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NECROPHOBIC, HANDFUL OF HATE, HORRID, DEATH HEAVEN: Mailand: Club 71, 14.11.2009AS

Eine Reise in den Süden. Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft statt englischsprachige Eloquenz. Aber wenn man sich NECROPHOBIC, HANDFUL OF HATE, HORRID und DEATH HEAVEN in Mailand reinziehen kann, sagt man nicht nein…
 

Italienreisen ohne Italienischkenntnisse sind keine entspannenden Ferien. Aber GPS und Vorkenntnissen vom ASPHYX-Gig im Frühherbst dieses Jahres sei Dank, ist der Mailänder Club 71 an der Via Toffetti 71 (Haltestelle Porta di Mare, gelbe Metrolinie) rasch gefunden. Fressstände oder ähnliches gibt es nicht in der Nähe, also ist an diesem

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Konzertabend Flüssignahrung angesagt. Vielleicht ist das auch gar nicht so verkehrt, da von den Frauenklos gerade mal eines – und das ohne WC-Ring – funktioniert. Allerdings verspricht das Billing des von NIHIL PRODUCTIONS organisierten Konzertabends reichhaltige Death- / Black Metal-Kost und genügend Geistesenergie, um das Fleisch fit zu halten. Dass die Securities freundlich sind und trotzdem alles unter Kontrolle haben, ist ebenfalls nur positiv zu werten.

Die Trinkpreise sind im Club 71 nicht gerade niedrig – fünf Euro muss man für ein Red Bull etwa schon springen lassen. Dafür ist die Merchandiseauswahl reichhaltig und preiswert, egal ob man dies auf die schwedischen Headliner NECROPHOBIC oder die italienischen Truppen HANDFUL OF HATE und HORRID bezieht. Die Opener DEATH HEAVEN verkaufen an diesem Abend keine Erinnerungsstücke, obwohl nach ihrem Auftritt klar wird, dass nicht wenige Interessenten vorhanden wären…

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Gefrickel und Gegrunze: Andrea Petucco (DEATH HEAVEN) 

DEATH HEAVEN beginnen ihren Gig gegen halb acht vor etwa 30 Leuten, doch es werden stetig mehr. Soundtechnisch merkt man erneut, dass Metal nicht das mehrheitlich gepflegte Genre im Club 71 ist. Vom Klang her kommen DEATH HEAVEN eher grell rüber und der teilweise mit Tischen und Stühlen versehene Zuschauerraum legt der Metalclub-Atmosphäre Steine in den Weg – gewöhnlich werden hier nämlich zu lateinamerikanischen Rhythmen die Hüften geschwungen statt die Metallermatten geschüttelt. DEATH HEAVEN lassen sich davon jedoch nicht beeindrucken. Vor allem Fronter Andrea Petucco gibt sich ausgelassen dem Headbanging hin – und das neben seinen Sängeraufgaben und dem Gitarrengefrickel.

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Anspruchsvolles Bassspiel: BRN (DEATH HEAVEN)

Dieses Gefrickel beschäftigt den zweiten Gitarristen Matteo Gresele indes vollständig und der Italiener wirkt scheu und konzentriert, statt livehungrig wie Andrea. Auch Bassist BRN bietet imponierendes Technikzurschaustellen und so überrascht es nicht, dass es in den Songs vom aktuellen Album Viral Apocalypse nur wenige ruhige Parts hat und man lieber den Tempiwechseln und Dissonanzen im Death Metal-Gewand huldigt. Drummer Baital ist ebenfalls zackig unterwegs und blastet sich durch die komplex aufgebauten Tracks. Einen faden Nachgeschmack hinterlässt lediglich Baitals NSBM-Vergangenheit, die einem durch eine Anzahl Shirtträger entsprechender Bands im Publikum in Erinnerung gerufen wird. Musikalisch setzen DEATH HEAVEN trotz wenig Wiedererkennungswert die spielerische Latte auf das Niveau anspruchsvoll und können einen guten Eröffnungsgig für sich verzeichnen.

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Dem DISMEMBER-Gitarrensound verfallen: HORRID 

Eine noch frickeligere Band hätte demzufolge nur einen Übersättigungseffekt beim Publikum hervorgerufen. HORRID wählen eine andere Stilstrategie. Die Bassbox wird mit einer Schwedenfahne dekoriert, die Band selber erscheint blutverschmiert und der eine Gitarrist trägt ein weißes NECROPHOBIC-Shirt mit Unholy Prophecies-Aufdruck. Und dann der modrige Gitarrensound, der nur einen Namen vor dem geistigen Auge aufflammen lässt: DISMEMBER. Aber sowas von DISMEMBER.

Selten ist die Stilbezeichnung einer Band auf einem Flyer so zutreffend wie bei den Italienern von HORRID: OldSweDeath. Die Italiener zelebrieren ihr Schwedenfantum nicht nur dadurch, dass sie Teile ihrer Diskographie im legendären Sunlight Studio aufgenommen haben, sondern auch – und vor allem – in ihrer Musik. Songs wie Land Of No Return, Denied Life oder Kissing The Rotting Cross lassen keine Zweifel ob ihrem favorisierten Genre offen. Da macht es auch wenig, dass HORRID einen Song nochmals von vorne beginnen müssen, weil Drummer Matt seine Gitarristen nicht hört.

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Bitte mit Blut und Schweden Death: Satras (HORRID)

Fronter Satras geht voll in seiner Rolle auf und stachelt die Publikumsmeute mit nacktem Oberkörper zum Headbanging an. Church of Agony widmet er dann NECROPHOBIC. Der HORRID-Gig macht dem NECROPHOBIC-Drummer Joakim Sterner sichtlich Freude und der Umstand, dass man auch mal Ex-DISMEMBER-Bassisten Johan Bergebäck im Publikum entdeckt, gibt der Performance von derart nach alten DISMEMBER-Zeiten klingenden Material eine fast schon surreale Note. Eigenständig sind HORRID natürlich nicht – aber ihre Freude an altem schwedischen Death Metal steckt an und passt an diesem Abend optimal dazu.

Die kurze Umbaupause zu HANDFUL OF HATE wird vom DJ wiederum mit uraltem, geilem ROTTING CHRIST-Black Metal beschallt. Das Italienklischee der Unpünklichkeit und Desorganisation treten NIHIL PRODUCTIONS mit Füßen: Lang gefackelt wird nicht, die Wechsel zwischen den Bands gehen reibungslos und speditiv über die Bühne, so dass man nicht lange herumzustehen braucht, sondern sich ganz auf die

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Nur wenige bewegende Ausbrüche: HANDFUL OF HATE 

Musik konzentrieren kann. Nach technischem Death Metal und der modrigen Schwedenvariante ist es gegen halb zehn Zeit für Black Metal.

Dieser wird an diesem Abend von HANDFUL OF HATE repräsentiert, die mit You Will Bleed ein neues Album im Gepäck haben, das es zu präsentieren gilt. Dies geschieht inklusive Corpsepaint und die Italiener gehen mit Ernst an die schwarzmetallische Aufgabe heran. Dieser Ernst greift auch auf das Publikum über. Statt Mitbangfreude wie bei HORRID sind verschränkte Arme und finstere Gesichter angesagt im nunmehr mittelmässig gut gefüllten Club 71. In der vordersten Reihe gibt es aber dennoch etwa zehn frenetisch mitbangende HANDFUL OF HATE-Die Hard-Fans. Musikalisch sind HANDFUL OF HATE vor allem in Midtempo-Schwarzmetallgefilden unterwegs, Tempoausbrüche gibt es nur selten. Während den langsameren Parts bangt die Band energisch mit und nicht nur Songs wie You Will Bleed und Vicecrown ernten Jubel und Applaus. Frontmann Nicola Bianchi macht schlichte Ansagen auf Italienisch und verzichtet auf ausladende satanische Ansagen. Nach HORRID wirken HANDFUL OF HATE zwar etwas zahm, aber spielerisch kann die Black Metal-Truppe definitiv einen soliden Gig für sich verbuchen.

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Riffbrettflitzereien für Satan: Sebastian (NECROPHOBIC) 

Um Genrebezeichnungen braucht sich der schwedische Headliner an diesem Abend keine Gedanken zu machen. NECROPHOBIC haben sich in ihrer 20jährigen Bandgeschichte längst als die Band etabliert, welche Blackened Death Metal in Ausnahmemelodien kleidet und nach wenigen Tönen eindeutig identifizierbar ist wegen ihrer Eigenständigkeit. Daran ändert auch das neue Album Death To All nichts und der Gig in Milan ist die letzte Möglichkeit, die Stockholmer vor ihrer Europatour im Rahmen des BONECRUSHER FEST mit THE BLACK DAHLIA MURDER nochmals live und als Hauptact zu genießen.

Zu ihrem Intro The Darkened Psalm betreten NECROPHOBIC die Bühne und werden sogleich mit Applaus empfangen. Rituell mutet der Auftakt ihres Auftritts an, einschüchternd-feierlich. Umso intensiver fährt einem dann die Eröffnungshymne For Those Who Stayed Satanic ein – ein wahrer Donnerschlag. Frontmann Tobias Sidegård wirft sich mit Wucht nach vorn, schüttelt sein Haupt – und Asche stäubt aus seinem Haar, als wäre er just seinem kalten Grab entstiegen. Ein toller, eigener Effekt, denn kaum erklingt seine Stimme, denkt man unweigerlich an BATHORYs Call From The Grave. Diese Assoziation wird zudem von den Bühnenrequisiten – Schädelkreuze vor Mauern inklusive Necrogramm – genährt. Subtile visuelle Extras, die dank der individuellen, innovativen NECROPHOBIC-Note tüchtig einfahren und dem Auftritt eine eigene Atmosphäre verleihen.

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Mutig und charismatisch: Tobias

Allerdings schafft es bereits die Musik NECROPHOBICs allein, eine einnehmende Atmosphäre zu schaffen. Into Armageddon und The Crossing zeigen die Grösse älterer Alben der Schweden und beweisen, dass sie schlicht keinen einzigen schlechten Output in ihrer Discographie haben. Danach holt das Quintett aus zum Death To All-Dreierschlag: Revelation 666, La Santisima Muerte und Celebration Of The Goat lassen das Herz eines jeden Satanisten höher schlagen. Die italienischen Fans sind mit südländischem Feuer dabei und Sebastian Ramstedts Italienischkenntnisse im Wortfeld Jesusgeschlechtsteil – Cazzo di Christo – stoßen wie auch schon beim Gig in Lugano vor zwei Jahren auf Begeisterung bei der italienischsprachigen Meute. Spielerisch überzeugt der Leadgitarrist ebenfalls – Riffbrettflitzereien, Tapping, Soli und eindringliche Backing Vocals begeistern genauso wie die sichtbare Hingabe zur Musik.

Diese leben auch die anderen Mitglieder NECROPHOBICs voll aus. Bassist Alexander Friberg ist seit dem Weimargig Ende Oktober wieder voll genesen und liefert mit furchterregend-einschüchterner Miene ein saftiges Fundament der tiefen Töne. Gitarrist Johan Bergebäck schreddert sich unbarmherzig durch die schwedischen Riffbretter und glänzt nicht nur während dem Übersong Blinded By Light, Enlightened By Darkness vom Meisterwerk Hrimthursum. Joakim Sterner mag hinter seinem Drumkit zwar wenig Licht für sich haben, doch den rhythmischen Herzschlag liefert er auch während Awakening… vom The Nocturnal Silence-Werk so, wie es sein muss: authentisch und druckvoll. Die Mailänder Fans geben sich als diskographisch belesen und brüllen und bangen sowohl bei älteren wie auch neueren Tracks begeistert mit.

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Gitarrenschreddern statt Religion: Johan 

Voll in seiner Rolle aufgehen tut an diesem Abend der sichtlich fitte Frontmann Tobias, der auch um ein Anecken nicht verlegen ist. Während er die Ansage zu Nailing The Holy One früher primär dazu nutzte, seine Abscheu gegen das Christentum kundzutun, weitet er an diesem Abend seine antireligiöse Botschaft aus und richtet sich konsquenterweise gegen sämtliche Untergruppen des Christentums, Orthodoxe und Muslime. Somit kriegen alle organisierten Religionen kurz und knapp ihr Fett weg (We fucking hate that shit) und es wird berücksichtigt, dass nicht nur das Christentum Leid über die Menschen gebracht hat. Nailing The Holy One knallt tüchtig und die hitzige Meute ist nicht um einen Moshpit verlegen. Die Mailänder sind mit Energie dabei, applaudieren, fordern mehr – und kriegen das Aleister Crowley-affine Dreams Shall Flesh vorgesetzt.

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 Wieder fit: Bassist Alex Friberg

NECROPHOBIC lassen sich von der Stimmung zu weiteren satanischen Schandtaten anstacheln und setzen zum Auftrittsabschluss mit ihrem Hit The Nocturnal Silence vom gleichnamigen Durchbruchsalbum an. Die Bühne erlaubt es, die Nähe zum Publikum zu suchen. Sei es Tobias, der praktisch in der Menge badet oder Sebastian, der mit seiner schmucken, alten rot-schwarzen Gibson Flying V die vordersten Reihen zu segnen scheint – da gibt es in Bühnennähe keinen mehr, der mit verschränkten Armen der steinernen Schwarzmetallpose verhaftet bleibt. Dazu die Haarasche auf dem Bühnenboden, ungetriggerte Drums und immer wieder die charismatische Stimme NECROPHOBICs: Schmutz, Satan und Songs mit Seele – einfach nur exzellent.

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Cazzo di Christo rufen und als Zugabe I Strike With Wrath spielen- Italienischkurs à la Sebastian Ramstedt und NECROPHOBIC

Während nach The Nocturnal Silence jeweils Schluss ist, lässt die Mailänder Meute die Stockholmer Death Metal-Truppe nicht gehen. Hungrig und laut wird nach mehr verlangt. Vehement. Und für einmal kehrt keine nächtliche Stille ein, sondern Sebastian auf die Bühne zurück. Mehrere Schreie später folgt auf Cazzo di Christo eine weitere Tat: I Strike With Wrath vom Hrimthursum-Album beschliesst diesen ausgezeichneten Auftritt NECROPHOBICs. Soviel Feuer, soviel Leidenschaft – die Zeichen für die Januartour stehen auf Sturm made in Stockholm!

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Layout und Fotos: Arlette Huguenin D.
Flyer: NIHIL PRODUCTIONS

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