Erreicht die Finanzkrise jetzt auch den Metal?

Wollen wir Cüpli nippen statt Bier saufen?

Eigentlich sind wir als Metaller ja alle idealistischen Werten, der Musik, der Szene verpflichtet. Schließlich will man an einem Konzert gepflegt ein Bierchen trinken und über Gitarrensoli diskutieren – die Prosecco-Cüpli (ja, Cüpli ist ein Schweizer Wort, das den Nagel wirklich auf den Kopf trifft) überlassen wir denen, die auch bei Lehmann Brothers investiert haben und deren Freundin ihr Geld für künstliche Nägel statt für die neue Platten von GALLHAMMER oder GIRLSCHOOL ausgibt (lang lebe die metallische Frauenbewegung).

Aber irgendwie kommt bei mir der Gedanke auf, dass dieser Idealismus wohl nur bei den Fans, einigen Bands und wenigen Labels noch da ist. Denn in den oberen Etagen – lies: Labels mit supertollen Rockstars unter Vertrag – scheint doch mal ein Cüpli inklusive verführerischem Finanzberater aufgetaucht zu sein. Gerne lasse ich aber auch andere Erklärungen für folgende Zustände zu als die Finanzkrise – ein Wort, das ich mittlerweile schon selbst nicht mehr hören kann.

Zustand 1: Statt einer Promo-CD gibt´s Mp3s

Nach langem Hin-und Her verliere ich also meine Download-Jungfräulichkeit. Statt einem tollen okkulten Ritual, welches gemeinhin zur Entledigung der Jungfräulichkeit zu empfehlen ist, muss ich mich bei einem Label X registrieren (Verschwörung, gläserner Kunde, CIA, KGB), um das Album der Band Y runterladen zu können. Dabei will das Label X auch gleich noch mittels Pull Down-Menü von mir wissen, was denn mein Musikgeschmack ist. Alternative? Rock? Emo? Muss ich mir einen Nickname der Marke Christ-Slashing-Witch-of-Satanick-Magick-Force zulegen, um meinen Musikgeschmack unmisserverständlich klarzustellen? Was spielt das für eine Rolle? Ich verliere grad meine Download-Jungfräulichkeit, da will ich doch keine Fragen beantworten. Also echt. Über das Sparen, die Umweltverträglichkeit von Mp3s und die miesere Soundqualität kann man endlos diskutieren – aber ich brauche kein Verhör, während ich mir Gedanken darüber mache, ob das Downloaden so ist wie das Andere, wovon man nachher mehr will… Und hat Linus Torvalds von Linux nicht mal gesagt, dass Software eben wie dieses Andere sei, also besser, wenn man nicht dafür bezahlen müsse?

Zustand 2: Demo vs. Labelveröffentlichung?

Vor fünfzehn Jahren war die Rechnung einfach. Eigenproduktion / Demo = Proberaumaufnahme, schlechter Sound, selber gemaltes Cover etc. Labelveröffentlichung = Studio vom Label gezahlt, guter Sound, professionelles Cover etc. Mittlerweile lässt sich allerdings auch eine gegenteilige Entwicklung beobachten. Zum Teil (!!!) investieren junge Bands tüchtig in ihre Eigenproduktion. Präsentieren ein schickes Digipack. Trumpfen mit einer authentischen Produktion auf. Und treten so professionell auf, dass man mindestens ´ne Viertelstunde vergeblich nach dem Labellogo sucht. Ganz klar – hier hat jemand dem Finanzberater ´nen Tritt verpasst und privat ins eigene Unternehmen Band investiert.

Handkerum scheinen einige Labels vor lauter Downloadproblematikapokalypsenparanoia doch dem Finanzberater geglaubt zu haben. Die Band erhält somit entweder keine Kohle für die Produktion oder einen miesen Produzenten oder sonstwie nicht die Unterstützung, die sie für den Sound brauchen würde. Im Black Metal resultiert das oft in der Kombination zischige Gitarren (meistens setzen sich die Gitarristen doch gegen den Produzenten durch mit ihrem Ego und bestehen auf ihren eigenen, sackkrassen Sound) treffen auf getriggertes Drumkit (was zwar nicht Black Metal ist, aber einfach schneller und einfacher aufzunehmen ist). Das Resultat ist ein unbefriedigender Zwitter zwischen totem Bassdrum-Sound und nicht vorhandener Gitarrenwand (vom Bass reden wir gar nicht). Trotzdem wird das Produkt via Label veröffentlicht – und der Konsument kriegt Demoqualität in hübscher Verpackung. Die ist dann beim Anhören allerdings rasch vergessen…

Und ja, da sind wir wieder, beim Hören. Die beste Qualität findet sich noch immer beim Vinyl. Es gilt die Formel: Vinyl>CD>Tape>Mp3. Die CD hat natürlich gegenüber dem Vinyl Vorteile in Sachen Größe, Anwählbarkeit der Tracks und Kosten. Aber egal ob Vinyl oder CD: Kein Sound ist besser als ehrlicher Sound. Wenn MADONNA ihre Produktionen künstlich zukleistert, ist mir das egal. Denn ich höre Metal. Und ich will ehrlichen, dreckigen, schweißigen Metal. Ich will die Nieten rosten sehen. Ich will den Atem der lebendigen Bassdrum spüren. Und zwar so sehr, dass sie die Cüplinipper, die Tussis und die Finanzberater wegweht.

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