Die 6.66 Punkte zu einem erfolgreichen Genuß eines Black Metal Konzertes

Wie kommt man in den Genuss eines Black Metal-Konzertes, ohne ein wahrer Black Metaller zu sein? Graf Zahls Erkenntnisse helfen wirklich.

0.66 Wissen ist Macht
Irgendwo hast du ihn aufgeschnappt. Vielleicht bei einem Konzert, an dem neben etlichen Death Metal-Bands auch MARDUK einen Auftritt hatten. Vielleicht in einem CD-Geschäft, wo NIGHTWISH nicht die härteste Band im Sortiment sind. Unscheinbar, kaum zu entdecken. Schwarz und weiß. Etwas grau. Ein Pentagramm, einige Runen, kryptische Logos, die aussehen, wie ein explodiertes Schokojoghurt. Alles Hinweise, dass du einen Flyer für ein richtiges, trues Black Metal-Konzert in Händen hältst. Und da du schon immer einen Blick auf diese elitäre, misanthropische Subkultur werfen wolltest, entschließt du dich, hinzugehen. Die Frage ist nur, wie man sich in der Gemeinde der Pandabären und Schwarzmetall-Heiden am besten bewegt. Immerhin, 0.66 hast du erreicht, indem du den Konzerthinweis gefunden hast.

1.00 Kleider machen Leute
Als erstes solltest du dir nun Gedanken über die Kleidung machen, welche du an diesem Konzert tragen möchtest. Folgende Möglichkeiten sind in Erwägung zu ziehen:

  • Schlichtes Schwarz mit einem Pentagramm oder einem Thorshammer um den Hals ist sicherlich schon mal empfehlenswert (bei dieser Gelegenheit solltest du auch gleich deinen christlichen Kreuzanhänger ablegen). So wirkst du mysteriös und zu true, um Bandshirts zu kaufen, denn die Black Metal Truppen, welche du (fiktiv) hörst, die haben keine Shirts, die sind nämlich nicht kommerziell und geben ihre Tapes nur an würdige Vertraute weiter. Außerdem solltest du darauf achten, dass auf deinem schwarzen Shirt kein verräterischer Markenname prangt. Es hätte die sichere Ächtung am Konzert zur Folge.
  • Nehmen wir an, du bist nicht so der schlichte Typ. Du willst ein Bandshirt tragen, unbedingt. Zu beachten ist hierbei: CRADLE OF FILTH und DIMMU BORGIR T-Shirts sind zu vermeiden. Sie outen dich als Teenie-Satanist oder, noch schlimmer, als Wannabe-Black Metaller, welcher offen dem Kommerz huldigt. Einzige Ausnahme: Du kriegst irgendwo ein For all tid-Shirt von DIMMU BORGIR her oder kannst mit einem alten Original Principle of Evil Made Flesh-Shirt aufwarten. Vermeide allgemein Shirts von großen Bands, Labels und MYSTIC CIRCLE. Kaufe dir lieber ein schlichtes Shirt von einem kleinen Underground-Act, den niemand kennt, der aber auf seiner Site mindestens fünf mal Satan, Odin, Wotan oder unsere Ahnen als Inspirationsquelle nennt. Ansonsten bist du mit Textilien von DARKTHRONE, GORGOROTH, MARDUK, EMPEROR oder IMMORTAL gut beraten. Recherchiere Eigenheiten der Band, bevor du dich damit schmückst (IMMORTAL und EMPEROR gibt es zum Beispiel nicht mehr und DARKTHRONE gehen nicht auf Tour). Solltest du dich für MAYHEM entscheiden, musst du genau wissen, wer wann wieso gestorben ist.
  • Was immer du trägst, Farben außer Schwarz sind nicht empfehlenswert.

2.00 Das Gesicht als Spiegel der Seele
Black Metaller sind wie Pandabären geschminkt. Ein Klischee, welches gefährlich sein dürfte für dich, solltest du dich danach richten. Klar, die Versuchung ist groß, sich ein Corpsepaint zu verpassen und dann ultra-true zum Konzert zu gehen. Folgendes gibt es zu beachten:

  • Male dir kein umgekehrtes Kreuz auf die Stirn, auf die Wange oder sonst wo hin. Das ist nicht, was ein Black Metaller unter CORPSEPAINT versteht.
  • Solltest du dem Drang nach Corpsepaint nicht widerstehen können, orientiere dich an Bandfotos und NICHT an Pandabären. Für Anfänger eignet sich das klassische IMMORTAL-Corpsepaint. Es wird sofort erkannt, zusammen mit dem entsprechenden Shirt gehst du als beinharter Fan durch. Du könntest allerdings sehr einsam sein an diesem Konzertabend, wenn du nicht alle Songs durch und durch zitieren kannst. Als Brillenträger solltest du die Finger lassen vom Corpsepaint.
  • Die bewährteste Vorbereitung für dein ungeschminktes Gesicht ist es, sich die Essenz des Black Metaller-Daseins bewusst zu machen. Du musst gleichzeitig misanthropisch und elitär rein schauen und jegliches Lachen tunlichst vermeiden. Black Metal ist nicht lustig!

3.00 Open the Gates of Hell
Du hast den Austragungsort des Höllenkonzertes gefunden, nun gilt es, sich Eintritt zu verschaffen. Falls du Punkte 1.00 und 2.00 beachtet hast, sollte dies kein Problem darstellen. Die Konzertregeln (keine eigenen Getränke, keine Schwerter) sind dieselben wie bei anderen Metalkonzerten. Nimm zur Sicherheit noch den in 0.66 gefundenen Flyer mit, er vergrößert deine Daseinsberechtigung. Stell keine Fragen an den Kassierer, welche dich entlarven könnten. Außerdem sind Black Metaller sowieso eher schweigsame Genossen.

4.00 Altars of Madness
Du bist drin. Da du vermutlich niemanden kennst (was für Misanthropen keine Schande ist) und das Konzert noch nicht begonnen hat, ist es ein weiser Zug, sich mal den Merchandise-Stand genauer anzuschauen. Folgende Fragen an den Händler sind hierbei zu vermeiden:

  • 01. Hast du das neue Album von CRADLE OF FILTH / DIMMU BORGIR / MYSTIC CIRCLE?
  • 02. Sind das jetzt alles Faschobands?
  • 03. Welche dieser CDs hat eine gute Produktion?
  • 04. Kann ich bitte die trueste Scheibe erwerben?
  • 05. Haben alle diese Bands so einen schrecklichen Kreischsänger?
  • 06. Welche dieser Bands preist unseren Herren, Jesus Christus?
  • 07. Welche dieser Bands hat eine geile Frontfrau?
  • 08. Auf welcher CD hat es am meisten Keyboards?
  • 09. Was bedeutet dieser Schriftzug da?
  • 10. …aber NIGHTWISH sind doch auch Black Metal?

Bei genügend Recherchezeit ist es ratsam, mal nach einigen obskuren Eigenproduktionen, über welche du beispielsweise bei vampster.com gelesen hast, zu fragen. Erwähne vampster jedoch nicht, es gilt als untrue. Falls du gar keine Zeit hattest, dich über Black Metal-Bands zu informieren, schnapp dir eine CD (oder noch besser: ein Tape) mit einem schwarz-weißen Cover und möglichst langen Songtiteln, welche entweder eine Anhäufung pathetischer Genitive aufweisen, alle in Runen oder auf Isländisch/Norwegisch geschrieben sind oder die Grammatikregeln der englischen Sprache vergewaltigen. Das Werk ist mit großer Wahrscheinlichkeit true!

5.00 Neue Besen kehren gut, aber die alten wissen, wo der Staub ist
Nachdem du ein Black Metal-Werk erworben hast, gelüstet es dich nach sozialer Interaktion. Dies ist für Neulinge an Schwarzmetall-Konzerten jedoch eher schwierig zu bewerkstelligen, da die Devise Ein Black Metaller friert nicht, lacht nicht, spricht nicht doch allgegenwärtig scheint. Am besten kaufst du dir ein Bier und setzt dich irgendwo an den Rand (das wirkt misanthropischer). Vermeide Anmachsprüche jeglicher Art, pseudotrue Verbalexkremente wie Weisst du, dass der von BURZUM den von MAYHEM umgebracht hat oder Ich bin zwar Christ, aber gleichzeitig fühle ich mich als echten Heiden sind ebenfalls zu vermeiden. Sollte dich jemand ansprechen, sei wortkarg und geheimnisvoll. Lasse dich nicht auf Diskussionen über den Zweiten Weltkrieg oder BURZUM ein!

6.00 Ohne Black Metal wäre das Leben ein Irrtum
Endlich erklingt ein bedrohliches Intro und einige bemalte, furchterregende Gestalten betreten die Bühne. Das reichlich verzerrte Konzert beginnt und du bist bereit dazu, dich in den wilden Mosh Pit zu stürzen. Nur: da ist keiner. Richtig, du bist auf einem Black Metal-Konzert. Hier gilt die Pose Arme verschränken, misanthropisch-finster-elitär rein schauen als angebracht. Vermeide es, Leute zur kollektiven Bewegung zu animieren oder zu telefonieren. Je ruhiger du stehst (abgesehen vom dezenten Klatschen nach den Songs), desto mehr kannst du dieses Konzert und dein Bier genießen. Sauge es in dir auf, den Hopfen und die grimmige, verzerrte Kraft, die aus den Boxen erschallt. Das ist die Belohnung für deine Mühen!

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