyboard. Meistens ist das dann eine getragene Melodie oder eine Harmonie. Da kommen eher Sachen wie der Titelsong Cold raus. Hours and Hours war in der ersten Fassung auch von ihm, da war es noch ziemlich schleppend, bis wir´s mit dem Schlagzeug etwas aufgepäppelt haben. Ich schreib´ an der Gitarre hingegen eher die härteren Songs. Meistens gehe ich von einem Riff aus, das wir dann ausarbeiten. Wir arbeiten aber alle an den Ideen, es ist nicht so, dass einer in die Probe kommt mit einem Song, der schon komplett fertig ist. Wir bringen alle unseren Input mit rein.

Wieviel Gewalt ist nötig, um die anderen von deinen Songideen zu überzeugen?

Das kommt drauf an, wie viel Bier wir noch im Proberaum haben! Wenn noch ein, zwei Kästen übrig sind, stell´ ich ihnen ein paar Flaschen hin, dann sind sie meistens friedlich und akzeptieren meine Sachen (lacht). Manchmal treff´ ich mich mit dem Christoph schon vorher, um ein paar Ideen auszuarbeiten, damit wir schon mal was haben, was wir den anderen vorstellen können.

Jedoch nicht mehr eurem bisherigen Basser Höni…wieso ist er aus der Band ausgestiegen?

Er hat ernsthafte Rückenprobleme. Er erlitt einen Bandscheibenvorfall und muss seither zwei-, dreimal die Woche zum Arzt beziehungsweise zur Krankengymnastik. Das Proben war für ihn gegen Ende hin echt zu einer Tortur geworden. Daraufhin meinte er, es wäre ihm lieber, wenn wir uns einen neuen Basser holen. Das ist aber schon hart irgendwie. Er ist Gründungsmitglied und mit einigen von uns schon bei der Powermetalband BEYOND THE DARK gewesen, und jetzt steigt er aus…aber ich denke, es ist das Beste für ihn. Er muss schauen, dass er wieder fit wird.

Wie schwer ist es, jemanden bei euch zu ersetzen, nachdem ihr nun doch schon sehr lange in der gleichen Besetzung aktiv seid?

Es wird eine komische Situation sein, wenn da auf einmal jemand anderes steht und am Bass die Saiten zupft. Wenn was fehlt, was man zuvor die ganze Zeit über gewöhnt war, ist das schon seltsam.



Allerdings sah es ja auch mal eine Zeit lang so aus, als würdest Du aus der Band aussteigen…

Richtig. Der Hintergrund war, dass ich mich in einem Loch befand. Ich wollte was Neues machen, andere Wege gehen. Ich hab´ mir das dann aber noch mal überlegt und rausgefunden für mich, dass ich blöd wäre, wenn ich aus der Band aussteigen würde. Wir sind gute Freunde. Klar, dafür haben wir jetzt nicht den Megaerfolg, aber darauf kommt´s auch nicht an. Das waren nicht die Beweggründe für meine Überlegungen. Ich wollte was anderes ausprobieren, aber alles aufgeben für eine fixe Idee? Das wäre das Falsche gewesen. Deshalb hab ich dann doch beschlossen, in der Band zu bleiben.

Wie war euer Eindruck von der leider ohne Sängerin Natalie über die Bühne gegangenen CD-Releaseparty?

Vier Tage vor dem Konzert wurde sie krank und ihre Stimme war weg. Da wussten wir nicht, in welchen sauren Apfel wir beißen sollten, absagen oder ohne sie auftreten. Der Zillich war natürlich auch mordssauer, es sollte ja in seiner Kneipe stattfinden, wir hatten auch schon viel Promotion gemacht. Einfach nur zu sagen Sorry, Leute, der Gig fällt aus fanden wir auch scheiße. Also haben wir uns gesagt, wir ziehen´s einfach durch. Wir spielten also die Songs, die realisierbar waren. Bei der Probe haben wir ausgetestet, welche Songs ohne Natalie funktionieren könnten. Manches war für Oli aber auch einfach nicht singbar. Im Endeffekt waren wir schon zufrieden, wie es ablief. Es war nur total eng auf der kleinen Bühne. Ich konnte mich kaum bewegen und nicht bangen, sonst hätte ich unseren Basser von der Bühne gestoßen, dem Zillich die Gitarre ins Genick gehauen oder wäre ins Schlagzeug gefallen.

Wollt ihr den Unplugged-Teil der CD-Releaseparty noch mal bei Gelegenheit aufführen?

Wer weiß? Es hat auf alle Fälle Spass gemacht. Vielleicht, wenn wir wieder einmal in einer engen Kneipe spielen…

Auf dem Wave-Gotik-Treffen durftet ihr dieses Jahr aber auch auf eine große Bühne…

Naja, wir haben auf einer Nebenbühne gespielt. Als wir spielten, waren nicht allzu viele Leute da, aber denen hat´s gefallen. Die Stimmung war einfach toll. Anfangs war es etwas chaotisch, weil die Backline ewig nicht kam, so dass wir uns schon drauf eingestellt hatten, dass wir überhaupt nicht spielen…sondern gleich Party machen (lacht), was natürlich auch Vorteile hat. Aber irgendwann kam sie dann doch und wir durften spielen. Es war alles ein bisschen hektisch, aber wir haben´s auf die Reihe gekriegt. Es hat Riesenspaß gemacht, ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass ich auf einer Bühne jemals so sehr geschwitzt hab´. Wenn ich nach unten geschaut hab´, konnte ich sehen, wie mir die Brühe da runtertropfte!


Eine sehr ernsthafte Frage: Die Möwe, die man auf dem Cover von Cold ausmachen kann, ist die wieder aus dem Was ist was?-Buch geklaut?

Ach so, das soll eine Möwe sein? Da bin ich jetzt überfragt! Der Chris könnte dir da weiterhelfen. Ist das echt ein Vogel da drauf? Ich find´, das sieht eher aus wie ein Keil oder eine Eisblume…Keine Ahnung…Vielleicht klauen wir ja unser nächstes Cover bei Heinz Sielmann, wenn das so weiter geht (lacht). Wir wollten nicht zuletzt wegen dem Titel etwas Kaltes auf´s Cover machen, in Blau und Weiß gehalten. Daher dachte ich an eine Eisblume. Ich glaub´ nicht, dass das ein Vogel ist!

Wie blau ist dein Leben?

Ich mag blau. Die meisten Menschen mögen blau, weil es sehr beruhigend wirkt im Gegensatz zum aggressiven Rot. (Schaut sich in seinem Zimmer um) Ich hab´ ein blaues Sofa und hier eine blaue Weltkarte…na ja, die ist meistens blau, hehe…blue heißt im Slang ja auch melancholisch. Wobei wir jetzt auch nicht Mucke á la Die Welt ist scheiße und ich schieß´ mir mein Hirn raus machen…

Und als Zustand?

Dann müssten wir eher THE PISSED SEASON heißen, wenn wir ständig besoffen wären, hehe.

Wusstet ihr, dass es in St. Louis eine Bluesband namens THE BLUE SEASON gibt?

Äh, nein. Wir sind allerdings schon öfter als Bluesband angekündigt worden, als THE BLUES SESSION (lacht). Beim LKA [Club in Stuttgart] waren wir auf den Flyern tatsächlich so umbenannt worden. War dann auch nicht allzu viel los.

Abschließend musst du dich jetzt noch fünfmal entscheiden. Zuerst mal: Lieber Vorband bei MANOWAR oder Live-Auftritt bei Stefan Raab?

Puh…schwere Frage (lacht). Das sind zwei Extreme…Ich schätz´ mal, wir wären nicht MANOWAR-kompatibel. Die Zuschauer würden uns mit ihren Nietenarmbändern von der Bühne dreschen. Stefan Raab hingegen, das wär´ schon cool.

Lieber Gitarrist bei THE CURE oder bei U2?

Bei U2, da hätte ich ein schöneres Leben. Da gibt´s wahrscheinlich mehr Kohle, hehe. THE CURE, da sind eh nur noch zwei Gründungsmitglieder dabei. Wenn eine Band derart viele Besetzungswechsel hatte, ist es irgendwann nicht mehr interessant. U2 hat mich auch mehr beeinflusst als THE CURE vom Gitarrenspiel her. Es wäre für mich die größere Ehre, bei U2 mitzumischen.

Lieber kreative Freiheit bei Greyfall weiterhin oder massive Promotion und weltweiter Vertrieb bei einem großen Label?

Na gut, die Frage ist immer, wie weit unbegrenzte Freiheit geht. Die kann man auch bei einem großen Label haben, wenn es perfekt läuft. Nur ist das nicht immer gegeben. Wir können uns über Greyfall nicht beschweren. Klar, es ist ein kleines Label, aber es ist o.k.. Die Gefahr bei einem großen Label ist, dass man nur ein ganz kleiner Fisch ist.

Live oder Studio?

Live. Das Feeling, das man live hat, kann man im Studio nicht einfangen. Live ist immer so geil. Wir sind eine echte Liveband…man weiß nie vorher, was passieren wird. Im Studio braucht man viel Geduld und meistens viel Bier.

Ihr seid aus Versehen über Tage hinweg im Proberaum eingeschlossen und kommt nicht mehr raus. Mit welchem Bandmitglied würdest Du als erstes Streit anfangen?



Natalie. Sie sagt meistens direkt raus, was sie grad denkt, und das ist nicht immer von Vorteil, weder für sie noch für den Rest von der Band. Aber andererseits muss man es auch so sehen: Als Frau unter fünf Typen hat sie´s auch nicht einfach, schätze ich mal. Es gehört dazu, dass man unterschiedliche Auffassungen und Meinungen hat. Wichtig ist uns halt, demokratisch zu verfahren, es gibt keinen Bandchef bei uns.

Layout: Uwe Möllers (axiser)

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