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SELBST: Despondency Chord Progressions

Die Hölle, das sind wir SELBST: „Despondency Chord Progressions“ ist ein intensives, klaustrophobisches Black Metal-Album.

Wir müssen über dieses Cover sprechen. Nicht, weil es anstößig und provokativ ist, sondern, weil es perfekt passt, in all seiner Hässlichkeit. Weil es das Gefühl wiedergibt, das Menschen mit Selbstzweifeln, Angststörungen und chronischen Depressionen kennen. Das Gefühl als Wesen falsch zu sein, seit der Geburt nicht zu genügen, dass die Mitmenschen besser sind, dass man eh verliert, dass man sich nicht mit Anderen abgeben sollte, weil das Schlechte auf sie überspringt. Wer selbst solche Gedankenspiralen kennt, kann vermutlich an dieses Artwork andocken, an den Titel „Despondency Chord Progressions“ natürlich die Musik. SELBST befinden sich auf einer kathartischen Höllenfahrt und nehmen die Hörer*innen mit.

SELBST schreiben Musik, die die inneren Dämonen greifbar werden lässt: „Despondency Chord Progressions“ wirft die Hörer*innen in den Abgrund.

Die chilenische Black Metal-Band SELBST hat bereits auf ihrem vergangenen Album „Relatos De Angustia“ schonungslos die inneren Abgründe von Mastermind N offengelegt und sich damit vom Gros der sogenannten DSBM-Bands abgehoben. Der Titel des dritten Albums „Despondency Chord Progressions“ trifft den Nagel auf den Kopf. Die abyssale Welt der Negativität bekommt Raum, und nur weil SELBST so authentisch sind, erzeugt die Musik derartige Energie. Depression und Mutlosigkeit sind die größten Feinde der Energie, insofern entstanden diese sieben Songs durch Reibung – einem verzweifelten Versuch gleich, das Schlechte auszutreiben.

Die Musik bricht geradezu heraus. Dissonante Riffs, komplexe Arrangements, unerwartete Wendungen, impulsives, tightes Drumming und mitreißende Vocals erzeugen ein Album, das eben nicht bequem ist, sondern immer wieder den Boden unter den Füßen wegzieht, nachdem es kurz Harmonie vorgetäuscht hat. Der Opener „La encarnación de todos los miedos“, „Third World Wretchedness“ und „Chant Of Self Confrontation“ sind aggressiv, brutal und haben dennoch zwischendurch tieftraurige, harmonische Momente, die sich erst nach und nach herausschälen – diese Songs rauben den Atem.

Impulsiv und doch sorgfältig: SELBST rauben mit den komplex strukturierten Songs auf „Despondency Chord Progressions“ den Atem.

In den rasenden Momenten leben SELBST die Impulsivität aus, das Songwriting ist aber keineswegs schludrig, sondern sehr sorgfältig. „When True Loneliness Is Experienced“ und „The One Who Blackens Everything“ nutzen ihre Spielzeit von jeweils rund acht Minuten und spielen geschickt mit Dynamik. Cleane Gitarren und Vocals lassen SELBST verletzlich wirken und tragen die Songs in intensive Regionen, werfen die Rezipienten hin und her, als würde man in einer Nussschale gegen den größten Sturm kämpfen. Mit „Between Seclusion And Obsession“ wird das auf das nächste Level gehoben. Der Song fußt auf Akustikgitarren mit lateinamerikanischem Flair und zeigt N als technisch vielleicht nicht perfekten Sänger, die Trauer und Verzweiflung sind aber spürbar. Das Stück fließt über in das abschließende „The Stench Of A Dead Spirit“, das anfangs noch furios aggressiv unterwegs ist und am Ende ins hoffnungslose Nichts driftet.

„Despondency Chord Progressions“ ist definitiv kein Album, das Spaß macht, aber es geht unter die Haut. Die packende Performance von N, das energische, punktgenaue Drumming von Gastmusiker Jonathan Heredia (AVERSIO HUMANITATIS), der differenzierte, voluminöse Mix aus dem Empty Hall-Studio und natürlich dieses Cover – all das erzeugt ein Gefühl der Klaustrophobie im eigenen Körper. SELBST waren schon immer eine intensive Band, aber „Despondency Chord Progressions“ ist nochmal eine andere Nummer. Wer zeitgemäßen, dissonanten und originellen Black Metal voller Energie und mit einer echten Gravitas hören will, sollte diesem Album unbedingt eine Chance geben.

Wertung: 6 von 7 Flagellationen

VÖ: 19. April 2024

Spielzeit: 43:56

Line-Up:
N – Vocals, Lyrics, Songwriting, Guitars, Bass
Jonathan Heredia – Session Drums

Label: Debemur Morti Productions

SELBST „Despondency Chord Progressions“ Tracklist:

1. La encarnación de todos los miedos
2. When True Loneliness Is Experienced (Official Audio bei YouTube)
3. Third World Wretchedness
4. Chant Of Self Confrontation (Official Video bei YouTube)
5. The One Who Blackens Everything
6. Between Seclusion And Obsession
7. The Stench Of A Dead Spirit

Mehr im Netz:

https://selbst.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/selbstbm/
https://www.instagram.com/selbstofficial

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