END OF GREEN: Elf Freunde müsst ihr sein (Listeningsession zu "Dead End Dreaming")

Da hatten sich die Finsterrocker von END OF GREEN solche Mühe gegeben, die Chapel in Göppingen stilecht für die CD-Präsentation im Beerdigungskontext herzurichten, und Petrus konterte trocken mit üppigen 35 Grad und Sonnenschein, sodass nicht wenige der Anwesenden Probleme gehabt haben dürften, sich auf den Nachfolger des dunkel schimmernden Juwels "Last Night On Earth" einzulassen. Doch die Jungs mussten in ihrer Karriere schon ganz andere Hindernisse überwinden…

Da hatten sich die Finsterrocker von END OF GREEN solche Mühe gegeben, die Chapel in Göppingen – eine ehemalige Kirche, die einigen vom DOOM SHALL RISE-Festival her ein Begriff sein dürfte – stilecht für die CD-Präsentation im Beerdigungskontext herzurichten, und Petrus kontert trocken mit üppigen 35 Grad und Sonnenschein, sodass nicht wenige der Anwesenden Probleme gehabt haben dürften, sich auf den Nachfolger des dunkel schimmernden Juwels Last Night On Earth einzulassen. Auch üppig ausgelegte Rosen, Grablichter und Altar halfen da nicht mehr viel, einzig das Büffet mit Pentagrammbrötchen und giftgrünen Muffins machte Appetit auf END OF GREEN-Kost. Doch die Jungs mussten in ihrer Karriere schon ganz andere Hindernisse überwinden, zudem hatten sie elf Freunde dabei, die ihnen Schützenhilfe bei der Bekehrung der Journaille leisteten. Die Aufstellung im Einzelnen:

Nummer 1: No Coming Home

Beim Anstoß verhalten sich END OF GREEN ganz schön keck: Nachdem die Band sich bislang vehement gegen TYPE O NEGATIVE-Vergleiche gesperrt hat, legt Sänger Michael Huber gleich mal mit tiefer gelegter Grabesstimme los – und doch wird sofort klar, dass hier END OF GREEN am Drücker sind und keine halbgare Coverband. Der simple, effektive Stampfvers – wozu braucht man mehr als drei Akkorde? – geht in einen drückenden Refrain über, der von einer typischen Hookline gekrönt wird. Blitzstart!

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Pentagrammbrötchen und giftgrüne Muffins machten Appetit auf END OF GREEN-Kost

Nummer 2: Dead End Hero

Der Quasi-Titeltrack überzeugt mit mächtigen Grooves und im Kontrast dazu cleanen Gitarren, macht ansonsten anhand des sofort ins Ohr stürmenden Refrains unmissverständlich klar, dass END OF GREEN mittlerweile eine breite stilistische Basis besitzen, auf der sie auch über mehrere Alben hinweg mitreißend und höchstklassig musizieren können. Never change a winning team…

Nummer 3: Speed My Drug

Der Name ist Programm, zumindest der erste Teil. Flott rocken die Göppinger durch den dritten Volltreffer in Folge. Einziger Kritikpunkt wären höchstens die etwas steril klingenden Akustikgitarren und die getriggerte Bassdrum. Ansonsten präsentieren sich END OF GREEN bis hierher noch kompakter und schnörkelloser, als sie es eh schon waren.

Nummer 4: Cure My Pain

Jetzt wird erstmal der Zementmischer angeschmissen, Lavariffs quälen sich aus den überlasteten Boxen und lassen Erinnerungen ans Doom Shall Rise aufkommen. Wie schon zuvor liefert Michael Huber eine 1A-Gesangsleistung ab, die alle Schattierungen von Schwarz durchläuft, als er sich immer intensiver in die zu heilende Pein reinsteigert. Bei schlechterem Wetter garantiert ein Klassiker!

Nummer 5: Weakness

Es folgt die größte Überraschung des Albums, und das ausgerechnet bei Weakness, das sich schon seit Jahren in einer rockig abgehenden Version einen Stammplatz im Liveprogramm erspielt hatte. Was zuvor ein grober und packender, live aber irgendwie etwas eindimensionaler und vorhersehbarer Track war, entpuppt sich plötzlich als Defensivstar. Zwar trommelt Schlagzeuger Matthias Siffermann um sein Leben, aber die Gitarrenstimmen der Dreierspitze an den Saiten offenbaren plötzlich differenzierte Details, und überhaupt wirkt der Song bewusst verhalten, fast schon scheut er vor seinem eigenen Hitpotential zurück. Zwischen der oberflächlichen Wut scheinen immer deutlicher Verzagen und Verzweiflung durch, während sich die Fäuste in den Taschen ballen. Man kann den inneren Kampf fast schon körperlich spüren…enorm hohe atmosphärische Dichte!

Nummer 6: Sad Song

Nanu, was soll denn das? Dur-Akkorde in einem END OF GREEN-Lied? Wo kommen wir denn da hin, hehe? Haben die sich verirrt? Nein, sie bieten eine weitere Klangfarbe, die sich wunderbar mit den dominanten Mollklängen reibt – sowohl beim ruhigen Anfang als auch später, als der Song sich hin zu einem flächigen, epischen Refrain öffnet. Spielaufbau: Weltklasse!

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Mit ihrem neuen Album auf einem Triumphzug – END OF GREEN

Nummer 7: So Many Voices

Nach abgehackten Rhythmen zu Beginn entwickelt sich So Many Voices wegen seines zu simpel gestrickten Pop-Appeals zum Fehlschuss, denn irgendwie mangelt es diesem Track an der Besessenheit und Kompromisslosigkeit sonstiger END OF GREEN-Großtaten. Dabei sind die Zutaten die bewährten Trademarks der Band, doch die letztendliche Ausrichtung zielt ins Abseits.

Nummer 8: Sick One

Umso schöner, dass Sick One im Anschluss mit einer klasse Bridge zeigt, wie die SISTERS OF MERCY die Weltherrschaft zurückerobern könnten. Der restliche Song ist ähnlich wie Weakness eine melancholische Rocknummer, die Drive und Atmosphäre zugleich besitzt.

Der Auswechselspieler: Farewell Song

Als Nächstes bekommt die versammelte Metal-Gemeinde einen Song zu hören, der auf der endgültigen Version von Dead End Dreaming lediglich auf der Auswechselbank Platz nehmen, sprich nicht auf dem eigentlichen Release zu hören sein wird und vermutlich auf seine Chance als Bonustrack wartet. Doch ob er die nutzen kann, ist fraglich, denn trotz eingängigem Refrain fehlen ein wenig die Ecken und Kanten.

Nummer 9: She´s Wild

Auch wenn der Titel eventuell Ekstase verheißt, klingt She´s Wild eher nach Beziehungsstress oder gar Beziehungsunfähigkeit. Eine einsame Akustikmelodie versucht sich gegen die Groovewand von Bass und Drums durchzusetzen, während eine weitere Sternstunde von Michael Huber schlägt. Ständig erwartet man den Ausbruch in verzweifelt rockende Elegie, doch die Band lässt den Song geschickt unter der vermeintlich ruhigen Oberfläche brodeln, ohne dass ein Befreiungsschlag in der Gestalt von verzerrten Gitarren die Spannung auflöst.

Nummer 10: Drink Myself To Sleep

Keine Frage: Wäre dieser Song ein Fußballer, er bekäme von mir die Rückennummer 10! Da passt einfach alles bei diesem Deprirocker. Die Zweideutigkeit des Schlafes in der Titelmetapher äußert sich musikalisch in der perfektionierten Ambivalenz zwischen rückhaltlosem Feiern bis zum Untergang und der desillusionierten Verzweiflung eines gebrochenen Charakters – hinzu kommt die Stärke im Abschluss in Form eines wuchtigen Finales.

Nummer 11: All About Nothing

Was wäre eine END OF GREEN-Platte ohne einen langen Abschlusstrack, der einem selbst bei subtropischen Verhältnissen jegliche Lebenslust aus den geschundenen Knochen saugt? Das Tempo wird runtergefahren, während Michael Huber endgültig zeigt, dass er seine Stimme mittlerweile in allen Lagen passgenau einsetzen kann. Egal, ob KATATONIA-artiges Leiden oder Trauergesänge aus den tiefsten Katakomben, immer trifft er die Stimmung hundertzehnprozentig. Gegen diesen Song ist Marvin aus Per Anhalter durch die Galaxis ein Optimist!

Fazit: 10:0, eine Auswechslung und ein vergebener Elfmeter für END OF GREEN in einem hitzigen Spiel – macht insgesamt einen Triumphzug, der im von gecasteten Pseudobands und poppiger Verwässerung geplagten Gothicbereich der letzten Jahre für frischen Wind sorgen dürfte und zusammen mit Paradise Lost von gleichnamiger Band derzeit einsam an der Spitze steht.

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