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FATES WARNING: Long Day Good Night

Soll es das wirklich gewesen sein? Im Hause FATES WARNING stehen die Zeichen wohl auf Abschied – “Long Day Good Night” wäre ein mehr als würdiger Schwanengesang

1984 veröffentlichten FATES WARNING ihr Debüt “Night On Bröcken”. Mit den folgenden Alben “The Spectre Within” und “Awaken The Guardian” folgten zwei Prog Metal-Heiligtümer, bevor es zum Wechsel am Mikro kam – John Arch verließ die Band und wurde durch Ray Alder ersetzt. Das war 1987 und seitdem veröffentlichten FATES WARNING neun weitere Alben, darunter meine Favoriten der Ray Alder-Phase “Parallels” und das bisher letzte Album “Theories Of Flight” aus dem Jahr 2016. Nun ist mit “Long Day Good Night” das dreizehnte Album von FATES WARNING erschienen – und womöglich das letzte, so konnte man es in den bisherigen Interviews lesen. Sollte dem wirklich so sein, so wäre dies für die Metal-Welt ein herber Verlust, denn FATES WARNING zeigen wie kaum eine andere Band, dass man trotz einer so langen Bandgeschichte auch heutzutage noch relevant sein kann.

Das längste Album der Bandgeschichte – “Long Day Good Night” hält viel für den Hörer bereit

Nun also “Long Day Good Night” – der passende Titel für den potentiellen Schwanengesang. Und dieser fällt mit 72 Minuten sehr großzügig aus, deutlich länger als jedes FATES WARNING-Album zuvor. Dabei sind FATES WARNING mehr denn je um Abwechslung bemüht. Zwischen sehr ruhigen, nachdenklichen Stücken, melodischen Kleinoden und totaler Riff-Eskalation ist alles dabei. Auch innerhalb vieler Songs gibt es immer wieder Stimmungswechsel und musikalische Wendungen. Der gut acht Minuten lange Opener “The Destination Onward” startet sehr ruhig und gemächlich, doch nach drei Minuten legen FATES WARNING den Schalter um und der Song explodiert nahezu in einem instrumentalen Feuerwerk und einem souverän zwischen allen Stimmungen hin und her wechselnden Ray Alder.

Stellenweise überraschend heavy – FATES WARNING haben auch im Alter noch Biss

Danach geht es mit “Shuttered World” überraschend bissig weiter. Doch während es FATES WARNING in den Strophen ordentlich krachen lassen, ist der Refrain ziemlich hymnisch ausgefallen und hätte auch gut auf das letzte Album gepasst. “The Way Home” ist wieder so ein langes, sich wandelndes Stück. Nach dem balladesken Einstieg geht es im weiteren Verlauf deutlich heavier und rhythmisch vertrackt weiter. Was Jarzombek und Vera da so abziehen, ist schon echt spannend zu hören. Doch neben all der spielerischen Finesse hat der Song eben auch eine gesunden Groove und nimmt den Hörer mit, ohne ihn zu überfordern.

“Under The Sun” ist so verdammt wehmütig, so melancholisch, so wunderschön… Die Band zeigt hier ihre ganze spielerische Klasse, ohne dabei die Muskeln spielen zu lassen, gibt dem Song Luft zum Atmen und Ray Alder Gelegenheit, mit seinem sanften, melancholischen Gesang zu glänzen. Auch die Streicher fügen sich wunderbar ein, geben diesem Kleinod den letzten Schliff. Und während man noch so verträumt vor sich hin schwelgt, überfährt einen das folgende Kraftpaket “Scars”, ein für FATES WARNING ungewöhnlich hartes, schwer groovendes und rifflastiges Stück, bei dem gleichsam die Leadgitarre wie entfesselt soliert.

“When Snow Falls” fühlt sich so kalt und leise an wie eine Winternacht und wirkt gleichzeitig nachdenklich und traurig. “Holding on desperately to a world that’s wrong for me” – diese Textzeile fängt die Stimmung des Songs ziemlich gut ein. Dazwischen fügen sich kompaktere Songs wie “Alone We Walk”, “Now Comes The Rain”, “Begin Again” oder “Glass House” perfekt ein. “The Longest Shadow Of The Day” ist mit elfeinhalb Minuten das längste Stück des Albums und dementsprechend wechselt der Song diverse Male die Richtung, vom jazzig verspielten Einstieg, der in einen heftigen Instrumental-Ausbruch übergeht, zu relaxed und ruhig bis zum satt groovenden Endspurt. Den Schlusspunkt setzt dann das ruhige, pragmatisch betitelte Akustikstück “The Last Song”.

FATES WARNING verweisen auch nach über dreißig Jahren den Großteil der Konkurrenz auf die Plätze

Sollte es das wirklich gewesen sein für FATES WARNING, so ist “Long Day Good Night” ein würdiger Abschied, ein weiteres makelloses Prog Metal-Juwel, welches sich in einer hochkarätig besetzten Diskographie vor nichts und niemandem zu verstecken braucht. Dass die Band nach über dreißig Jahren erneut so ein starkes Album raushaut, sollte nach dem grandiosen Vorgänger “Theories Of Flight” nicht überraschen, nötigt aber Respekt ab. FATES WARNING verweisen einen Großteil der Prog Metal-Konkurrenz immer noch spielend auf die Plätze, denn kaum jemand kann instrumentale Weltklasse so gut in stringente, emotionale, niemals technisch-kalte Songs verpacken. Danke für alle die überragende Musik, FATES WARNING!

Veröffentlichungsdatum: 06.11.2020

Spielzeit: 72:24

Line Up:
Ray Alder – vocals
Jim Matheos – guitars
Joey Vera – bass, vocals
Bobby Jarzombek – drums

Label: Metal Blade Records

Bandhomepage: http://www.fateswarning.com
Facebook: http://www.facebook.com/FatesWarning
Bandcamp: https://fateswarning.bandcamp.com/

FATES WARNING „Long Day Good Night“ Tracklist

1. The Destination Onward
2. Shuttered World
3. Alone We Walk
4. Now Comes the Rain (Lyrics-Video bei YouTube)
5. The Way Home
6. Under the Sun
7. Scars (Audio bei YouTube)
8. Begin Again (Video bei YouTube)
9. When Snow Falls
10. Liar
11. Glass Houses
12. The Longest Shadow of the Day
13. The Last Song

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