MOONSPELL-Interview mit Pedro, Oktober 1999

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Tranzendentale Kommunikation…

Interview mit Pedro von MOONSPELL

In Zukunft mache ich nur noch Interviews mit Moonspells Keyboarder Pedro. Mit einer Engelsgeduld hat der Portugiese meine Fragen beantwortet, sogar mehr als das, im Laufe des Abends entwickelte sich ein richtiges Gespräch. Also legte ich die vorbereiteten Fragen beiseite und unterhielt mich mit ihm über Moonspell, Kunst und natürlich das neue Album – nicht immer orientierte ich mich dabei an einem roten Faden…

Um gleich richtig in die Vollen zu gehen: Das neue Album The Butterfly Effect – was gibt es dazu zu sagen?

Wir sind sehr glücklich mit dem Album, denn wir haben endgültig unseren eigenen Stil gefunden. Wir haben die guten Momente der alten Alben mit denen von Sin kombiniert.

So habe ich es auch empfunden. Ich denke, es ist eine gute Mixtur aus dem alten, härteren Zeugs und den gothic-lastigen, neueren Songs.

Ja!

Was hat euch dazu bewegt, wieder Back to the Roots zu gehen?

Weißt du, es gibt keinen besseren Grund irgendetwas zu tun, als deinen eigenen Gefühlen zu folgen. Nur so kannst Du zu Dir selbst finden. Ich denke, es passiert jedem irgendwann, dass er sich zuerst von sich selbst entfernen muss, um zu sich dann selbst zu finden.

Mit dem Sin-Album wollten wir neue Erfahrungen machen. Wir wollten uns selbst testen, um herauszufinden, wie wir wirklich sind. Auf The Butterfly Effect sind wir wieder zurückgekommen und haben den Kreis geschlossen. Als wir aus der Distanz Sin betrachteten, konnten wir endgültig sehen, was jemals das Beste an MOONSPELL war. Das war der Hauptgrund, warum wir zu dieser Art Sound zurückgekehrt sind. Trotzdem haben wir immer noch eine moderne Einstellung. MOONSPELL soll immer wie eine moderne Band klingen.

Ich denke, das neue Album ist, wie auch „Sin“, zumindest gesanglich von Depeche Mode beeinflusst, habe ich recht?

Manche Leute sagen das. Depeche Mode waren aber kein direkter Einfluß für dieses Album. Vielleicht spielte diese Art von Gesang eine größere Rolle für „Sin“. Wir hören eigentlich kein Depeche Mode mehr. Fernandos Gesang klingt zwar manchmal wie Dave Gahan, aber es war wirklich kein Einfluss, glaube mir.

Ich hatte den Eindruck, ihr nahmt die guten Teile von Depeche Mode und setzt sie in einen anderen, härteren Kontext.

Es tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, aber Depeche Mode spielte wirklich keine Rolle. Es gibt andere Bands, die mir spontan einfallen würden, Depeche Mode gehören aber nicht dazu. Echt nicht…

Ok, ich sehe es ein…. Auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, dass ihr auf diesem Album viele verschiedene Einflüsse kombiniert habt. Klassische Metal-Parts, jazzige Elemente – dennoch ist der Sound sehr einheitlich. War es schwierig, diese Dinge zu einem großen Ganzen zu verbinden?

The Butterfly Effect war das Album, das am einfachsten aufzunehmen war. Die Vorbereitung war sehr schwierig, aber die Aufnahmen selbst waren ziemlich locker, denn die Atmosphäre dabei war sehr gut. Die Songs bauen auf einfachen Gitarrenriffs auf und die Keyboards wurden so arrangiert, dass sie den anderen Instrumenten halfen. Die Technik hat der Musik gedient und nicht die Musik der Technik. Sogar die Drums sind relativ simpel. Es war eigentlich nicht so schwer, eine Einheit zu schaffen, obwohl wie Du richtig gesagt hast, wir eine Menge verschiedener Elemente in unseren Songs verarbeitet haben. Und trotzdem klingt es wie aus einem Guss. Aber ich denke das Songwriting war viel spontaner, als du es dir vorstellen kannst. Denn wenn Du einen Song schreibst, denkst du nicht wirklich nach, der Song fließt irgendwie und du denkst nicht darüber nach, diesen oder jenen Einfluss zu verwenden.

Wie lange dauerte es, einen Titel aufzunehmen? Ich finde sie sind relativ komplex, Du sagst aber, die Songs flossen aus euch, aus eurem Geist. Wie lange dauerte dieser Prozess?

Oh, es kommt drauf an! Ich finde, dass die besten Songs die sind, die schnell geschrieben wurden. Für manche Songs brauchten wir zum Beispiel etwa ein bis zwei Stunden, das Arrangement hingegen nahm vier bis fünf Monate in Anspruch. Das Gute war, dass wir drei Monate alleine in unserem eigenen Studio waren. Das half uns sehr, denn keiner hat uns bei unserer Arbeit gestört. Unser Leben war so viel einfacher!

Ihr hattet also viel Zeit an den Songs zu arbeiten und Dinge zu verändern.

Ich würde nicht sagen, dass es viel Zeit war. Weil die Songs so schnell aus uns heraus kamen, hatten wir dennoch genügend Zeit, sie zu arrangieren.

Was ist Dein Part beim Songwriting? Was ist zuerst da, eine Gesangslinie, ein Gitarrenriff und dann die Keyboards oder läuft es genau andersherum?

Die Art wie ich Songs schreibe ist anders. Auf diesem Album schrieb ich die Titel auf der Gitarre und dann arrangierte ich alle Instrumente drumrum. Ich denke dabei immer schon an den Gesang, der bei Moonspell ja eine große Rolle spielt.

Eine unserer Philosophien ist, dass jedes Instrument sein eigenes Gesicht haben muss –zwischen den Instrumenten sollte eine Art Dialog herrschen. Die Instrumente spielen nicht gegeneinander.

Wir versuchen ein Konzept für einen Song zu finden, eine Idee für eine Melodie, einen Rhythmus oder etwas anderes, das prägnant ist. Dabei haben wir bereits einen Text oder eine Idee für einen Text – wir müssen es nur noch kombinieren.

Ich sehe Songs aber nicht als Kombination von Schlagzeug + Bass + Gitarre, sondern als Einheit. Alle Instrumente müssen zusammen eine Atmosphäre, ein bestimmtes Gefühl, schaffen.

Als ich das Promo bekommen habe, hatte ich keine Texte. Für mich drückte die Platte eine recht chaotische Atmosphäre aus. Der Aspekt Chaos wird in den Songs gut umgesetzt. War das Eure Absicht?

Mhm. Fernando kam mit dem Konzept des Schmetterlings -Effekt an, was wir als eine Metapher für unser Leben und menschlichem Benehmen interpretieren. Der Schmetterlingseffekt ist eine Wettertheorie, die besagt, dass kleine Vorkommnisse, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, große Wirbelstürme und Tornados an ganz anderen Orten verursachen können. Wir glauben, dass kleine Details im täglichen Leben große Geschehnisse verursachen können. Und manchmal denkst du, du tust etwas Großes und es spielt dann eine ganz kleine Rolle in Deinem Leben. Die Veränderungen in der Welt sind oft in kleinen Dingen begründet. Das gilt für alle Bereiche, auch sozialen Belange, Politik oder Religion. Das Chaos ist die Struktur, die dafür steht. Es gibt unkontrollierte Situationen in bestimmtem Moment und wir schauen solchen Dingen gerne zu und bewundern sie.

Gab es bestimmte Vorfälle in Eurem Leben, die euch dazu bewegt haben, dieses Thema als Konzept aufzugreifen? Oder war es nur eine allgemeine Idee?

Es war eine generelle Idee, wir wollten den Menschen genauer anschauen. Wir öffnen unsere Augen mehr, wir öffnen unsere Ohren mehr, wir beobachten die Welt mit größerem Interesse. Andererseits war es auch eine persönliche Sache. Wir begannen, die kleinen Momente unseres Lebens zu sammeln, um zu bestimmen, dass wir in diesem Moment hier sind. Es waren immer kleine Dinge, die unser Leben veränderten. Und nun haben wir, wie soll ich sagen, eine Art wissenschaftliche Untersuchung darüber, worauf es in unserem Leben wirklich ankommt. Butterfly Effect ist aber kein Konzeptalbum, es geht um das Gefühl, mehr Aufmerksamkeit auf Kleinigkeiten in unserem Leben zu richten. Das ist ein Gefühl, das wir ausdrücken wollen. Das Leben gewinnt eine neue Bedeutung, wenn man diesen Aspekt berücksichtigt. Gesellschaft , Religion, Sexualität, Politik. Die Theorie trifft auf jeden einzelnen und jeden Aspekt des Lebens zu.

Du meinst also, die Leute sollen mehr auf die Kleinigkeiten, die im Leben passieren, achten?

Wir wollen niemanden zu dieser Art des Denkens bekehren, wir wollen einfach nur zeigen, dass das Leben vielleicht viel mehr auf diese Art läuft als man denkt. Glaub mir, es ist ein großer Abgrund zwischen uns und den meisten Menschen, die wir nie dazu bringen könnten, so, wie wir zu denken. Doch wenn sie sich das Album anhören, können sie den großen Zusammenhang in den Songs und der Atmosphäre hören. Die Titel sollen das Gefühl ausdrücken, wie etwas Kleines eine große Wirkung haben kann.

Moonspell war ja immer eine Band, die großen Wert auf ihre Texte und Inhalte gelegt hat, auf die Dinge hinter der Musik – für mich etwas, das typisch für Metal ist. Trotzdem hat sich eure Musik stark verändert, gerade „Sin“ ist nicht unbedingt ein Metal-Album. Würdet ihr Euch selbst noch als Metal Band bezeichen?

Oh, uns ist es egal, ob wir als Metal Band bezeichnet werden, glaube mir!

Viele Metal Bands legen viel Wert darauf wie sie klingen, und die Texte sind ihnen wichtig, mehr als in anderen Musikrichtungen. Moonspell möchte sich aber nicht auf eine Musik limitieren lassen. Wir sehen uns als eine Ansammlung von Künstlern, die eine bestimmte Art von Kunst machen, die jeder selbst definieren soll.

Ich würde mich nicht schämen, als Metal Band bezeichnet zu werden, überhaupt nicht. Wir selbst nennen unseren Stil DARK ROCK. Metal ist keine schlechte Bezeichnung für uns, eigentlich fühlen wir uns dadurch geschmeichelt, haha!

Ihr habt als Metal Band angefangen und die Wurzeln sind immer noch sichtbar, das hat eine Glaubwürdigkeit, die andere Bands in der Zwischenzeit verloren haben. Bei MOONSPELL findet man immer noch die Aggression und einen tieferen Gedanken über die Musik und das Leben.

Danke. Ja, exakt, das stimmt.

Ein anderer Punkt, ihr seit stark beeinflusst von Literatur, beispielsweise im Song Herr Spiegelmann“, der sich auf Süßkinds Roman „Das Parfum“ bezieht. Was ist Eure Lieblingsliteratur, sind es die dunklen Sachen wie Poe, Lovecraft und Hawthorne?

Ich mag diese dunkle Dichtung sehr. Ich mag Baudelaire, die französischen Schriftsteller, die decadence Artists. Ihre Werke sind sehr schön und sehr tief. Fernando ist ein großer Leser, er ist möglicherweise ein größerer Leser als ein Musiker, haha! Er beschäftigt sich sehr viel mit moderner Literatur, speziell mit der amerikanischen, Bret Easton Ellis und auch William Burroughs mag er sehr. Einige Songs wie disappear here sind inspiriert von Ellis und Büchern wie Generation X oder American Psycho.

Für mich aber ist Kino eine großartige Form der Kunst und Inspiration. Wenn du einen Song einer anderen Band hörst und ihm wirklich magst, du den Song aber nicht kopieren willst, obwohl er genau die Gefühle ausdrückt, die du erwecken willst, hast du das typische Problem eines Songwriters. Nur abkupfern macht für uns keinen Sinn. In der Literatur, einer Form der Kunst ist, die mit visuellen Eindrücken arbeitet, oder im Kino, was ähnlich funktioniert, hast du den Effekt, dass das Beschriebene deine Gefühle unmittelbar verändert. Deshalb ist Literatur, und auch Film – und überhaupt die ganze Welt – eine große Inspiration für uns. Ein Song wirkt eher indirekt. Ich denke, damit hab ich die Frage beantwortet, oder?

Nun, welche Bedeutung hat Kunst für Dich? Katharsis nach dem griechischen Muster? Reinigt Kunst also den Menschen dadurch, dass er Gefühle anderer teilt?

Für mich ist Kunst eine Form der transzendentalen Kommunikation. Man kann sie nicht in Worte fassen, man muß eine Umgebung schaffen, in der die Kunst wirken kann. Von dem alten griechischen Konzept halte ich nicht so viel.

Kunst ist etwas, das nur selten ein Konzept hat, deshalb ist sie schwer zu beschreiben. Eine ganz einfache Definition ist: Kunst ist etwas, das von jemandem geschaffen wurde und sie muss jemanden erreichen, der etwas darüber schafft, das nennen wir dann Interpretation. Es gibt die Kunst des Erschaffens und es gibt eine Kunst der Interpretation. Wenn jemand Musik hört, schafft er seine eigenen Bilder zur Musik. Er macht auch Kunst in einer gewissen Weise. Das ist, was ich mit transzendentaler Kommunikation meine. Kunst ist die beste Art, Gefühle zwischen Menschen zu transportieren.

In den Alben „Irreligious“ und „Sin“, der Titel spricht ja für sich, spielt Religion eine große Rolle. Ist Religion auch eine Form der Kunst für euch, zumal Religion meiner Meinung nach auch viel mit Gefühlen zu tun hat?

Ich würde nicht sagen, dass Religion eine Form von Kunst ist. Aber ich denke, Religion war eine große Inspiration für die Kunst, zum Beispiel für Maler wie Michelangelo. Religion hilft dir bei Dingen weiter, die du nicht erklären kannst und vielleicht bringt sie dich dazu, über Dinge nachzudenken, auch wenn du die religiöse Meinung nicht teilst. Und wie gesagt, die Welt ist voller Inspirationen, nur viele Menschen öffnen ihre Augen nicht dafür und schätzen nicht, was die menschliche Natur alles bietet.

Religiöse Kunst war früher sicher ein wichtiges Thema. Doch die eigentliche Religion hat sich im Laufe der Jahre verändert, es gibt nicht mehr den klassischen Glauben an Gott, es gibt viele Formen des Glaubens…

…ja, Religion wird heutzutage mehr benutzt als geglaubt.

Stimmt, viele „satanische“ Blackmetal-Bands sprechen meiner Meinung nach für deine These. Was hälst du denn von dieser Verbindung?

Auch hier wird eine Glaubensidee mehr benutzt, als dass Menschen wirklich daran glauben. Satanismus ist für mich eher eine Art Philosophie denn eine Religion. In der Band herrschen darüber aber unterschiedliche Ansichten, was ich aber gut finde. Manche Bands arbeiten ja schon fast unter einer Art religiöser Diktatur. Ein freier Geist ist notwendig, um etwas sinnliches wie diese sogenannte Religion verstehen. Satanismus ist für mich eher eine Methode um in sich selbst zu forschen, als eine Religion. Aber das ist meine Meinung. Wenn eine Person wirklich an etwas glaubt, dann werde ich darüber nicht diskutieren, nicht weil ich sie verachte, sondern weil ich sie respektiere. Ich denke, dass es gut ist, wenn man an etwas glauben kann.

Wie siehts denn bei dir aus? Dein Herkunftsland ist Portugal, wenn ich das mit einer Glaubensrichtung verbinden soll, dann fällt mir sofort das Klischee der tief-katholischen südlichen Länder ein. Trifft das zu?

Das stimmt in gewisser Weise. Aber heutzutage spielt Katholizismus nicht mehr die Rolle, die man sich vorstellt. Auch in Portugal wird die Religion, in diesem Fall die katholische, mehr benutz als daran geglaubt. Durch Religion wurden soziale Dinge verbessert, das hat mit dem eigentlichen Glauben jedoch wenig zu tun. Es gibt auch allerlei lächerliches in Portugal: Eine neue katholische Bewegung, Radiosendungen, bei denen Leute anrufen, um sich bei Gott für ihren Mercedes zu bedanken. Materialismus wird wichtiger und Religion ist dekadent, das finde ich viel schlimmer als den einfachen Glauben von alten Menschen. Ich glaube lieber an etwas, das eigentlich dumm sein mag. Diese alten Menschen sind sich gegenüber keine Heuchler, wenigsten nicht im Glauben. Obwohl, besonders die katholische Religion beruht auf Heuchelei.

Ihr habt ja auch auf eurer letzten Tour religiöse Klischees verwendet, als Fernando im Priestergewand oder als pervertierter Jesus auf die Bühne kam. In der Vergangenheit hattet ihr ja auch schon Probleme mit dem Song Opium. Gabs damals eigentlich auch Probleme auf der Tour?

Eigentlich nicht. Die Leute respektieren uns nun auch mehr. Wir sind keine Band, die auf die Bühne geht, Blut spuckt und Sätzte wie Hail Satan oder Death to Christ brüllt, weil sie meinen, das sei cool. Wir denken, dass Provokation viel subtiler sein kann. Die ironischen Charaktere, in die Fernando auf dieser Tour geschlüpft ist, repräsentieren das. Er zeigt einfach ironisch, wie die Einstellung von Priestern zu kleinen Kindern oder sexuellen Dingen sein kann.

Für den Song Opium wollte uns sogar eine bestimmte Lady verklagen, aber Fernando hat ihr in einem Brief erklärt, was der Song bedeutet. Opium hat keinen provokativen Text, überhaupt nicht. Es geht in den Stück um Dichtung und Drogen, Baudelaire ist hier nochmal das Stichwort. Drogen können auch inspirierend sein, Menschen sollten davor nicht nur weglaufen. Ohne Drogen hätten wir vielleicht so manches schöne Gedicht nie zu Gesicht bekommen. Man sollte tolerant genug sein, das zu akzeptieren. Ich denke, Fernando hat mit diesem Brief einiges klar gestellt, wir wollten keine billige Provokation. Wir wollen Diskussionen und die Leute zum Nachdenken bewegen. Menschen, die Drogen nehmen, sollten aber wissen warum sie diese Substanzen nehmen.

Wenn ihr solche Reaktionen wie die Androhung einer Klage bekommt, was fühlt ihr dann? Seid ihr verärgert, weil man euch mißverstanden hat, oder fühlt ihr Mitleid?

Haha, gute Frage, eigentlich ist es eine Mischung aus beidem. Wir sind nicht beleidigt, denn natürlich wissen wir, dass nicht jeder so denkt wie wir. Wir sind nicht überrascht darüber, dass uns Leute kritisieren oder verklagen wollen. Wir erwarten das fast. Aber wir fühlen ein wenig Mitleid mit diesen Menschen. Ich selbst fühle kein Mitleid für die Schwachen, denn ich bin selbst schwach, warum sollte ich andere dafür bemitleiden. Solche Menschen wollen weder Ohren noch Augen öffnen, aber wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, andere Erfahrungen zu machen, wir wollen aber niemanden bekehren. Wenn sie nicht wollen, tja, sie haben die Wahl. Wir zwingen niemanden an das zu glauben, was wir für richtig halten.

Aber ihr wollt doch immer noch eine außergewöhnliche Live Show machen? Was erwartet uns auf der Tour?

Wir bauen unser eigenes Lichtsystem. Wir wollen die Kontraste des Albums, das Glatte, Ruhige und die darauffolgende Brutalität, mit der du durchgeschüttelt wirst, wenn du dich auf die Songs einläßt, live umsetzten. Es soll eine Mischung aus Theateraufführung und Rock Performance werden. Es gibt Bands, die ihre Shows so einstudiert haben, dass es langweilig wird, weil sie sich mehr auf die Planung konzentrieren als die Show zu genießen. Wir wollen Theatershow machen, aber auch die Spontanität einer Rockshow rüberbringen. Es macht uns Riesenspaß, die neuen Sachen zu spielen.

Aha, es geht also weiter die Straße hinunter, die ihr mit der Show auf der Sin- Tour betreten habt? Theater, Verkleidung und so weiter?

Ja, einerseits schon. Wir wollen aber auch spontane Ideen einbauen, um das Element der Rockshow einzubringen. Die Leute kennen uns live bereits, wir werden die Outfits und den Hintergrund wieder ändern. Wir wollen aber auch, dass das ganze interessant bleibt.

Die Sin-Tour war der richtige Weg. Obwohl die Reaktionen auf das Album nicht so toll waren, war live die Hölle los. Ich glaube das lag daran, dass wir die Songs mit visuellen Reizen gekoppelt haben. Mit Butterfly Effect wollen wir einen Schritt weiter gehen, aber wir müssen auch im Kopf behalten, dass eine Show niemals zu durchgeplant sein darf. Wir wollen freie Charaktere bleiben und dennoch das Album verkörpern.

Also gibt es auch Überraschungen?

Ja, wir sind nun reif genug, das auszuprobieren.

Wie sieht es denn mit den alten Songs aus? Werdet ihr noch alte Sachen – außer vampiria (haha, Anm. d. Verf.) – spielen oder denkt ihr, das die nicht mehr zu den neuen Stücken passen?

Wie du vorhin richtig bemerkt hast, sind wir einen Schritt zurück gegangen, in musikalischer Hinsicht. Die alten Sachen passen besser denn je. Es gibt Songs, die wir gerne live spielen, Ruin and Misery, Opium oder Alma Mater. Wir werden wohl nicht aufhören, diese Stücke live zu spielen.

Gibts denn eine bestimmte Band, mit der ihr touren wollt?

Haha, Support oder als Hauptband?

Beides!

Als Opener wäre Katatonia klasse, das Album ist fantastisch. Es gibt aber noch andere Newcomerbands, die gut sind.

Katatonia, aha. Ich denke, dass auch diese Band eine Idee hinter ihrer Musik hat?

Ja, vielleicht. Ich war vom neuen Album sehr überrascht, denn es ist wirklich toll.

Und andersrum?

Nine Inch Nails zum Beispiel. Oder Type O Negative, denn das ist eine Band die wir wirklich respektieren.

Also nochmal eine Tour mit den Brooklynern? (Moonspell waren auf der October Rust-Tour Opener für Type O Negative)

Ja, jederzeit. Wir haben es genossen mit ihnen zu spielen. Diese Band werden wir bis zum Ende unserer Karriere Schätzen, denn sie haben uns so viel beigebracht.

Wie findest du denn dann das neue Album? Schon reingehört?

Ja, es ist ziemlich gut. Es dauert zwar ein bißchen bis man es versteht, es gibt keine Hit Songs. Type O sind eine sehr ehrliche Band, haha.

Als ihr auf Tour mit Type O wart, hattet ihr jedoch nicht die Möglichkeit, eine aufwendige Liveshow zu bieten, ihr hattet weniger Spielzeit und auch weniger Showelemente. Ich hatte den Eindruck, dass ihr euch bei eurer eigenen Tour als Headliner wesentlich wohler gefühlt habt?

Jede Band will Headliner sein – solange genügend Leute kommen. Aber es macht uns nichts aus, Support zu spielen. Wir fühlen uns gut, wenn wir eine kleine Setlist spielen können. Wir spielen auch gerne vor Publikum, das nicht nur wegen uns gekommen ist. Es sind zwei ganz verschiedene Erfahrungen, ob du Headliner oder Opener bist.

Dieses Jahr gabs ja so gut wie keine Festival-Auftritte vom Moonspell, die ja der ideale Rahmen sind, um auch Fans anderer Bands anzusprechen. Warum nicht? Wart ihr mit den Aufnahmen beschäftigt?

Nein, wir haben dieses Jahr in Deutschland das Doomsday-Festival und sonst fast nur im Portugal gespielt, denn wenn wir zu oft spielen, interessieren sich die Leute gar nicht mehr für die Tour. Nächsten Sommer spielen wir wohl wieder Festivals . Im letzten Jahr haben wir recht viele Festivals gespielt. Wir treten lieber auf Festivals auf, wenn das Album schon eine Weile raus ist. Spielt man vorher, tötet man die Spannung auf das neue Album. Wir wollen das Album zuerst in kleinen Clubs spielen. Wir fangen mit den neuen Songs klein an und bauen dann auf, bis wir vor vielen Menschen auftreten.

Vor zwei Jahren habt ihr auf dem With Full Force-Open Air einen neuen Song gespielt. Damals war ich sehr gespannt auf das neue Album. Statt die Spannung auf das Album Sin, das zu jenem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht war, zu zerstören hat dieser Titel sie eher verstärkt.

Aber wenn Du Festivals spielst, kennen dich viele Leute nicht. Die sehen dich zum ersten mal und du hinterläßt einen bestimmten Eindruck. Also werden wir erst den Leuten, die uns schon kennen, das Album präsentieren.

Ich bin ziemlich gespannt, wie Ihr das Album live umsetzten wollt. Das Album ist so dicht, man muß schon genau zuhören, um sich zurechtzufinden, wie wollt ihr das live – vor allem auf Festivals – präsentieren?

Ähhhh. Keine Ahnung, haha. Auf der einen Seite sind die Sons recht einfach, keine komplizierten Arrangements. Live werden sie besser umzusetzen zu sein als Sin. Wir können uns beim neuen Material mehr auf Fernandos Gesang und die Melodien konzentrieren, was viel stärker wirkt. Ich freue mich drauf. Ich erwarte auch, dass die Leute sich fragen werden, wie es wird – so wie du. Und das ist gut so. Viel kann ich dazu auch nicht sagen. Wir haben das Gefühl, dass dieses Album besser ankommen wird als Sin. Sin war eben nicht besonders gut aufgenommen. Bei diesem Album wurde der Sound verbessert. Es ist immer eine Herausforderung, Songs live umzusetzen, aber deshalb spielen wir in einer Band, haha.

Ich bin gespannt. Etwas anderes, was ich an Moonspell schätze ist die Verpackung der CDs. Ihr scheint eine Menge Zeit und Überlegungen in euere Booklets zu investieren? Sie sind doch recht ungewöhnlich…

…ja, darum mußten wir auch hart kämpfen, haha.

So?

Früher! Nun respektiert das Label unsere Ideen.

Die Booklets macht ein gewisser Carsten Drescher. Ich muß gestehen, dass ich ihn nicht kenne. Erzähl doch mal was über ihn.

Er macht eine Menge Layouts für Century Media. Er macht eigentlich mehr die Scannerei und die Bildkomposition. Wir haben aber eine spezielle Einstellung zu den Booklets, Fotos sind uns sehr wichtig. Wir wollen das Layout eher simpel, denn Fotografie ist für uns auch eine Form der Kunst. Die Bilder sollen so original wie möglich sein. Die Stimmung, die auf den Foto eingefangen ist, ist echt. Viele Bands bearbeiten Fotos zu viel, hier einen Lage drüber, da die Farbe verändern, und verlieren so die eigentliche Aussage.

Oder diese ganzen unleserlichen Bandschriftzüge… da hat man eine CD in der

Hand und weiß gar nicht wie die Band heißt, weil es kein Mensch lesen kann….

hahaha… genau. Man verliert sich. Wir wollen die Leute nicht mit solchen Schnichschnack ablenken. Wir haben ein striktes Konzept – wenn wir an etwas denken, dann glauben wir daran. Wir sind sehr ehrlich mit uns.

Moonspell-Layouts sind simpel und genau das ist die Kunst daran.

Du schaust dir bitte das nächste Layout genau an, denn alle Künstler um uns rum, die Designer, verehren die Fotografie. Wir haben mit einem sehr talentierten Künstler aus Portugal zusammengearbeitet.

So, nun hab ich total den Faden verloren. Eigentlich hatte ich mir schön ordentlich Fragen notiert, aber ich bin recht schnell davon abgewichen…was wollte ich noch wissen? DEAMONARCH? Was gibt dazu zu sagen?

Hahaha…talentierte Band, ich mag das Album Hermeticum sehr. Ich bin eigentlich nicht der richtige, um darüber zu reden, ich war nur an der Produktion beteiligt. Es ist sehr gut gemachter, extreme Metal, Death-BlackMetal. Es ist eins der wenigen extremen Metal Alben, das ich oft anhöre. Fernando hat einen guten Job gemacht.

Stimmt, es ist eigentlich erstaunlich, wie flexibel Fernando seine Stimme einsetzt. Auch auf dem neuen Album, Kreischen und klare Passagen ohne Brüche dazwischen.

Wir mögen den Kontrast und wollten ihn betonen. Fernando kann auch beides. Aber allzuviel kann ich dazu nicht sagen, ich singe schließlich nicht.

Gut, reden wir über euren Giarristen: Ricardo scheint ein recht dominater Musiker zu sein, der zumindest live nicht versteckt, was er kann. Ist es schwer mit ihm zusammenzuarbeiten?

Waaaaas? Tut mir leid, aber du liegst total falsch. Ricardo ist der am wenigsten dominante Typ in der ganzen Band. Er hat am wenigsten Einfluß, obwohl er ein brillanter Spieler ist. Er versteht, dass die Gitarre mit anderen Instrumenten arbeitet und nicht anders rum. Wenn jemand die Band verkörpert, dann ist das Fernando.

Seine Texte und sein Gesang sind wesentlich für Moonspell. Aber wir arbeiten zusammen, und das tun wir gerne. Ich selbst habe mehr Einfluß auf die Musik, aber ich will auch immer wissen, was die anderen darüber denken. Teamarbeit ist wichtig für uns.

Gibt es dann auch gemeinsame musikalische Vorlieben?

Schwierig. Ich mag Massive Attack sehr. Wir alle mögen Nine Inch Nails. Entombed sind auch eine tolle Band. Oder Nefilim. Aber das ist unterschiedlich, wir mögen auch Nick Cave. Oder Morbid Angel, Korn, Dead can Dance, Rob Zombie, Samael sind auch gut. Es ist also nicht einfach zusammenzufassen, was uns gefällt. Wir haben einen breiten Geschmack und kennen keine Grenzen.

Aber all diese Bands sind irgendwie auf ihre Weise, egal welchen Stil sie spielen, düster?

OK, hier etwas, das überhaupt nicht düster ist: U2! Nun hab ich dich! Aber du hast recht, wir mögen den melancholischen Aspekt an Musik. Das stimmt.

Euer eigenes Songwriting zeichnete sich immer durch Gitarrenriffs, die recht eingängig sind, aus. Auf dem neuen Album habt ihr das ein wenig zurückgenommen, sie sind da, aber man muß sie erst entdecken. Liege ich richtig?

Ich schreibe die Songs ja zuerst auf der Gitarre und die Rohlinge sind recht simpel. Wir haben die Gitarren wieder entdeckt und ich habe versucht sie so zu benutzen, wie wir es früher nicht getan haben, also mehr rhythmus-orientiert als melodisch. Das haben wir bewußt gemacht. Obwohl, wenn du einen Song schreibst, denkst du nicht daran, wie du ihn schreibst. Es kommt einfach aus dir raus.

Der letzte Song auf Butterfly Effect, warum heißt der K? Hat das was mit Chaos zu tun?

Oh, es ist ein Geheimnis, warum er so heißt. Das war eine sehr witzige Geschichte, die erzähle ich dir aber nicht.

Schade, aber was hat es denn nun mit dem Track auf sich? Er startet in perfekter Harmonie und artet dann im Chaos aus – so ist mein Eindruck. Ist das beabsichtigt und hat das etwas mit dem Schmetterlingseffekt zu tun?

Oh, das Chaos ist ein Hidden-Track, der Christ’s Disease heißt. Der Titel beruht auf einem Gedicht von William S. Burroughs. Eine ironische Sicht von Religion. Es geht um Leute, die an einer Krankheit namens Christ’s Desease leiden. Viele sterben daran, dass sie übertrieben großzügig sind, was sehr ansteckend ist. Wir haben ein Sample aus dem religiösen portugiesischen Radio verwendet, wo sich Leute für was auch immer bedanken. Chaotisch ist der Song, weil Fernando alle Instrumente eingespielt hat. Und weil er keine spielen kann, ist das eben Chaos.

Tja, das steht hier nicht im Info, aber darum heißt es ja auch Hidden-Track… ich dachte die Songs gehörten zusammen.

Nein, das tun sie nicht. Aber wir haben die Titel natürlich bewußt so angeordnet, von Harmonie ins Chaos, wie du schon sagtest.

So und nun der Fragebogen… Nenne mir einfach die letzten drei Alben die du dir gekauft hast oder deine drei Lieblingsalben

Das ist unterschiedlich. Die letzten die ich gekauft habe, sind Alben, die ich früher sehr oft gehört habe. The Cure – live in Concert, eins von The Smiths und Moment… blöde frage, hahaha..! Ich glaube Massive Attack-Remixes. Die Alben, die mir gefallen haben, waren Nine Inch Nails – Further down the spiral, das sind Remixes, Melanine von Massive Attack und das letzte Album von Tool.

Was ist denn die Faszination an Massive Attack? Die Band wir häufig genannt.

Das ist einfach toll aufgebaute Musik, ich kanns nicht richtig erklären, es ist wie ein Trip, das anzuhören. MA schaffen etwas richtig neues, wie Portishead. MA entführt dich in eine andere Welt.

Was hälst Du von Internet &Musik?

Das ist die Zukunft, aber als Band haben wir natürlich ein bißchen Angst davor, denn jeder kopiert die CDs. So verkaufen wir weniger CDs. Auf der anderen Seite zwingt das die Musiker dazu, bessere Layouts zu machen. Live Shows kann man allerdings nicht ersetzen.

Was ist denn mit eurer Homepage? Die funktioniert schon eine ganze Weile nicht mehr.

Die wird grad umgebaut, ist aber mit dem Album-Releasedate wieder zugänglich. Wir haben sie re-designed.

Wen willst du denn mal in deinem Leben treffen?

Es gibt einen portugiesischen Politiker, den ich mal treffen möchte, ich interessiere mich sehr für Politik. Ansonsten ist es eben so, dass man von den Menschen, die man treffen will, enttäuscht ist. Ich will Leute treffen, von denen ich etwas lernen kann, das ist mir lieber als irgendwelche Prominente. Ich bin oft von Künstlern enttäuscht. Ihre Arbeit ist toll, aber das heißt nicht, dass ihre Persönlichkeit oder ihr benehmen gut ist. Selten kann man von den Menschen etwas lernen, von ihrer Kunst schon eher.

Was sagst Du zur Reunion von Iron Maiden?

Iron Maiden sind ein Meilenstein. Sie hätten sich niemals auflösen sollen. Bruce ist der beste Sänger, den sie jemals hatten. Sie haben sich irgendwann im Mittelmaß verloren, aber das ist normal. Welche Band kann so lange einen so hohen Standard halten? Wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, wäre ich zur Show gegangen. Aber ich muß Interviews geben. So bist also du schuld daran, das ich sie nicht sehe, haha! Nein im Ernst, es gibt bei Moonspell Leute, die die Band mehr mögen als ich. Als ich jünger war, hab ich sehr viel Maiden gehört, nun nicht mehr.

Oh, tut mir leid mit dem verpassten Konzert. (zumal ich mir Maiden morgen anschauen werde *g*) Das soll es nun auch gewesen sein. Vielen Dank für das interessante Interview.

Ja, auch Dank an dich, war ein schönes Gespräch.

Dieses Interview erarbeiteten sich vampiria & boxhamster

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