STRIGOI: Viscera

Wenn eine Band derzeit ihrem Namen gerecht wird, dann sind das STRIGOI. Das neue Album „Viscera“ ist wie ein Nachtalb, ein Vampir, ein Wiedergänger, der auf deiner Brust sitzt, dir die Luft abschnürt und das Blut aus dir saugt. Jeder Widerstand ist sinnlos, der kleine, hässliche Bastard aus Death Metal und Doom Metal hat eine dermaßen hypnotische Ausstrahlung, dass man sich gar nicht wehren will. Immer tiefer zieht er dich in den finsteren Abgrund und verschluckt nebenbei jeden noch so schwachen Lichtschein.

Hinab in die tiefsten Tiefen der Hölle – STRIGOI machen den Weg frei

War das erste STRIGOI-Album „Abandon All Faith“ noch geprägt von wüsten Death Metal und aggressivem Crust Punk, so ist der Nachfolger „Viscera“ nur düsterer und schwärzer, hoffnungsloser und resignierter. Hier und da gibt’s ein paar schnellere Parts, etwa in “Hollow”, “Naplam Frost”, die an die Zeiten erinnern, als es völlig nebensächlich war, ob man Punk, Grindcore, Death oder Black Metal mochte, denn es waren alle gleichermaßen angepisst.

Will man “Viscera” in die Diskografie STRIGOIs einordnen, sollte man auch einen Blick auf die Vorgängerband werfen: Mit seinem neuen Bandprojekt VALLENFYRE wollte PARADISE LOST-Gitarrist Greg Macintosh im Jahr 2011 den Tod seines Vaters verarbeiten. Es wurden schließlich drei Alben, die beiden letzten, „Splinters“ (2014) und „Fear Those Who Fear Him“ (2017), kann man schlicht als brillant bezeichnen. 2019 entstiegen STRIGOI aus VALLENFYREs Grab – Greg Macintosh sah keine Möglichkeit mehr, VALLENFYRE weiterzuentwickeln. Er wähnte sich in einer kreativen Sackgasse.  “STRIGOI lebt von Schauermomenten, subtilen Klängen von Industrial und sogar Black Metal”, sagte er 2019 über sein neues Projekt. Die neue Band ist düsterer, die Songs des Debüts „Abandon All Faith“ beklemmender. Mit dem zweiten Album „Viscera“ steigen STRIGOI weiter hinab in die Kreise der Hölle. Aus Trauerbewältigung wurde allgegenwärtiger Horror und unaufhörlicher Schrecken – kombiniert mit der Faszination für das Dunkle, Unberechenbare, Verborgene.

“Viscera” kehrt das Innerste nach Außen  – ganz langsam und ohne Betäubung

„An Ocean Of Blood“ verbindet flirrende Black Metal-Gitarren, ein typisches Greg-Mackintosh-Signature-Lead mit einem sägenden und fast schon unverschämt simplen und stumpfen Riff – diese Kontraste machen den Song zu einem der Highlights des Albums. Bestens in Szene gesetzt ist alles von Produzent Jamie Gomez, Kurt Ballou, der sich um den Mix kümmerte und Brad Boatright, der das Mastering übernommen hat: Mit schwarzer Magie haben sie STRIGOI einen unverkennbaren Sound gezaubert, der alles wegdrückt und gleichzeitig so scharfe Kanten wie Glasscherben hat.

An “Hollow” lässt sich vielleicht am besten beschreiben, was dieses Album so besonders macht: die Dynamik, mit der hier ein Intro aus schaurigen Beschwörungsgesängen, Posaunen und einer einzelnen Gitarre in einen schleppenden und gleichzeitig gnadenlos vorwärtstreibenden Song inkl. Blastbeat mündet. Das Wechselspiel zwischen fiesen, supersimplen Riffs und ganz, ganz sparsam eingesetzten Synths und die perfekt ausgearbeiteten Vocals. Da ist kein Ton zu viel, aber auch keiner zu wenig. Es klingt widersprüchlich, doch die massiven Songs sind luftig und durchlässig genug, um mit Millisekunden Stille die Wirkung einzelner Parts noch zu verstärken: Ganz kurz vor dem Ersticken kann man noch einmal Luft schnappen – doch dann werden ganz langsam die Eingeweide (“Viscera”) aus dem Körper gezogen, mit einem rostigen, stumpfen Haken versteht sich.

Es scheint, als ob Greg Mackintosh mit Chris Casket (VALLENFYRE) jemanden gefunden hat, mit dem er ein weiteres Mal ein ganz großes Album schreiben kann. Hat er ja schonmal gemacht, damals hieß der Counterpart Chris Holmes – die Bedeutung der ersten PARADISE LOST-Alben dürfte hinlänglich bekannt sein. “Viscera” sollte man jetzt anhören und vielleicht in ein paar Jahren nochmal, wenn Macintosh nochmal Geschichte geschrieben hat.

Spielzeit: 46:32

Label: Seasons Of Mist

VÖ: 30. September 2022

Recording Studio: Oregon Studios
Producer/Sound engineer: Jamie Gomez and Strigoi
Mixing studio/engineer: Kurt Ballou – Godcity Studios
Mastering studio/engineer: Brad Boatright – Audiosiege

Recording line-up:
Greg Mackintosh: Vocals and Guitar
Chris Casket: Bass
Guido Zima: Drums
Ben Ash: Guitar

STRIGOI “Viscera” Tracklist

01. United in Viscera (06:44)
02. King of All Terror (02:38) (Video bei YouTube)
03. An Ocean of Blood (04:13) (Video bei YouTube)
04. Napalm Frost (02:26)
05. Hollow (06:20) (Video bei YouTube)
06. A Begotten Son (03:51)
07. Bathed in a Black Sun (04:19)
08. Byzantine Tragedy (05:28)
09. Redeemer (02:38)
10. Iron Lung (07:55)

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