SENTENCED: The Funeral Album

Eine richtige Enttäuschung ist "The Funeral Album" eigentlich nicht geworden, dennoch lässt der auf CD gepresste Trauerzug im Gegensatz zu allen Vorgängeralben nicht gerade das Blut in den Adern, sondern eher die Freudentränen in den Augen gefrieren!

Schluss, aus und vorbei: Nachdem sie über einen Zeitraum von knapp 15 Jahren mit einer schier unmenschlichen Portion Ironie alle denkbaren Suizid-Möglichkeiten besungen haben, setzen Finnlands Vorzeige-Melancholiker SENTENCED nun mit The Funeral Album tatsächlich zum eigenhändigen Kopfschuss an. Bereits im letzten Jahr kursierten die Gerüchte, dass das kommende Album das letzte Lebenszeichen der Band um Goldkehlchen Ville Laihiala sein würde und abgesehen von der großen Verwunderung und Enttäuschung über diese Entscheidung war man in den letzten Monaten doch recht erpicht darauf gewesen, ob sich die Helden noch einmal zu einem finalen Paukenschlag aufraffen würden, zumal der Vorgänger The Cold White Light vor wenigen Jahren auf beeindruckende Weise aufzeigen konnte, dass in dieser Truppe noch großes Potenzial steckt…

Eines vorweg: Eine zweite The Cold White Light ist den fünf Berufsalkoholikern mit dem neuen Album leider nicht gelungen und die Band scheint anno 2005 auch nicht mehr in der Lage zu sein, Ausnahmesongs wie Nepenthe oder No One There zu schreiben. The Funeral Album sollte eher als musikalischer Rundumschlag, oder besser: als eine Art streng komprimierte Zusammenfassung aller bisherigen Alben verstanden werden. So fühlt man sich beim groovigen Opener May Today Become the Day zumindest in instrumentaler Hinsicht in alte Amok-Zeiten zurückversetzt, erinnert sich beim mitten in die Tracklist gepackten Black Metal-Instrumental (!) Where Waters Fall Frozen breit grinsend an das knüppelharte Debütalbum und schaut mit Ever-Frost ziemlich penetrant auf das erwähnte Vorgängeralbum zurück. Allen Fans der Band wird also mehr als genug geboten, könnte man meinen, doch das ganz entscheidende Problem von The Funeral Album erschließt sich vor allem dann, wenn man Vergleiche zu den allesamt erhabenen Vorgängern anstrebt. Auch der neue SENTENCED-Streich ist unumstritten ein durchhörbares Album geworden und kann, ähnlich wie auch alle früheren Werke, beim besten Willen keinen schlechten Song aufweisen. Da das Album als akustischer Abschiedsbrief geplant war, ist es ebenfalls verzeilich, dass die sonst immer sehr entwicklungsfreudige Truppe bis auf das Mundharmonika-Intro von Despair-Ridden Hearts (mein persönliches Highlight der CD!) und den Kinderchor beim (aller)letzten Song End of the Road keine wirklichen Neuerungen zu bieten hat. Trotzdem scheint die Band – sei es aus Ideenmangel, sei es aus unbeabsichtigter Lustlosigkeit – dieses Mal keine Übersongs geschaffen und ganz nebenbei die wichtigsten Chararistika einer SENTENCED-CD schlichtweg vergessen zu haben: Es fehlen einfach die schaurigen Gänsehaut-Momente, die dem geneigten Fan bei früheren Geniestreichen wie The Rain Comes Falling Down (Frozen) oder dem Down-Klassiker Sun Won´t Shine vor allem bei Live-Auftritten die Tränen nur so in die Augen trieben, sowie die humorvollen Textzeilen, die The Suicider und Excuse Me While I Kill Myself zu Genre-Klassikern machten und in jeder auch noch so misslichen Lebensituation dazu in der Lage sind, eine erfrischende, ja eine ermutigende Wirkung entfalten und alle persönlichen Sorgen einfach begraben zu können.

Begraben wird auf The Funeral Album jedenfalls nur eines, und zwar die Band selbst. Der auf CD gepresste Trauerzug wird zwar zahlreiche ergriffene Anhänger finden können, tritt jedoch scheinbar missmutig genau die Pfade aus, die SENTENCED auf ihren Frühwerken mit schier müheloser Perfektion angelegt haben. Geradezu ironiefrei wirkt der äußerst treffend betitelte Song A Long Way to Nowhere und Consider Us Dead könnte man fast schon als eine Aufforderung an die Fans verstehen, nicht allzu sehr um den Split zu trauern. Dennoch kann ich nach einigen endlosen Wochen des Schönhörens schlussendlich nicht leugnen, dass SENTENCED auf The Funeral Album trotz allem eine angemessene eigene Totenmesse zelebrieren und in ihrem musikalischen Abschiedsbrief zumindest keine schwerwiegenden Formfehler eingebaut haben – wären Ville und Co. jedoch bereits auf dem schaurig-schönen Vorgängeralbum am End of the Road angekommen, so wären mit Sicherheit wesentlich mehr Abschiedstränen vergossen worden!

Veröffentlichungstermin: 30.05.2005

Spielzeit: 49:55 Min.

Line-Up:
Ville Laihiala – vocals

Sami Lopakka – guitars

Miika Tenkula – guitars

Sami Kukkohovi – bass

Vesa Ranta – drums

Produziert von Hiili Hiilesmaa
Label: Century Media Records

Homepage: http://www.sentenced.org

Tracklist:
01. May Today Become the Day

02. Ever-Frost

03. We Are But Falling Leaves

04. Her Last 5 Minutes

05. Where Waters Fall Frozen

06. Despair-Ridden Hearts

07. Vengeance Is Mine

08. A Long Way To Nowhere

09. Consider Us Dead

10. Lower the Flags

11. Drain Me

12. Karu

13. End of the Road

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