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SWALLOW THE SUN, AVATARIUM, SHORES OF NULL: Konzertbericht – Backstage Halle, München – 30.04.2023

Das aktuelle SWALLOW THE SUN-Album “Moonflowers” (2021) ist schon eine Weile erhältlich, doch erst jetzt kommt auch München in den Genuss einer dedizierten Headliner-Show. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, zumal mit AVATARIUM und SHORES OF NULL schon auf dem Papier für ein wirklich wundervolles Vorprogramm gesorgt ist.

In München hat man heute die Qual der Wahl: Allein das Backstage-Areal bietet neben der Bundesliga-Live-Übertragung im Biergarten für Rock- und Metal-Fans gleich drei Alternativen: Im großen Werk machen SUBWAY TO SALLY auf ihrer „Himmelfahrt“-Tour halt, während sich im kleinen Club die Emo-/Pop-Punk-Durchstarter LONELY SPRING über ausverkauftes Haus freuen dürfen. Wir wählen derweil die dritte Option: SWALLOW THE SUN mögen mit ihrem melancholischen Gothic Metal- / Doom-Death-Mix auf den ersten Blick vielleicht nicht zum Frühlingswetter dieses Wochenendes passen, wissen dafür aber selbst im Live-Kontext bestens, wie man Gänsehaut erzeugt. Dass die Finnen in diesem zweiten Tourabschnitt darüber hinaus von den vielversprechenden SHORES OF NULL sowie den erfahrenen, nicht minder versierten AVATARIUM begleitet werden, macht uns die Entscheidung letztlich noch ein Stück leichter.

Bei so viel Konkurrenzangebot ist es dennoch nachvollziehbar, dass eine Viertelstunde vor Konzertbeginn noch nicht allzu viel Betrieb in der Halle herrscht. Wo am Vorabend bei CYPECORE die Luft zum Schneiden dick war, können wir nun unseren Platz frei wählen. Ausverkauft ist die Show heute offenbar nicht, doch Lust haben die angereisten Fans dennoch – das ist selbst vorab im Backstage zu spüren.


SHORES OF NULL

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Davon profitieren selbstverständlich auch SHORES OF NULL, die um halb acht den Startschuss setzen, während sich die Lokalität nach und nach zu füllen beginnt. Nicht die einfachsten Bedingungen, versteht sich, doch das Handicap des Anheizers wissen die Italiener offenbar für sich zu nutzen: Aus der Position des Underdogs heraus hat man natürlich das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Wir staunen daher nicht schlecht, als der Opener „Destination Woe“ die feine Linie zwischen AMORPHIS und PARADISE LOST balanciert und das Ganze mit einem dezent angeschwärzten Vibe veredelt.

Live holt uns dieser Mix schnell ab, auch weil das Grundgerüst eingängig sowie kraftvoll bleibt. Daran ändert auch der etwas verwaschene Sound zu Beginn nichts, denn Sänger Davide Straccione sorgt selbst dann mit seiner kraftvollen Performance für den roten Faden. Donnernde Growls und leidenschaftlicher Klargesang wie im bedrückenden „Nothing Left To Burn“ sind die Geheimzutat, mit deren Hilfe SHORES OF NULL die Münchner:innen schnell für sich gewinnen.

SHORES OF NULL stoßen im Backstage auf offene Ohren

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Hin und wieder setzen die fünf Musiker noch einen drauf, wenn etwa „The Last Flower“ phasenweise mehrstimmigen Gesang einstreut oder „My Darkest Years“ zum Abschluss die Atmospheric-Black-Metal-Einflüsse stärker hervorkehrt. Immer jedoch bleibt das Material dadurch abwechslungsreich und aufgrund der genannten Referenzen so vertraut, als begleiteten uns die Klänge der sympathischen Band bereits seit vielen Jahren. Ein Fazit, mit dem wir nicht alleine dastehen: Obschon SHORES OF NULL bei Weitem nicht die Gefolgschaft der Tour-Kolleg:innen hinter sich zählen können, scheint man heute im Backstage auf offene Ohren gestoßen zu sein.

SHORES OF NULL Setlist – ca. 40 Minuten

1. Transitory (Intro)
2. Destination Woe
3. Nothing Left To Burn
4. Quiescent
5. The Last Flower
6. Black Drapes For Tomorrow
7. A Nature In Disguise
8. Darkness Won’t Take Me
9. My Darkest Years

Fotogalerie: SHORES OF NULL


AVATARIUM

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Obwohl AVATARIUM nach dem vergleichsweise stürmischen Auftakt SHORES OF NULLs nun quasi das Kontrastprogramm auffahren, könnte die Resonanz kaum größer sein. Als die Skandinavier um Sängerin Jennie-Ann Smith die Bühne betreten, bricht das Backstage für einen Moment in Jubelschreie aus, bevor es dann schnell wieder ganz still wird. Andächtig und ein wenig melancholisch leitet Smith, heute in schwarz-roter Robe, den Opener „Stockholm“ ein. Die Akustikgitarre legt die Sängerin für das nahtlos anknüpfende „Rubicon“ indes beiseite, um ihren mit gesundem Pathos vorgetragenen Zeilen durch große Gestik zusätzliche Ausdruckskraft zu verleihen.

Dabei profitieren AVATARIUM vom klaren Sound im Backstage, der kein Detail verschluckt – nicht einmal die dezenten Percussion-Untermalungen von Drummer Lars Sköld. Dass man im Publikum derweil tendenziell auf dem eigenen Platz verweilt und dabei wahlweise tanzt, die Haare schüttelt oder einfach entrückt genießt, darf man keinesfalls falsch verstehen. Moshpits wie am Vorabend bei CYPECORE wären heute auch vollkommen fehl am Platz. Ihre Begeisterung äußern die Anhänger:innen auf andere Weise: Mit tosendem, ja fast schon ohrenbetäubendem Applaus zeigt die bayerische Landeshauptstadt ihre Wertschätzung, egal ob nun eine Ballade wie „The Fire I Long For“ oder in „Pearls And Coffins“ ein wunderbares wie ausladendes Solo von Marcus Jidell vorausgegangen war.

AVATARIUM überzeugen mit einer mitreißenden und sympathischen Performance

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Kein Wunder, dass auch wir schnell in den Sog AVATARIUMs geraten, den die Band durch ihre bodenständige, doch grundsympathische Art zu erzeugen weiß. Die Freude, hier sein zu dürfen, scheint authentisch und untermauert das Quintett mit einer leidenschaftlichen sowie mitreißenden Performance, während der Keyboarder Rickard Nilsson kurzzeitig sogar mit dem Fuß die Tasten anschlägt. Gekürt wird dieses triumphale Gastspiel schließlich durch das euphorisch aufgenommene „Moonhorse“, nach dessen Ende die Verabschiedung aus München in etwa so überschwänglich ausfällt wie der Auftritt AVATARIUMs selbst makellos war.

AVATARIUM Setlist – ca. 60 Minuten

1. Stockholm
2. Rubicon
3. Porcelain Skull
4. Pearls And Coffins
5. God Is Silent
6. The Fire I Long For
7. Nocturne
8. Girl With The Raven Mask
9. Moonhorse

Fotogalerie: AVATARIUM


SWALLOW THE SUN

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Man könnte fast sagen, SWALLOW THE SUN stünden nach dieser Darbietung unter Zugzwang: Das Vorprogramm zu toppen, ist heute Abend keine leichte Aufgabe. Da hilft es natürlich nicht, dass die Finnen als Headliner abseits von einigen unscheinbaren Kerzen im Hintergrund weder Bühnendeko noch zusätzliche Licht-Elemente im Gepäck haben. Im Gegenteil, die Frontscheinwerfer bleiben ab dem Intro „The Fight For Your Life“ sogar aus, weshalb wir die Band über weite Strecken nur als Silhouetten im Nebel wahrnehmen.

Trüben kann das die Show derweil nicht, denn SWALLOW THE SUN wissen selbst ganz genau, dass in ihrem Fall weniger gleich mehr bedeutet: Die reduzierte Untermalung schafft den perfekten Rahmen für den nachdenklichen, oft betrübten Doom-Death, der sich mit seinen Gothic-Anleihen aber keinesfalls vor ehrlichen Emotionen verschließt. Folglich sprechen die Nordeuropäer heute Abend vornehmlich über ihre Musik: Nur selten richtet Sänger Mikko Kotamäki das Wort direkt ans Publikum, um etwa vor „New Moon“ einen Tempowechsel im Programm anzukündigen.

SWALLOW THE SUN-Gründer Juha Raivio sucht immer wieder den Kontakt zum Publikum

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Die stoische Art Kotamäkis, dessen warme Stimme nicht nur im umjubelten „Firelights“ direkt ins Herz geht, ist derweil keinesfalls mit Lustlosigkeit zu verwechseln. Vielmehr entweicht SWALLOW THE SUN unter ihren Kapuzen immer wieder mal ein kleines Lächeln angesichts der überwältigenden Reaktionen: Sei es die finnische Landesflagge, die in der ersten Reihe ausgebreitet wird oder die zahlreichen Arme, die den Musikern entgegengestreckt werden und welche Gründungsmitglied Juha Raivio immer wieder zu erwidern sucht.

Das Spannungsfeld aus laut und leise durchschreitet die Band dank des erneut transparent abgemischten Klangs dabei souverän: Klassiker wie „Fallen World“ lassen nicht nur uns rhythmisch im Takt nicken, während das emotionale „Woven Into Sorrow“ vom aktuellen Album „Moonflowers“ (2021) durch sein intensives Finale besonders lange nachhallt.

Auf der Zielgeraden ziehen SWALLOW THE SUN den Härtegrad an

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Wie schon im vergangenen Jahr auf dem DARK EASTER METAL MEETING ziehen SWALLOW THE SUN auch heute den Härtegrad auf der Zielgeraden immer weiter an: Die Blast Beats in „This House Has No Home“ erreichen uns dabei wie ein erster Warnschuss, auf den mit „These Woods Breathe Evil“ und schließlich „Swallow (Horror, Part 1)“ zwei drückende Doom-Death-Walzen folgen, welche Frontmann Mikko Kotamäki zum Abschluss von seiner harschen, ungezügelten Seite zeigen.

Ein Finale nach Maß also für eine Show, die zunächst viel versprochen und tatsächlich noch mehr geliefert hat. Selbstverständlich ist das übrigens keineswegs; gerade an einem Sonntag wie diesem, wo wir in München die Qual der Wahl hatten und schlussendlich doch mit den frischen Eindrücken eines wundervollen Konzertabends nach Hause gehen dürfen, wohl wissend, dass wir bei der Programmauswahl heute offenbar auf das richtige Pferd gesetzt haben.

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SWALLOW THE SUN Setlist – ca. 80 Minuten

1. The Fight For Your Life (Intro)
2. Enemy
3. 10 Silver Bullets
4. Falling World
5. Keep Your Heart Safe From Me
6. Firelights
7. New Moon
8. Woven Into Sorrow
9. Stone Wings
10. This House Has No Home
11. These Woods Breathe Evil
12. Swallow (Horror, Part 1)

Fotogalerie: SWALLOW THE SUN

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

Veranstalter (lokal): Backstage Concerts GmbH

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