THRICE: Major/Minor

Ein unwahrscheinlich gutes, ehrliches, authentisches, erwachsenes und ernstes Rockalbum.

THRICE verfolge ich schon viele Jahre lang, und auch wenn wir eine Zeitlang nicht wirklich auf einem Nenner waren, immerhin ein Jahr nach der Veröffentlichung von Beggars rummste es gewaltig, und THRICE und ich waren wieder dicke. Weg vom Post Hardcore mit Screamo-Einfluss sind die Vier aus Kalifornien schon lange, aber erst auf Beggars manifestierte sich, zu was diese Musiker eigentlich imstande sind. Es ist schlicht als Rock zu bezeichnen, beseelt von einer tiefen Spiritualität und doch mit klassischen, griffigen Songstrukturen. Nun ist Major/Minor das erste Album in den letzten Jahren von THRICE, das keinen signifikanten Stilwechsel darstellt, oder gar eine Übergangsstellung zwischen den verschiedenen Stilen aufzeigt. Major/Minor ist vielleicht härter als Beggars, die Grundausrichtung ist jedoch gleich.

Ein paar Einflüsse aus Americana und Mathcore werden auf THRICEs sechstem Studioalbum verbunden, was insgesamt gesehen ein wenig grungy klingt, der Band aber unverschämt gut steht. Und auch wenn nicht alle Songs auf dem Zenith dessen sind, was THRICE können, der Rest ist dafür umso besser. Der Opener Yellow Belly, Cataracts und das etwas grobe Listen Through Me sind unspektakuläre Rocknummern, die nicht wirklich hängen bleiben. Dafür tobt sich die Band um Dustin Kensrue beim Rest umso mehr aus. Promises ist recht heavy und bleibt sofort hängen, Blur ist das heftigste Stück der Band seit Ewigkeiten, hat aber einen recht melancholischen Mittelteil, der unter die Haut geht. Blinded gräbt sich durch seine Riffs und den Gesang in Hirn und verankert sich dort augenblicklich, Treading Paper beweist, dass THRICE auch mit souligen Einflüssen zurecht kommen und Anthology klingt sogar ein wenig lebensbejahend.

Es ist aber wie immer. Wenn es ruhiger wird, wenn THRICE, die eh niemals für große Spaßmusik standen, nachdenklich und melancholisch werden, dann wird es wirklich relevant, dann trumpfen sie mit alttestamentarischer Schwere auf. Major/Minor hat trotz diverser Familientragödien während der Schaffensphase relativ wenig solche Momente parat, dafür sind diese umso intensiver. Call It In The Air beginnt mit wundervoller Gitarrenarbeit, einem schön erdigen Groove und dem unvergleichlichem Gesang Kensrues, steigert sich und fängt sich trotz einiger recht grober Ausbrüche wieder zu einem wundervollen Finale. Das abschließende Disarmed bleibt ruhig und bedächtig, spendet nach diesem oftmals bedrückenden Album Trost. Mit Words In The Water stechen THRICE mitten ins Herz, vereinen alles, was sie auszeichnen und sorgen bisweilen dafür, dass während des heimlichen Mitsingens die Augen feucht werden. Das mit Abstand beste Stück des Albums, eindeutig.

THRICE haben nach weit über zehn Jahren ihres Bestehens etwas geschafft, das heutzutage nur noch wenige Formationen erreichen können: man hört der Band an, dass sie sich blind kennen und vertrauen, sie sind eine Einheit, zusammen verwachsen. Jeder leistet einen wichtigen Teil, es ist nicht nur Dustin Kensrue an Gitarre und Gesang, der im Fokus des Hörers steht. Instrumental gibt es großes Kino zu hören, von noisigem Rock bis hin zu melancholischem Americana meistern THRICE alles. Aber dennoch ist Kensrues Gesang ein wirklicher Hinhörer, vor allem, wenn er mit seiner rauen, sanften Stimme die ruhigen Stücke und schweren Texte wiedergibt – hier kommen sogar Atheisten ins Nachdenken und finden Trost.

Daneben ist auf Major/Minor eine unwahrscheinlich gute Produktion zu hören, die vielleicht ein wenig dumpf, aber umso mehr live und organisch ist, bei der das Schlagzeug wunderbar voluminös und direkt klingt und der Bass einen originellen, warmen Klang besitzt. Die Gitarren gehen in den lauten Stellen schon fast unter, was den Hörer dazu ermahnt, immer wieder und wieder ganz genau zuzuhören. Alles in allem ist THRICE auch trotz einiger weniger gelungener Songs ein unwahrscheinlich gutes, ehrliches, authentisches, erwachsenes und ernstes Album gelungen. Einfach etwas echtes. Etwas, das gut tut.

Veröffentlichungstermin: 23. September 2011

Spielzeit: 48:50 Min.

Line-Up:

Dustin Kensrue
Teppei Teranishi
Ed Beckenbridge
Riley Beckenbridge

Produziert von Dave Schiffman
Label: Vagrant Records

Homepage: http://www.thrice.net

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/officialthrice

Tracklist:

1. Yellow Belly
2. Promises
3. Blinded
4. Cataracts
5. Call It In The Air
6. Treading Paper
7. Blur
8. Words In The Water
9. Listen Through Me
10. Anthology
11. Disarmed

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