Virtuelle Revolution verschoben

Die virtuelle Revolution des Musikgeschäfts wurde verschoben – und ich bin schuld daran.

Gute Nachrichten für die etablierten Firmen im Musikgeschäft: Sie sind nicht überflüssig geworden! Die Umsätze begannen vor knapp zehn Jahren eine noch nicht beendete Talfahrt. Insgeheim hoffte ich, dass der Niedergang der Major-Plattenfirmen und des Chart-Radios folgen würde. Doch das Gegenteil trat ein: Das Publikum schien sich nach Fremdbestimmung zu sehnen. Dahinter steckte dieselbe Bequemlichkeit, die unzählige unbescholtene Menschen zu virtuellen Ladendieben machte. Das Angebot wurde mit jedem Jahr unübersichtlicher; da half es auch nichts, wenn man sich (illegal) gratis bedienen konnte. Von der Masse an Musik erschlagene Technofreaks luden sich die komplette BEATLES-Diskographie auf die Festplatte und so mancher Headbanger klaute vermutlich die gesammelten Werke von IRON MAIDEN im mp3-Format, obwohl er sie bereits auf Vinyl besaß.

Das eigentliche Pulverfass waren jedoch die Neuveröffentlichungen. Hätten sich die Leute hier emanzipiert und sich dem Diktat der Plattenfirmen widersetzt, wäre das das Ende der bestehenden Musikindustrie gewesen. Doch sie fraßen den Plattenfirmen weiter artig aus der Hand. Natürlich tauchten Bands auf, die zuerst eine gut besuchte MySpace-Seite und dann kommerziellen Erfolg hatten. Aber was beweist das? Nichts. Schließlich kamen die großen Rockstars (im Gegensatz zu vielen Popsternchen) schon früher selten aus dem Nichts. Dieselbe Band, die heute stundenlang Fankontakte im Internet pflegt, pilgerte früher von Geschäft zu Geschäft, um dort ihr Demo ins Sortiment zu bekommen oder Plakate für den nächsten Gig aufzuhängen.

Ich bin schuld daran, dass der Mainstream ungebrochen existiert. Seit vielen Jahren schon bin ich mir bei jeder EMI-CD, die ich kaufe, schmerzhaft bewusst, dass ich damit den Status quo festige. Von einem Amazon.de- und jpc.de-Boykott bin ich meilenweit entfernt, obwohl sie letztes Jahr meine beiden Lieblingsalben nicht im Sortiment hatten.

Die Plattenfirmen sind zufrieden mit der Situation. Ihnen wäre es natürlich am liebsten, wenn ihre Alben wie Turnschuhe nach ein paar Jahren kaputt gingen und man sich dann regelmäßig neue kaufen müsste. Doch auch so besteht permanent Nachfrage nach neuer Musik, weil es auch in diesem Bereich Moden und Trends gibt. Während diese im Popbereich nach Möglichkeit von den Medienkonzernen kreiert werden, kommt es beim Heavy Metal bisweilen auch vor, dass die Käuferschaft die Entwicklung (mit-)bestimmt. Paradebeispiel hierfür sind HAMMERFALL und die Renaissance des klassischen Heavy Metal. Das ist eine gewisse Erleichterung, obwohl in meinem Hinterkopf immer noch die Vorstellung von einem BANG YOUR HEAD-Festival mit LETHAL als Headliner herumgeistert.

Soweit zum Status der Musikindustrie. Wer mag, kann jetzt gerne noch Parallelen zum Strommarkt und dessen Liberalisierung ziehen.

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