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SELBST: Relatos De Angustia

Nicht-deutschsprachige Black Metal-Bands mit deutschem Namen lassen oftmals nichts Gutes erwarten, BLUT AUS NORD selbstverständlich ausgenommen. Auch wenn sie politisch unbedenklich sind, in der Regel geht es musikalisch gewaltig schief, und dann kommt noch das Fremdschämen hinzu. SELBST lassen dank ihrem Namen an Depressive Black Metal denken, überraschen aber mit einem wirklich starken Album, das vieles von dem vereint, was im zeitgenössischen Black Metal für Begeisterung sorgt. Statt stumpf von Selbstverstümmelung oder Orgien mit Satan zu träumen, punkten sie mit höchstem kompositorischen und spielerischem Niveau, soghafter Atmosphäre und jeder Menge Power.

Das SELBST, wie C.G Jung es definiert hat, beinhaltet sowohl das Bewusstsein als auch das Unterbewusstsein. Mit „Relatos De Angustia“ zielt die Band aus Chile eindeutig auf die Abgründe in Letzterem ab. So beklemmend, wie der Titel es vermuten lässt, ist die Musik dann auch. SELBST strotzen vor Energie und Kreativität, auch wenn es zunächst so aussehen mag, dass sie schlicht MGLA-Kopisten sind. Doch es gibt einige deutliche Unterschiede zu der kontroversen polnischen Band: Die Stücke von SELBST sind weitschweifiger, komplexer und schwerer zu greifen.

Exzellentes Songwriting und packende Darbietung: SELBST begeistern mit ihren Songs

So entstehen exzellente Songs, bei denen SELBST stets aus dem Vollen schöpfen, immer ist das komplette Spektrum geboten. „The Depths Of Selfishness“ verbindet melancholische Melodien mit dissonanten Riffs und garstiger Raserei. „Silent Soul Throes“ beeindruckt mit einem episch-bitteren Finale. „Sculpting The Dirtiness Of Its Existence“ beginnt langsam und atmosphärisch und endet in einer furiosen Klimax. Am Ende steht das monolithisch-schleppende „Let The Pain Run Through“, das keine Geschwindigkeitsausbrüche bietet, aber das Album mit ein Chor sehr atmosphärisch und finster abschließt. Der Hit von „Relatos De Angustia“ ist aber „The Weight Of Breathing“, das in sechseinhalb Minuten mit spielerischer Leichtigkeit alle Facetten des Albums ausgezeichnet repräsentiert.

„Relatos De Angustia“ ist ein expressionistisches, impulsives Album. Daher erzielt es zuerst im Unbewussten einen Volltreffer, dann in der Ratio, sprich, es begeistert schon beim ersten Hören, wenn man noch gar nicht weiß, was los ist. Bandchef N. steckt hörbar viel kompositorischen Aufwand in die Musik, und vielleicht sorgt auch das südamerikanische Temperament dafür, dass SELBST so mitreißen. Die Gitarrenarbeit beschränkt sich nicht nur auf das Riffing, besonderen Wert legt der Komponist immer wieder auf erstklassige Leadgitarren und Soli. Hier kann der Gesang nicht ganz mithalten, das Growling klingt gut und fies, ist aber etwas eintönig. Das Drumming ist kraftvoll und versiert und wird durch den Mix sehr organisch in dreckigen Gesamtsound eingebunden.

Mit „Relatos De Angustia“ ist SELBST der Black Metal-Geheimtipp anno 2020

Schon mit ihrem Debütalbum hat dieses Projekt aufhorchen lassen, somit haben SELBST mit ihrem Zweitwerk den erwarteten Volltreffer gelandet. Wer die technische Finesse von MGLA, die kompositorischen Fähigkeiten von UADA und die boshafte Energie von MISTHYRMING mag, kommt um dieses Album nicht herum. Scheiß auf deutsche Bandnamen bei Black Metal-Bands, dieses Album ist nichts als beeindruckend. Neben „En Ergô Einai“ von AARA ist SELBST mit „Relatos De Angustia“ vielleicht DER Geheimtipp im Black Metal anno 2020 gelungen.

Wertung: 6 von 7 Psychosen

VÖ: 7. August 2020

Spielzeit: 41:35

Line-Up

N. – Guitars, Bass, Vocals
Nebiros Sad – Session Drums

Label: Debemur Morti Productions

„Relatos De Angustia“ Tracklist:

  1. Praeludium
  2. Deafening Wailing Of The Desperate Ones
  3. The Depths Of Selfishness (Official Audio)
  4. Silent Soul Throes
  5. The Weight Of Breathing (Official Audio)
  6. Sculpting The Dirtiness Of Its Existence
  7. Let The Pain Run Through

Mehr im Netz:

https://selbst.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/selbstbm

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