Eragon [Filmkritik Kino]

Schöne Landschaften, schöne Fantasy-Story – das Rezept für einen guten Film?

Es ist Dezember und wer in den vergangenen Jahren zu dieser Zeit stets mehr Vorfreude auf den neuesten Teil von Lord of the Rings als auf Weihnachten verspürte, den dürstet es auch dieses Jahr wieder nach einem Epos mit hehren Kriegern, blutigen Schlachten, Schwertern und ordentlich phantastischer Grundatmosphäre. Dieses Jahr verspricht Eragon die übergrosse Lücke zu füllen, welche das Meisterwerk von Peter Jackson hinterlassen hat. Doch haben die Drachen mit ihren Drachenreitern wirklich die Kraft dazu? Oder knechtet der eine Ring auch sie und verteidigt seinen erkämpften Thron?

Vom Prolog an ist klar, dass die Fußstapfen des Ring-Epos mehr als eine Nummer zu groß sind für Eragon. Der Bauernjunge Eragon (Ed Speleers), der in einem unbestimmten, bergigen Land am liebsten mit Pfeil und Bogen jagen geht (Legolas, ick hör` dich trapsen), kommt eines Nachts in Besitz eines blauen Steins, welcher eigentlich dem tyrannischen König Galbatorix (John Malkovich) gehört. Der Stein entpuppt sich bald als Drachenei und der kleine weibliche Drache Saphira ist alsbald geboren und wird zu Eragons Bestimmung. Zusammen mit dem grummligen Brom (Jeremy Irons) macht er sich auf zu den rebellischen Valden, die irgendwo hinter den Bergen, wo auch noch Elfen und Zwerge zu Hause sind, leben und auf die Rückkehr der Drachenreiter und Drachen hoffen. Doch das alles ist schwieriger als es scheint, denn Galbatorix setzt alles daran, die Rebellen zu unterdrücken und Eragon zu töten (da mit seinem Tod auch das Leben seines Drachens zu Ende wäre).

Während also Galbatorix in seinem dunklen, Minas Morgul-lässt-grüßen-Palast sitzt und seine Landkarte anschaut, die wie aus Tolkiens Original herauskopiert scheint, heftet sich sein dunkler Magier Durza an die Fersen von Eragon und Brom. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail – obschon die Rolle des Durza vom kompetenten Bösewichtdarsteller Robert Carlyle übernommen wurde (schließlich hat er James Bond schon in The World is not Enough als schmerzunempfindlicher Terrorist das Leben schwer gemacht), kann man sich zeitweise ein Grinsen nicht verkneifen, da der fiese Schattenmagier etwas an Dani Filth nach einer missratenen Rottönung beim Friseur erinnert.

Doch viel schwerer als dies wirken sich andere Faktoren negativ auf Eragon aus. So ist die Filmmusik viel zu lasch und wirkt uninspiriert und der Song von AVRIL LAVIGNE könnte seichter nicht sein. Ed Speleers wirkt als Hauptdarsteller zudem etwas unbeholfen, eine Art junger Luke Skywalker, der jedoch nicht das Charisma eines Mark Hamill besitzt. Jeremy Irons versucht immerhin das beste aus seiner Rolle herauszuholen, doch seine Performance im Ritterfilm Kingdom of Heaven war eindeutig überzeugender. Und gerade von John Malkovich, der dem Film noch etwas Klasse verleiht, sieht man leider ziemlich wenig, was der schauspielerischen Qualität zusätzlich abträglich ist. Ebenfalls blass bleibt die hübsche Arya (Sienna Guillory), die wohl irgendwie die Position von Galadriel und Arwen auf einmal füllen soll, allerdings kaum große Schlachten schlagen darf und so weitaus weniger emanzipiert scheint als Eowyn im großen Vorbildsfilm.

Das weitaus größte Problem sind jedoch die offenen, ja fast Plagiat-gefährdeten Parallelen zu Lord of the Rings: Szeneeinstellungen, Ritte über Bergkämme, magische Worte und eine Arya, welche den Namen Eragon fast wie Aragorn ausspricht – zuviel gemahnt an den unerreichten Vorgänger, und immer muss man bei Eragon Abstriche machen. Wenn dann der verhinderte Dani Filth-Durza seine primitiven Krieger, die wie eine Kreuzung aus Ork und Black Metaller aussehen, vor der Schlacht à la Saruman adressiert und statt To war das Wort Annihilate benutzen muss, weil sonst der Szeneklau zu offensichtlich wäre, dann macht sich beinahe Mitleid breit für die Macher des Drachenreiterwerkes. Beinahe der ganze Film wirkt wie ein verzweifeltes Zusammensuchen der Reste, die bei Lord of the Rings unter den Schneidetisch gefallen sind – nur, die Story ist schlicht zu wenig durchdacht, die linguistischen Eigenheiten der Fantasywelt sind wild zusammengewürfelt und vollkommen arbiträr und auch die Kostüme lassen die Liebe zum Detail arg vermissen. Letzteres wird offensichtlich, wenn Eragon nach einer leicht homoerotischen Wasserszene (Frodo und Sam, ick hör euch trapsen) zu den Valden kommt. Diese sehen aus wie ein wild zusammengewürfelter DSHINGHIS KHAN und VILLAGE PEOPLE-Fanclub aus den 70ern und werden von einem Nubier angeführt, der so einen ganz anderen Akzent aufweist als der ebenfalls in seinem Club existente Quoten-AMON AMARTH-Wikinger. Spätestens jetzt wartet man auf das Ende des Filmes, doch in Sachen Schlacht gibt es hier Abstriche zu machen und wenn Eragon etwas à la Up to the sky, to fight and die ruft, weiß man, warum MANOWAR-Videos nur einige Minuten dauern und nicht zwei Stunden.

Insgesamt schafft es Eragon also trotz fleißiger Filmemacherei und schöner Landschaften nicht zu überzeugen. Zu hoch hat Peter Jackson die Latte angesetzt, unerreicht bleibt Tolkiens Werk und die filmische Umsetzung des Neuseeländers. Da hilft es dem Drachenabenteuer auch nicht weiter, wenn einige der technischen Effektspielereien aus den WETA Workshops kommen. Schade.

Veröffentlichungstermin: 14.12.2006

Spielzeit: 115:00 Min.

Line-Up:
Ed Speleers: Eragon
Jeremy Irons: Brom
John Malkovich: König Galbatorix
Robert Carlyle: Durza
Sienna Guillory: Arya

Stefen Fangmeier: Regie
Peter Buchman, Lawrence Konner, Christopher Paolini, Mark Rosenthal: Drehbuch
Hugh Johnson: Kamera

Label: Fox / Warner

Homepage: http://www.eragonmovie.com

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