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STORMWARRIOR: Digital ist unbedrohlich

Interview mit Lars Ramcke und Alex Guth über ihre Band, das neue Album, Zeitreisen, Gitarren und durchfallgeplagte Stinktiere.

Monat für Monat erscheinen uninspirierte Power Metal-Alben. In der Regel werden dabei halbgare Liedideen in ein poliertes Klanggewand gesteckt und auf den ohnehin unübersichtlich gewordenen Markt geworfen. STORMWARRIOR warten dagegen mit einer herrlich bodenständigen Produktion auf und – am wichtigsten – bieten über die gesamte Spielzeit ihres jüngsten Albums Heading Northe mitreißende Metal-Hymnen. Es ist also höchste Zeit, die Brieftauben nach Norden zu schicken und mit Lars Ramcke und Alex Guth über Band, Album und Zeitreisen zu sprechen.

Ist euch die Idee zum Titeltrack am Ende einer Tour durch Süddeutschland gekommen?

Alex: Haha, naja, wir fühlen uns schon sehr mit Hamburg bzw. Schleswig-Holstein als Heimat im Norden verbunden, von daher wäre die Idee eigentlich gar nicht mal so abwegig. Aber nein, wir sind eigentlich überall gerne unterwegs und freuen uns auf unsere Fans, natürlich auch in Süddeutschland… 😉

Wo beginnt für euch Süddeutschland?

Alex & Lars: Südlich der Elbe!

Hat der erste Song, den ihr für ein neues Album schreibt, eine besondere Bedeutung für die weitere Entwicklung der restlichen neuen Stücke?

Alex: Das ist unterschiedlich. Der erste Song, der für Heading Northe geschrieben wurde, war Night of the Storme, der jetzt nur als Bonus-Track für Japan verwendet wurde. Ab da kamen wir eigentlich erst so richtig auf Betriebstemperatur und weitere Ideen kamen schneller zusammen.
Lars: Naja, man fängt halt irgendwie mit dem ersten Song an und im Verlaufe der ersten drei vier Lieder bekommt man dann schon mal so ungefähr einen Überblick, in welche Richtung das komplette Album gehen wird bzw. welche Art von Songs noch fehlen würden, um das ganze Album aus einem Guss erklingen zu lassen. Spätestens wenn das letzte Stück dann fertig ist, macht man sich noch mal daran, an den ersten Songs zu feilen und macht noch ein paar Angleichungen und Überarbeitungen.

STORMWARRIOR
Alex Guth über Bassist Yenz Leonhardt: Er hat sich mit seinem Spiel ohne Probleme in den Gesamtsound der Band einfügen können, ohne dass vorher etwas festgelegt wurde.

Wie viel Ausschussware ist beim Songwriting angefallen, die zwar ganz gut, aber nicht gut genug war?

Alex: Es gibt ein paar Versatzstücke, die übrig geblieben sind, das ist aber nicht allzu viel. Mehr als ein oder zwei vollständige Stücke sind nicht dabei. Wie gesagt, meistens muss man im Songwriting erst einmal warm werden, und da fallen die frühen unausgegorenen Ideen schnell wieder hinten runter. Aber wer weiß, vielleicht wird der eine oder andere Part irgendwann doch nochmal seine Verwendung finden.
Lars: Bei mir ist es meistens so, dass ich erstmal so gut wie alles an Ideen aufnehme und festhalte, mich dann im Endeffekt aber doch nur bei den besten Parts bediene und dann den Rest des Songs drumherum baue und die mittelmäßigeren Parts am Ende doch komplett außen vor lasse. Also ein paar Ideen flattern da schon noch irgendwo herum, aber man kümmert sich dann doch lieber um die geilen Parts und schreibt lieber noch fünf neue, als einen mittelmäßigeren zu verwenden.

Wie weit dreht ihr beim Songwriting eure Gitarren auf?

Alex: Zunächst gar nicht so sehr, da man sonst nicht nur sein Umfeld, sondern auch seine eigenen Ohren durch das Herumprobieren malträtiert. Sobald aber eine brauchbare Idee da ist, muss gleich aufgedreht werden um zu sehen, wie gut das ganze in den Magen drückt! Dann gehen alle Regler auf 11!
Lars: Mindestens…! 😉

Was ist bei den Gitarren-Aufnahmen die größere spielerische Herausforderung: das präzise Hochgeschwindigkeitsriffing oder die Soli?

Alex: Beides ist auf seine Art eine Herausforderung. Beim Riffing muss man möglichst tight und auf den Punkt spielen können, da sonst alles viel zu schwammig klingen würde und der Sound nicht den nötigen Druck hat. Bei den Soli hingegen kann man zwar etwas freier spielen, aber dafür sind hier Feeling und Phrasierungen umso wichtiger. Ein Solo muss leben und die Gitarre zum Singen oder Schreien bringen, und es dauert halt eine gewisse Zeit, bis man den Punkt gefunden hat, wo man wirklich Gänsehaut bekommt.

Mögt ihr Akustikgitarren?

Alex: Klar, wir hatten bereits auf Northern Rage einige Parts mit Akustikgitarren. Natürlich werden sie bei STORMWARRIOR niemals einen Schwerpunkt in der Musik bilden, aber sie tragen zu einer intensiven, aber auch sehr melancholischen Atmosphäre bei, wie es zum Beispiel die cleanen Gitarren bei Lion of the Northe auf der neuen Scheibe tun.
Lars: Wer weiß, vielleicht wird das nächste Album ja auch ein komplettes Unplugged-Album mit ein paar Jazz-Elementen… 😉

Wie schwierig ist es, bei der sehr Gitarren-lastigen Musik von STORMWARRIOR die Rolle des Bass festzulegen – und euren Basser Yenz dann dazu zu bringen, sich an diese Rolle zu halten?

Alex: Yenz hatte absolut freie Hand beim Ausarbeiten seiner Basslinien. Gerade bei der Musik von STORMWARRIOR hat dieses Instrument auch eine bedeutende Rolle, schafft der Bass doch vor allem bei zweistimmigen Gitarrenparts einen ausfüllenden und den Gesamtsound ergänzenden Unterbau. Es hat Spaß gemacht, mit Yenz an den Basslinien zu arbeiten. Mehr als einmal mussten wir breit grinsen, wenn er mit einer neuen Idee ankam, da die Bassparts sich stets perfekt in die Gitarrenläufe eingefügt hatten und dabei noch ohne Ende geknallt haben. Von daher musste sich Yenz an keine Restriktionen halten, er hat sich mit seinem Spiel ohne Probleme in den Gesamtsound der Band einfügen können, ohne dass vorher etwas festgelegt wurde.

STORMWARRIOR
STORMWARRIOR 2008 (v.l.n.r.): Yenz Leonhardt (Bass), Lars Ramcke (Gesang, Gitarre), Alex Guth (Gitarre), Falko Reshöft (Schlagzeug)

Ist die digitale Aufnahmetechnik eine Bedrohung für den Heavy Metal?

Alex: Hmm, schwierige Frage, da die digitale Aufnahmetechnik sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Man wird niemals den warmen Klang analoger Geräte ersetzen können, das ist nun mal Fakt. Bandmaschinen und alte Röhren sorgen für eine ganz eigenartige Magie, die digital nicht so einfach möglich ist. Anders herum bietet die digitale Revolution natürlich bequeme und auch extrem kostengünstige Vorteile. Also solang man sich an die berühmte Formulierung Best of both worlds hält, ist es auch heutzutage noch möglich ein typisch rohes, pures Heavy Metal Soundgewand zu kreieren. Allerdings hat alles auch seine Grenzen, denn spätestens auf der Bühne sehen die Fans dann, was ein Musiker wirklich drauf hat. Von daher kann der Heavy Metal nicht durch die digitale Aufnahmetechnik bedroht werden, denn sie ermöglicht gut klingende Platten und spornt den Musiker an, das im Studio geleistete Werk in der Qualität auch live zu erbringen.

Ein Vorwurf von mir mit der Bitte um Stellungnahme: Hier und dort, z.B. beim Opener oder bei Iron Gods, klingt das Doublebass-Tempo im ersten Moment nach Vinyl auf 45 Umdrehungen pro Minuten. Das hätte es in den 80ern nicht gegeben! Zumindest nicht auf traditionellen Power Metal-Alben.

Alex: Ha, also ich kann Dir versichern, dass an der Doublebass auf Heading Northe nicht herumgetrickst wurde, falls Du auf Deine vorige Frage bezüglich der digitalen Aufnahmetechnik abzielst. Die Drums wurden komplett analog mit Mikrofonen und ohne zusätzlichen Schnickschnack wie z.B. Trigger aufgenommen. Das, was Du da hörst, wurde im Studio auch so eingespielt. Außerdem gab es in den Achtzigern schon extrem schnelle Doublebass, zum Beispiel auf der Darkness Descends von DARK ANGEL oder bei den frühen HELLOWEEN. Das ist nun wirklich keine neuzeitliche Erfindung.
Lars: Ehrlich gesagt kann ich mir auch nicht so wirklich vorstellen wie eine Bassdrum auf 45 Umdrehungen klingen soll. Eigentlich müsste sie dann doch viel höher und nach Mickey-Mouse Effekt klingen, und das ist ja nun definitiv nicht der Fall… Aber es ist schon so gewesen, dass Falko bei manchen Songs, sagen wir mal sehr am schwitzen war… 😉

Wie weit kümmert es euch, was die Presse über eure Musik schreibt?

Alex: Es ist ein interessantes Barometer, denn Pressemeinungen färben unweigerlich auf die Ansichten eines Endverbrauchers ab. Allerdings muss ich sagen, dass es uns viel wichtiger ist, dass ein Fan auf uns zukommt und sagt, dass ihm unsere Musik gefällt, als ein journalistisches Feedback irgendwo zu lesen. Schließlich sind die Fans ja diejenigen, denen wir unseren Status zu verdanken haben, und verdienen deshalb immer ein offenes Ohr.
Lars: Natürlich ist es interessant zu sehen wie andere Leute über die eigene Musik denken. Und so lange sich die Redakteure auch die nötige Zeit nehmen ein Album zu verstehen und dementsprechend darüber urteilen, ist es auch völlig in Ordnung, wenn ein subjektives Urteil auch einmal negativ ausfallen sollte. Wenn allerdings einige Schreiberlinge aufgrund von Desinteresse oder Zeitdruck das Album nur so nebenbei laufen lassen und nicht wirklich zuhören bzw. nur das Intro hören und sich den Rest aus den Fingern saugen, dann ist es eigentlich nur schade um die verschenkte Promo-CD gewesen. Wahrscheinlich sind auch genau diese Art von Leuten diejenigen, die dann sofort nach Erhalt der Gratis-Promo-CD das Album erstmal ins Netz stellen und damit, bewusst oder unbewusst, nicht nur der besagten Band, sondern gleichzeitig der gesamten Szene Schaden zufügen und damit den oftmals nicht vorhandenen Support der Plattenfirmen gegenüber kleineren Bands zusätzlich verstärken, indem sie dadurch die Verkaufszahlen schmälern, wodurch es sich dann wieder für die Plattenfirmen nicht mehr lohnt junge talentierte Bands zu fördern!
Und dann wird sich wieder beschwert darüber, dass der Nachwuchs nicht genügend supportet wird! Also… Back to Vinyl!!!

STORMWARRIOR
Alex Guth (2.v.r.) über die Vorteile der digitalen Aufnahmetechnik: Sie ermöglicht gut klingende Platten und spornt den Musiker an, das im Studio geleistete Werk in der Qualität auch live zu erbringen.

Wie würdet ihr die Altersstruktur eures Publikums beschreiben?

Alex: Absolut gemischt, von den gestandenen Headbangern aus den Achtzigern bis hin zu den jungen Kids, die den Metal gerade erst für sich entdecken, ist alles dabei. Das ist auch ganz gut so, dadurch vereinen wir traditionelle Werte des Metals mit einer jugendlichen Aufbruchsstimmung.

Wenn ihr mit der Band ins letzte Jahrtausend zurückreisen könntet, wann und auf welchem Festival würdet ihr am liebsten mit STORMWARRIOR auftreten?

Alex: Oh mann, damals gab es so viele Konzerte, die einfach der Hammer gewesen sein mussten. Eine riesengroße Sache wäre bestimmt das Rock Pop in Concert in Dortmund 1983 gewesen, wo IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und die SCORPIONS gemeinsam gespielt haben. Oder irgendein Monsters of Rock zwischen 1980 und 1988!
Lars: Eindhoven `86 mit den originalen HELLOWEEN

Wie würde euer Traumtourschiff aussehen?

Alex: JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN, ACCEPT, RUNNING WILD und STORMWARRIOR! 🙂
Lars: METAL INQUISITOR, METALUCIFER und MAJESTY könnte man natürlich auch noch mitnehmen, dann hätte man auch gleich noch ein paar Leute im gleichen Alter dabei… 😉

Was ist schlimmer: Haarausfall oder Leberschaden?

Alex: Ach, beim Bühnenlicht würde man es eh nicht so wirklich sehen, ob man durch eine kaputte Leber ganz gelb im Gesicht ist oder nicht. Aber wenn die Haare weg sind und man nicht mehr die Matte kreisen lassen kann, wird`s ernst. Von daher ist Haarausfall wohl viel schlimmer als ein Leberschaden.
Lars: Ich kann von Glück sagen, dass sowohl mein Vatter als auch sein Vatter bis ins hohe Alter volles Haar haben/hatten, also so wie`s ausschaut, hab zumindest ich da erstmal nichts zu befürchten…
Leberschaden wär aber glaub ich auch nicht soo lustig. Was soll man dann nach`m Konzert machen… 😉

Welche beiden Tierarten würdet ihr am liebsten mal miteinander kreuzen?

Lars: Hip Hop Möchtegern-Ghetto-Gangster aus Hamburger U-Bahnen mit durchfallgeplagten Stinktieren! Vielleicht explodieren die Viecher ja während des Aktes bei soviel aufeinanderprallender Scheiße… 😉

Fotos: Plattenfirma

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