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VAN CANTO: Break The Silence

A-Capella-Metal, die vierte. Das Songmaterial und die mitreißende Gesangsleistung sind triftige Kaufgründe. Insgesamt ist die CD ein starkes Metal-Album das mit viel Licht und wenig Schatten ein Stück weit in der Tradition alter RUNNING-WILD-Alben steht.

Der Übergang vom Underground-Tipp mit Exoten-Bonus hin zur etablierten Live-Band, die Clubs zum Kochen bringt und bei Festivals im großen Stil abräumt, verlief eher schleichend. Geholfen hat sicher der stete Fluss an neuen Alben gepaart mit zahlreichen Video-Clips auf YouTube. Mit ihrer nunmehr vierten CD werden VAN CANTO ihren Status zweifellos konsolidieren, da es einmal mehr schönen Heavy Metal zu hören gibt, der durch starke Melodien besticht. Ein Schelm ist, wer dabei zuerst an die vertretenen Cover-Versionen denkt. Dass das eigene Songmaterial keinen Vergleich scheuen braucht, zeigt schon das Eröffnungsdoppelpack If I Die In Battle und The Seller Of Souls. Der Opener beginnt verhalten, ehe die rockige Strophe Leben in die Bude bringt. Gekrönt wird der Song durch einen Uptempo-Refrain mit Ohrwurmqualitäten. Egal wie leise man hier mitsingen möchte (im öffentlichen Nahverkehr, im Plattenladen beim Probehören), am Ende schreit man aus voller Kehle mit. Hinzu kommt hier ein Gespür für eindrucksvolle Zweitstimmen, die geschickt in den Leadgesang eingewoben wurden. The Seller Of Souls ist ähnlich aufgebaut, kommt jedoch schneller auf den Punkt und ist generell geradliniger ausgefallen. Statt Intro und Mittelteilsolo bekommt man hier einen eingängigen Pre-Chorus präsentiert, der seinen Teil dazu beiträgt, das Lied zu einem klassischen Metal-Hit zu machen.

Den eigentlichen Hit des Album findet man allerdings erst gegen Ende. Neuer Wind hat mit seinem Midtempo-Groove und seinem deutschen Text das Zeug breite Hörerschichten jenseits des Metals auf die Band aufmerksam zu machen, ohne dass sich VAN CANTO dafür verbiegen müssen. Wer meint, die Band würde seit dem ersten Album dieselbe Idee immer wieder aufkochen, wird hier klar eines Besseren belehrt.

Apropos erstes Album: Speed-Metal-Passagen muss man anno 2011 mit der Lupe suchen. Auch die Rakkatakkas sind rar gesäht. Dafür gibt es vermehrt Mamamas (Sind Psychoanalytiker anwesend?) und auch zwei Ausflüge ins Repertoire der Vorgängerbands. Black Wings Of Hate erschien ursprünglich auf der Crowbar Dance-EP von FADING STARLIGHT. Entsprechend übernimmt hier Inga Scharf alleine die Hauptstimme. Der Song fällt schon alleine durch den 3/4-Takt aus dem Rahmen. Hinzu kommt ein großer Kontrast zwischen der düsteren Grundstimmung und dem hellen, klaren Lead-Gesang, der für VAN CANTO-Verhältnisse ungemein silbenreich ausfällt. Bei Spelled In Waters handelt es sich um eine Ballade, die herzlich wenig mit dem gleichnamigen Song vom Fragments Of An Exploded Heart-Album (JESTER`S FUNERAL) gemein hat. Verhaltene Klänge dominieren das Lied dermaßen, dass nur wenig davon hängen bleibt. Die Akustik-Gitarre von Marcus Siepen (BLIND GUARDIAN) trägt ihren Teil zur allgemeinen Gedankenverlorenheit bei. Lagerfeuermitsingmelodien klingen jedenfalls anders.

Ansonsten gibt es noch eine mehr (The Higher Flight) und eine weniger (Dangers In My Head) überzeugende Power-Metal-Nummer, die beide auch gut aufs Vorgängeralbum Tribe Of Force gepasst hätten. Im Bonusabteil der Erstauflage befinden sich zwei weitere Eigenkompositionen, beide sehr hörenswert. Betrayed kann man fast schon als episch bezeichnen, zumal die Band im Mittelteil Orchester-Unterstützung bekommt. Männlicher und weiblicher Gesang wechselt sich hier ebenso ab wie flotte Refrains und harte Breaks. A Storm To Come wirkt angesichts seiner Spielzeit von über neun Minuten auf den ersten Blick ebenfalls episch, wobei allerdings ein auschweifendes Intro mit inbegriffen ist. Als Soundtrack zu einer Comicgeschichte konzipiert durchläuft die Nummer viele Wendungen, wobei ich allerdings das Gefühl nicht loswerde, dass man aus den besten Passagen einen schlüssigeren Vierminütige hätte machen können.

Ein sehr guter Grund, sich das Album mitsamt Bonusmaterial umgehend zu besorgen, ist die Coverversion von Bad To The Bone. Ich befürchte ja, dass jüngere VAN CANTO-Fans nicht mit dem Original von RUNNING WILD vertraut sind, geschweige denn die ganze Banddiskographie der Hamburger Piraten-Metaller kennen (so wie ich als Ewiggestriger nichts von SABATON kenne – mehr dazu gleich). Dabei würde ich so weit gehen zu behaupten, dass Break The Silence mit viel Licht und wenig Schatten ein Stück weit in der Tradition alter RUNNING WILD-Alben steht. Schließlich war es seinerzeit (1990 plus/minus ein paar Jahre) üblich, fast im Jahresrhythmus Alben zu veröffentlichen, die starke Opener (Riding The Storm, Blazon Stone) und knackige Singles (Little Big Horn, Lead Or Gold) boten, aber meistens auch ein paar schwächere Tracks beinhalteten, wobei sich die Fans nie ganz einigen konnten, was jetzt ein Ausfall und was ein unterbewerter Albumsongs war.

Wo war ich? Ach ja, Bad To The Bone! Die Nummer sollte man möglichst laut hören, denn so kommt der Lead-Gesang von Dennis Sly Schunke am besten zur Geltung. Seine Stimme klingt beinahe zu schmutzig und leidenschaftlich wie einst die von Rock`n`Rolf. Hinzu kommen die kraftvollen Chöre im Refrain, die im Original rudimentärer klangen. Das Ganze so mitreißend, dass es mir auch nichts mehr ausmacht, dass das Schlagzeug mehr nach Jörg Michael als nach Iain Finlay klingt. (Ja, der Unterschied mag für die meisten Leute trivial sein, ich weiß. Aber es gibt Plätze im Internet, wo darüber seitenlang diskutiert wird.)

Der Vollständigkeit halber seien auch noch die anderen Cover-Versionen erwähnt: Bei Bed Of Nails (ALICE COOPER) kann man wenig falsch machen, zumal sich gerade der Refrain hervorragend für vielstimmigen Gesang eignet. Einmal mehr gibt es hier tollen Lead-Gesang zu bestaunen. Bei Primo Victoria (SABATON) verzichten VAN CANTO auf konventionelles Schlagzeug, so dass die martialischen Gesangsmelodien ausgesprochen dominant wirken. Im Endeffekt macht der Song genau dort weiter, wo Rebellion auf dem letzten Album aufhörte. Zum Schluss des regulären Albums huldigt die Band wieder einmal MANOWAR. Deren Ballade Master Of The Wind gehört zu jener Sorte genialer Musikstücke, denen so Dinge wie Wirtschaftskrisen, Ledertangas und 4-fach-Live-DVD-Boxsets nichts anhaben können. VAN CANTO präsentieren das Lied mit reichlich Klavier und weiblichem Lead-Gesang, ohne dass die ursprüngliche Stimmung dabei flöten geht. Einzig die ausufernden Klavierläufe ganz am Ende wirken etwas deplatziert, passen allerdings in ein Zeitalter, wo NIGHTWISH ein Frickelsolo ans Ende von High Hopes (PINK FLOYD) hängen.

Fazit: VAN CANTO bleiben sich auf Break The Silence selbst treu und halten über weite Strecken an ihrem A-Capella-Ansatz fest. Einmal mehr geht es dabei nicht allein um die Form. Vielmehr sind das Songmaterial und die mitreißende Gesangsleistung triftige Kaufgründe für Power-Metal-Fans im weiteren Sinne.

Veröffentlichungstermin: 21.09.2011

Spielzeit: 62:18 Min.

Line-Up:

Dennis Sly Schunke: Gesang
Inga Scharf: Gesang
Stefan Schmidt: Gesang
Ross Thompson: Gesang
Ingo Ike Sterzinger: Gesang
Bastian Emig: Schlagzeug, Klavier

Produziert von Stefan Schmidt und VAN CANTO
Label: Napalm Records

Homepage: http://www.vancanto.de

Mehr im Netz: http://www.myspace.com/vancanto

Tracklist:

1. If I Die In Battle
2. The Seller Of Souls
3. Primo Victoria (Wardrum Version) – mit Joakim Brodén (SABATON)
4. Dangers In My Soul
5. Black Wings Of Hate
6. Bed Of Nails
7. Spelled in Waters – mit Marcus Siepen (BLIND GUARDIAN)
8. Neuer Wind
9. The Higher Flight
10. Master Of The Wind
11. Betrayed (Bonustrack)
12. Bad To The Bone (Bonustrack)
13. A Storm To Come (Bonustrack) – mit Helen Vogt (FLOWING TEARS)

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