Metaller auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken – Eine Hilfe

Die Weihnachtsgeschenke werden trotz entsprechender Ankündigung nicht abgeschafft. Hier also die geschenktechnische Hilfe für alle Geplagten, die sich nicht in das weihnächtliche Kaufhausrauschen getrauen wollen…

Wir kennen es nicht erst seit Fierces aktuellen Editorials. Eigentlich sind wir alle gegen Weihnachten als Metaller, ganz im Sinne von Rainer-Maria Rilke. Weihnachtszeit! Wer spricht von Siegen? – Überstehen ist alles. Und doch – am Ende mögen wir es, wenn es bei den Eltern und verwandten leckeres Essen gibt, selbst wenn man sich der Gefahr aussetzt, Kommentare à la Aber warum schneidest du dir die Haare nicht ab, Du bist doch schon erwachsen, warum hörst du noch diese Musik und für die SXE-Metalcoreler Aber Fleisch ist doch gut für dich in hoher Frequenz über sich ergehen lassen zu müssen.

Und da ist ja noch die andere Seite, die vielen Bauchschmerzen bereitet – die lieben Geschenke. Jährlich werden sie feierlich in unserer Familie abgeschafft, mit dem Zusatz nur noch für die Kinder. Jährlich wird die Abschaffung missachtet und unter dem heidnischen Zimmerglimmerglitzerbaum finden sich zahlreiche Päckchen. Soll man sich also am 23. Dezember – zumindest in Zürich ist da anno 2007 Sonntagsverkauf – ins Gewusel stürzen und in letzter Minute noch alles zusammenkaufen, was einem vor den Geldbeutel kommt?

Erspart es euch. Das Zauberwort heisst ONLINE. Nein, ich wurde nicht von der Redaktions-Chef-Etage dazu verdonnert, das Vampster-Medium zu promoten. Aber echt – selbst wenn man kein schwarzmetallischer Misanthrop ist: das Gedränge mit einem Festival gleichzusetzen und das schreiende Kind neben einem für KING DIAMOND zu halten – das funktioniert auch mit einer Alkinfusion nicht. Darum hier die Geschenke-Tipps von meiner Wenigkeit, auf welche hoffentlich sinnvolle beziehungsweise helfende Kommentare folgen – damit wir alle mehr Zeit haben, unsere Mucke zuhause zu hören und uns nicht mit den grausigen Weihnachtsliedern in den Shoppingtempeln zumüllen lassen zu müssen:

Fotos
Grossmütter, Mütter und Tanten lieben Fotos. Nein, nicht die, wo ihr besoffen am WACKEN OPEN AIR rumliegt. Aber wenn ihr mal ein braves gemacht habt oder ein älteres irgendwo rumliegen habt: in eine digitale Form bringen und beispielsweise bei http://www.extrafilm.de/ (für Schweizer: http://www.extrafilm.ch/) einrahmen oder auf eine Tasse drucken lassen. Das lässt sich alles bequem von zuhause aus bestellen und bezahlen. Natürlich könnt ihr euch dort auch den Jahreskalender Ich besoffen am x – Festival machen lassen, sofern ihr es an zwölf Festivals geschafft habt. Ob das jemanden aus eurer Verwandtschaft allerdings dazu motiviert, euch das nächste Festival zu sponsern, wage ich zu bezweifeln.

Musik
Ja, es gibt Musik, die man als Metaller Nicht-Metallern schenken kann, bei der beide Seiten zufrieden sind. Die coole Blues-Scheibe von TOMMY K. JR. AND FULL BLAST Let your fingers bleed kommt erfahrungsgemäss sehr gut an. Entspannungssüchtigen und Meditations-affinen Zeitgenossen kann man mit dem aktuellen EQUIMANTHORN-Album oder VIDNAOBMANAs Tremor ebenfalls ein passendes Geschenk machen. Ebenfalls möglich sind natürlich klassische Werke. Aber bitte – Wagner, Stravinsky und Hindemith sind zu schwere Kost für manchen, darum lieber eines der unten genannten Alben wählen. Ein weiterer Vorteil dieses Präsents – man steht als niveauvoller Musikkenner da (was wir als Metaller ja sowieso sind):

– Naxos Historical: Sergey Rachmaninov Piano Concertos Nos. 2 and 3, Sergey Rachmaninov, Piano. The Philadelphia Orchestra, Leopold Stokowski, Eugene Ormandy. Historical Recordings 1929, 1939, 1940
Diese Aufnahmen sind absoluter Kult und können dank der wirklich old schooligen Produktion auch vom krassen Black Metaller mit gutem Gewissen verschenkt werden. Ausserdem spielt Rachmaninov seine eigenen Werke mit wahrer Grösse und hat mehr Pfeffer in den Fingern als Langweiler wie Ashkenazy. Also das perfekte Geschenk – auch für angehende Keyboarder. Infos hier zu gibt es bei Naxos, der Strichcode der Scheibe lautet 3694316012.

– Das Alte Werk / Teldec: Antonio Vivaldi Le Quattro Stagioni, Alice Harnoncourt, Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt.
Eine authentische, qualitativ hochstehende Einspielung, kein grausiges Esoterik-Gaga-Kitsch-Remake. Vivaldi kann niemand widerstehen. Der Strichcode dieses Albums ist 4509-93267-2.

– Harmonia Mundi: Tartini The Devil`s Sonata and other works, Andrew Manze (Solo Violine).
Ein nicht alltägliches Werk, das Teufelsanbeter mit gutem Gewissen verschenken können. Infos gibt es auf http://www.harmoniamundi.com/, der Strichcode dieser CD ist 93046 72132.

– Archiv Produktion / Deutsche Grammophon GmbH, Hamburg, 1994: Ludwig Van Beethoven Symphony No. 9 in D minor, op. 125, John Eliot Gardiner, Orchestre Révolutionnaire et Romantique, Luba Orgonasova (Soprano), Anne Sofie von Otter (Mezzo-Soprano), Anthony Rolfe Johnson (Tenor), Gilles Cachemaille (Bass), The Monteverdi Chor.
Wer seine Metal-Alben nach den Kriterien bombastisch, symphonisch, mit Chor aussucht, ist hier an der richtigen Adresse. Der Strichcode des Albums, das auch dem grössten NIGHTWISH-Fan das Hirn durchpustet, ist 28944 70742.

Nicht nur für diese Werke, sondern auch für Bücher und DVDs ist – nach eigener, subjektiver Erfahrung – Amazon.de eine gute Adresse. Ausserdem kann man sich die Geschenke auch schon grad eingepackt zuschicken lassen und spart sich so das selber einpacken zuhause.

Bücher
Klar, Swedish Death Metal ist das perfekte Geschenk für den Freund harter Klänge. Was aber kann man der nichtmetallischen Zunft schenken, wenn man die allergische Reaktion auf untrve Hello Kitty-im-Wunderland-, Ich-und-mein-Schicksal-im-Popbusiness- und 101-Gartenideen-für-Spiesser-Bücher umgehen will? Im deutschsprachigen Raum mit der eigenen Trveness kompatibel sind unter anderem:

– Njals Saga. Die Saga von Njals und dem Mordbrand (Gebundene Ausgabe), Hans-Peter Naumann (Übersetzer), 2005, Lit-Verlag.
Eine der spannendsten Isländersagas in einer aktuellen, sprachlich ausgefeilten Übersetzung. Fragen zu Recht und Gerechtigkeit regen zum Nachdenken an, ein zeitlos bewegendes Werk der Weltliteratur und nicht nur für den geneigten Viking Metaller ein literarisches Festmahl. Bei Amazon.de ist das Buch hier.

– Die Käserei in der Vehfreude, Jeremias Gotthelf, Diogenes Verlag.
Biographisches sollte den Schenker hier nicht abschrecken – Jeremias Gotthelf alias Albert Bitzius war Mitte des 19. Jahrhunderts Pfarrer im ländlich gelegenen Lützelflüh. Anders als in seinen anderen Werken predigt er in der Käserei allerdings praktisch nicht – stattdessen schildert er mit urchiger, erdiger Sprache das Tun einiger Schweizer Bauern, die statt einer neuen Schule das Gemeindegeld lieber in eine Käserei stecken wollen um den grossen Reibach zu machen. Natürlich klappt nicht alles so, wie die Bauern das geplant haben und schreiende Weiber, brüllende Kühe und der Teufel haben ebenfalls ihre Auftritte, genauso wie zahlreiche Schweizerdeutsche Wörter. Bei Amazon.de ist das Buch hier.

– Anna Göldin. Letzte Hexe, Eveline Hasler, 1996, DTV Deutscher Taschenbuch Verlag.
Der letzte Hexenprozess in der Schweiz kommt inklusive Todesurteil, Nägelerbrechen und anderen Annehmlichkeiten. Die nötige Trveness ist also gegeben und die Kirche im Kanton Glarus anno 1780 kommt ebenfalls schlecht weg. Natürlich ist es auch ein gutes Buch über ein historisches Frauenschicksal, bei Amazon.de hier zu finden.

– Morbus Kitahara, Christoph Ransmayr, 1997, Fischer Verlag.
Ein düsteres, sprachlich dichtes Buch, das einen gefangen nimmt und sich einer Beschreibung entzieht. Ein spezielles, eigenartiges Lese-Erlebnis fernab schnöder Effekthascherei. Bei Amazon.de hier zu finden.

Und was…
…gibt man diesem reichen Verwandten, der schon alles hat und den man nicht gut genug kennt für ein persönliches Geschenk?

Ganz einfach: Man spendet in seinem Namen Geld und schenkt ihm oder ihr an Weihnachten die Quittung. Beispiele für geeignete Spendeempfänger gibt es viele. Im Sinne von Chuck Schuldiner (DEATH) ist eine Gabe an die Krebsforschung (beispielsweise http://www.krebsforschung.ch/) sicher nicht daneben. Und wer kreativeres aus den USA haben möchte als Kriege, supportet die Hot Topic Foundation, die Kreativ-Programme für vernachlässigte Kinder und Jugendliche in den USA unterstützt.

In diesem Sinne hoffe ich auf weitere Kommentare mit zeitsparenden Tipps und ziehe mich nun in meine höllische Backstube zurück, wo ich zu den Klängen von F.O.A.D. Brunsli, Chräbeli und essbare Schneebälle als Proviant für lange Waldwanderungen kredenze…

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