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MARATHONMANN: Maniac

MARATHONMANN wagen auf “Maniac” eine musikalische Kurskorrektur: Der Geist der 80er durchzieht den Synth Rock, welcher uns zeigt, dass sich Vergangenheit und Gegenwart durchaus gut ergänzen können.

Nicht erst MEAT LOAF erkannte seinerzeit, welchen Effekt vergangene Erlebnisse auf unser Hier und Jetzt haben können. „Objects in the rear view mirror may appear closer than they are.“, hieß es da: Einschneidende Erfahrungen begleiten uns manchmal ein Leben lang, mögen sie noch so viele Dekaden zurückliegen. Eine Beobachtung, die auch MARATHONMANN alles andere als fremd ist, zieht sich der Blick zurück doch wie ein roter Faden durch die Diskografie der Münchner Band. Melancholisch, emotional, menschlich lässt sich der Backkatalog wohl am besten umschreiben, obwohl das Quartett mit seinem (Post-)Punk Rock keineswegs um laute Töne verlegen ist.

Diesen Kern, die Quintessenz, bewahren sich die Musiker auch auf „Maniac“, das eben viele der alten Tugenden beibehält und sich doch komplett neu erfindet. Schwermut und Melancholie sind somit keineswegs vom Tisch, wir betrachten sie jedoch aus einem gänzlich unerwarteten Blickwinkel. In der Tat wagen MARATHONMANN mit ihrem fünften Album eine Art persönliche Rückschau: Die eigene Jugend mitsamt all ihrer prägenden Einflüsse hinterlässt ihr Spuren – und mit ihr wohl auch der unausgesprochene Wunsch, noch einmal dahin zurückzukehren.

MARATHONMANN verschmelzen Stilmittel der 80er mit ihrer eigenen DNA

Dass Nostalgie eine der treibenden Kräfte der Platte ist, ist derweil kaum zu überhören. Als Kinder der 80er transportieren uns MARATHONMANN folglich genau dorthin zurück, wo neben Spandex und Neonfarben eben auch die Musik ganz eigenen Maßstäben unterlag. Im konkreten Fall bedeutet das zeitgenössische Drum- und Synthesizer-Sounds, welche letztlich auch das stilistische Rückgrat der musikalischen Neuerfindung MARATHONMANNs bilden. Den Punk Rock gibt die Formation in der Folge weitgehend auf, ohne aber die eigene Handschrift komplett über Bord zu werfen.

„Maniac“ ist somit weniger ein verklärter Versuch à la NESTOR, die Erinnerung an vergangene Zeiten möglichst authentisch nachzubilden, denn eine Fusion der eigenen DNA mit Stilmitteln jener Ära. Das bedeutet konsequenterweise, dass die Band selbst ohne Gitarrenwände und kratzige Vocals in der Lage ist, packende Rock-Nummern aus dem Ärmel zu schütteln. Ist der eröffnende Titeltrack mit seinem langsamen Aufbau noch zwischen Intro sowie reinrassigem Song einzuordnen, läutet das flotte „Feuer“ im Anschluss die neue Ära mit treibendem Riffing und schmissigem Refrain gebührend ein. Im ähnlich energiegeladenen „Auryn“ übernehmen kurz darauf bereits die Synthesizer die Führungsrolle, während klassisches MARATHONMANN-Songwriting und ein starkes Saxofon-Solo den anfänglichen Schock schnell überwinden lassen.

Die musikalische Neuausrichtung von “Maniac” kommt nicht komplett ohne Vorwarnung

Dabei kommt der Stilbruch nicht komplett ohne Vorwarnung: Bereits auf dem Vorgängerwerk „Die Angst sitzt neben dir“ (2019) schlichen sich beispielsweise in „22 Meter Sicherheitsabstand“ ähnliche Anleihen ein. Nichtsdestotrotz ist der Umbruch spürbar und nicht immer ohne Weiteres zu verdauen, wenn beispielsweise das repetitiv angelegte „Du bist die Nacht“ mit einem Auge in Richtung Tanzfläche schielt. Dass hier oder im getragenen „Clock Tower“ ob der vielschichten Synth-Landschaften sogar die Gitarre zwischenzeitlich auf dem Abstellgleis landet, wäre früher kaum vorstellbar gewesen.

Die gute Nachricht: Die ruhigeren Töne gehen auch auf „Maniac“ stets unter die Haut, indem Sänger Michi etwa im reduzierten „Haze“ mit emotional gebrochener Stimme seiner Sehnsucht Luft verschafft. An anderer Stelle ist es genau diese latente Melancholie, welche das Pathos von „1985“ so glaubhaft macht – obwohl MARATHONMANN hier ganz ungeniert am Rande zum Schlager balancieren.

MARATHONMANN zeigen auf “Maniac”, dass sich Vergangenheit und Gegenwart durchaus gut ergänzen können

Das Songwriting ist somit alles andere als festgefahren, versprüht im lockerleichten „Alone In The Dark“ gar ungenierte Lebensfreude, während Gitarrist Basti „Can’t Stop“ der RED HOT CHILI PEPPERS frei zitiert. Dennoch bleiben auch wir Gewohnheitstiere, die ihre Komfortzone schätzen: Das eingängige „Tie Fighter“ an der Seite von MAFFAI-Sänger Mike und die berührende Synth-Rock-Nummer „Einraumleben“ sind nur zwei der Stücke, die trotz Keyboard-Arrangements so klingen, als wären sie womöglich noch mit klassischer Rockbesetzung im Hinterkopf konzipiert worden.

Hier treffen Vergangenheit sowie Gegenwart besonders deutlich aufeinander und zeigen gleichzeitig, wie gut sich beide Phasen ergänzen können, wenn nicht gerade im Refrain „Almanach“ etwas abgedroschene Deutschrock-Klischees bedient werden. Dass wir die punkigen MARATHONMANN trotz allem ein bisschen vermissen werden, spricht am Ende des Tages aber nicht gegen den gelungenen Umbruch „Maniac“, sondern allein für die Band. Zumal deren raue wie rockige Seite ja nicht aus der Welt verschwunden ist und uns selbstverständlich weiterhin begleiten wird – wir müssen dafür ja nur einen kurzen Blick in den Rückspiegel werfen.

Veröffentlichungstermin: 19.05.2023

Spielzeit: 42:10

Line-Up

Michael Lettner – Vocals, Bass
Bastian Scholl – Gitarre
Leo Heinz – Synthesizer, Gitarre
Johannes Scheer – Schlagzeug

Produziert von Beray Habip und David Maria Trapp (Mastering)

Label: Redfield Records

Homepage: https://www.marathonmannband.de
Facebook: https://www.facebook.com/marathonmannband

MARATHONMANN “Maniac” Tracklist

  1. Maniac
  2. Feuer
  3. Auryn (Video bei YouTube)
  4. Diamant (Video bei YouTube)
  5. 1985 (Video bei YouTube)
  6. Einraumleben
  7. Du bist die Nacht (Video bei YouTube)
  8. Clock Tower
  9. Alone in the Dark (mit Lana von KOCHKRAFT DURCH KMA)
  10. Tie Fighter (mit Mike von MAFFAI) (Audio bei YouTube)
  11. Haze
  12. Almanach
  13. The Void
  14. Out Run

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