MAROON: Wir sind doch alle so feminin!

Mit ihrem nunmehr fünften Studiowerk "Order" räumen die Nordhausener MAROON derzeit bei Fachpresse und Fans gleichermaßen ab. Auch ich fand nach kurzer Einlaufzeut Gefallen an der neu entdeckten Experimentierfreudigkeit und der daraus resultierenden Stilvielfalt, die das neueste Werk der deutschen Metalcore-Institution verspricht. Keine Frage also, dass man da noch ein bisschen genauer nachhaken muss, um den vielen Neuerungen im Soundgewand auf den Grund zu gehen. Auf elektronischem Weg gab mir Bassist Tom-Eric Moraweck Auskunft über entblösste Frauenkörper,krasse T-Shirts, Fanatismus und in welchem Verhältnis das alles zur neuen Platte steht.

Mit ihrem nunmehr fünften Studiowerk “Order” räumen die Nordhausener MAROON derzeit bei Fachpresse und Fans gleichermaßen ab. Auch ich fand nach kurzer Einlaufzeut Gefallen an der neu entdeckten Experimentierfreudigkeit und der daraus resultierenden Stilvielfalt, die das neueste Werk der deutschen Metalcore-Institution verspricht. Keine Frage also, dass man da noch ein bisschen genauer nachhaken muss, um den vielen Neuerungen im Soundgewand auf den Grund zu gehen. Auf elektronischem Weg gab mir Bassist Tom-Eric Moraweck Auskunft über entblösste Frauenkörper, krasse T-Shirts, Fanatismus und in welchem Verhältnis das alles zur neuen Platte steht.

Erstmal Gratulation zum neuen Album, das man wohl zweifellos als euer bisher erwachsenstes und reifstes Werk bezeichnen kann. Wo siehst du selbst die größten Fortschritte im Vergleich zum Vorgänger?

Ich weiß nicht so genau. Wenn man da selbst so tief drinsteckt wie ich, kann man das gar nicht mehr so objektiv betrachten. Ich hoffe einfach, das neue Album ist besser als alles davor. Wir versuchen immer, das Beste aus uns herauszuholen und ich glaube das ist uns diesmal wieder gelungen. Es ist einerseits noch abwechslungsreicher, auf der anderen Seite aber auch wieder ein Stück eingängiger als das letzte Album! Ansonsten können das die Hörer wohl besser beurteilen als ich.

Nach allem, was ich bisher gelesen habe, ist die Resonanz auf “Order” geradezu überwältigend. Ganz ehrlich, habt ihr mit so einem deutlichen Echo überhaupt gerechnet?

Nein, sicher nicht. Denn gerade kurz bevor die ersten Reviews reinfliegen, plagen einen die größten Selbstzweifel und man fängt an zu denken, dass es doch keinem gefällt und dass alles nur Scheiße ist, ha ha! Es ist jedes Mal sehr erleichternd, wenn von irgendwelchen Journalisten die ersten Kommentare zur Platte kommen und die dann auch noch positiv sind! Aber diesmal war es wirklich ein positiver Schlag ins Gesicht. Die Platzierungen in den großen Magazinen sind super, durchweg alle Reviews sind mehr als perfekt und sogar der Kerrang! in England findet die Platte okay, ha ha! Also, ich bin sehr froh und glücklich über die Reaktionen.

Das Cover-Artwork zeigt Frauen mit entblößten Oberkörpern, die zum erleuchteten Himmel aufsehen, wo das MAROON-Banner prangt. Im verlängerten ‘R’ meine ich sogar ein Phallus-Symbol zu erkennen. Ein Appell an die Männlichkeit der Bandmitglieder?

Ha ha! Wir sind doch alle so feminin! Also das mit dem Phallus-Symbol kommt von dir, das haben wir auf keinen Fall beabsichtigt. Und so richtig nackt sind die Frauen ja eigentlich nicht. Das Cover passt halt prima zum Thema der Platte und zum Titel. Es geht wieder ziemlich kryptisch zu und dreht sich um Sachen wie Abhängigkeiten von (religiösen) Führern und alles, was damit zusammenhängt. Und da passt die Szenerie auf dem Cover einfach perfekt rein.

“Was mich nervt, ist, dass alles immer alberner wird und der Inhalt fast komplett verschwunden ist.”

Das Album dreht sich um Sachen wie Abhängigkeiten von Führern und alles, was damit zusammenhängt. Und da passt die Szenerie auf dem Cover einfach perfekt rein.

Order” braucht im Vergleich zu den Vorgängern etwas mehr Einlaufzeit. Die musikalische Entwicklung von “The Cold Heart Of The Sun” wurde konsequent fortgesetzt – ein Stück weiter weg vom Standard-Metalcore, hin zu mehr Tiefe und größerer Stilvielfalt. Ist das alles Teil eines natürlichen Entwicklungsprozesses oder gab es dafür einen besonderen Auslöser innerhalb der Band oder eine Veränderung des Songwritingprozesses?

Das passiert wirklich immer automatisch. Wir gehen nie mit irgendwelchen festen Vorsätzen an das Schreiben neuer Songs. Natürlich sagen wir uns am Anfang, dass die Platte anders sein soll als der Vorgänger, einfach weil wir keine Lust haben uns zu wiederholen und immer dasselbe zu machen. Und wir wollen natürlich auch alles noch besser machen als vorher. Aber das war es dann auch schon. Wir fangen dann einfach an und sehen was passiert.

Wie siehst du persönlich die derzeitige Metal- und Hardcore-Szene, in der alle nur noch das Gleiche zu machen scheinen? “Order” ist ja geradezu ein Paradebeispiel, um zu sagen: Seht her, es geht auch ganz anders, ohne sich selbst oder die Szene zu verraten!

Wenn ich ehrlich bin kenne ich mich gar nicht so wirklich in diesen Szenen aus. Ich höre da meistens die alten Sachen, mit denen ich angefangen habe, und kenne kaum neue Bands. Aber natürlich kriegt man da immer was mit und mir fällt auf, dass alles immer schnelllebiger wird. Was eben noch Metalcore war, ist jetzt schon Neo-Grind oder Goines-Core oder wie dieser ganze Mist heißt! Ich weiß nicht wie das klingt, deswegen kann ich dazu nichts sagen. Was mich schon eher nervt, ist, dass alles immer alberner wird und der Inhalt fast komplett verschwunden ist. Das ist natürlich okay, aber es nervt doch, wenn die Kids auf irgendwelche Typen abfahren, die nichts haben außer brutale Breakdowns oder krasse, lustige T-Shirt Designs. Die sollen alle singen worüber sie wollen, mir fehlt bloß jegliche Erklärung warum irgendjemand diesen Mist toll findet!

Mit “Stay Brutal” gibt es aber dann doch einen recht klassischen MAROON-Track, der im Vergleich noch am deutlichsten an alte Zeiten erinnert. Die Entscheidung, gerade zu dieser Nummer ein Video zu drehen, dürfte nicht allzu schwer gefallen sein, oder?

Doch! Wir selber hätten das nicht geschafft. Innerhalb der Band gab es schon eklatant große Unterschiede bei den Vorschlägen für den Videosong! Wir mussten dann einfach Leute aus unserem Umfeld fragen, welcher Song die Platte und uns am effektivsten repräsentiert. Da fiel das Ergebnis dann ziemlich eindeutig aus.

“Ich stelle es mir manchmal noch viel härter vor, derjenige zu sein, der am Ende noch übrig ist.”

Ich finde “Order” aber ehrlich gesagt immer dann am stärksten, wenn ihr euch auf musikalisch neues Terrain begebt. Vor allem “Bleak” finde ich mit seinem langen, atmosphärischen Songaufbau grandios. Handelt der Song von einem Thema wie Sterbehilfe?

So könnte man den Text natürlich auch deuten, klar. Bei diesem Text hat mich der Song “Over and Out” vom letzten ALKALINE TRIO-Album beeinflusst. Da geht es eben darum, dass jederzeit etwas Unvorhersehbares passieren kann und das war es dann! Ich habe versucht, das Ganze weiterzuspinnen und aus der Perspektive derer zu schreiben, die zurückbleiben. Ich stelle es mir manchmal noch viel härter vor, derjenige zu sein, der am Ende noch übrig ist. Verstehst du?

Ja, ich finde, dass der Song dieses Gefühl recht gut einfängt. “Bleak” hat auch ein paar Keyboards im Hintergrund. Habt ihr die Melodien für die Synthies selbst geschrieben? Wer hat sie eingespielt?

Die stammen von Markus Stock. Der ist für die ganze Orchestrierung und die Keyboards zuständig. Der kann das gut durch seine Band THE VISION BLEAK.

Maroon
Ich bin einfach kein großer Fan von deutschem Gesang in harter Musik und deutsche Texte zu schreiben traue weder ich mir, noch Andre sich zu! Vielleicht kommt das irgendwann, aber ich glaube es eher nicht.

Eine der größten Stärken der neuen Platte ist die düstere Atmosphäre, die sich konsequent durchs Album zieht und den Hörer manchmal geradezu erdrücken zu scheint. Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob es auch ein textliches Konzept bzw. ein übergeordnetes Motiv gibt, wie auch der Titel “Order” vermuten lassen könnte.

Also, die düstere Stimmung war diesmal wirklich nicht beabsichtigt. Aber du hast recht, das passt alles gut zusammen. Vielleicht ist es am Ende ja so düster geworden, weil es einfach so sein musste… Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hängen viele der Texte auf der Platte zusammen. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber es geht um die Beziehung zwischen Führern und ihren Anhängern und überhaupt darum, was in manchen Menschen vorgeht, die sich völlig auf eine Person oder eine Gruppe von Menschen einlassen. Das geht ja manchmal soweit, dass das Ganze in einem Massenselbstmord endet. Ich finde einfach die Frage interessant, was einen soweit bringt, sich für eine Sache selbst zu töten. Oder schlimmer noch, sich und seine ganze Familie auszulöschen! Und der Titel, die meisten Texte und auch das Artwork deuten dieses Thema (Sekten, Fanatismus, etc.) schon sehr gut an!

“Es gibt solche Menschen, die blind folgen.”

Die Texte liegen mir leider nicht vor, aber ich nehme an, “This Ship Is Sinking” dreht sich um das Führerprinzip, also die willenlose Unterordnung unter eine Person.

Ja, genau. Das ist ein gutes Beispiel für den Grundtenor der Stimme. Es gibt solche Menschen, die blind folgen. Auch wenn irgendwas nicht mehr ganz so passt in der Ideologie, der sie fanatisch folgen, rücken die sich das irgendwie zurecht. Diese Menschen können irgendwann nicht mehr alleine und demzufolge ohne dieses ideologische Gerüst auch nicht weiter existieren. Deshalb legen sie sich irgendwann ihre eigene Wahrheit zurecht! Das kann sogar soweit gehen, dass sie in ihren Ansichten sogar extremer werden als ihre Führer. Auch dafür gibt es genügend Beispiele.

“Children Of The Next Level” ist ein richtiger Black Metal-Track geworden. Wer ist denn am Anfang des Songs zu hören? Das ist aber nicht Andre, oder?

Nein. Bei diesem Song hatten wir die Unterstützung unserer Freunde Iblis von ENDSTILLE, der am Anfang zu hören ist, und sG von SECRETS OF THE MOON, den man am Ende des Stücks hören kann.

Deutschsprachige Vocals sind ein Novum auf dem neuen Album. War die Gedichtvertonung “Schatten” ein ausdrücklicher Wunsch Andres (Moraweck, Vocals – Anm. d. Verf.)?

Er hatte die Idee, ja. Anfangs war ich davon nicht so wirklich überzeugt und wir haben diesen Song auch nie alle zusammen gespielt, bis wir das Studio betreten haben. Da habe ich dann den Song das erste Mal mit Gesang gehört und war sofort begeistert! Ich kannte Friedrich Rückert (Lyriker; Autor von Schatten – Anm. d. Verf.) bis dahin nur flüchtig, vor allem durch die Vertonung einiger seiner Werke durch Gustav Mahler. Dieses Gedicht ist eben sehr heftig und es passt perfekt in den Song!

Maroon
Wir fühlen uns eigentlich als Support einer größeren Band wohler. Da lastet nicht der Druck auf deinen Schultern, irgendwelche Hallen füllen zu müssen.

Ich finde, die deutschen Lyrics passen überraschend gut zu MAROON. Könnt ihr euch vorstellen, das in Zukunft auszubauen?

Noch nicht. Ich bin einfach kein großer Fan von deutschem Gesang in harter Musik. RAMMSTEIN können das extrem gut, aber dann fällt mir auf die schnelle keine weitere Band ein die so etwas gut umsetzen kann. Und deutsche Texte zu schreiben traue weder ich mir noch Andre sich zu! Vielleicht kommt das irgendwann, aber ich glaube es eher nicht. Was ich mir vorstellen könnte, ist vielleicht noch einmal so eine Sache wie bei “Schatten” zu machen, also vielleicht noch einmal ein Gedicht zu nutzen!

Das kenne ich. Von den JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELEN oder MY COLD EMBRACE mal abgesehen, habe ich oftmals auch so meine Probleme mit deutscher Sprache in der extremen Musik. Die limitierte Auflage von “Order” enthält gleich vier Bonus-Tracks. Es war bestimmt keine leichte Entscheidung, was letztendlich auf das reguläre Album durfte und was nicht.

Nein. Deshalb ist die Platte diesmal auch etwas länger geworden. Wir hatten am Ende die Songs fertig und wollten eigentlich noch einen Song liegenlassen, konnten uns dann aber für keinen entscheiden. Deshalb sind alle drauf. Wir haben bei der Session noch eine Coverversion aufgenommen, die letztendlich einer der vier Bonustracks geworden ist. Der Rest sind alte Songs, die bisher hier in Europa noch nicht veröffentlicht wurden. Es lohnt sich also!

“Wir hatten am Ende die Songs fertig und wollten eigentlich noch einen Song liegenlassen, konnten uns dann aber für keinen entscheiden.”

Jetzt, wo “Order” in den Startlöchern steht, stellt sich natürlich auch die Frage nach einer Tournee zum Album. Ist da nach der Festivalsaison schon etwas geplant? Vielleicht sogar eine richtige Headlinertour?

Ach, wir fühlen uns eigentlich als Support einer größeren Band wohler. Da lastet nicht der Druck auf deinen Schultern, irgendwelche Hallen füllen zu müssen. Zumal heutzutage große Paket-Touren sowieso viel besser funktionieren. Und ja, eine solche Paket-Tour ist für den Dezember geplant. Da wird aber noch nichts verraten!

Zum Abschluss habe ich noch eine Frage, die zwar nicht ins Konzept passt, mir aber schon lange unter den Fingernägeln brennt: Basiert der Text zum Song “Annular Eclipse” vom Album “When Worlds Collide” auf dem amerikanisch-spanischen Horrorfilm “Darkness” mit Giancarlo Giannini? Insbesondere die zweite Strophe scheint mir fast unverändert aus dem Film übernommen zu sein.

Tja, diese Frage wird dir wohl noch weiter unter den Nägeln brennen müssen, da der Text von Andre stammt. Ich weiß aber, dass ihm beim Schreiben ein Film als Vorlage diente, weshalb es sehr gut sein kann, dass es dieser Film war. Ich habe den Namen “Darkness” auch schon mal gehört, aber ich selbst kenne den Film gar nicht. Aber ich glaube, Andre hat von diesem Film im Zusammenhang mit dem Text mal gesprochen. Du liegst also sicherlich genau richtig!

Pressefotos © 2009 Nina Kolle

Cover-Artwork © 2009 Century Media

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